Leitsatz (amtlich)
Eine Kapitalgesellschaft erzielt - auch im Falle beschränkter Steuerpflicht - keine Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit.
Normenkette
EStG § 49 Abs. 1 Nr. 3, § 50a Abs. 4; EStDV § 73g
Tatbestand
Streitig ist die haftungsweise Inanspruchnahme der Revisionsklägerin durch den Revisionsbeklagten (das FA) für die Körperschaftsteuer 1961, die nach Ansicht des FA von der für die Revisionsklägerin tätig gewesenen Beigeladenen, einer us-amerikanischen Kapitalgesellschaft, für den Veranlagungszeitraum 1961 geschuldet wird. Die Beigeladene war für die Revisionsklägerin als Industrieformgestalter (Designer) tätig; eine Betriebstätte unterhielt sie im Streitjahr (1961) in der BRD nicht. Die ihr von der Revisionsklägerin im Jahre 1961 gezahlten Vergütungen hatte das FA mit Haftungsbescheid vom 15. Dezember 1966 gemäß § 50a Abs. 4 Buchstabe a EStG, § 73g EStDV und § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG zur Steuer herangezogen. Es sah die Tätigkeit des Hauptgesellschafters und Geschäftsführers der Beigeladenen als eine künstlerische Tätigkeit und seine Tätigkeit als die Tätigkeit der Kapitalgesellschaft allein bestimmend an.
Einspruch und Klage der Revisionsklägerin blieben ohne Erfolg. Die Entscheidung des FG ist in den EFG 1970, 168 veröffentlicht. Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Revisionsklägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben, in der Sache selbst zu entscheiden oder die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Zur Begründung läßt sie u. a. vortragen:
Die von der Beigeladenen für die Revisionsklägerin ausgeführte Formgestaltung sei Teamwork. Das Team bestehe aus dem weder schulmäßig noch als Autodidakt vorgebildeten Geschäftsführer und Hauptgesellschafter der Beigeladenen sowie zwei ausgebildeten, bei ihr angestellten Formgestaltern. Der Geschäftsführer sei dabei mehr als Manager anzusehen, der die Verhandlungen mit den Auftraggebern führe, der nach us-amerikanischer Anschauung als Nichtfachmann und Außenseiter unbefangen und deshalb weniger gefährdet sei, sich in Details zu verlieren, der nach deutscher Auffassung dagegen in der Regel als Gewerbetreibender behandelt werde (Abschn. 135 Abs. 3 EStR). Das FG hätte mangels einer selbständigen Tätigkeit des Geschäftsführers der Kapitalgesellschaft im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht zur Annahme von Einkünften aus selbständiger Arbeit bei der Beigeladenen kommen können, so daß die Inanspruchnahme der Revisionsklägerin entfalle.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des Haftungsbescheides vom 15. Dezember 1966.
Ebenso wie die Hingabe von Erfahrungen (siehe Urteil des BFH I R 140/66 vom 4. März 1970 BFH 98, 420, BStBl II 1970, 428) kann auch die Betätigung als Industriedesigner nach innerdeutschem Recht sowohl zu Einkünften aus Gewerbebetrieb als auch zu Einkünften aus selbständiger Arbeit führen, je nachdem, ob diese Betätigung im Rahmen eines gewerblichen Betriebs oder in freier Berufsausübung erfolgt. Das gilt auch bei Anwendung der isolierenden Betrachtungsweise.
1. Die isolierende Betrachtungsweise knüpft an den objektsteuerartigen Charakter der beschränkten Steuerpflicht an. Obwohl sich die beschränkte Steuerpflicht ebenso wie die unbeschränkte Steuerpflicht auf alle Einkünfte erstreckt, die dem Steuerpflichtigen aus einer der in § 2 Abs. 3 EStG genannten Einkunftsaren (als Steuerquellen verstanden) zufließen, läßt sie dennoch in § 50 EStG die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen weitgehend außer Betracht und stellt sie in § 49 EStG allein auf diejenigen Einkünfte ab, die dem Steuerpflichtigen aus einer der dort genannten Quellen im Inland zufließen (BFH-Urteil I 112/57 S vom 20. Januar 1959, BFH 68, 340, BStBl III 1959, 133). Damit legt die isolierende Betrachtungsweise das Schwergewicht auf das objektive Wesen der im Inland bezogenen Einkünfte.
2. So verstanden verlangt die isolierende Betrachtungsweise in Ansehung bestimmter Einkünfte des beschränkt Steuerpflichtigen die Prüfung der sie bedingenden Tätigkeit auf ihren inneren Gehalt und die ihm entsprechende Einordnung dieser Einkünfte nach § 15 oder § 18 EStG.
Die isolierende Betrachtungsweise kann indes - wie der erkennende Senat im Urteil I R 140/66 (a. a. O.) ausgeführt hat - mit ihrer Anknüpfung an das objektive Wesen der aus dem Inland bezogenen Einkünfte nur in solchen Fällen zu sinnvollen Ergebnissen führen, in denen die Verhältnisse im Inland eine abschließende Beurteilung dahin gestatten, ob die in Frage stehenden Einkünfte einer der in § 49 EStG genannten Einkunftsarten zuzuordnen sind. Ist - wie im vorliegenden Streitfall - nur ein Teil des vom FA als erfüllt angesehenen gesetzlichen Steuertatbestandes im Inland verwirklicht, der nicht erkennen läßt, ob der zu beurteilende Sachverhalt unter die Einkunftsart des § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG (in Verbindung mit § 15 KStDV) fällt, so müssen die im Ausland gegebenen Verhältnisse insoweit mit in die Betrachtung einbezogen werden, als dies erforderlich ist, um die Einkünfte ihrem objektiven Wesen nach zu bestimmen.
Der Senat kann es dahingestellt lassen, ob die Tätigkeit eines Industriedesigners als eine künstlerische Tätigkeit anzusehen ist, da es hierauf für die Entscheidung nicht ankommt.
a) Der Senat hat in seinem Urteil I R 140/66 (a. a. O.) ausgeführt, daß die Zuordnung der aus einer bestimmten Tätigkeit fließenden Einkünfte zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) insoweit ausgeschlossen ist, als eine solche Zuordnung nur über die Anwendung der Subsidiaritätsklauseln (z. B. § 20 Abs. 3, § 21 Abs. 3, § 22 Nr. 3 und § 23 Abs. 3 EStG) oder in Anwendung des § 16 KStDV möglich wäre. Er hat des weiteren ausgeführt, daß diese Betrachtung aber auf Fälle der vorliegenden Art schon deshalb nicht anwendbar ist, weil die Tatbestände des § 15 EStG und des § 18 EStG nicht im Verhältnis der Subsidiarität stehen, vielmehr einander ausschließen, so daß auch die isolierende Betrachtungsweise nicht dazu führen kann, an Stelle des einen den anderen als Besteuerungsgrundlage heranzuziehen.
b) Der Senat hat in seinem Urteil I R 137/68 vom 16. Dezember 1970 (BFH 101, 73, BStBl II 1971, 200) ausgeführt, daß die Zuordnung der aus einer bestimmten Tätigkeit fließenden Einkünfte zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) insoweit ausgeschlossen ist, als es in der Person des Tätigwerdenden in Ansehung dieser Einkünfte an der Erfüllung des Begriffs der selbständigen Arbeit fehlt, an den § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG durch den Hinweis auf § 18 EStG anknüpft. An dieser Beziehung zum Begriff zur selbständigen Arbeit fehlt es, wenn ein Dritter im Ausland das Recht auf Verwertung des Produkts selbständiger Arbeit erworben hat und dieses Recht durch entgeltliche Übertragung auf einen anderen im Inland verwertet.
c) Was in diesem Zusammenhang die Frage nach dem möglichen Zufließen von Einkünften aus selbständiger Arbeit betrifft, wenn der Tätigwerdende eine ausländische juristische Person, insbesondere eine ausländische Kapitalgesellschaft ist, so hat der RFH es in seinem Urteil I A 244/32 vom 29. Januar 1935 (RStBl 1935, 759, 762) noch dahingestellt gelassen, ob die Tätigkeit einer beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Gesellschaft (einer juristischen Person) überhaupt als eine "sonstige selbständige Berufstätigkeit" im Sinne von § 35 EStG 1925 gewertet werden könne. Nachdem indes der RFH in seinem Urteil VI A 208/36 vom 5. August 1936 (RStBl 1936, 1132) ausgesprochen hatte, daß Einkünfte aus den in § 3 Nr. 3 bis 11 EStG 1925 aufgezählten Einkunftsarten, die innerhalb eines ausländischen Gewerbebetriebs anfallen, für den im Inland keine Betriebstätte besteht, so zu versteuern seien, als ob sie außerhalb eines gewerblichen Betriebs angefallen wären, zog er daraus in seinem Urteil I 72/43 vom 22. Mai 1944 (RStBl 1945, 43) die Folgerung, daß bei den ausländischen Körperschaften die Rechtsform die Besteuerung nicht hindern dürfe, "daß also erforderlichenfalls die Zuweisung zu den einzelnen Einkunftsarten ohne Rücksicht auf die Rechtsform des Einkommensbeziehers erfolgt".
Dem kann der erkennende Senat insoweit nicht folgen, als auch hier die in § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG enthaltene Verknüpfung mit dem Begriff der selbständigen Arbeit ein Zufließen von Einkünften aus selbständiger Arbeit ausschließt, da eine Kapitalgesellschaft schlechterdings keine Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) erzielen kann. Das gilt auch in Ansehung ihrer Mitarbeiter wie der Person ihres Vorstands oder Geschäftsführers. Betätigungen, die zu Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit führen können, sind begriffsnotwendig natürlichen, selbständig tätigen Personen vorbehalten, wie die Vorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG insbesondere mit ihrem Katalog der freiberuflich Tätigen deutlich macht.
Wenn der Senat dies nicht schon in seinem Urteil I R 140/66 (a. a. O.) zum Ausdruck gebracht hat, so allein deshalb, weil der Fall es angesichts des Zusammenhanges der streitigen Einkünfte mit dem Gewerbebetrieb der Steuerpflichtigen nicht erforderte.
3. Da im Streitfalle danach die Voraussetzungen des § 50a Abs. 4 EStG für eine Heranziehung der Revisionsklägerin nicht erfüllt waren, waren die Vorentscheidung und der angefochtene Haftungsbescheid aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 69582 |
BStBl II 1971, 771 |
BFHE 1972, 153 |