Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Unternehmereigenschaft des geschäftsführenden GbR-Gesellschafters bei Einsatz des eigenen Pkw gegen Auslagenerstattung
Leitsatz (NV)
1. Vereinbart eine GbR (Anwaltssozietät) mit einem Gesellschafter, daß die Kosten für den bei der Geschäftsführung vom Gesellschafter eingesetzten (eigenen) Pkw von der Gesellschaft nach der Anzahl der gefahrenen Kilometer pauschal erstattet werden, ist diese Vereinbarung nicht als Grundlage für die Ausführung entgeltlicher (Vermietungs-)Leistungen des Gesellschafters zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 9. September 1993 V R 88/88, BFHE 172, 231, BStBl II 1994, 56).
2. Die Abrede über den Auslagenersatz führt auch nicht zu einem Leistungsaustausch hinsichtlich der Geschäftsführungstätigkeit.
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Rechtsanwalt Mitglied einer Anwaltssozietät. Bei beruflich veranlaßten Fahrten benutzte er einen in seinem Eigentum stehenden Pkw. Im Sozietätsvertrag heißt es dazu:
Als Auslagen werden aus der Gemeinschaftskasse die Spesen für etwaige Reisen im Interesse der Praxis vergütet. Dabei hat jeder Vertragspartner Anspruch auf die gesetzlich in der Gebührenordnung festgelegten Tagegelder in der Höhe, in welcher sie steuerlich als Ausgaben anerkannt werden, und auf Ersatz der Übernachtungskosten. Für Bahnfahrten wird die 1. Wagenklasse vergütet, bei Benutzung eines Kraftfahrzeugs erhält Herr A (Kläger) 0,40 DM pro km.
Für die Jahre 1986 und 1987 erklärte der Kläger Umsätze wegen Vermietung seines Pkw an die Sozietät und aus dem Verkauf von zwei Fahrzeugen. Die beim Erwerb von zwei Pkw in Rechnungen gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer machte er als abziehbaren Vorsteuerbetrag geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) verneinte einen Leistungsaustausch hinsichtlich des jeweiligen Pkw sowie die Unternehmereigenschaft des Klägers. Die in den Rechnungen über den Verkauf der Pkw gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer setzte das FA gemäß § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 fest. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1994, 60). Es vertrat die Auffassung, der Kläger habe keine Leistungen an die Sozietät (Gesellschaft bürgerlichen Rechts -- GbR --) ausgeführt. Denn er habe den Pkw allein aufgrund seines Eigentums genutzt, ohne daß der GbR ein Bestimmungs- oder Nutzungsrecht zugestanden hätte.
Mit der Revision beantragt der Kläger, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die negative Umsatzsteuer für die Streitjahre in der von ihm erklärten Höhe festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG ist zu Recht zu der Auffassung gelangt, der Kläger habe an die Sozietät keine Leistungen durch Nutzungsüberlassung ausgeführt, die seine Unternehmereigenschaft hätten begründen können. Wie der Senat in seinem Urteil vom 9. September 1993 V R 88/88 (BFHE 172, 231, BStBl II 1994, 56) dargelegt hat, setzt die Annahme einer sonstigen Leistung durch Überlassung der Nutzung eines Gegenstandes voraus, daß der Leistungsempfänger die Möglichkeit hat, den Gegenstand für seine Zwecke zu nutzen.
Der Kläger hat der Gesellschaft kein Nutzungsrecht an seinem Pkw zugewendet; die Gesellschaft konnte nicht über den Einsatz des Pkw bestimmen. Die Benutzung des Pkw durch den Kläger im Rahmen seiner Geschäftsführung beruhte nicht darauf, daß die Gesellschaft den Pkw angemietet und dem Kläger zum Zwecke der Ge schäftsführung zur Verfügung gestellt hatte. Der Kläger benutzte den Pkw vielmehr aus seinem Recht als Eigentümer. Er bediente sich seines Pkw, um die Geschäfte der Gesellschaft zu führen. Der durch den Einsatz des Pkw entstandene wirtschaft liche Nutzen ist der Gesellschaft nur mittelbar zugeflossen; er ist wertmäßig im Nutzen der Geschäftsführungstätigkeit enthalten. In bezug auf den Pkw selbst hat der Kläger keine Leistungen an die Gesellschaft ausgeführt. Es ist insoweit ohne Bedeutung, daß der Kläger eine nach der Fahrleistung des Pkw bemessene Zahlung erhielt. Diese Zahlung betrifft seine Ge schäftsführungstätigkeit insgesamt.
Der Senat hält trotz der Kritik von Volker Schmidt in Umsatzsteuer-Rundschau (UR) 1994, 221 und nach Überprüfung an der vorstehenden Ansicht fest.
2. Die Unternehmereigenschaft des Klägers wurde auch nicht dadurch begründet, daß er entsprechend seiner Beitragspflicht die Geschäfte der Sozietät führte.
a) Nach dem Senatsurteil vom 17. Juli 1980 V R 5/72 (BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622; vgl. auch Senatsurteil vom 4. November 1982 V R 4/77, BFHE 137, 197, BStBl II 1983, 156) ist die Führung der Geschäfte einer Personengesellschaft -- gleichgültig ob entgeltlich oder unentgeltlich -- keine gegenüber einem anderen erbrachte Leistung i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980. Zwar können Gesellschafter und Gesellschaft verschiedene Umsatzsteuerrechtssubjekte sein. Ein Leistungsaustausch zwischen ihnen ist möglich. Die Leistung eines Gesellschafters an die Gesellschaft ist aber nach der in BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622 vertretenen Auffassung dann nicht an ein anderes Rechtssubjekt gerichtet, wenn das Verhalten (Tun, Unterlassen, Dulden) des Gesellschafters der Gesellschaft als eigenes zugerechnet wird. Dies ist bei der Geschäftsführung der Fall. Hierbei handeln die Gesellschafter an Stelle der Gesellschaft, sie leisten nicht an diese. Die Gesellschaft verkörpert sich im Verhalten der Gesellschafter.
b) Selbst wenn eine Leistung des Gesellschafters an die Personengesellschaft anerkannt werden müßte, wäre im Streitfall mangels Entgeltlichkeit kein Leistungsaustausch gegeben. Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft richtet sich danach, ob Leistungen vorliegen, die gegen (Sonder-)Entgelt ausgeführt werden und damit auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind, oder Leistungen bewirkt werden, die als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust der Gesellschaft abgegolten werden. Steuerbare Leistungen i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 sind gegeben, wenn die Leistungen auf konkreten Leistungsbeziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft beruhen, die auf den Austausch der Gesellschafterleistung gegen Entgelt ausgerichtet sind (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 10. Mai 1990 V R 47/86, BFHE 161, 185, BStBl II 1990, 757 m. N.).
Im Streitfall sollte die Geschäftsführungsleistung nach dem Gesellschaftsvertrag als Gesellschafterbeitrag durch Gewinnbeteiligung abgegolten werden. Die Abrede über den Auslagenersatz führte nicht zu einem dienstvertraglichen oder dienstvertragsähnlichen Leistungsaustausch (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 172, 231, BStBl II 1994, 56).
c) Es bedarf im vorliegenden Fall keines Eingehens auf diejenigen Rechtsmeinungen, die zwar im Falle der Geschäftsführung einen Leistungsaustausch bejahen, aber annehmen, der Gesellschafter sei in seiner Funktion als Geschäftsführer in das Unternehmen eingegliedert und daher nichtselbständig tätig (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980; vgl. FG München, Urteil vom 4. Mai 1988 EFG 1988, 656; Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Rdnr. 138; Forchhammer, Gesellschafterbeiträge im Umsatzsteuerrecht, S. 144) bzw. handele bei der Ge schäftsführung in seiner nichtunternehmerischen Sphäre (Blanke, UR 1990, 137). Auch nach diesen Auffassungen wäre die Unternehmereigenschaft des Klägers zu verneinen.
3. Auf die Urteile des BFH vom 16. März 1993 XI R 44/90 (BFHE 171, 114, BStBl II 1993, 529), XI R 45/90 (BFHE 171, 122, BStBl II 1993, 530) und XI R 52/90 (BFHE 171, 117, BStBl II 1993, 562) kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. In diesen Entscheidungen hat der BFH die Annahme eines Leistungsaustauschs darauf gestützt, daß (Miet-)Verträge oder entsprechende Vereinbarungen vorlagen, durch die der PKW des Gesellschafters der Sozietät zur Nutzung überlassen worden war, so daß die Sozietät aufgrund eigenen Nutzungsrechts über die Verwendung des PKW entscheiden konnte.
Fundstellen