Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässiger Verzicht auf Beweiserhebung; Kosten einer Sprachreise als Werbungskosten
Leitsatz (NV)
1. Das FG darf auf die von einem Beteiligten beantragte Beweiserhebung im Regelfall nur verzichten, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel unerreichbar ist oder wenn das Beweismittel unzulässig oder absolut untauglich ist.
2. Auch die in einer Fremdsprache vermittelten fachspezifischen Informationen etwa in Form wirtschaftswissenschaftlicher Vorlesungen können der Erweiterung der Sprachkompetenz förderlich und damit beruflich veranlasst sein.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1; ZPO § 295; EStG § 9 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Nach einem abgeschlossenen Studium als Wirtschaftsingenieur war der Kläger bis zum 30. Juni 2000 zunächst als angestellter Unternehmensberater tätig. Seit 1. August 2000 ist er bei … Deutschland (Arbeitgeber) und dort als Berater im IT-Bereich tätig.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2000 machte der Kläger bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Aufwendungen für einen Auslandssprachkurs in Höhe von 10 691 DM als Werbungskosten geltend. Nach den vorgelegten Unterlagen hielt sich der Kläger vom 1. Mai bis zum 3. Juli 2000 in England auf und besuchte in dieser Zeit das … College. Gegenstand der Unterlagen waren auch ein Wochenstundenplan (Timetable) und eine Zusammenfassung der Themenschwerpunkte (Topics Course Program) sowie ein Zertifikat des London Chamber of Commerce Examinations Board (LCCIEB) vom Juni 2000, wonach der Kläger eine Prüfung in "English for Business" bestanden hat. Zudem legte der Kläger u.a. vor:
- Flugtickets für den Hin- und Rückflug am 1. Mai und 3. Juli 2000;
- Nachweise über die Zahlung einer Kursgebühr in Höhe von insgesamt 1 170 brit. Pfund an das College vom 13. April und 3. Mai 2000;
- Nachweis über die Zahlung einer Prüfungsgebühr vom 22. Mai 2000.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid die geltend gemachten Aufwendungen nicht. Er vertrat u.a. die Auffassung, ein Inlandssprachkurs hätte den gleichen Erfolg gehabt. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 110 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des Hessischen FG vom 6. April 2006 10 K 1902/02 aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid des FA vom 24. Januar 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2002 dahin zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 10 691 DM berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Der von den Klägern ordnungsgemäß gerügte Verfahrensmangel ist gegeben. Das FG hat § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO dadurch verletzt, dass es dem Beweisantritt der Kläger nicht gefolgt ist und den Zeugen R nicht vernommen hat.
Das FG darf auf die von einem Beteiligten beantragte Beweiserhebung im Regelfall nur verzichten, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel unerreichbar ist oder wenn das Beweismittel unzulässig oder absolut untauglich ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. November 2005 VI R 71/99, BFH/NV 2006, 753, m.w.N.). Keiner der genannten Gründe lag im Streitfall vor.
Die unter Beweis gestellte Tatsache, dass die Beherrschung der englischen Sprache Voraussetzung für die Einstellung beim Arbeitgeber sei, war ausgehend vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG rechtserheblich. Nach der auch im angefochtenen Urteil zitierten Rechtsprechung des BFH, der sich das FG angeschlossen hat, setzt bei einer nicht am Wohnort stattfindenden Fortbildungsveranstaltung der Abzug von Reisekosten als Werbungskosten voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist. Das ist u.a. der Fall, wenn der Reise ein unmittelbarer beruflicher Anlass zu Grunde liegt und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet (BFH-Urteile vom 27. August 2002 VI R 22/01, BFHE 200, 250, BStBl II 2003, 369; vom 19. Dezember 2005 VI R 89/02, BFH/NV 2006, 934). Diese Voraussetzungen können im Einzelfall auch erfüllt sein, wenn ein Sprachlehrgang zum Erwerb oder zur Sicherung eines Arbeitsplatzes erforderlich ist (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2005 VI R 65/04, BFH/NV 2006, 1075).
Da das FG vor Durchführung der Zeugenvernehmung nicht wissen konnte, welche konkreten Angaben der Zeuge R zur Bedeutung von Fremdsprachenkenntnissen als Einstellungskriterium machen würde, und nicht ausgeschlossen werden konnte, dass hierdurch die vom FG gewürdigten Umstände --wozu auch die von diesem in Frage gestellte Nachweisführung zählt-- in einem anderen Licht erschienen, war der Verzicht auf die beantragte Vernehmung nicht zulässig. Mit der Begründung, R sei nicht in der Personalabteilung des Arbeitgebers tätig und damit auch nicht für Einstellungen zuständig, so dass sich seine Einvernahme erübrige, hat das FG eine unzulässige vorweggenommene Würdigung des von den Klägern angebotenen Beweises vorgenommen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 4. April 2001 VI R 209/98, BFH/NV 2001, 1281).
Die Kläger haben ihr Rügerecht nicht verloren. Zwar handelt es sich bei dem Verfahrensmangel der unzureichenden Sachaufklärung um einen solchen, auf dessen Rüge verzichtet werden kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung). Auch geht bei verzichtbaren Verfahrensmängeln das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich der gerügte Verfahrensverstoß erst aus den Entscheidungsgründen selbst ergibt, den Beteiligten daher eine rechtzeitige Rüge in der mündlichen Verhandlung nicht möglich war (BFH-Beschluss vom 13. November 2007 VI B 100/07, BFH/NV 2008, 219, m.w.N.).
2. In materiell-rechtlicher Hinsicht weist der Senat darauf hin, dass es nach seiner Rechtsprechung ausreicht, wenn der Sprachkurs auf die besonderen beruflichen oder betrieblichen Interessen des Steuerpflichtigen zugeschnitten ist (BFH-Urteil vom 13. Juni 2002 VI R 168/00, BFHE 199, 347, BStBl II 2003, 765). Deshalb können auch die in einer Fremdsprache vermittelten fachspezifischen Informationen etwa in Form wirtschaftswissenschaftlicher Vorlesungen der Erweiterung der Sprachkompetenz förderlich und damit beruflich veranlasst sein.
3. Der Senat hält es für angezeigt, die Streitsache an den zuständigen Vollsenat des FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
BFH/NV 2008, 1356 |
NWB 2008, 9 |
EStB 2008, 276 |
NZA 2008, 864 |
NWB direkt 2008, 9 |
Weiterbildung 2008, 52 |