Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung hinterzogener Beträge
Leitsatz (NV)
Bei summarischer Betrachtung ist davon auszugehen, daß im Gewinnfeststellungsbescheid hinterzogene Beträge auch dann gesondert festzustellen sind, wenn an dem Feststellungsverfahren nur wenige Personen beteiligt sind.
Normenkette
AO 1977 §§ 179-180, 235
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) erzielte in den Jahren 1974, 1975 und 1979 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, die er im Rahmen einer zahnärztlichen Praxissozietät ausübte. An der Sozietät waren zunächst der Antragsteller und sein Vater, ab 1. Oktober 1979 auch die Ehefrau des Antragstellers beteiligt.
Aufgrund von Selbstanzeigen fanden in der Zahnärztesozietät Außenprüfungen statt, die zur Erhöhung der einheitlich und gesondert festgestellten Gewinne um bislang nicht erfaßte Einnahmen aus dem Verkauf von Dentalgold, Zahngoldabfällen und anderen Edelmetallen führte. Die Gewinner höhungen der ersten Außenprüfung wurden dem Antragsteller, die der zweiten Außenprüfung dem in der Zwischenzeit verstorbenen Vater des Antragstellers zugerechnet. Die Feststellungsbescheide enthalten keine Feststellungen zu der Frage, ob und inwieweit in den Gewinnen hinterzogene Beträge enthalten sind und wem diese zuzurechnen sind. Die Klage des Antragstellers gegen die Feststellungsbescheide wurde abgewiesen.
Dem Antragsteller gegenüber erging u. a. ein Bescheid über Hinterziehungszinsen für Einkommensteuer 1974, 1975 und 1979. Gegen diesen Bescheid legte dieser Einspruch und nach dessen Erfolglosigkeit Klage ein. Ferner beantragte er beim Finanzgericht (FG) Aussetzung der Vollziehung.
Das FG gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt mit der Begründung, daß die Gewinnfeststellungsbescheide keine Feststellungen darüber enthielten, daß Steuernachforderungen auf Hinterziehungshandlungen beruhten.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) rügt mit der vom FG zugelassenen Beschwerde, daß die Entscheidungen des X. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. April 1989 X R 3/86 (BFHE 156, 383, BStBl II 1989, 596) und X R 19/88 (BFH/NV 1990, 73) jeweils zum Falle einer Publikumsgesellschaft ergangen seien und sich daher insoweit erheblich vom Streitfall unterschieden, als hier die streitigen Betriebseinnahmen vereinbarungsgemäß nur einem Feststellungsbeteiligten zuzurechnen seien. Nicht nur das Betriebsstätten-, sondern auch das Wohnsitz-FA verfüge in gleichem Maße über unmittelbare Erkenntnismöglichkeiten hinsichtlich des Begehens einer Steuerhinterziehung.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Gemäß § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn bei summarischer Überprüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (so ständige Rechtsprechung seit BFH-Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182). Im Streitfall hat das FG diese Voraussetzungen zu Recht bejaht.
Mit Entscheidungen in BFHE 156, 383, BStBl II 1989, 596; BFH/NV 1990, 73 hat der X. Senat des BFH entschieden, daß im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung gemäß §§ 179, 180 der Abgabenordnung (AO 1977) ggf. auch darüber zu entscheiden ist, ob und in welchem Umfang der von einem Feststellungsbeteiligten erlangte Vorteil i. S. des § 235 Abs. 1 AO 1977 auf einer Steuerhinterziehung beruht (vgl. ebenso BFH-Urteil vom 16. März 1993 XI R 42/90, BFH/NV 1994, 75; vgl. auch BFH-Beschluß vom 8. Oktober 1992 III R 64/88, BFH/NV 1993, 188/9; zustimmend Bublitz, Deutsches Steuerrecht 1990, 438, 441 m. w. N.). Dies gilt nicht nur für den Fall sog. Publikumsgesellschaften, über den der X. Senat zu entscheiden hatte. Die gesetzlichen Vorschriften, die eine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung vorschreiben, machen keinen Unterschied zwischen Gesellschaften oder Gemeinschaften, an denen viele Steuerpflichtige beteiligt sind, und solchen, die sich nur aus zwei Partnern zusammensetzen. Der Entscheidung des X. Senats läßt sich ferner nicht entnehmen, daß etwas anderes gelten soll, wenn die auf einer Hinterziehungshandlung beruhenden Mehrsteuern Einnahmen betreffen, die ausschließlich einem Beteiligten als Sonder betriebseinnahmen zugerechnet werden. Auch in der Literatur wird -- soweit ersichtlich -- eine Einschränkung der Rechtsprechung des X. Senats für diesen Fall nicht erörtert. Der Senat kann im Rahmen der hier gebotenen summarischen Überprüfung diese Frage offenlassen. Selbst wenn sie letztlich zugunsten des FA zu entscheiden wäre, würde dies nichts daran ändern, daß die Entscheidungen des X. Senats ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zinsbescheides begründen.
Fundstellen
Haufe-Index 420304 |
BFH/NV 1995, 471 |