Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Umsatzsteuer bei schwebendem Konkursverfahren
Leitsatz (NV)
Die Lieferung konkursfreier Sachen durch den Gemeinschuldner unterliegt der Umsatzsteuer; denn die Konkurseröffnung hat auf die Unternehmereigenschaft des Gemeinschuldners keinen Einfluß (Anschluß an BFH-Urteile vom 16. Juli 1987 V R 80/82, BFHE 150, 211, BStBl II 1987, 691, und in BFHE 151, 99, BStBl II 1987, 873). Die auf die Lieferung entfallende Umsatzsteuer ist außerhalb des Konkursverfahrens dem Gemeinschuldner gegenüber geltend zu machen (Anschluß an BFH-Urteil vom 14. Februar 1978 VIII R 28/73, BFHE 124, 411, BStBl II 1978, 356).
Die Umsatzsteuer auf die Herausgabe konkursfreien Sicherungsguts durch den Gemeinschuldner an den Sicherungsnehmer ist weder eine Konkursforderung gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 KO (Anschluß an BFH-Urteile in BFHE 150, 379, BStBl II 1987, 741, und in BFHE 151, 99, BStBl II 1987, 873) noch erfüllt sie die Voraussetzungen der Massekosten oder Masseschulden.
Mangels Massezugehörigkeit konkursfreier Gegenstände ist die Umsatzsteuer auf deren Lieferung durch den Gemeinschuldner nicht eine Ausgabe für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse (§ 58 Nr. 2 KO). Ebensowenig läßt sie sich den Ansprüchen zuordnen, welche aus Geschäften oder Handlungen des Konkursverwalters entstehen (§ 59 Abs. 1 Nr. 1 KO). Der Konkursverwalter verliert mit der echten Freigabe sein Verfügungsrecht. Selbst wenn das Entgelt aus der Lieferung konkursfreier Sachen durch den Gemeinschuldner der Konkursmasse zufließt, kann dies zu keiner anderen Beurteilung führen; denn der Umsatzsteuer unterliegt nicht die Vereinnahmung des Entgelts, sondern die Lieferung.
Normenkette
KO §§ 1, 3 Abs. 1, §§ 6, 58 Nr. 2, § 59 Abs. 1 Nr. 1, § 127 Abs. 2; UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist der Konkursverwalter in dem am 4. Oktober 1977 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen der X (Gemeinschuldnerin). Diese hatte vor Konkurseröffnung ihre Maschinen zur Sicherung von Krediten an die finanzierende Bank sicherungsübereignet.
Am 26. Oktober 1977 schrieb der Kläger an den Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin:
...Die von der Gemeinschuldnerin, der Fa.X, benutzten Maschinen waren der Bank zur Sicherheit übereignet. Ich habe die Verträge überprüft. Sie sind nicht zu beanstanden. Hiermit erkläre ich Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, daß ich die in der Anlage aufgeführten Gegenstände aus der Konkursmasse freigebe. Damit ist die Gemeinschuldnerin wieder verfügungsberechtigt.
Am 8. November 1977 veräußerte die Bank die in ihrem Sicherungseigentum stehenden Maschinen. Sie erzielte einen Erlös von 277500 DM einschließlich 27500 DM Umsatzsteuer. In dieser Höhe verringerten sich die Forderungen der Bank zugunsten der Konkursmasse.
Der Kläger erklärte für die Zeit vom 4. Oktober 1977 bis 31. Dezember 1977 einen Umsatz von 3500 DM und Vorsteuern von 30,58 DM. Das Finanzamt (FA) setzte ihm gegenüber die Umsatzsteuer durch Bescheid vom 2. September 1983 auf 27854 DM fest. Das FA legte der Festsetzung außer dem erklärten Betrag den Umsatz aus der Verwertung des Sicherungsguts von 250000 DM zugrunde.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973 und der §§ 3 Abs. 1, 6, 58 Nr. 2 der Konkursordnung (KO). Er trägt im wesentlichen vor, entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 4. Juni 1987 V R 57/79 (BFHE 150, 379, BStBl II 1987, 741) sei die Lieferung an den Sicherungsnehmer regelmäßig mit dem vor Konkurseröffnung erfolgenden Eintritt der Verwertungsreife vollzogen, so daß der umsatzsteuerbegründende Tatbestand bereits vor Verwertung des Sicherungsguts verwirklicht sei. Gehe man mit dem FG von der unbedingten Freigabe des Sicherungsguts aus, so habe die Gemeinschuldnerin nicht als Erfüllungsgehilfe des Konkursverwalters gehandelt. Daß ihre Handlung der Konkursmasse zugute gekommen sei, rechtfertige nicht die Zurechnung der Umsatzsteuer als Massekosten. Allein entscheidend sei, wer den Umsatz ausgeführt habe. Eine Zurechnung der Umsatzsteuer aus der Verwertung des Sicherungsguts als Massekosten scheide aus, weil er (der Kläger) die Maschinen mit Schreiben vom 26. Oktober 1977 konkursrechtlich wirksam an die Gemeinschuldnerin freigegeben habe. Er habe insbesondere mit dem letzten Satz klargestellt, daß die Gemeinschuldnerin in jeder Beziehung frei, d.h. unbeeinflußt von ihm, darüber verfügen könne. Die modifizierte Freigabe setze demgegenüber voraus, daß der Konkursverwalter noch eine Einflußmöglichkeit auf das freigegebene Wirtschaftsgut nehmen könne, und sei es dadurch, daß er einen Übererlös vereinbarungsgemäß vereinnahme. Eine unbedingte Freigabe setze - entgegen der Entscheidung des BFH vom 24. September 1987 V R 196/83 (BFHE 151, 99, BStBl II 1987, 873) - nicht voraus, daß dem Gemeinschuldner im konkursfreien Unternehmensbereich der Erfolg aus der Verwertung zugute komme. Die Auffassung des BFH laufe letztendlich auf die Abschaffung der bislang relevanten, unbedingten Freigabe von Sicherungsgut an den Gemeinschuldner hinaus. Infolge der unbedingten Freigabe des Sicherungsguts an die Gemeinschuldnerin sei diese Schuldner der Umsatzsteuer geworden. Zwar werde hierdurch die Befriedigungsmöglichkeit des Fiskus beeinträchtigt. Dieses für den Fiskus unbefriedigende Ergebnis könne jedoch nicht durch Rechtsfortbildung der FG unter Verletzung konkursrechtlicher Vorschriften beseitigt werden. Die unbedingte Freigabe stelle auch keinen unzulässigen Umgehungstatbestand dar. Sie beseitige nicht die Umsatzsteuerpflicht der Verwertung, sondern nur die Befriedigungsmöglichkeit aus der Konkursmasse.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Im Ergebnis zu Recht hat das FG die Umsatzsteuer aus der Überlassung des Sicherungsguts an den Sicherungsnehmer als Massekosten gemäß § 58 Nr. 2 KO beurteilt; sie war durch Steuerbescheid gegen den Kläger geltend zu machen.
Überläßt der Konkursverwalter dem Sicherungsnehmer Sicherungsgut zur Verwertung und veräußert dieser das Sicherungsgut, so sind sowohl zwischen dem Konkursverwalter und dem Sicherungsnehmer als auch zwischen dem Sicherungsnehmer und dem Erwerber steuerbare Umsätze gegeben. Die Umsatzsteuer, die bei der Lieferung des Sicherungsguts durch den Konkursverwalter an den Sicherungsnehmer entsteht, ist keine Konkursforderung i.S. des § 3 Abs. 1 KO, sondern gehört zu den Massekosten i.S. des § 58 Nr. 2 KO (ständige Rechtsprechung vgl. Urteile vom 31. Mai 1972 V R 121/71, BFHE 106, 383, BStBl II 1972, 809; vom 20. Juli 1978 V R 2/75, BFHE 126, 84, BStBl II 1978, 684; in BFHE 150, 379, BStBl II 1987, 741; vom 24. September 1987 V R 19/82, BFH/NV 1988, 678; vom 6. Juni 1991 V R 115/87, BFHE 165, 113, BStBl II 1991, 817, sowie Beschluß vom 13. Mai 1992 V B 9/92, BFH/NV 1992, 846). Der erkennende Senat schließt sich dieser Beurteilung, der auch der Bundesgerichtshof (BGH) gefolgt ist (vgl. BGH-Urteile vom 22. März 1972 VIII ZR 119/70, BGHZ 58, 292; vom 12. Mai 1980 VIII ZR 167/79, BGHZ 77, 139, und vom 7. Mai 1987 IX ZR 198/85, UR 1987, 296), an. Er verweist zur Vermeidung von Wiederholungen insbesondere auf die Entscheidungen in BFHE 126, 84, BStBl II 1978, 684 und in BFHE 150, 379, BStBl II 1987, 741.
Die vorgenannten Grundsätze gelten auch dann, wenn der Konkursverwalter die mit dem Sicherungseigentum belasteten Gegenstände im Wege der sog. modifizierten Freigabe dem Gemeinschuldner und dieser sie dem Sicherungsnehmer zur Verwertung überläßt. Eine andere Beurteilung ist nur dann geboten, wenn es sich um eine echte Freigabe handelt, d.h. der Konkursverwalter durch Überlassung an den Gemeinschuldner die Massezugehörigkeit des Sicherungsguts endgültig beendet. Die Lösung aus dem Konkursbeschlag zugunsten des Gemeinschuldners ist keine Lieferung i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 UStG 1973. Da der Gemeinschuldner hinsichtlich des die Konkursmasse bildenden Vermögens Rechtsträger geblieben ist, wird dadurch kein Dritter befähigt, im eigenen Namen über die Gegenstände zu verfügen (§ 3 Abs. 1 UStG 1973).
Nach § 6 KO verliert der Gemeinschuldner mit der Eröffnung des Konkursverfahrens die Befugnis, sein zur Konkursmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen. Diese geht auf den Konkursverwalter über, welcher berechtigt ist, einen zur Konkursmasse gehörenden Gegenstand aus der Konkursbefangenheit freizugeben. Die echte Freigabe an den Gemeinschuldner bedeutet die Rücküberlassung der Sache an ihn zu dessen freier Verfügung. Sie hat zur Folge, daß die Sache konkursfreies Vermögen wird (vgl. Urteil des BGH vom 29. Mai 1961 VII ZR 46/60, BGHZ 35, 180, und Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 20. Januar 1984 4 C 37/80, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1984, 2427). Voraussetzung für die Annahme der echten Freigabe ist, daß der Konkursverwalter auch den wirtschaftlichen Wert der Sache aus den Händen gibt. Der wirtschaftliche Wert der Sache bleibt der Konkursmasse aber in der Regel erhalten, wenn der Verwertungserlös der Konkursmasse zugute kommen soll. Ist der Wille des Konkursverwalters bei Überlassung der Sache an den Gemeinschuldner hierauf gerichtet, so liegt eine sog. modifizierte Freigabe vor (vgl. Jäger, KO, 9. Aufl. § 6 Rdnr. 20, und Kuhn/Uhlenbruck, KO, Kommentar, 10. Aufl., § 6 Rdnr. 35a). Sie führt dazu, daß mit der Herausgabe des Sicherungsguts durch den Gemeinschuldner an den Sicherungsnehmer Umsatzsteuer zu Lasten der Konkursmasse entsteht. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Urteil in BFHE 151, 99, BStBl II 1987, 873.
Bei Anwendung der vorgenannten Grundsätze auf den Streitfall erweist sich die angefochtene Entscheidung als rechtmäßig. Nicht gefolgt werden kann allerdings der Auffassung des FG, daß es auf die Art der Freigabe der sicherungsübereigneten Maschinen an die Gemeinschuldnerin nicht ankomme. Wäre durch die Freigabeerklärung des Klägers die Massezugehörigkeit der Maschinen beendet worden, so wären sie zur Zeit der Lieferung an die Bank durch die Gemeinschuldnerin konkursfreies Vermögen gewesen. Schuldner der Umsatzsteuer auf diese Lieferung wäre die Gemeinschuldnerin gewesen.
Die Lieferung konkursfreier Sachen durch den Gemeinschuldner unterliegt der Umsatzsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 UStG); denn die Konkurseröffnung hat auf die Unternehmereigenschaft des Gemeinschuldners keinen Einfluß (vgl. BFH-Urteile vom 16. Juli 1987 V R 80/82, BFHE 150, 211, BStBl II 1987, 691, und in BFHE 151, 99, BStBl II 1987, 873). Die auf die Lieferung entfallende Umsatzsteuer ist außerhalb des Konkursverfahrens dem Gemeinschuldner gegenüber geltend zu machen (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 1978 VIII R 28/73, BFHE 124, 411, BStBl II 1978, 356). Die Umsatzsteuer auf die Herausgabe konkursfreien Sicherungsguts durch den Gemeinschuldner an den Sicherungsnehmer ist weder eine Konkursforderung gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 KO (vgl. BFH-Urteile in BFHE 150, 379, BStBl II 1987, 741, und in BFHE 151, 99, BStBl II 1987, 873) noch erfüllt sie die Voraussetzungen der Massekosten oder Masseschulden. Mangels Massezugehörigkeit konkursfreier Gegenstände ist die Umsatzsteuer auf deren Lieferung durch den Gemeinschuldner nicht eine Ausgabe für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse (§ 58 Nr. 2 KO). Ebensowenig läßt sie sich den Ansprüchen zuordnen, welche aus Geschäften oder Handlungen des Konkursverwalters entstehen (§ 59 Abs. 1 Nr. 1 KO). Der Konkursverwalter verliert mit der echten Freigabe sein Verfügungsrecht. Selbst wenn das Entgelt aus der Lieferung konkursfreier Sachen durch den Gemeinschuldner der Konkursmasse zufließt, kann dies zu keiner anderen Beurteilung führen; denn der Umsatzsteuer unterliegt nicht die Vereinnahmung des Entgelts, sondern die Lieferung.
Die Vorentscheidung ist im Ergebnis zutreffend, weil die Erklärung des Klägers vom 26. Oktober 1977 als sog. modifizierte Freigabe zu werten ist und damit zur Folge hat, daß die Maschinen nicht konkursfreies Vermögen wurden, sondern in der Konkursmasse verblieben. Da das Sicherungseigentum den Sicherungsnehmer nicht zur Aussonderung des Sicherungsguts berechtigt, sondern nur zur abgesonderten Befriedigung daraus (§ 48 KO), gehörten die Maschinen bei Konkurseröffnung zur Konkursmasse. Die Bank konnte gemäß § 127 Abs. 2 KO vom Kläger die Herausgabe des Sicherungsguts verlangen, um es zu verwerten. Sie erhielt die Maschinen durch die Gemeinschuldnerin ausgehändigt und veräußerte sie. Der Verwertungserlös kam der Konkursmasse zugute; denn die Konkursforderungen der Bank verminderten sich entsprechend (vgl. §§ 48, 64 KO). Der Wille des Klägers war auf diesen Geschehensablauf und nicht darauf gerichtet, der Gemeinschuldnerin die Maschinen zur freien Verfügung zu überlassen. Hierzu war er wegen des nach § 127 Abs. 2 KO bestehenden Verwertungsrechts der Bank nicht berechtigt (vgl. dazu Maus/Uhlenbruck, Der Betrieb 1988, 793, 784 und Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, 1982, Bd. V S. 347). Die Gemeinschuldnerin wiederum war in ihrer Verfügungsbefugnis durch das Sicherungseigentum der Bank derart eingeschränkt, daß nur eine Herausgabe der Maschinen an diese in Betracht kam. Sieht man die Freigabeerklärung des Klägers vor diesem Hintergrund, so war sie nicht geeignet, die Konkursbefangenheit zu beenden; der wirtschaftliche Wert der Maschinen verblieb der Konkursmasse.
Da die Erklärung des Klägers vom 26. Oktober 1977 nicht zur Lösung der Maschinen aus der Massezugehörigkeit geführt hat, braucht der Senat auf die Frage nicht einzugehen, ob eine echte Freigabeerklärung als zum Schein abgegeben (§ 41 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -) oder als Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO 1977) zu werten wäre.
Bei der durch die Herausgabe der Maschinen an die Bank nach § 3 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 entstandenen Umsatzsteuer handelt es sich um eine Ausgabe zur Verwertung der Masse i.S. des § 58 Nr. 2 KO. Ihre Festsetzung gegenüber dem Kläger ist rechtmäßig.
Fundstellen
Haufe-Index 419213 |
BFH/NV 1994, 274 |