Leitsatz (amtlich)
Die Grundsätze des Bilanzenzusammenhangs (BFH-Beschluß vom 29. November 1965 GrS 1/65 S, BFHE 84, 392, BStBl III 1966, 142) sind bei der Ermittlung des als Gewerbeertrag anzusetzenden gewerblichen Gewinns jedenfalls dann anzuwenden, wenn ein dieselbe Bilanzposition betreffender Fehler im Rahmen der Einkommensbesteuerung zu einer Bilanzberichtigung führt.
Normenkette
GewStG § 7; EStG § 4 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages für 1966 und 1967, ob die Auflösung von zu Unrecht für Gesellschafter einer Personengesellschaft gebildeten Pensionsrückstellungen sich insoweit auf die Gewerbesteuer auswirken darf, als die Rückstellungen in einem früheren Jahr bei der Ermittlung des gewerblichen Gewinns versehentlich entgegen § 7 GewStG gewinnmindernd berücksichtigt worden sind.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wies seit dem Jahr 1956 für ihre Gesellschafter - zwei Brüder und deren Söhne - Pensionsrückstellungen aus. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrages rechnete die Klägerin die jährlichen Zuführungen zu der Pensionsrückstellung jeweils dem gewerblichen Gewinn wieder zu. Die Erhöhung des gewerblichen Gewinns unterblieb jedoch im Jahre 1961. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) folgte der Steuererklärung und legte demgemäß bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages für 1961 einen um die Zuführung zur Pensionsrückstellung in Höhe von 46 895 DM geminderten gewerblichen Gewinn zugrunde.
Im Anschluß an eine im Jahre 1970 durchgeführte Betriebsprüfung sah das FA die Bildung der Pensionsrückstellung als einkommensteuerrechtlich unzulässig an, da es sich bei der Klägerin um eine Familiengesellschaft handle. Die Klägerin stimmte der Auflösung der Pensionsrückstellung im Hinblick auf das Urteil des BFH vom 16. Februar 1967 IV R 62/66 (BFHE 87, 531, BStBl III 1967, 222) zu. Die Pensionsrückstellung in Höhe von 112 271 DM wurde in Anlehnung an den in bezug auf das Urteil IV R 62/66 ergangenen koordinierten Ländererlaß vom 3. Juli 1967 (BStBl II 1967, 217) in den Jahren 1966 bis 1968 mit je 37 423 DM für Einkommensteuerzwecke gewinnerhöhend aufgelöst. Bei dem für Zwecke der Gewerbesteuer ermittelten Gewinn nahm das FA diese Gewinnerhöhung insoweit nicht vor, als die Zuführungsbeträge in den Jahren der Bildung der Rückstellung den gewerblichen Gewinn nicht gemindert hatten. Für das Jahr 1961 setzte es dagegen den im Rahmen der Gewerbesteuermeßbetragsfestsetzung seinerzeit gewinnmindernd berücksichtigten Betrag von 46 895 DM nunmehr gewinnerhöhend an und verteilte ihn entsprechend der Behandlung bei der Einkommensteuer mit 37 423 DM auf das Jahr 1966 und mit 9 472 DM auf das Jahr 1967. Das FA erließ für 1966 einen nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO berichtigten und für 1967 einen nach § 225 AO endgültigen Gewerbesteuermeßbescheid.
Mit der Sprungklage wandte sich die Klägerin gegen die aus Anlaß der Auflösung der Pensionsrückstellung für die Streitjahre vorgenommene Erhöhung des Gewerbeertrages.
Das FG wies die Klage ab und führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus: Bei dem nach § 7 GewStG in entsprechender Anwendung der Vorschriften des EStG zu ermittelnden Gewerbeertrag geböten die Besonderheiten des Gewerbesteuerrechts, die sich bei der Auflösung einer Pensionsrückstellung ergebende Gewinnerhöhung außer Betracht zu lassen, wenn und soweit sich die Zuführung zu der Rückstellung bei der Gewerbesteuer infolge Zurechnung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nicht ausgewirkt hätte. Andernfalls ergäbe sich eine nochmalige gewerbesteuerliche Erfassung des Gewinns in Höhe der Auflösungsbeträge. Da der Gewerbeertrag des Jahres 1961 jedoch in Höhe des Zuführungsbetrages von 46 895 DM gemindert gewesen sei, habe sich die durch die Auflösung der Pensionsrückstellung eingetretene Gewinnerhöhung in Höhe des Zuführungsbetrages des Jahres 1961 auch auf den Gewerbeertrag auswirken müssen. Dem stehe nicht entgegen, daß der Gewerbesteuermeßbescheid 1961 bestandskräftig sei; denn die Pensionsrückstellung sei aufzulösen gewesen, weil der Bilanzansatz zum 31. Dezember 1965 unrichtig gewesen sei. Davon seien die Beteiligten auch im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Behandlung der Rückstellung übereinstimmend ausgegangen. Das FA sei nach dem für Veranlagungsteuern geltenden Abschnittsprinzip berechtigt und verpflichtet gewesen, bei der Veranlagung der Streitjahre den in der Bilanz auf den 31. Dezember 1965 enthaltenen Fehler zu berichtigen. Auch der Einwand der Klägerin, die Gewerbesteuer 1961 sei verjährt, greife nicht durch, da die aus der Auflösung der Pensionsrückstellung sich ergebenden Steueransprüche solche der Jahre 1966 und 1967 und nicht des Jahres 1961 seien.
Mit der Revision rügt die Klägerin falsche Anwendung materiellen Rechts. Sie trägt im wesentlichen vor:
Das FA hätte die nur ein einziges Mal, und zwar in der Gewerbesteuererklärung für 1961, versehentlich nicht vorgenommene Hinzurechnung des Zuführungsbetrages zur Pensionsrückstellung leicht erkennen können, da eine Berechnung der Rückstellungsbeträge gesondert beigefügt gewesen sei. Mit dem Jahr 1968 sei die Verjährungsfrist für die Gewerbesteuer 1961 abgelaufen. Deshalb dürfe der bei der Veranlagung des Jahres 1961 begangene Fehler nicht unter Umgehung der Verjährung im Wege der Bilanzberichtigung in den Streitjahren korrigiert werden. Die vom FG für berechtigt gehaltene Bilanzberichtigung sei sachlich nicht gerechtfertigt. Es sei bei der Betriebsprüfung von ihr, der Klägerin, angezweifelt worden, daß es sich bei ihr um eine Familiengesellschaft handle. Sie habe sich jedoch gegen die, gemessen an der in dem koordinierten Ländererlaß vom 3. Juli 1967 getroffenen Regelung, lediglich vorgezogene Auflösung der Pensionsrückstellung in den Jahren 1966 bis 1968 nicht gewehrt, weil sie in ihr keine ins Gewicht fallende Benachteiligung gesehen habe. Keineswegs dürfe daraus entnommen werden, sie, die Klägerin, habe damit anerkannt, daß es sich bei der "Pensionsrückstellung für Gesellschafter-Geschäftsführer" um einen unrichtigen Bilanzansatz gehandelt habe, der zu berichtigen gewesen sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG abzuändern und den Gewerbesteuermeßbetrag für 1966 auf 14 038 DM und den Gewerbesteuermeßbetrag für 1967 auf 9 318 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Zutreffend hat das FA die Auflösungsbeträge der Pensionsrückstellung bei der Ermittlung des dem Gewerbeertrag zugrunde gelegten gewerblichen Gewinns insoweit gewinnerhöhend berücksichtigt, als die Rückstellung im Jahr 1961 fälschlich auch für Zwecke der Gewerbesteuer gewinnmindernd behandelt worden war.
1. a) Für die Gewerbesteuer wird der Gewinn aus Gewerbebetrieb, der bei der Berechnung des Gewerbeertrags zugrunde zu legen ist, selbständig ermittelt (gewerblicher Gewinn). Dabei sind, soweit sich nicht aus dem EStG, dem GewStG oder dem Wesen der Gewerbesteuer Abweichungen ergeben, die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften anzuwenden (§ 7 GewStG, vgl. insoweit auch BFH-Urteil vom 11. Dezember 1956 I 194/56 U, BFHE 64, 275, BStBl III 1957, 105). Bei der für Zwecke der Gewerbesteuer vorzunehmenden Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich nach § 5 Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG kann daher der in der Handelsbilanz ausgewiesene Gewinn nur nach Maßgabe der einkommensteuerrechtlichen und gewerbesteuerrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt werden.
Dementsprechend sind grundsätzlich Rückstellungen wegen Pensionsverpflichtungen bei einem zur Ermittlung des Gewinns vorzunehmenden Vermögensbestandsvergleich als Passiva zu berücksichtigen. Bis zur Entscheidung des BFH IV R 62/66 konnten auch für Pensionsverpflichtungen gegenüber Gesellschaftern einer Personengesellschaft - unter bestimmten Voraussetzungen - einkommensteuerrechtlich anzuerkennende Pensionsrückstellungen gebildet werden. Für die Gewerbesteuer hat der BFH jedoch schon seit jeher (vgl. das Urteil I 194/56 U) die Auffassung vertreten, daß derartige Rückstellungen nicht den gewerblichen Gewinn mindern dürften; denn die Beziehungen der Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern seien bei der Errechnung des Gewerbeertrags außer Betracht zu lassen, weil der Gewerbesteuer der in dem Betrieb in seiner Gesamtheit erzielte Ertrag zugrunde zu legen sei. Aus diesem Grundsatz folgt, daß bei der Auflösung von Pensionsrückstellungen, die den gewerblichen Gewinn nicht gemindert haben, eine Erhöhung des gewerblichen Gewinns, im Gegensatz zu der Behandlung bei der Einkommensteuer, nicht eintreten kann (vgl. auch die - seinerzeit zu § 8 Nr. 6 GewStG a. F. ergangenen - Entscheidungen des BFH vom 27. März 1961 I 278/60 U, BFHE 73, 30, BStBl III 1961, 280; vom 13. Dezember 1966 I R 18/66, BFHE 87, 428, BStBl III 1967, 187).
b) Sind bei der Bildung einer Pensionsrückstellung entgegen den vorstehend dargestellten Grundsätzen die Zuführungsbeträge teilweise gewinnmindernd berücksichtigt worden und wird die Pensionsrückstellung insgesamt aufgelöst, so ist, wenn die unrichtigen Gewerbesteuermeßbescheide nach den Vorschriften des Verfahrensrechts nicht mehr geändert werden können, in einem solchen Falle die unterlassene Erhöhung des gewerblichen Gewinns nach den allgemeinen Grundsätzen des Bilanzenzusammenhangs (§ 7 GewStG, § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG, vgl. BFH-Urteil vom 27. März 1962 I 136/60 S, BFHE 75, 10, BStBl III 1962, 273; BFH-Beschluß vom 29. November 1965 GrS 1/65 S, BFHE 84, 392, BStBl III 1966, 142; BFH-Urteile vom 30. November 1967 IV R 96/67, BFHE 90, 430, BStBl II 1968, 144; vom 21. Oktober 1976 IV R 222/72, BFHE 120, 369, BStBl II 1977, 148) jedenfalls dann in Höhe der seinerzeit unterbliebenen Hinzurechnung zum Gewerbeertrag zu korrigieren, wenn die Auflösung der Pensionsrückstellung und die Berichtigung dieselbe Bilanzposition betreffen (so schon auch für die Gewerbesteuer uneingeschränkt das BFH-Urteil vom 25. Oktober 1963 VI 331/61 U, BFHE 77, 762, BStBl III 1963, 599).
2. a) Daraus folgt für den Streitfall, daß der bei der Ermittlung des gewerblichen Gewinns 1961 aufgetretene Fehler im Wege der Bilanzberichtigung im Jahre 1966 zu berichtigen gewesen wäre, da die in der Bilanz auf den 31. Dezember 1965 passivierte "Pensionsrückstellung für Gesellschafter-Geschäftsführer" einkommensteuerrechtlich gewinnerhöhend aufgelöst wurde und eine Änderung des Gewerbesteuermeßbescheides 1961 verfahrensrechtlich nicht mehr möglich war.
b) Der Streitfall weist die Besonderheit auf, daß die Beteiligten bei der Betriebsprüfung in zulässiger Weise dahin übereingekommen sind, die durch die Auflösung der Pensionsrückstellung im Rahmen der Einkommensbesteuerung eintretende Gewinnerhöhung in Anlehnung an den koordinierten Ländererlaß vom 3. Juli 1967 auf die Jahre 1966 bis 1968 gleichmäßig zu verteilen, obwohl nach den Grundsätzen der Bilanzberichtigung die Gewinnerhöhung ausschließlich das Jahr 1966 betroffen hätte. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, wenn das FA die getroffene Verständigung insofern bei der Durchführung der Bilanzberichtigung im Rahmen der Gewerbesteuer berücksichtigt hat, als es den bei der Gewerbesteuermeßbetragsveranlagung 1961 versehentlich nicht zum Gewerbeertrag hinzugerechneten Rückstellungsbetrag von 46 895 DM mit den aus der Auflösung der Pensionsrückstellung sich ergebenden Beträgen von je 37 423 DM im Jahre 1966 in voller Höhe und im Jahre 1967 mit 9 472 DM saldiert hat.
c) Die Berichtigung, d. h. die Erhöhung des gewerblichen Gewinns der Streitjahre in Höhe des Zuführungsbetrages von 46 895 DM, um den der gewerbliche Gewinn des Jahres 1961 zu niedrig angesetzt worden ist, verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht gegen die Bestandskraft des Gewerbesteuermeßbescheides 1961. Ebensowenig steht dieser Berichtigung die Verjährung der Gewerbesteuer 1961 entgegen. Der aus § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG zu entnehmende Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs besagt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, daß auch die fehlerhafte Bilanz, die der Veranlagung eines Jahres zugrunde gelegen hat, solange als Anfangsbilanz des folgenden Jahres anzusehen ist, wie die Veranlagung unverändert bleibt. Durch die so entstehende Zweischneidigkeit der Bilanzen ergibt sich regelmäßig ein Fehlerausgleich in folgenden Jahren. Der Steueranspruch entsteht dann im Jahre des Fehlerausgleichs nach Maßgabe des in diesem Jahr ausgewiesenen Gewinns (vgl. dazu im einzelnen BFH-Urteil I 136/60 S).
d) Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe nicht anerkannt, daß die Bildung der Pensionsrückstellungen für die Gesellschafter-Geschäftsführer einen Bilanzierungsfehler bedeute, ist ihr zuzustimmen, daß bis zum BFH-Urteil IV R 62/66 die Bildung von Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen gegenüber Gesellschafter-Geschäftsführern einer Personengesellschaft in der Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erachtet wurde. Gleichwohl mußte das FA jedenfalls auf Grund des BFH-Urteils IV R 62/66 die Pensionsrückstellungen einkommensteuerrechtlich gewinnerhöhend und gewerbesteuerrechtlich - mit der aus dem Fehler der Gewinnermittlung des Jahres 1961 herrührenden Einschränkung - ohne eine solche gewinnerhöhende Auswirkung auflösen.
Fundstellen
Haufe-Index 72303 |
BStBl II 1977, 472 |