Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei einem gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich ist in diesem Verfahren eine Nachforderung von Lohnsteuer nicht zulässig. Das schließt aber eine Nachforderung außerhalb dieses Verfahrens nicht aus.
2. Durch den Antrag auf gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich werden Ehegatten nicht Gesamtschuldner im Sinne des § 7 Abs. 2 StAnpG.
Normenkette
StAnpG § 7 Abs. 2; JAV 1966 § 7a
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau hatten für das Streitjahr 1968 Anträge auf Lohnsteuerermäßigung gestellt. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) hatte daraufhin auf der Lohnsteuerkarte des Klägers und auf der seiner Ehefrau je einen Freibetrag eingetragen. Nachdem der Kläger und seine Ehefrau einen Antrag auf gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich gestellt hatten, stellte sich heraus, daß der Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte der Ehefrau infolge eines Rechenfehlers mit 872 DM anstatt richtig mit 283 DM eingetragen war. Das FA teilte dem Kläger mit Schreiben vom 12. September 1969 mit, der Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich werde zu einer Nachforderung in Höhe von 91,74 DM führen. Es erließ gegen den Kläger einen "Steuerbescheid über Lohnsteuer und Kirchensteuer", in dem es ihn aufforderte, "gemäß § 92 Abs. 2 AO an Lohnsteuer 83,40 DM, ... an röm. kath. Kirchensteuerer 8,34 DM zurückzuzahlen".
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das FG statt. Mit dem in den EFG 1972, 149, veröffentlichten Urteil vom 27. Oktober 1971 hob es den Steuerbescheid sowie die Einspruchsentscheidung auf. Das FG war der Auffassung, daß Lohnsteuer schon deshalb nicht habe nachgefordert werden dürfen, weil weder ein Fall des § 38 Abs. 3 EStG 1967 vorgelegen habe, noch der Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte oder die der Eintragung zugrunde liegende Verfügung in den Akten des FA gemäß § 92 Abs. 2 AO förmlich berichtigt worden seien.
Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision beantragt das FA, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Das FA rügt die Verletzung der §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2, 223 AO, des § 38 Abs. 3 EStG 1967 und des § 5 JAV 1966. Im wesentlichen trägt es vor: Im angefochtenen Nachforderungsbescheid seien die Berichtigung des steuerfreien Betrags nach § 92 Abs. 2 AO sowie die sich hieraus ergebende Nachforderung nach § 223 AO und die aufgrund des Lohnsteuer-Jahresausgleich 1968 festgestellte endgültige Steuerschuld 1968 aus verfahrensökonomischen Erwägungen zusammengefaßt. Die Auffassung des FG, daß zuvor formell die Verfügung über die Eintragung des Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte hätte berichtigt und der Ehefrau des Klägers hätte bekanntgegeben werden müssen, gehe über die Anforderungen hinaus, die § 91 Abs. 1 AO an das ordnungsmäßige Zustandekommen einer Verfügung stelle. Der Hinweis des FG auf § 38 Abs. 3 EStG gehe fehl, da § 92 Abs. 2 AO den Vorrang habe. Der Nachforderungsbescheid sei auch nicht etwa deshalb rechtswidrig, weil er gegen den Ehemann statt gegen die Ehefrau, auf deren Lohnsteuerkarte die fehlerhafte Eintragung vorgenommen war, gerichtet sei. Der Nachforderungsbescheid stehe im Zusammenhang mit dem Antrag der Eheleute auf gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich 1968. Nach § 7 Abs. 1 und 2 StAnpG seien die Eheleute Gesamtschuldner. Der nach § 210 Abs. 2 AO zu erlassende einheitliche Bescheid diene nur der Vereinfachung; er könne auch an jeden Ehegatten gesondert erlassen werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Ergebnis unbegründet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann ein Lohnsteuer-Jahresausgleich nicht zu einer Lohnsteuer-Nachforderung führen, sondern nur zu einer Erstattung, ungünstigstenfalls zur Ablehnung einer Erstattung (so bereits Urteil des BFH vom 12. Mai 1955 IV 69/55 U, BFHE 61, 39, BStBl III 1955, 213). Das gilt auch für einen gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich; denn nach § 4 Abs. 7 Satz 1 JAV 1966 ist ganz allgemein vorgeschrieben, daß der Lohnsteuer-Jahresausgleich im Wege der Erstattung durchzuführen ist. Satz 2 dieser Vorschrift bestimmt, daß der zu erstattende Betrag sich nach den §§ 5 bis 10 JAV ergibt. Diese Regelung umfaßt mit § 7a JAV auch die besonderen Vorschriften über den gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich; sie spricht ebenfalls dafür, daß für diesen jedenfalls hinsichtlich der Beschränkung auf eine Erstattung keine Besonderheiten gelten sollen. Diese Auffassung wird schließlich auch durch § 7a Abs. 2 Nr. 6 Satz 3 JAV bestätigt, der ausdrücklich davon spricht, daß der Unterschied zwischen der ermittelten Jahreslohnsteuer und der einbehaltenen Lohnsteuer "ausgeglichen" wird. Folgerichtig hat der Senat auch bereits in den Urteilen vom 24. Januar 1969 VI R 43/67 (BFHE 94, 529, BStBl II 1969, 250) und vom 13. August 1971 VI R 175/68 (BFHE 103, 161, BStBl II 1972, 41), bei denen die Verlängerung der Frist für den gemeinsamem Lohnsteuer-Jahresausgleich streitig war, entschieden, daß es sich beim Lohnsteuer-Jahresausgleich um einen Erstattungsfall handelt, ohne zwischen dem allgemeinen und dem gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich zu unterscheiden. Der Antrag auf Durchführung eines gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleichs konnte die Zulässigkeit einer Nachforderung gegenüber dem Kläger demnach nicht begründen.
Auf § 7 Abs. 2 StAnpG kann das FA sich hinsichtlich der Lohnsteuer-Nachforderung gegenüber dem Kläger nicht berufen. Nach dieser Vorschrift sind Personen, die zusammen zu veranlagen sind, zwar Gesamtschuldner. Der Kläger und seine Ehefrau sind aber unstreitig nicht zu veranlagen, so daß nur ein gemeinsamer Lohnsteuer-Jahresausgleich in Betracht kommt (§ 4 Abs. 3 JAV).
Auch § 7 Abs. 1 StAnpG kommt nicht zur Anwendung. Nach dieser Vorschrift sind Personen, die dieselbe steuerrechtliche Leistung schulden oder nebeneinander für dieselbe steuerrechtliche Leistung haften, Gesamtschuldner. Nachdem - wie ausgeführt - der Antrag auf gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich eine Nachforderung nicht zuläßt und somit auch eine Schuld oder eine Haftung des Klägers für die bei seiner Ehefrau zu wenig einbehaltene Lohnsteuer nicht begründen kann, ist nicht erkennbar, auf welcher Rechtsgrundlage eine Inanspruchnahme des Klägers erfolgen könnte. Zu der Frage, ob eine Erstattung in einem gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich zu einer Gesamtgläubigerschaft von Eheleuten führt, ist hier nicht Stellung zu nehmen.
Das FA hätte hiernach eine Nachforderung nur bei der Ehefrau des Klägers, nicht aber bei dem Kläger vornehmen dürfen, da der Rechenfehler bei der Errechnung des auf der Lohnsteuerkarte der Ehefrau eingetragene Freibetrags unterlaufen ist. Aus diesem Grunde war der gegen den Kläger gerichtete Nachforderungsbescheid rechtswidrig.
Der Senat weist zur Klarstellung darauf hin, daß diese Entscheidung es nicht ausschließt, einen bei der Einbehaltung der Lohnsteuer eines Ehegatten unterlaufenen Fehler im gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich richtigzustellen, sofern sich dadurch lediglich eine geringere Erstattung oder auch eine Erstattung von 0 DM ergibt. Für das weitere Verfahren in dieser Sache bemerkt der Senat, daß einer auf § 223 und § 92 Abs. 2 AO gestützten Nachforderung gegenüber der Ehefrau weder § 38 Abs. 3 EStG 1967 noch die Tatsache entgegensteht, daß das FA die Aktenverfügung über die Eintragung des Freibetrags nicht förmlich berichtigt hatte.
Fundstellen
Haufe-Index 70984 |
BStBl II 1974, 619 |
BFHE 1974, 384 |