Entscheidungsstichwort (Thema)
(Offensichtlich gesetzeswidrige Zulassung der Revision - steuerfreie Verwendung von Erdgas zu gewerblichen Zwecken - Begriff des Verheizens im Mineralölsteuerrecht - konkurrierende Verwendungszwecke von Mineralöl)
Leitsatz (amtlich)
1. Die Zulassung der Revision durch das FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache bindet als offensichtlich gesetzeswidrig den BFH nur dann nicht, wenn zwingende Gründe zu dem Schluß führen, daß die Rechtssache offensichtlich keine grundsätzliche Bedeutung hat.
2. Zur Frage, unter welchen Umständen bei den modernen Techniken der Erdgasnutzung und -verbrennung (Abfackeln von Abgasen, Betrieb thermischer Abluft- und Abwasserreinigungs- sowie Nachverbrennungsanlagen mit und ohne Energiegewinnung, Herstellung von Schutzgas) Erdgas zu gewerblichen Zwecken, die nicht als "Verheizen" anzusehen sind, steuerfrei verwendet werden darf.
Orientierungssatz
1. "Verheizen" i.S. des § 8 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b MinöStG bedeutet die gewollte Ausnützung des Heizwertes eines Stoffes, d.h. sein (ganzes oder teilweises) Verbrennen zur Erzeugung von Wärme, die (ganz oder teilweise) auf einen anderen Stoff übertragen wird, wobei die Wärmeerzeugung und die Übertragung der Wärme neben anderen Zwecken der Verwendung des Mineralöls nicht nur untergeordnete Bedeutung haben darf (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Bei einer Konkurrenz von Verwendungszwecken des Mineralöls ist § 8 Abs. 3 MinöStG dahingehend auszulegen, daß für die Frage der Gewährung der Steuerfreiheit der eigentliche, in erster Linie verfolgte Verwendungszweck entscheidend ist, während nur nebenher und erst recht spätere, nach der Erreichung des Hauptzwecks stattfindende und damit offensichtlich an Bedeutung wesentlich zurückstehende weitere Verwendungen außer Betracht bleiben (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; MinöStG § 8 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b Fassung: 1988-12-20; MinöStDV § 17 Abs. 4; FGO § 115 Abs. 1
Verfahrensgang
Hessisches FG (Entscheidung vom 08.03.1993; Aktenzeichen 7 K 883/92) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) setzt in Werken ihres Betriebs Erdgas in verschiedenen betrieblichen Abläufen ein. Mit ihrer Mineralölsteueranmeldung für das 1. Quartal 1989 begehrte die Klägerin hinsichtlich einer Menge von . . . Kilowattstunden (kWh) des in diesem Vergütungsabschnitt verwendeten Erdgases die Erstattung der Mineralölsteuer. Diesem Antrag gab das beklagte und revisionsklagende Hauptzollamt (HZA) nur teilweise statt; hinsichtlich einer Menge von . . . kWh Erdgas lehnte das HZA die Erstattung ab, weil diese Menge verheizt worden sei und wegen der Nutzung der Verbrennungswärme insoweit eine steuerfreie gewerbliche Verwendung nicht angenommen werden könne. Der Einspruch der Klägerin gegen diesen Ablehnungsbescheid hatte keinen Erfolg.
Bei den streitigen Verwendungen des Erdgases handelt es sich im einzelnen um vier Einsatzarten:
(a) In ihren Werken . . . setzt die Klägerin das Erdgas zur Unterhaltung einer Zünd- und Lockflamme für Fackelbrenner mit Pilotbrenner ein. Die Fackeln dienen zur Entsorgung von in dem jeweiligen Betriebsteil anfallenden brennbaren Abgasen. Um auszuschließen, daß die zündbaren Abgase, die schwerer als Luft sind, auf den Boden absinken und dort Explosionen verursachen können, werden die Abgase in einem ständigen Vorgang kontinuierlich verbrannt, wozu eine dauernd brennende Flamme am Fackelkopf unterhalten wird. Bei der Abgasverbrennung im Werk X wird Erdgas zudem als Spülgas eingesetzt. Dort wird schadstoffbelastetes Stickstoffspülgas, mit welchem die Acrylnitril-Anlage zur Verhinderung der Entstehung explosiver Gemische gespült wird, durch Zumischung von Erdgas erst zündfähig gemacht.
(b) In ihren Werken . . . verwendet die Klägerin Erdgas für den Betrieb thermischer Abluft- und Abwasserreinigungs- sowie Nachverbrennungsanlagen, jeweils mit Energiegewinnung.
Die thermische Abluftreinigungsanlage im Werk Y arbeitet wie folgt: Die mit Schadstoffen belastete Abluft aus der Arzneimittelwirkstoffherstellung wird in eine Brennkammer eingeleitet und dort mittels einer Erdgasflamme unter ständiger Verwirbelung bei 850 Grad Celsius vollständig verbrannt. In dem sich an die Brennkammer anschließenden Abhitzekessel wird die Luft durch Dampferzeugung auf ca. 260 Grad Celsius abgekühlt. Dieser Dampf wird sodann in das Energiesystem des Werkes eingespeist. Die Abluftreinigungsanlage wurde für ca. . . . Mio DM im Rahmen der Altanlagen-Sanierung errichtet. Aus der von der Klägerin für sie erstellten Energiebilanz ergibt sich, daß bei Einsatz einer vergleichbaren Menge Erdgas im firmeneigenen Kraftwerk die Energieausnutzung bei etwa 92 % läge, während der im Abhitzekessel erzeugte Dampf rückgerechnet lediglich einer Energieausnutzung von 55 % entspricht. Aus der Energiekostenbilanz folgt, daß bei dieser Art des Erdgaseinsatzes die Energiegewinnung erheblich teurer wäre als bei der Nutzung des firmeneigenen Kraftwerks, und daß außerdem der kostenmäßige Nutzen aus der so gewonnenen Energie keineswegs die Kosten der Anlage kompensieren kann, sondern allenfalls den dafür erforderlichen Aufwand mindert.
Die anderen genannten thermischen Reinigungsanlagen weisen ähnliche Arbeitsweisen auf. Die Aufstellung von Energiebilanzen ist hierfür nach Angaben der Klägerin allerdings nicht möglich, weil die dort in der Abluft enthaltenen Schadstoffe teilweise selbst Energieträger sind, die Zusammensetzung der Abgasströme ungleichmäßig ist und selbst bei Kenntnis der Energieinhalte eine genaue Ermittlung der Energienutzung des zur Verbrennung eingesetzten Erdgases nicht möglich wäre.
(c) In den Werken . . . wird Erdgas zum Betrieb thermischer Reinigungsanlagen der unter (b) beschriebenen Art auch ohne Energiegewinnung eingesetzt, weil der erforderliche Aufwand für eine Nutzung des bei der Herunterkühlung entstehenden Dampfes wirtschaftlich nicht sinnvoll wäre.
(d) Schließlich verwendet die Klägerin in ihrem Werk Z Erdgas zur Herstellung von Schutzgas. Die Acryl- und Viskosefaserproduktion muß zur Verhinderung von Explosionen unter Schutzgas erfolgen, d.h. es darf sich dabei nur eine Sauerstoffmenge von ca. 1 % in der Raumluft befinden. Hierzu wird in der betrieblichen Feuerungsanlage Erdgas verbrannt, wobei aus dieser Verbrennung sowohl der Energiebedarf des Werkes als auch der Bedarf an Schutzgas gedeckt wird. Die Dampfkesselanlage ist regelungstechnisch so eingestellt, daß in dem zunächst entstehenden Rauchgas ein möglichst geringer Sauerstoffgehalt erzielt wird, so daß an sich das gesamte Rauchgas zur Schutzgasherstellung verwendet werden könnte. Bei üblichen Erdgasheizungsanlagen verbrennt das Erdgas mit etwa 3 % Sauerstoffgehalt im Rauchgas. Nach Herunterkühlung des Rauchgases über Dampf-, Wasser- und Luftwärmetauscher wird der für die Schutzgasherstellung benötigte Anteil (etwa 1/4) weiter abgekühlt und gereinigt, bis alle darin gebundenen Schwefel- und Stickstoffoxide ausgeschieden sind. In ihrem Vergütungsantrag hat die Klägerin von den insgesamt eingesetzten Mengen an Schutzgas zurückgerechnet auf die Menge des Erdgases, die bei gesonderter Feuerungsanlage erforderlich gewesen wäre, um dieses Schutzgas herzustellen. Über diese Mengenermittlung und die Art der Berechnung besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
Der von der Klägerin erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) in vollem Umfang statt. Es sah alle vorgenannten Verwendungen des Erdgases als steuerfreie Verwendungen zu gewerblichen Zwecken i.S. des § 8 Abs. 3 Nr. 3 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG), die nicht in einem "Verheizen" (Nr. 3 Buchst. b) beständen, an. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 745 abgedruckte Urteil der Vorinstanz verwiesen.
Mit ihrer vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Auslegung des Begriffs "Verheizen" i.S. des § 8 Abs. 3 Nr. 3 MinöStG zugelassenen Revision rügt das HZA die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe den Bedeutungsumfang des Begriffs "Verheizen" unzulässig eingeschränkt, indem es verkannt habe, daß dieser Begriff mineralölsteuerrechtlich grundsätzlich alle Vorgänge umfasse, bei denen Mineralöl verbrannt und die bei diesem Prozeß freiwerdende Wärme genutzt werde. Eine gewerbliche Verwendung nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 MinöStG liege nur dann vor, wenn die Verbrennungswärme nicht genutzt werde.
Die Klägerin hält die Zulassung der Revision durch das FG für offensichtlich gesetzeswidrig, weil der Begriff "Verheizen" in § 8 Abs. 3 Nr. 3 MinöStG durch einschlägige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geklärt, also nicht mehr klärungsbedürftig sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), weil das FG in tatsächlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar dargelegt hat, daß in allen Verwendungsfällen des Erdgases, die Gegenstand der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind, kein die Steuerbefreiung ausschließendes Verheizen vorliegt, so daß der Senat mangels Spruchreife nicht abschließend zu entscheiden vermag.
1. Die Revision ist zulässig, weil das FG die Revision in seinem Urteil ausdrücklich zugelassen hat (Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs --BFHEntlG--), diese Zulassung entgegen der Ansicht der Klägerin nicht offensichtlich gesetzeswidrig ist und auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen eingehalten sind.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist das Revisionsgericht grundsätzlich nicht berechtigt, die Zulassungsentscheidung des FG in materieller Hinsicht daraufhin zu überprüfen, ob das FG zu Recht einen Grund für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO bejaht hat. Es ist an die Zulassung auch dann gebunden, wenn das FG eine sachlich falsche Entscheidung getroffen hat. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Zulassung offensichtlich gesetzeswidrig oder willkürlich ist; eine solche Zulassung bindet das Revisionsgericht nicht (vgl. BFH-Beschluß vom 30. Juni 1971 I R 31/69, BFHE 102, 461 und Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., 1993, § 115 Anm. 45, jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung).
Im Streitfall hat das FG in seinem Urteil, obwohl dies nicht unbedingt erforderlich ist (vgl. so für den Abhilfebeschluß die BFH-Urteile vom 22. Juni 1979 VI R 85/76, BFHE 128, 236, BStBl II 1979, 660, und vom 27. März 1991 VI R 51/88, BFHE 164, 75, BStBl II 1991, 575), die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung näher begründet, indem es hierzu auf die nach seiner Auffassung grundsätzliche Bedeutung der Auslegung des Begriffs "Verheizen" in § 8 Abs. 3 Nr. 3 MinöStG verwiesen hat. Damit hat das FG nicht nur zu erkennen gegeben, daß es selbst der Streitsache grundsätzliche Bedeutung beimißt (vgl. zu diesem Gesichtspunkt den BFH-Beschluß vom 27. März 1969 IV 241/64, BFHE 95, 214, BStBl II 1969, 353), sondern auch zu verstehen gegeben, daß die seinem Urteil zugrunde gelegte und im einzelnen angeführte Rechtsprechung des BFH zur Auslegung des Begriffs "Verheizen" nicht zu einer abschließenden Klärung geführt hat. Angesichts dieses Befunds könnten nur zwingende Gründe zu dem Schluß führen, daß die vorliegende Rechtssache "offensichtlich keine grundsätzliche Bedeutung" (BFHE 95, 214, BStBl II 1969, 353) hat.
Solche Gründe vermag der Senat nicht zu erkennen. Zwar hat der Senat mehrmals zur Auslegung des Begriffs "Verheizen" Stellung bezogen (vgl. die nachstehend unter 3. angeführte Rechtsprechung). Doch ist einzuräumen, daß die dabei gefundene Definition nicht in jeder Hinsicht eindeutig ist und sie möglicherweise angesichts der modernen Techniken der Erdgasnutzung und -verbrennung einer erneuten Überprüfung bedarf. Aus diesem Grund kann im Streitfall die Zulassung der Revision durch das FG nicht als offensichtlich gesetzeswidrig oder willkürlich angesehen werden.
2. Die Revision ist begründet, weil das FG in seinem Urteil nicht nachvollziehbar dargelegt hat, daß alle im Streit befindlichen Verwendungen des Erdgases kein schädliches Verheizen i.S. des § 8 Abs. 3 Nr. 3 MinöStG darstellen. . . .
3. Bei der erneuten Entscheidung kann davon ausgegangen werden, daß die Auffassung der Vorinstanz zur Auslegung des Begriffs "Verheizen" und die Beurteilung der verschiedenen Verwendungen des Erdgases keinen rechtlichen Bedenken begegnet.
a) Erdgas ist Mineralöl i.S. des MinöStG (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 MinöStG in der hier maßgeblichen und ab 1. Januar 1989 anwendbaren Neufassung des MinöStG vom 20. Dezember 1988, BGBl I, 2277) und damit Steuergegenstand (§ 1 Abs. 1 MinöStG). Nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 MinöStG darf Mineralöl unter Steueraufsicht unversteuert u.a. zu gewerblichen Zwecken, jedoch nicht zum Verheizen (Nr. 3 Buchst. b) verwendet werden. "Verheizen" bedeutet nach der vom erkennenden Senat entwickelten Rechtsprechung die gewollte Ausnützung des Heizwertes eines Stoffes, d.h. sein (ganzes oder teilweises) Verbrennen zur Erzeugung von Wärme, die (ganz oder teilweise) auf einen anderen Stoff übertragen wird, wobei die Wärmeerzeugung und die Übertragung der Wärme neben anderen Zwecken der Verwendung des Mineralöls nicht nur untergeordnete Bedeutung haben darf (Senatsurteil vom 11. November 1969 VII R 57/67, BFHE 97, 400, 404, unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 7. März 1967 VII 335/63, BFHE 87, 587).
In Anwendung dieser Begriffsbestimmung hat der Senat als typischen Fall des Verheizens das Verbrennen von Schweröl zur Erhitzung von Wasser im Dampfkessel zu Wasserdampf mit dem Ziel der Verwertung der hierin gespeicherten Wärme im Betrieb angesehen (BFHE 97, 400). Er hat aber auch den mittelbaren Einsatz von Mineralöl zum Verheizen, nämlich die Verwendung von Mineralöl zu einer zweistufigen Erzeugung von Wärmeenergie, als steuerbares Verheizen beurteilt (BFHE 87, 587: Umwandlung von Mineralöl im OCCR-Verfahren in ein nicht als Mineralöl anzusehendes Gas, das zur Beheizung von Zinköfen bestimmt ist; Senatsurteil vom 26. Oktober 1976 VII R 57/73, BFHE 120, 151, BStBl II 1977, 36: Verrühren von Schweröl mit Rußölpellets, um diese umweltfreundlich zu beseitigen, zu einem Gemisch, das selbst kein Mineralöl ist, aber zur Wärmegewinnung verheizt wird; Senatsurteil vom 2. August 1988 VII R 101/85, BFHE 154, 401: Vermischung von Petrolkoks mit Steinkohle zur Verheizung der dadurch gewonnenen Steinkohlenmischkohle). Diesen Fällen ist gemeinsam, daß das jeweils eingesetzte Mineralöl die Funktion eines Heizmittels ausübte und die Wärmegewinnung auch Hauptzweck des Mineralöleinsatzes war.
b) Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung folgt der Senat dem FG zunächst darin, daß die Verwendung von Erdgas zur Unterhaltung einer Zünd- und Lockflamme mit dem alleinigen Ziel, betriebliche Abgase abzufackeln und damit einer Entsorgung zuzuführen, kein Verheizen i.S. des § 8 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b MinöStG darstellt (ebenso für das Abfackeln von Hochofengas FG Düsseldorf, Urteil vom 21. Oktober 1992 4 K 4138/91 VM, EFG 1993, 413). In dieser Verwendung des Erdgases ist keine Ausnutzung seines Heizwertes zur Wärmegewinnung zu sehen; das Erdgas wird nicht als Heizmittel eingesetzt, und die Wärmegewinnung ist auch nicht Zweck des Brennvorgangs. Zweck des Abfackelns ist vielmehr die Beseitigung von schädlichen Abgasen durch Verbrennung; die dabei zwangsläufig entstehende Wärme wird nicht gewonnen, sondern --ohne Übertragung auf einen anderen Stoff-- ungenutzt in die Atmosphäre abgegeben.
Der gegenteiligen Auffassung des HZA, wonach eine die Steuerfreiheit ausschließende Nutzung der Verbrennungswärme bereits dann vorliege, wenn die sich bei der Verbrennung des Erdgases entwickelnde Hitze der Flamme durch Übertragung auf die Abgase zu deren Vernichtung genutzt werde, kann nicht gefolgt werden. Sie verkennt, daß im Sinne der vom Senat gegebenen Definition des Verheizens die Verbrennungswärme auf einen Stoff übertragen werden muß, der selbst wiederum Energieträger (Heizmittel) sein muß. Die Abgase sind aber nicht Energieträger, sondern allein das durch den Energieeinsatz zu vernichtende Objekt. Wäre schon darin eine die Steuerfreiheit ausschließende Nutzung der Verbrennungswärme zu sehen, wäre die Steuerfreiheit nach dieser Alternative nur noch durch das bloße, wirtschaftlich sinnlose Verbrennen von Mineralölprodukten erreichbar. Die Steuerfreiheit soll nach der gesetzlichen Regelung aber gerade nicht bei gezieltem, bestimmte wirtschaftliche Zwecke verfolgenden Verbrennen von Mineralöl ausgeschlossen sein, sondern erst bei einem "Verheizen".
c) Ebenfalls nicht als Verheizen i.S. von § 8 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b MinöStG zu beurteilen ist auch das Beseitigen von schadstoffbelasteter Abluft und Abwasser durch Verbrennung mittels Erdgasflamme in thermischen Abluft- und Abwasserreinigungsanlagen sowie in Nachverbrennungsanlagen.
Soweit dadurch keine Energie gewonnen und genutzt wird, sind diese Fälle dem nicht steuerbaren Abfackeln von Abgasen vergleichbar, wobei lediglich eine auf einer höheren Stufe stehende und umweltverträglichere Technologie eingesetzt wird. Auch hier kann in der Verwendung des Erdgases keine Ausnutzung seines Heizwertes zur Wärmegewinnung gesehen werden. Obgleich sich in der Abluft nach eigenen Angaben der Klägerin teilweise Schadstoffe befinden, die selbst auch Energieträger sind, kann auch in diesen Fällen nicht angenommen werden, daß die durch die Verbrennung entstehende Wärme auf diese Stoffe im Sinne der Definition des Senats "übertragen" wird, denn angesichts der beabsichtigten Vernichtung der Abluft samt Schadstoffen käme der notwendigerweise damit teilweise einhergehenden Wärmeübertragung lediglich eine untergeordnete und damit zu vernachlässigende Bedeutung zu.
d) Auch soweit in den zuvor behandelten Fällen (c) nach erfolgter thermischer Reinigung aus dem im Rahmen der Abkühlung der Anlagen anfallenden Dampf Energie gewonnen und in das Energienetz der Klägerin eingespeist wird, hat das FG zu Recht ein steuerbares Verheizen verneint.
Schon im sog. Hochofen-Urteil (Senatsurteil vom 25. November 1969 VII R 23/66, BFHE 97, 331; vgl. dazu Beermann, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 1970, 289; Prugger, Betriebs-Berater --BB-- 1970, 45) hat der Senat bei einer Konkurrenz von Verwendungszwecken des Mineralöls § 8 Abs. 3 MinöStG dahingehend ausgelegt, daß für die Frage der Gewährung der Steuerfreiheit der eigentliche, in erster Linie verfolgte Verwendungszweck entscheidend ist, während nur nebenher und erst recht spätere, nach der Erreichung des Hauptzwecks stattfindende und damit offensichtlich an Bedeutung wesentlich zurückstehende weitere Verwendungen außer Betracht bleiben (bestätigt in BFHE 120, 151). Der Mineralölsteuerverordnungsgeber ist dieser Auffassung durch die Neufassung des § 17 Abs. 4 MinöStDV durch die Siebzehnte Verordnung zur Änderung der MinöStDV (vom 17. Dezember 1979, BGBl I 1979, 2282) gefolgt, wie der Senat in seinem Urteil vom 5. Juli 1988 VII R 119/84 (BFHE 154, 286) eingehend ausgeführt hat.
Das FG ist unter Beachtung der vorgenannten Rechtsprechung davon ausgegangen, daß das Verbrennen der schadstoffbelasteten Abluft bzw. des Abwassers der Hauptzweck des jeweils betreffenden Erdgaseinsatzes war, daß dieser Zweck mit der Erreichung dieses Ziels abgeschlossen war und es sich bei der im Anschluß hieran stattfindenden Verwendung des bei der Abkühlung entstehenden Dampfes für Energiegewinnungszwecke im Betrieb der Klägerin lediglich um einen auch nach betriebs- und energiewirtschaftlichen Gesichtspunkten (Energiekostenbilanz) bloßen Nebenzweck gehandelt hat. An diese Tatsachenwürdigung wäre der Senat, da das HZA hiergegen keine revisionsrechtlich durchschlagenden Rügen erhoben hat, gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).
e) Bei der Herstellung von Schutzgas im Werk Z geht das FG davon aus, daß bereits vor dem Einsatz des Erdgases zum Verbrennen damit getrennte Zwecke verfolgt würden. Würde das für die Kunststoffaserherstellung unabdingbar benötigte Schutzgas in einem besonderen Brennkessel aus Erdgas hergestellt und der bei der Herunterkühlung des Rauchgases zwangsläufig entstehende Dampf in das betriebliche Energienetz eingespeist, so wäre dies nach den Vorgaben in BFHE 154, 286 steuerunschädlich, weil danach Mineralöl in einem einheitlichen Verwendungsvorgang sowohl zu einem gewerblichen Zweck als auch zum Verheizen verwendet und dabei in erster Linie der gewerbliche Zweck verfolgt werde. Nichts anderes könne gelten, wenn die Verbrennung des für die Schutzgasherstellung benötigten Erdgases nicht räumlich getrennt in einem separaten Brennkessel, sondern unter Ausnutzung der technischen Möglichkeiten zusammen mit dem für die Energieerzeugung des Werks benötigten Erdgas erfolge.
Diese Betrachtungsweise des FG überzeugt und ist jedenfalls der vom HZA vertretenen Auffassung, das Erdgas diene in seiner Gesamtheit der Wärmeerzeugung, wobei die Nutzung des dabei anfallenden Rauchgases steuerlich unbedeutend sei, vorzuziehen. Das HZA verkennt insoweit, daß nach den Feststellungen des FG die Schutzgasherstellung zur Aufrechterhaltung einer gefahrlosen Faserproduktion unerläßlich und die Verbrennung des gesamten Erdgases in der Dampfkesselanlage so ausgerichtet ist, daß das gesamte dabei entstehende Rauchgas aufgrund seines gegenüber einer üblichen Verbrennung in Erdgasheizungsanlagen abgesenkten Sauerstoffgehalts zur Schutzgasherstellung verwendet werden könnte. Das zeigt, daß es der Klägerin wesentlich und nicht nur nebensächlich auf die Schutzgasherstellung ankommt.
Diese Beurteilung durch das FG steht nach Auffassung des Senats auch nicht im Widerspruch zu § 17 Abs. 4 MinöStDV. Zwar könnte man nach herkömmlicher Betrachtung bezüglich der Gesamtmenge des zu verfeuernden Erdgases auch einen einheitlichen Verwendungsvorgang annehmen, wobei dann das Erdgas aufgrund der in die einzelnen Verwendungszwecke eingehenden Mengen (nur ca. 20 bis 25 % dienen zur Schutzgasherstellung) in erster Linie nicht zu begünstigten Zwecken diente. Zwingend ist eine solche Betrachtung jedoch nicht, wenn, wie das FG festgestellt und dargelegt hat, die Einsatzmengen des Erdgases teilbar sind, von vornherein also bestimmbar und berechenbar ist, welche Teilmenge des zu verbrennenden Erdgases für die Herstellung von Schutzgas und welche Teilmenge für die Erzeugung von Wärmeenergie benötigt wird. Können die jeweiligen Mengen rechnerisch --auch zum Zwecke der Berechnung der zu vergütenden Steuer-- wie im Streitfall auseinandergehalten werden, so erscheint es gerechtfertigt, es als unbeachtlich anzusehen, daß sie während der Verbrennung aus betriebstechnischen oder auch betriebswirtschaftlichen Gründen für kurze Zeit zusammenfließen und erst danach wieder ihrem jeweils beabsichtigten Verwendungszweck folgen. Aus diesen Gründen ist die Schlußfolgerung des FG nicht zu beanstanden, daß die Klägerin von vornherein wegen der Teilmenge des zu verbrennenden Erdgases, das anschließend zu Schutzgas weiterverarbeitet werden soll, einen steuerfreien gewerblichen Zweck, der nicht in einem Verheizen besteht, verfolgt.
Diese isolierte Teilmengenbetrachtung (kein Anwendungsfall des § 17 Abs. 4 MinöStDV) hat im Streitfall den weiteren Vorzug, daß sie die Zielrichtung des § 8 Abs. 3 Nr. 3 MinöStG, nur die gewerbliche Verwendung, dann aber auch jede gewerbliche Verwendung von Mineralöl mit Ausnahme des Verheizens, zu begünstigen (vgl. hierzu eingehend Beermann, ZfZ 1970, 289, 290), besser und wirksamer zum Ausdruck bringt. Es kann nämlich kein Zweifel daran bestehen, daß die gesamte Teilmenge des zur Schutzgasherstellung bestimmten Erdgases, für die im Streitfall die Steuervergütung begehrt wird, in diese Produktion und damit in die begünstigte gewerbliche Nutzung eingeflossen ist (vgl. auch FG Hamburg, Urteil vom 19. Februar 1992 IV 1/91 N, EFG 1992, 419). Auch entspricht es einem Gebot der Gerechtigkeit, daß der begünstigte Zweck nicht infolge Konkurrenz mit einem nichtbegünstigten Zweck unberücksichtigt bleibt (vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, Mineralölsteuer - Mineralölzoll, Stand: Juni 1993, § 8 MinöStG Rz. 147).
Fundstellen
Haufe-Index 65239 |
BFH/NV 1995, 36 |
BFHE 176, 502 |
BFHE 1995, 502 |
BB 1995, 661 (L) |
DStZ 1995, 669-670 (KT) |
HFR 1995, 411-412 (LT) |
StE 1995, 243-244 (K) |