Leitsatz (amtlich)
Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung erzielt auch dann Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wenn sie nur eine vermögensverwaltende Tätigkeit ausübt. Das gilt unabhängig von der Frage, ob § 16 KStDV rechtsgültig ist.
Normenkette
KStG §§ 1, 6 Abs. 1 S. 1, § 23a; KStDV § 16; EStG §§ 1-2
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, befaßt sich mit der Verwaltung eigenen Vermögens, das früher im wesentlichen aus Mietwohnhäusern bestand. Im Jahre 1970 veräußerte sie diese Häuser und erzielte dabei einen Gewinn von 732 111,46 DM. Hiervon stellte sie 700 000 DM in eine Rücklage gemäß § 6 b EStG ein, die sie mit 370 000 DM im Jahre 1971 gewinnerhöhend auflöste. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) setzte die Körperschaftsteuer für den Veranlagungszeitraum 1970 unter Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns und die Körperschaftsteuer für das Jahr 1971 unter Berücksichtigung der durch die Auflösung der Rücklage entstandenen Gewinnerhöhung fest.
Hiergegen erhob die Klägerin jeweils Klagen unmittelbar zum FG und vertrat die Ansicht, die Gewinne aus der Veräußerung und aus der Auflösung der Rücklage seien nicht steuerpflichtig. Das von einer Körperschaft erzielte Ergebnis unterliege nur der Körperschaftsteuer, wenn es unter eine der sieben Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes falle. Nach der Einteilung des Einkommensteuergesetzes habe sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezogen. Die Veräußerung der Einkunftsquelle sei damit nicht steuerpflichtig. Die abweichende Vorschrift des § 16 KStDV habe keine gesetzliche Grundlage und sei deshalb nichtig.
Das FG wies in getrennten Entscheidungen die Klagen als unbegründet ab. Es vertrat die Auffassung, die Bestimmung des § 16 KStDV seit mit dem Gesetz vereinbar, da Gesellschaften mit beschränkter Haftung kraft ihrer Rechtsform stets ein Handelsgewerbe betrieben, das einen Gewerbebetrieb im Sinne des Steuerrechts darstelle.
Mit ihren Revisionen gegen die Urteile des FG rügt die Klägerin Verletzung von Bundesrecht, nämlich unrichtige Anwendung von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 letzter Halbsatz und Art. 80 Abs. 1 GG sowie des § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 2 Abs. 3 Nr. 6 und § 21 EStG. Sie meint, Umschichtungen im Betriebsvermögen reiner Grundstücks- oder Vermögensverwaltungsgesellschaften blieben ertragsteuerlich auch dann außer Betracht, wenn es um Kapitalgesellschaften gehe, sofern sie nicht nach § 17, § 22 Nr. 2 und § 23 EStG einer der sieben Einkunftsarten unterlägen oder sofern nicht besondere Umstände sie als eine gewerbliche Tätigkeit der Gesellschaft erscheinen ließen. Diese Auffassung stehe im Einklang mit den Urteilen des BFH vom 9. Oktober 1963 I 189/61 U (BFHE 78, 199, BStBl III 1964, 79), vom 7. November 1963 IV 117/60 S (BFHE 78, 469, BStBl III 1964, 181) und vom 4. März 1970 I R 123/68 (BFHE 98, 259, BStBl II 1970, 470).
Die Klägerin beantragt, die Urteile des FG aufzuheben und die Körperschaftsteuer für 1970 unter Abänderung des Steuerbescheids vom 19. Januar 1973 auf 2 670 DM herabzusetzen sowie den Steuerbescheid für 1971 vom 5. Juni 1973 ersatzlos aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revisionen werden nach § 73 Abs. 1 FGO zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Nach § 16 KStDV sind bei Steuerpflichtigen, die nach den Vorschriften des HGB zur Führung von Büchern verpflichtet sind, alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln. Daraus würde folgen, daß für die Klägerin als GmbH nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Betracht kämen. Die Bestimmung des § 16 KStDV beruht auf § 23 a Abs. 1 Nr. 1 a und b KStG. Der Senat kann es dahingestellt lassen, ob diese Ermächtigungsvorschrift mit Art. 80 GG im Einklang steht und, falls dies zutrifft, ob § 16 KStDV von der Ermächtigungsnorm gedeckt ist. Denn der Senat ist der Auffassung, daß bereits die Auslegung des Körperschaftsteuergesetzes zu dem Ergebnis führt, daß Kapitalgesellschaften nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb beziehen können.
2. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG bestimmt sich, was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und der §§ 7 bis 16 KStG. Was danach als Einkommen gilt, ergibt sich aus § 2 Abs. 2 EStG. Es handelt sich - abgesehen von den im Gesetz genannten Abweichungen - um den Gesamtbetrag der Einkünfte. Was Einkünfte sind, ist § 2 Abs. 3 EStG zu entnehmen. Diese Vorschrift zählt in ihrem Satz 1 die sieben Einkunftsarten auf und ordnet in ihrem Satz 2 an, daß sich nach den §§ 13 bis 24 EStG bestimmt, zu welcher Einkunftsart die Einkünfte im einzelnen Fall gehören.
a) Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG könnte es danach allerdings scheinen, als verwiese diese Vorschrift für alle Steuerrechtssubjekte des Körperschaftsteuerrechts gleichermaßen auf sämtliche sieben Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes. Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG bedarf indessen für Kapitalgesellschaften einer Auslegung nach dem Sinnzusammenhang, in dem die Vorschrift steht. Denn nur Wortlaut und Sinnzusammenhang zusammen ergeben den objektivierten Willen des Gesetzgebers (Urteil BVerfG vom 21. Mai 1952 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 299 [312]). In diesen Sinnzusammenhang sind § 1 KStG und § 1 EStG einzubeziehen.
b) Die Vorschrift des § 2 EStG gilt unmittelbar nur für natürliche Personen (§ 1 EStG). Natürliche Personen können sich in vielfältiger Weise betätigen. Ihre Tätigkeiten können je nach ihrer Eigenart die Voraussetzungen der verschiedenen Einkunftsarten nach § 2 Abs. 3 EStG erfüllen. Gleiches gilt für solche körperschaftsteuerpflichtige Gebilde, die nicht schon nach den dem KStG vorgegebenen Rechtsnormen des Zivilrechts als gewerbliche Unternehmen gekennzeichnet sind. Anders verhält es sich bei Kapitalgesellschaften, zu denen auch die GmbH gehört. Zu Recht hat das FG darauf verwiesen, daß Gesellschaften mit beschränkter Haftung kraft Gesetzes als Handelsgesellschaften im Sinne des HGB gelten (§ 13 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) und als solche als Kaufleute anzusehen sind (§ 6 Abs. 1 HGB). Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG knüpft die Steuerpflicht für Kapitalgesellschaften an ihre Rechtsform. Die verfassungskonforme Auslegung des § 6 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG gebietet es, diese Ordnungsstruktur des Zivilrechts durchgehend zu wahren. Sie darf nicht willkürlich gerade dort durchbrochen werden, wo die eigentliche rechtliche Bedeutung der Kapitalgesellschaft in Erscheinung tritt (BVerfG-Urteil vom 24. Januar 1962 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331).
Auch Personengesellschaften sind handelsrechtlich als Kaufleute anzusehen (§ 6 Nr. 1 HGB). Gleichwohl liegen Einkünfte der Gesellschafter aus Gewerbebetrieb nur vor, wenn die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs erfüllt sind (BFH-Beschluß vom 21. Februar 1974 IV B 28/73 BFHE 112, 51, BStBl II 1974, 404). Dieser Unterschied zur Kapitalgesellschaft liegt darin begründet, daß das Einkommensteuerrecht bei der Besteuerung der Gesellschafter eine Personenhandelsgesellschaft nicht durchgehend an die Ordnungsstruktur des Zivilrechts anknüpft, sondern auch Einkünfte einbezieht, die - zivilrechtlich - nicht die Gesellschaft, sondern der Gesellschafter erzielt (§ 15 Nr. 2, 2. Satzteil EStG - Sondervergütungen - und § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG - Gewinn aus der Veräußerung der Anteile -).
3. Dieser Auslegung widerspricht auch nicht die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des BFH, insbesondere auch nicht das BFH-Urteil I R 123/68, nach dem durch die Unterhaltung eines Gestüts durch eine Kapitalgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen keine Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG erzielt werden. In dem dort entschiedenen Fall ging es darum, daß eine Tätigkeit von vornherein keiner der in § 2 Abs. 3 EStG genannten Einkunftsarten zuzurechnen war und deshalb auch die Annahme von Einkünften aus Gewerbebetrieb ausschied. Im Streitfall hingegen handelt es sich um Gewinne, die mit Einkünften aus Gewerbebetrieb im Zusammenhang stehen. Soweit Birkholz (BB 1970, 612 ff.) eine von der Rechtsauffassung des erkennenden Senats abweichende Ansicht vertreten haben sollte, könnte ihm der Senat nicht folgen.
Fundstellen
Haufe-Index 72148 |
BStBl II 1977, 96 |
BFHE 1977, 236 |
NJW 1977, 272 |