Entscheidungsstichwort (Thema)
Auf bankenspezifische Zwecke zugeschnittenes Gebäude; Bewertung im Sachwertverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Die für die Bewertung im Ertragswertverfahren notwendige Anzahl vermieteter Objekte einer bestimmten Gruppe von Grundstücken muss zum Hauptfeststellungszeitpunkt vorhanden gewesen sein.
2. Die Voraussetzungen des § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG sind dann erfüllt, wenn ein Geschäftsgrundstück so gestaltet ist, dass es zu den Zwecken der in Frage stehenden Gruppe von Geschäftsgrundstücken, für die eine übliche Miete nicht geschätzt werden kann, objektiv verwendbar ist. Ein im Sachwertverfahren zu bewertendes Grundstück für Bank- und Kreditinstitute liegt demnach dann vor, wenn das Grundstück objektiv so gestaltet ist, dass es zur Abwicklung des üblichen Bankgeschäfts mit Kunden verwendet werden kann.
Normenkette
BewG § 76 Abs. 3 Nr. 2
Verfahrensgang
Hessisches FG (EFG 1999, 1266) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Sparkasse, erwarb 1988 und 1990 zwei nebeneinander liegende Grundstücke, auf denen sie in der Folge ein gewerblich nutzbares Gebäude errichtete. 1991 teilte sie dieses in zwei Teileigentumseinheiten auf.
Im Erdgeschoss und Untergeschoss des Gebäudes (Teileigentum Nr. 1) unterhält die Klägerin eine Geschäftsstelle für den örtlichen Kundenbereich. Der für den öffentlichen Publikumsverkehr zugängliche Bereich ist im Erdgeschoss untergebracht. Er besteht aus einer ca. 183 qm großen Schalterhalle und einem Besprechungszimmer. Im Untergeschoss, welches über eine aus der Schalterhalle herabführende Treppe zugänglich ist, befindet sich neben den Technik- und Sozialräumen ein als massives Bauwerk ausgestalteter und aus Spezialbeton errichteter Tresorraum, der durch eine Tresortür abgeschlossen wird. In dem Tresorraum befinden sich die Kundenschließfächer sowie ein Metallschrank für den Bargeldbestand.
Für das Teileigentum Nr. 1 nahm der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) auf den 1. Januar 1993 eine Art- und Wertfortschreibung vor, wobei er die Grundstücksart "Geschäftsgrundstück" und den Einheitswert auf 224 000 DM feststellte (Bescheid vom 24. August 1993). Den Grundstückswert ermittelte das FA im Sachwertverfahren. Der Einspruch gegen diesen Einheitswertbescheid blieb erfoglos.
Mit der Klage begehrte die Klägerin weiterhin, die Bewertung im Ertragswertverfahren vorzunehmen. Es handele sich um ein übliches Büro- und Geschäftsgebäude mit einer Kundenhalle für den Publikumsverkehr, das in der Gestaltung keine erheblichen Besonderheiten im Vergleich zu anderen Büro- und Geschäftsgebäuden mit Publikumsverkehr aufweise, wie z.B. ein Reisebüro, eine ADAC-Geschäftsstelle, eine Beratungsstelle, ein Einwohnermeldeamt, eine Versicherung oder eine Apotheke. Das Zweigstellengebäude könne problemlos anderweitig als Bürogebäude mit Publikumsverkehr genutzt werden, wenn die wenigen speziellen Betriebsvorrichtungen einer Bankfiliale entfernt würden. Das Gebäude sei nicht durch eine repräsentative bauliche Gestaltung geprägt und gegenüber den anderen benachbarten Gebäuden auch sonst nicht besonders hervorgehoben.
Das Finanzgericht (FG) gab durch Zwischenurteil (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1999, 1266) dem FA auf, das Teileigentum Nr. 1 antragsgemäß im Ertragswertverfahren zu bewerten. Es führte aus, das Teileigentum der Klägerin weise keine besondere Gestaltung auf, die eine Bewertung im Ertragswertverfahren hindere. Als bauliche Besonderheit komme nur der Tresorraum in Betracht, der jedoch einen so geringen Anteil an den Herstellungskosten (nur 1,8 v.H.) habe, dass dieses Merkmal allein keine besondere Gestaltung begründen könne.
Mit der Revision rügt das beklagte FA Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen. Das Gebäude der Klägerin weise alle Merkmale der Gebäudegruppe für Geld- und Kreditinstitute auf.
Die Klägerin hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Zu Unrecht hat das FG angenommen, der Wert des der Klägerin zuzurechnenden Grundstücks sei nach § 76 des Bewertungsgesetzes (BewG) im Ertragswertverfahren zu ermitteln. Die Auffassung des FG, das Teileigentum der Klägerin sei kein Grundstück für ein Bank- oder Kreditinstitut i.S. des Abschn. 16 Abs. 6 Satz 3 der Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens (BewRGr), ist unzutreffend.
a) Nach § 76 Abs. 1 Nr. 2 BewG ist der Wert von Geschäftsgrundstücken grundsätzlich im Ertragswertverfahren zu ermitteln. Nach § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG ist das Sachwertverfahren jedoch anzuwenden bei solchen Gruppen von Geschäftsgrundstücken und in solchen Einzelfällen bebauter Grundstücke, für die weder eine Jahresrohmiete ermittelt, noch die übliche Miete geschätzt werden kann. Für die Frage, ob ein Grundstück zu einer Gruppe gehört, die nach dem Sachwertverfahren zu bewerten ist, kommt es entscheidend darauf an, ob die Gruppe die für die Bewertung im Ertragswertverfahren erforderliche Zahl vermieteter Objekte gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung aufweist. Nur wenn die erforderliche Zahl vermieteter Objekte vorhanden ist, können sich die Verhältnisse der Gruppe auf die gesetzliche Gestaltung des Ertragswertverfahrens, insbesondere die Gestaltung der Vervielfältiger, ausgewirkt haben. Die Zahl vermieteter Objekte muss deshalb so groß sein, dass die daraus abgeleitete Miete als regelmäßig gezahlte gesichert ist. Die Vermietungsfälle müssen überdies über das Bundesgebiet so verteilt sein, dass es jedem FA möglich ist, die Bewertung eigenverantwortlich durchzuführen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 20. Februar 1981 III R 42, 47/78, BFHE 133, 73, BStBl II 1981, 458, 459, und vom 11. Februar 1977 III R 125/75, BFHE 121, 503, BStBl II 1977, 408, sowie vom 23. September 1977 III R 121/74, BFHE 123, 156, BStBl II 1978, 87). Die für eine Bewertung im Ertragswertverfahren notwendige Anzahl vermieteter Objekte muss zum Hauptfeststellungszeitpunkt vorhanden gewesen sein (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. März 1993 7 K 1710/92, EFG 1993, 706).
Die Aufstellung in Abschn. 16 Abs. 6 und 7 BewRGr über die im Sachwertverfahren zu bewertenden Gruppen von Geschäftsgrundstücken gibt einen Erfahrungssachverhalt wieder, den die Gerichte ihren Entscheidungen grundsätzlich ohne weitere Sachverhaltserforschung zugrunde legen können. Ihm kommt die Bedeutung eines Beweises des ersten Anscheins zu (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Dezember 1993 II R 30/92, BFH/NV 1994, 362, m.w.N.). An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat fest. Zu den Geschäftsgrundstücken i.S. des § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG, für die weder eine Jahresrohmiete ermittelt noch die übliche Miete nach § 79 Abs. 2 BewG geschätzt werden kann, gehören danach Grundstücke für Bank- und Kreditinstitute (Abschn. 16 Abs. 6 Satz 3 BewRGr).
b) Allerdings fällt nicht jedes Grundstück eines Kreditinstituts notwendigerweise und stets in den Anwendungsbereich des Sachwertverfahrens. Nicht jede Betätigung der Kreditinstitute erfordert eine sich von anderen Geschäftsgrundstücken unterscheidende Gestaltung des Gebäudes. Dieses Erfordernis besteht vielmehr nur für die eigentlichen bankenspezifischen Betätigungen. Zu ihnen gehört die Abwicklung des üblichen Kundengeschäfts. Ist ein Grundstück auf diesen bankenspezifischen Zweck zugeschnitten, ist es im Sachwertverfahren zu bewerten.
Entgegen der Auffassung des FG ist es dagegen nicht Voraussetzung, dass eine andere Nutzung als zu bankenspezifischen Zwecken aufgrund der Gestaltung des Gebäudes ausgeschlossen ist. Die Zuordnung der Bankgrundstücke zum Sachwertverfahren beruht auf der Überlegung, dass sich für solche Gebäude in der oben zu 1. a) beschriebenen Weise keine übliche Miete ermitteln ließ. Wird ein auf bankenspezifische Zwecke zwar zugeschnittenes Gebäude ―ggf. nach Umbauten bzw. unter teilweiser Nichtbenutzung bankenspezifischer Einrichtungen (z.B. Tresorräume)― zu anderen gewerblichen Zwecken vermietet, so wird dafür (möglicherweise) eine diesen Zwecken entsprechende übliche Miete erzielt; diese muss dann aber nicht derjenigen entsprechen, die für die bankenspezifische Nutzung zu erzielen wäre. Es ist daher rechtsfehlerhaft, wenn das FG eine "besondere Gestaltung des Gebäudes" verlangt, die diese von anderen Bürogebäuden wesentlich unterscheidet. Die Voraussetzungen des § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG sind vielmehr bereits dann erfüllt, wenn ein Geschäftsgrundstück so gestaltet ist, dass es zu den Zwecken der in Frage stehenden Gruppe von Geschäftsgrundstücken, für die eine übliche Miete nicht geschätzt werden kann, objektiv verwendbar ist. Eine wesentliche Unterscheidung der Gestaltung zu der anderer Geschäftsgrundstücke, die eine Nutzung zu deren Zwecken als ausgeschlossen erscheinen lässt, ist dagegen nicht erforderlich. Die Entscheidung des FG beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist deswegen aufzuheben.
2. Die Sache ist spruchreif.
Das FG hat keine Umstände festgestellt, noch sind solche ersichtlich, die den Schluss zuließen, dass abweichend von der Zuordnung durch die Verwaltung in Abschn. 16 Abs. 6 BewRGr im gesamten Bewertungsgebiet zum Hauptfeststellungszeitpunkt eine hinreichende Zahl vermieteter Grundstücke für Bank- und Kreditinstitute vorhanden war und diese deshalb im Ertragswertverfahren zu bewerten sind. Auch die Klägerin hat das Vorliegen derartiger Umstände nicht in nachprüfbarer Weise dargelegt. Es bleibt daher bei dem Erfahrungssachverhalt in Abschn. 16 Abs. 6 BewRGr.
Das Teileigentum im Streitfall ist ein Grundstück für Bank- und Kreditinstitute im dargelegten Sinne. Die Feststellungen des FG zur baulichen Gestaltung der betreffenden Räume, insbesondere auch durch die Bezugnahme auf die Baupläne, ermöglichen dem Senat diese Subsumtion. Das Teileigentum war von der Klägerin ―einer Sparkasse― gerade zur Abwicklung ihres bankenspezifischen und üblichen Kundengeschäfts errichtet worden und ist baulich objektiv so gestaltet, dass es dem Kundengeschäft einer Bank oder eines Kreditinstituts zu dienen vermag. Es enthält nicht nur die zur Abwicklung des bankentypischen Geschäfts erforderlichen baulichen Einrichtungen wie Schalterhalle, Besprechungs- und Tresorraum, sondern diese Räume weisen hinsichtlich ihrer Lage zueinander sowie ihrer Zugänglichkeit (unmittelbarer Zugang von der Schalterhalle zum Tresorraum) den für einen Bankbetrieb erforderlichen Funktionszusammenhang auf. Auf das Verhältnis der Baukosten für die Errichtung des Tresorraums und der sonstigen Räume ―auf die das FG abstellt― kommt es nach der dargestellten Rechtsauffassung des Senats nicht an.
Fundstellen
Haufe-Index 738380 |
BFH/NV 2002, 964 |
BStBl II 2002, 378 |
BFHE 198, 146 |
BFHE 2003, 146 |
BB 2002, 1191 |
DB 2002, 1250 |
DStRE 2002, 840 |
HFR 2002, 681 |
WPg 2002, 678 |
Inf 2002, 473 |
NWB 2002, 1763 |
BuW 2002, 903 |
ZfIR 2002, 1017 |
GuT 2002, 122 |
GuG-aktuell 2003, 7 |
stak 2002, 0 |