Entscheidungsstichwort (Thema)
Dauer der AdV eines Folgebescheids
Leitsatz (NV)
1. Zur Auslegung einer Verfügung über die Aussetzung der Vollziehung.
2. Ist eine an die Aussetzung der Vollziehung eines Grundlagenbescheids anknüpfende Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheids (§361 Abs. 3 Satz 1 AO 1977) "bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bzw. des geänderten Steuerbescheides" befristet, so endet die Aussetzung der Vollziehung und damit auch die Unterbrechung der Zahlungsverjährung, wenn der Folgebescheid selbst nicht angefochten worden ist, einen Monat nach der Bekanntgabe des geänderten Folgebescheids, der aufgrund der Erledigung des Rechtsbehelfs über den Grundlagenbescheid ergeht.
Normenkette
AO 1977 § 218 Abs. 2, § § 228 ff., § 229 Abs. 1, § 231 Abs. 2-3, § 361 Abs. 3; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Jahre 1977 beteiligt an einer GmbH & Co. KG (KG). Der Gewinnfeststellungsbescheid 1977 der KG wurde vom Betriebs- Finanzamt aufgrund eines Einspruchs antragsgemäß in der Vollziehung ausgesetzt bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung oder des geänderten Gewinnfeststellungsbescheides. Für Zwecke der Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheides wurde dem Wohnsitz-Finanzamt ein Verlustanteil des Klägers in Höhe von 88 504 DM mitgeteilt. Dieses erließ einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid 1977 und setzte antragsgemäß die Vollziehung dieses Bescheides "bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bzw. des geänderten Steuerbescheides" in Höhe von 45 638 DM aus -- Verlustansatz 88 504 DM -- (Verfügung vom 27. August 1980). Nach späteren Änderungen des Einkommensteuerbescheides 1977 setzte das Wohnsitz-Finanzamt des Klägers die Vollziehung mit Verfügung vom 7. Mai 1981 in Höhe von 45 570 DM und mit Verfügung vom 10. März 1983 in Höhe von 43 470 DM jeweils mit dem vorstehend genannten Zusatz hinsichtlich des Fristablaufs aus.
Unter dem Datum vom 26. März 1982 erließ das Betriebs-Finanzamt eine ablehnende Einspruchsentscheidung zum Gewinnfeststellungsbescheid der KG, die zunächst nur dem Steuerberater der KG und später im Klageverfahren (am 23. Februar 1989) auch dem Kläger und den übrigen Gesellschaftern bekanntgegeben wurde. Nach einer Erklärung des Betriebs-Finanzamts im Klageverfahren (7. Mai 1982), daß die Aussetzung der Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheides nicht widerrufen worden sei, sondern in der bisherigen Höhe weiter bestehe, zog der Steuerberater der KG den bei Gericht gestellten Aussetzungsantrag zurück.
Nachdem im Jahre 1990 durch Urteil über die Klage der KG entschieden und ein geänderter Gewinnfeststellungsbescheid 1977 ergangen war, setzte das Wohnsitz-Finanzamt durch geänderten Einkommensteuerbescheid 1977 vom 4. Januar 1993 die Steuerschuld gegen den Kläger auf 36 968 DM fest und forderte ihn zur Zahlung auf. Da sich der Kläger auf Zahlungsverjährung berief, erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Zentralfinanzamt -- ZFA --) am 11. Oktober 1994 einen Abrechnungsbescheid nach §218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977), nach dem der Kläger zur Einkommensteuer 1977 noch einen Betrag von 36 820,25 DM schuldet. Dieser Anspruch sei nicht durch Zahlungsverjährung erloschen; ein Teilbetrag von 147 DM sei durch Aufrechnung getilgt.
Die nach erfolglosem Einspruch gegen den Abrechnungsbescheid erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen. Das FG sah die Einkommensteuerschuld des Klägers nicht als verjährt an, da die Zahlungsverjährung durch die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides unterbrochen worden sei. Die Entscheidungsgründe des Urteils des FG sind in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 1285 abgedruckt.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, mit Ablauf eines Monats nach der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung in der Gewinnfeststellungssache vom 26. März 1982 an den Steuerberater der KG, die zugleich Wirkung für und gegen alle Gesellschafter gehabt habe, habe die Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides und somit auch die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides gegenüber dem Kläger geendet, ohne daß es hierzu eines besonderen Verwaltungsakts bedurft habe. Die erneute Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides im Klageverfahren (7. Mai 1982) sei dem Wohnsitz-Finanzamt nicht mitgeteilt worden, so daß eine darauf gestützte Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides und damit eine weitere Unterbrechung der Verjährung der Einkommensteuerschuld nicht erfolgt sei. Die aufgrund des Urteils in der Gewinnfeststellungssache durch Bescheid vom 4. Januar 1993 gegen den Kläger festgesetzte Einkommensteuer 1977 sei somit seit Ablauf des Jahres 1987 verjährt.
Entgegen der Auffassung des FG komme der nochmaligen Bekanntgabe der ablehnenden Einspruchsentscheidung zum Grundlagenbescheid an den Kläger und die übrigen Gesellschafter im Jahre 1989 keine verjährungsunterbrechende Wirkung zu, da es sich hierbei lediglich um die (deklaratorische) Wiederholung der bereits im Jahre 1982 wirksam erfolgten Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung an den Bevollmächtigten der KG gehandelt habe. Der Kläger habe auch nicht -- wie das FG meine -- mit einer Befristung der Aussetzung der Vollziehung bis zur Bekanntgabe eines geänderten Einkommensteuerbescheides rechnen müssen. Die Aussetzung der Vollziehung sei vielmehr ausdrücklich an den Erlaß einer Einspruchsentscheidung zum Gewinnfeststellungsbescheid gekoppelt und nur insoweit befristet gewesen; das anschließende FG- Verfahren werde von der Aussetzungsverfügung nicht erfaßt. Dem Kläger liege allein die Aussetzungsverfügung vom 10. März 1983 vor. Sie sei dahin auszulegen, daß sie Rückwirkung für die Zeit des Einspruchsverfahrens -- beendet im Jahre 1982 -- habe, nicht aber die Zahlungsverjährung auch für die Zukunft unterbrechen solle.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den angefochtenen Abrechnungsbescheid i.d.F. der Einspruchsentscheidung dahin abzuändern, daß festgestellt wird, die festgesetzte Einkommensteuer 1977 in Höhe von 36 968 DM sei durch Zahlungsverjährung erloschen.
Das ZFA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es führt aus, maßgeblich für den Eintritt der Zahlungsverjährung sei im Streitfall nicht die Dauer der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides, sondern die des Folgebescheides (Einkommensteuerbescheid 1977). Die an die Aussetzung der Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheides anknüpfende Folgeaussetzung des Einkommensteuerbescheides vom 10. März 1983 sei weder nichtig bzw. mit Wirkung für die Vergangenheit ergangen noch habe sie automatisch mit der Einspruchsentscheidung zum Grundlagenbescheid geendet. Die Einkommensteuer 1977 sei damit nicht durch Zahlungsverjährung erloschen.
Bei der Auslegung der Aussetzungsverfügung vom 10. März 1983 sei davon auszugehen, daß sich die Befristung, selbst wenn ihr Wortlaut nicht eindeutig gewesen sein möge, weil eine Einspruchsentscheidung in Sachen Einkommensteuer 1977 nicht zu erwarten und in Sachen Gewinnfeststellung bereits ergangen war, auf die Bekanntgabe eines geänderten Einkommensteuerbescheides aufgrund des rechtshängigen Feststellungsverfahrens erstreckt habe. Der Kläger habe bei Wertung des objektiven Erklärungsgehalts jedenfalls nicht davon ausgehen können, daß sich die spätere Folgeaussetzung vom 10. März 1983 auf die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung zum Grundlagenbescheid vom 26. März 1982 beziehen würde. Vielmehr habe er damit rechnen müssen, daß der Vollzug der Einkommensteuerschuld 1977 in Höhe der Folgeaussetzung bis zum Ergehen eines geänderten Einkommensteuerbescheides (aufgrund des rechtshängigen Feststellungsverfahrens) oder bis zum Widerruf dieser Folgeaussetzung hinausgeschoben würde. Im Zeitpunkt des Zugangs der Aussetzungsverfügung sei dies das für ihn günstigere Auslegungsergebnis gewesen, da es für keinen Beteiligten voraussehbar gewesen sei, daß sich bei anderweitiger Deutung der Befristung der Folgeaussetzung hinsichtlich der Frage des Ablaufs der Zahlungsverjährung ein weniger belastendes Auslegungsergebnis ergeben würde.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat zu Recht entschieden, daß die durch den geänderten Einkommensteuerbescheid 1977 vom 4. Januar 1993 gegen den Kläger festgesetzte Steuerschuld nicht durch Zahlungsverjährung erloschen und der angefochtene Abrechnungsbescheid somit rechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Verjährung ist vielmehr durch die Aussetzung der Vollziehung der vorangegangenen Einkommensteuerbescheide 1977 unterbrochen worden; diese Unterbrechung der Verjährung dauerte im Zeitpunkt des Ergehens des geänderten Einkommensteuerbescheides vom 4. Januar 1993 noch an.
1. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unterliegen einer besonderen Zahlungsverjährung mit einer Frist von fünf Jahren (§228 AO 1977). Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist (§229 Abs. 1 AO 1977). Die Verjährung wird u.a. unterbrochen durch schriftliche Geltendmachung des Anspruchs oder durch Aussetzung der Vollziehung (§231 Abs. 1 AO 1977).
Die Unterbrechung der Verjährung durch Aussetzung der Vollziehung dauert fort, bis die Vollziehungsaussetzung abgelaufen ist (§231 Abs. 2 AO 1977). Mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Unterbrechung geendet hat, beginnt gemäß §231 Abs. 3 i.V.m. §228 AO 1977 eine neue fünfjährige Verjährungsfrist.
Bei Grundlagenbescheiden unterbricht weder der Erlaß des Feststellungsbescheides (mangels Leistungsgebots) noch die Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides die Verjährung des Steueranspruchs (Zahlungsanspruch aus dem Folgebescheid). Erst die nach §361 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 für den Fall der Aussetzung der Vollziehung eines Grundlagenbescheides angeordnete Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheides von Amts wegen unterbricht die Zahlungsverjährung (vgl. Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §231 AO 1977 Rz. 21; Schultz in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, §231 AO 1977 Rz. 7). Daraus folgt für den Streitfall, daß es für die Frage der Zahlungsverjährung der Einkommensteuerschuld 1977 des Klägers nicht auf die Dauer der Aussetzung der Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheides, sondern auf Beginn und Ende der Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1977 ankommt. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung in der Gewinnfeststellungssache an den Kläger (1982 oder erst 1989) ist somit nicht entscheidungserheblich.
2. a) Die Einkommensteuer 1977 des Klägers kann erstmals im Jahre 1978 festgesetzt worden sein; nähere Feststellungen hierzu hat das FG nicht getroffen. Der Einkommensteuerbescheid wurde im Jahre 1980 in Höhe der Steuer, die auf den streitigen Verlustanteil an der KG entfiel, in der Vollziehung ausgesetzt. Im Zusammenhang mit späteren Änderungen des Einkommensteuerbescheides 1977 ergingen am 7. Mai 1981 und am 10. März 1983 weitere Verfügungen über die Aussetzung der Vollziehung dieses Bescheides jeweils in Höhe geringfügig geänderter Steuerbeträge. Sämtliche Verfügungen über die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1977 enthalten neben dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs die Befristung "bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bzw. des geänderten Steuerbescheids".
b) Die Zahlungsverjährung für den Anspruch auf Einkommensteuer 1977 begann somit frühestens mit Ablauf des Jahres 1978, in dem der Steueranspruch aufgrund seiner Festsetzung erstmals fällig geworden sein kann (§229 Abs. 1 Satz 1, §220 Abs. 1 AO 1977, §36 Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes). Aufgrund der Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1977 sowie der nachfolgenden Änderungsbescheide war die Verjährung in Höhe der in den Aussetzungsverfügungen genannten Steuerbeträge vom Jahre 1980 an unterbrochen (§231 Abs. 1 AO 1977). Die Aussetzung der Vollziehung und damit die Unterbrechung der Zahlungsverjährung (§231 Abs. 1 und 2 AO 1977) dauerte jeweils bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des nachfolgenden geänderten Einkommensteuerbescheides 1977 an, mit dessen Ergehen sie jeweils durch die nachfolgenden Aussetzungsverfügungen vom 7. Mai 1981 bzw. vom 10. März 1983 weiter hinausgeschoben wurde, zuletzt bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des aufgrund des FG-Urteils in der Gewinnfeststellungssache ergangenen geänderten Einkommensteuerbescheides 1977 vom 4. Januar 1993, mit dem die hier streitige Steuer festgesetzt worden ist. Der streitige Steueranspruch in Höhe von 36 968 DM ist somit wegen andauernder Unterbrechung der Zahlungsverjährung, die nach den genannten Aussetzungsverfügungen noch höhere Steuerbeträge umfaßte, nicht verjährt (vgl. §231 Abs. 4 AO 1977).
Dabei ist es unerheblich, ob dem Kläger die früheren Aussetzungsverfügungen vom 27. August 1980 und vom 7. Mai 1981 wirksam bekanntgegeben worden sind. Auch wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, war im Zeitpunkt des Ergehens der nachfolgenden Aussetzungsverfügung vom 10. März 1983, die ihm nach seinem eigenen Vorbringen vorliegt, die frühestens im Jahre 1978 erstmals festgesetzte Einkommensteuer 1977 noch nicht verjährt (§§228, 229 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), so daß mit der letzten Aussetzungsverfügung vom 10. März 1983 die Verjährung der Steuerschuld bis zum Ergehen des Steueränderungsbescheides vom 4. Januar 1993 weiter hinausgeschoben werden konnte (§231 Abs. 1 und 2 AO 1977).
Soweit der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht vorgetragen hat, die Aussetzungsverfügung vom 10. März 1983 sei unwirksam, weil sie ihm und seiner mit ihm zusammenveranlagten Ehefrau in einer Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift bekanntgegeben worden sei, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden darf (§118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) und deshalb vom Senat in rechtlicher Hinsicht nicht zu würdigen ist. Im übrigen weist der Senat aber darauf hin, daß er in dem vom Kläger zitierten Urteil vom 14. Januar 1997 VII R 66/96 (BFHE 182, 262, 269) für den Fall einer Aussetzung der Vollziehung von Amts wegen nach §361 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 eine aus der gemeinsam unterschriebenen Steuererklärung hergeleitete gegenseitige Empfangsvollmacht der Ehegatten für Entscheidungen im Rechtsbehelfsverfahren (hier: Aussetzung der Vollziehung) nur für den Fall abgelehnt hat, daß für den anderen Ehegatten gar kein Rechtsmittel eingelegt worden war. Im Streitfall geht es aber nicht -- wie in dem Urteilsfall des Senats -- um die Wirksamkeit der Aussetzung der Vollziehung gegenüber der nicht rechtsmittelführenden Ehefrau, sondern um die Wirksamkeit der Bekanntgabe der Aussetzungsverfügung gegenüber dem Kläger, der jedenfalls mittelbar als Gesellschafter der KG an dem Rechtsbehelfsverfahren, das auch zur Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1977 geführt hat, beteiligt war (hier: §361 Abs. 3 Satz 1 AO 1977).
3. Entgegen der Auffassung der Revision macht die Befristung in der Aussetzungsverfügung vom 10. März 1983 diese nicht wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig (§119 Abs. 1, §125 Abs. 1 AO 1977); sie hat auch nicht nur Wirkung für die Vergangenheit, da sie sich nicht auf den zurückliegenden Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung in der Gewinnfeststellungssache der KG vom 26. März 1982 bezieht.
a) Bei der Auslegung eines Verwaltungsakts -- hier Aussetzungsverfügung -- sind die §§133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend anzuwenden. Maßgebend ist danach der objektive Erklärungsgehalt der Regelung, wie ihn der Empfänger (Steuerpflichtige) nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Im Zweifel ist das für den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus ihrer Sphäre nicht benachteiligt werden darf. Dabei ist auf den Zeitpunkt des Zugangs der behördlichen Verfügung abzustellen; ohne Bedeutung ist es daher, ob ein anderes Auslegungsergebnis zu einem späteren Zeitpunkt zu einem für den Erklärungsempfänger günstigeren Ergebnis führen könnte, mit dem er im Zeitpunkt des Zugangs des Verwaltungsakts nicht ernsthaft rechnen konnte (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 18. Februar 1997 VII R 96/95, BFHE 182, 282, BStBl II 1997, 339, m.w.N.).
Nach diesen Auslegungsgrundsätzen konnte die Befristung in der Aussetzungsverfügung vom 10. März 1983 bei objektiver Betrachtung aus der Sicht des Klägers nur dahin verstanden werden, daß die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1977 "bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des -- wie es im Wortlaut der Verfügung auch heißt -- geänderten Steuerbescheides" ausgesetzt werde. Damit konnte nur ein in der Zukunft ergehender geänderter Steuerbescheid -- hier der Einkommensteuerbescheid vom 4. Januar 1993 -- gemeint sein; denn der Empfänger der Aussetzungsverfügung durfte -- wie oben ausgeführt -- von der ihm günstigen Regelung einer in die Zukunft gerichteten Aussetzung der Vollziehung ausgehen. Eine derartige Aussetzungsregelung war aus der Sicht des Klägers nach den ihm bekannten bzw. erkennbaren Umständen des Streitfalles auch sinnvoll und verständlich. Denn wegen des im Zeitpunkt des Ergehens der Aussetzungsverfügung vom 10. März 1983 anhängigen Klageverfahrens in der Gewinnfeststellungssache der KG mußte mit einer künftigen Folgeänderung des Einkommensteuerbescheides 1977 aufgrund des Urteils in dem Klageverfahren wegen des Grundlagenbescheides gerechnet werden (§175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977). Für dieses Auslegungsergebnis ist es unerheblich, ob dem Kläger oder seinem Wohnsitz- Finanzamt die im Klageverfahren ausgesprochene weitere Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides durch das Betriebs-Finanzamt bekannt war, denn die Dauer der Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheides und die daran anknüpfende Unterbrechung der Zahlungsverjährung für den Steueranspruch bestimmen sich allein nach der Aussetzungsverfügung für den Folgebescheid und der darin getroffenen Fristbestimmung.
Nicht ganz eindeutig war indes die in der Aussetzungsverfügung vom 10. März 1983 enthaltene weitere Fristbestimmung "bis zum Ablauf eines Monats nach der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung", da eine Einspruchsentscheidung wegen des Einkommensteuerbescheides 1977 mangels Anfechtung dieses Bescheides nicht zu erwarten war. Der Kläger konnte deshalb die vordruckmäßig angekreuzte, alternative Bestimmung der Dauer der Aussetzung der Vollziehung -- Einspruchsentscheidung bzw. geänderter Steuerbescheid -- sachgerecht und hinsichtlich einer ihm günstigen und allein verständlichen Gesamtregelung nur in dem vorstehend dargestellten Sinne verstehen, daß die Vollziehung bis zum Ergehen eines geänderten Steuerbescheides ausgesetzt werden sollte. Da diese Fristbestimmung im Wortlaut der Verfügung zum Ausdruck kommt und sie allein eine sinnvolle Auslegung ergibt, ist der zusätzliche Hinweis auf die Einspruchsentscheidung ohne rechtliche Bedeutung und führt auch nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts wegen inhaltlicher Unbestimmtheit.
Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen kann somit einer Auslegung der Fristbestimmung im Sinne der Auffassung der Revision, wonach sich der Hinweis auf die Einspruchsentscheidung auf die bereits in der Vergangenheit erfolgte Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung in der Gewinnfeststellungssache der KG vom 26. März 1982 bezogen haben soll, nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt nicht gefolgt werden. Dem stünde ferner entgegen, daß eine Rechtsbehelfsentscheidung zum Gewinnfeststellungsbescheid ggf. erst durch eine Folgeänderung des Einkommensteuerbescheides nach §175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 umgesetzt werden muß, so daß auch aus diesem Grunde eine Befristung der Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheides nur bis zur Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bezüglich des Grundlagenbescheides nicht sinnvoll wäre. Schließlich bedarf es -- wie oben ausgeführt -- für die Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheides und damit auch für die Dauer der Unterbrechung der Zahlungsverjährung (§231 Abs. 1 und 2 AO 1977) einer eigenständigen Regelung (vgl. §361 Abs. 3 Satz 1 AO 1977), die nicht unmittelbar abhängig ist von den den Grundlagenbescheid betreffenden Rechtsfolgen. Daß bei nunmehriger Betrachtung -- im Gegensatz zu derjenigen im Zeitpunkt des Ergehens der Aussetzungsverfügung vom 10. März 1983 -- die von der Revision gewünschte Auslegung der Fristbestimmung für die Aussetzung der Vollziehung im Hinblick auf den früheren Eintritt der Zahlungsverjährung für den Kläger günstiger wäre, vermag -- wie oben ausgeführt -- eine andere Auslegung nicht zu rechtfertigen.
b) Soweit sich der Kläger darauf beruft, aus seiner Sicht habe die Aussetzungsverfügung vom 10. März 1983 nur eine Regelung für die Vergangenheit enthalten, da sie die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides lediglich bis zur Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung zum Gewinnfeststellungsbescheid, die bereits erfolgt war, befristet habe, steht dies im übrigen mit seinem eigenen nachfolgenden Verhalten im Widerspruch. Aus diesem folgt vielmehr, daß der Kläger selbst von einer in die Zukunft gerichteten Aussetzung der Vollziehung ausgegangen sein muß, denn er hat die gegen ihn festgesetzte Steuerschuld auch in der Folgezeit nicht entrichtet. Sein Vorbringen im Revisionsverfahren, daß hierfür auch andere Gründe als die Aussetzung der Vollziehung (z.B. Zahlungsschwierigkeiten) ursächlich gewesen sein könnten, ist zu unsubstantiiert, um die vorstehende Schlußfolgerung des Senats zu entkräften. Es ist auch nicht nachvollziehbar, daß der Kläger, der nach den Feststellungen des FG selbst die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1977 beantragt hatte, sich mit einer auf einen zurückliegenden Zeitpunkt befristeten Aussetzung zufrieden gegeben hätte, solange der anhängige Rechtsstreit wegen des Gewinnfeststellungsbescheides der KG noch nicht entschieden war. Zumindest wäre vom Standpunkt des Klägers aus ein erneuter Aussetzungsantrag zu erwarten gewesen, falls er tatsächlich von dem wenig sinnvollen Auslegungsergebnis ausgegangen wäre, daß das FA die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides nur für einen zurückliegenden Zeitraum ausgesprochen habe. Der Kläger hat aber auf die Aussetzungsverfügung vom 10. März 1983 nicht reagiert.
Da somit die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1977 bis zur Bekanntgabe des Änderungsbescheides vom 4. Januar 1993 ausgesetzt war und die Unterbrechung der Zahlungsverjährung bis zu diesem Zeitpunkt andauerte (§231 Abs. 2 AO 1977), ist die mit diesem Bescheid angeforderte Steuerschuld, die Gegenstand des angefochtenen Abrechnungsbescheides ist, nicht verjährt.
Fundstellen
Haufe-Index 67600 |
BFH/NV 1998, 1322 |