Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bei Verletzung der Ermittlungspflicht des FA, wenn der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht genügt hat
Leitsatz (NV)
1. Für die Frage der Zulässigkeit der Revision ist es unerheblich, ob die Revisionsbegründung schlüssig ist.
2. Die Änderung einer Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 setzt voraus, daß das nachträgliche Bekanntwerden einer Tatsache oder eines Beweismittels nicht auf einer Verletzung der Ermittlungspflicht des Finanzamts beruht, sofern der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht voll genügt hat (Anschluß an BFH-Urteil vom 13. November 1985 II R 208/82, BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241).
3. Die Behandlung von Einkünften als solchen aus selbständiger Arbeit, und von Umsätzen als solchen zum ermäßigten Steuersatz in Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen enthält keine Tatsachenerklärungen, sondern die Darstellung eigener rechtlicher Wertungen des Steuerpflichtigen.
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 120 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Umsätze der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Wege der Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) für 1976 und 1977 und bei erstmaliger Festsetzung für 1978 und 1979 mit dem allgemeinen Steuersatz anstelle des ermäßigten Steuersatzes besteuern durfte.
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) übernahm die Klägerin im Jahr 1968 von einem Architekten (A) dessen Architekturbüro. Die Klägerin war weder als Architekt noch als Ingenieur ausgebildet. Auf dem Vordruck einer vom FA an die Klägerin gerichteten Anfrage vom 8. Mai 1968 - auf die sich FA und FG für ihre Auffassung berufen - gab die Klägerin an, sie sei von Beruf Buchhalter, habe das Architekturbüro von A übernommen und beschäftige einen Arbeitnehmer. Zu dieser Angabe ist handschriftlich eingefügt: ,,Laut Auskunft ist A nunmehr Angestellter".
In den Jahren ab Erwerb des Architekturbüros gab die Klägerin in den Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärungen zu den Fragen nach Beruf oder Art der Tätigkeit oder der Art des Unternehmens an: ,,Architekturbüro". Die Bezeichnung ,,Architektin" für sich hat sie selbst nicht verwendet. In den Einkommensteuererklärungen erklärte sie ihre Betriebsergebnisse als Einkünfte aus selbständiger Arbeit; in den Umsatzsteuererklärungen trug sie die Umsätze in der Spalte für den ermäßigten Steuersatz ein. Später verwendete sie statt der Bezeichnung Architekturbüro die Bezeichnung Ingenieurbüro. Aufgrund dieser Angaben setzte das FA die Umsatzsteuer - wie bisher - auch für die Jahre 1976 und 1977 erklärungsgemäß unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes (§ 12 Abs. 2 Nr. 5 Umsatzsteuergesetz - UStG 1967 -) fest.
Nach einer Außenprüfung änderte das FA die Steuerfestsetzungen für 1976 und 1977 und veranlagte zudem die Klägerin erstmalig für die Jahre 1978 und 1979, wobei es die Umsätze aus dem ,,Ingenieurbüro" mit dem vollen Steuersatz erfaßte. Das FA berief sich darauf, bis zur Außenprüfung sei ihm nicht bekannt gewesen, daß die Klägerin nicht zu den Angehörigen eines freien Berufs gehört habe. Sie habe sich zwar nie als Architektin bezeichnet, jedoch in den Einkommensteuererklärungen die Betriebsergebnisse stets als Einkünfte aus selbständiger Arbeit erklärt; entsprechend habe sie in den Umsatzsteuererklärungen den ermäßigten Steuersatz beantragt. Die Änderung der Steuerbescheide 1976 und 1977 wegen nachträglich bekanntgewordener Tatsachen zu Lasten der Klägerin verletze auch nicht den Grundsatz von Treu und Glauben; denn das FA habe sich auf Angaben der Klägerin in der Steuererklärung verlassen. Das falsche Ausfüllen der Erklärung habe die Klägerin zu vertreten. Die Anwendung des vollen Steuersatzes bei den erstmaligen Veranlagungen für die Jahre 1978 und 1979 ergebe sich daraus, daß die Klägerin unstreitig die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 nicht erfülle.
Der Einspruch der Klägerin, mit dem sie u. a. die Steuerfestsetzung mit dem höheren Steuersatz als Verstoß gegen die Fürsorgepflicht nach § 89 AO 1977 ansah, weil sie die höhere Umsatzsteuer nicht auf ihre Kunden abwälzen könne, hatte keinen Erfolg.
Mit ihrer Klage trug die Klägerin ergänzend vor, das FA habe aus der Gewerbeanmeldung bei der Stadt X wissen müssen, daß sie nicht Angehörige eines freien Berufs gewesen sei. Dies habe sie auch einem Sachbearbeiter des FA mitgeteilt, bei dem sie sich persönlich vorgestellt habe. Sie könne sich allerdings nicht mehr daran erinnern, mit wem sie damals gesprochen habe.
Das FA bestritt, daß die Klägerin vor der Betriebsprüfung mitgeteilt habe, sie sei nicht Angehörige eines freien Berufs. Sachbearbeiterin sei in der fraglichen Zeit die jetzige Prozeßbevollmächtigte des FA gewesen. Ihr gegenüber habe die Klägerin dies nicht erklärt. Nach dem Eingang der an die Klägerin gerichteten Anfrage vom 8. Mai 1968 habe das FA davon ausgehen können, daß die Angaben der Klägerin in den Steuererklärungen zutreffend seien und die Klägerin die Voraussetzungen für die Führung eines Architekturbüros erfüllt habe.
Das FG hat die Klage mit dem Antrag der Klägerin, die Änderungsbescheide für 1976 und 1977 sowie die Umsatzsteuerbescheide 1978 und 1979 aufzuheben und die Steuer jeweils unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes festzusetzen, als unbegründet abgewiesen.
Es hielt die Voraussetzungen zur Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen 1976 und 1977 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 für gegeben. Die Klägerin habe nicht den Nachweis geführt, dem FA sei schon vor der Außenprüfung bekannt gewesen, daß sie nicht Angehörige eines freien Berufes sei. Die Klägerin könne ihre Behauptung nicht belegen, sie habe einem Sachbearbeiter des FA schon 1968 mitgeteilt, sie sei selbst nicht Architektin, sondern dürfe nur mit Einverständnis der zuständigen Stelle die Bezeichnung ,,Architekturbüro" führen, weil sie einen Architekten beschäftige. Die angebliche Unterredung sei nicht ,,etwa in Form eines Aktenvermerks" festgehalten worden. Das FA habe nach Aktenlage davon ausgehen können, daß die Klägerin Angehörige eines freien Berufs gewesen sei. Sie habe sich zwar nie als Architektin bezeichnet, aber in der Anfrage des FA vom 8. Mai 1968 bezüglich der Übernahme eines Unternehmens offengelassen, ob es sich um einen Gewerbebetrieb oder einen freien Beruf handele. Die Art des Unternehmens habe sie in den Steuererklärungen mit ,,Architekturbüro" und später mit ,,Ingenieurbüro" angegeben. Sie habe stets Einkünfte aus selbständiger Arbeit erklärt und Umsätze zum ermäßigten Steuersatz eingetragen. Das FA habe darauf vertrauen dürfen, daß die in sich schlüssigen Angaben der Klägerin zutreffend gewesen seien, zumal auch nach § 1 Abs. 4 des Gesetzes über den Schutz der Berufsbezeichnung ,,Architekt" und die Errichtung der Architektenkammer (Architektengesetz vom 23. Februar 1970, Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1970, 37) die Bezeichnung Architekturbüro oder ähnliche Bezeichnungen nur Personen verwenden dürften, die zur Führung der Berufsbezeichnung ,,Architekt" berechtigt seien. Ebenso habe das FA annehmen können, daß die Klägerin später berechtigt gewesen sei, ein ,,Ingenieurbüro" zu führen; denn das Gesetz zum Schutz der Berufsbezeichnung ,,Ingenieur" (Ingenieurgesetz vom 30. März 1971, Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1971, 137) gestatte die Führung der Berufsbezeichnung ,,Ingenieur" allein oder in einer Wortverbindung nur, wenn die Voraussetzungen nach dem Ingenieurgesetz erfüllt seien. Das FA habe darauf vertrauen können, daß der Klägerin diese dem Schutz der Berufsbezeichnung der Freiberufler dienenden Gesetze bekannt gewesen seien und daß sie sich danach richte. Die Änderung der Bescheide verletze nicht den Grundsatz von Treu und Glauben. Das FA verstoße grundsätzlich nicht gegen die Ermittlungspflichten, wenn es sich auf die schlüssigen Angaben der Steuerpflichtigen in den Steuererklärungen verlasse. Die Klägerin habe ihre Angaben in den Steuererklärungen selbst zu vertreten. Soweit sie selbst nicht in der Lage gewesen sei, zutreffende Angaben zu machen, hätte sie die Hilfe eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe in Anspruch nehmen können und müssen.
Soweit das FA die Klägerin für 1978 und 1979 erstmalig veranlagt habe, seien die Festsetzungen nicht zu beanstanden. Eine Bindung an eine günstigere Behandlung in den Vorjahren, die auf unrichtigen Angaben in den Steuererklärungen beruht habe, bestehe nicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977. Sie trägt nochmals vor, entgegen der Darstellung des FG-Urteils sei dem FA schon vor der Außenprüfung bekannt gewesen, daß sie, die Klägerin, Gewerbetreibende und nicht Angehörige eines freien Berufs sei. Denn die Anmeldung eines Gewerbebetriebs für sie bei der Stadt X im Jahr 1968 sei dem FA bekannt gewesen. Das ergebe sich aus den Akten. Das FA habe nicht vorgetragen, daß es die gesetzlich vorgeschriebene Gewerbeanmeldung nicht erhalten habe. Aus den Akten des FA ergebe sich, daß die Mitteilung zur Einkommensteuerakte erfolgt sei. Die Kenntnis der Behörde gelte gleichmäßig für alle ihre Abteilungen. Das FG habe die Beweislast hinsichtlich der Kenntnis des FA verkannt. Ergänzend macht die Klägerin - nach der Stellungnahme des FA - geltend: Für 1978 und 1979 dürfe das FA die Besteuerung nicht mit dem vollen Steuersatz durchführen; es sei an die frühere Behandlung gebunden, weil die Klägerin darauf vertraut habe, auch in diesen Jahren wie bisher besteuert zu werden und weil sie die jetzt festgesetzte höhere Umsatzsteuer nicht mehr nachträglich auf die Kunden abwälzen könne.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung vom 16. November 1982 die angefochtenen Änderungsbescheide für 1976 und 1977 vom 17. Juli 1981 - ersatzlos - aufzuheben sowie die - erstmaligen - Steuerfestsetzungen für 1978 und 1979 aufzuheben und die Umsatzsteuer unter Gewährung des ermäßigten Steuersatzes neu festzusetzen.
Nach Ansicht des FA rügt die Klägerin nur Verletzung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977. Sie greife somit nur die geänderten Umsatzsteuerbescheide 1976 und 1977 an. Für die erstmalige Umsatzsteuerfestsetzung 1978 und 1979 fehle eine Revisionsrüge nach Maßgabe des § 120 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO); diese könne wegen Ablaufs der Revisionsfrist nicht mehr nachgeholt werden. Bei einem Streitwert von unter 10 000 DM für die Festsetzungen 1976 und 1977 sei die Revision im ganzen unzulässig. Jedenfalls sei die Revision unbegründet, weil § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zutreffend angewendet worden sei.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist zulässig.
Die Klägerin hat einen Revisionsantrag gestellt, der sowohl die Aufhebung der Änderungsbescheide 1976 und 1977 als auch die Änderung der Erstbescheide 1978 und 1979 in hinreichend bestimmtem Umfang umfaßt. Die Revisionsbegründung ist auf alle Streitjahre bezogen. Sie läßt - im Zusammenhang mit dem Antrag - für die Streitjahre 1978 und 1979 erkennen, daß die Klägerin auch bei den Umsatzsteuerfestsetzungen für diese Jahre die Verwendung des Ergebnisses der Außenprüfung für unzulässig hält, weil dem FA alle maßgeblichen Tatsachen bereits in den vorangegangenen Jahren bekannt gewesen seien. Ob die Revisionsbegründung schlüssig ist, ist für die Frage der Zulässigkeit der Revision unerheblich.
2. Die Revision ist hinsichtlich der Änderungsbescheide 1976 und 1977 begründet, hinsichtlich der - erstmaligen - Umsatzsteuerbescheide 1978 und 1979 unbegründet.
a) Der Senat folgt dem FG nicht, soweit es die Änderungen der Steuerfestsetzungen 1976 und 1977 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 für gerechtfertigt hielt. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer höheren Steuer führen. Die Änderung zuungunsten des Steuerpflichtigen nach dem genannten Merkmal der Vorschrift setzt aber zusätzlich voraus, daß die spätere Kenntnis der Finanzbehörde von den Tatsachen oder Beweismitteln nicht auf einer Verletzung ihrer Ermittlungspflicht beruht, sofern der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht voll genügt hat, also z. B. bei Abgabe einer Steuererklärung die maßgeblichen Sachverhalte richtig, vollständig und deutlich dem FA zur Prüfung unterbreitet hat. Der Senat hält insoweit mit dem BFH-Urteil vom 13. November 1985 II R 208/82 (BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241) an der entsprechenden Rechtsprechung zur Vorgängervorschrift (§ 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung) fest. Wie diese Vorschrift enthält § 173 Abs. 1 AO 1977 zwar keine ausdrückliche Einschränkung der dargestellten Art. Sie ergibt sich aber aus § 164 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 88 AO 1977. Da es in das Ermessen der Finanzbehörde gestellt ist, die materielle Bestandskraft einer Steuerfestsetzung dadurch offenzuhalten, daß sie die Festsetzung der Steuer ,,so lange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist" unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stellt (§ 164 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), gebietet § 88 AO 1977 für den Fall, daß die Finanzbehörde von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, daß sie allen offenkundigen Zweifelsfragen, also Zweifeln, die sich ohne weiteres aufdrängen, nachgeht. Denn der Steuerpflichtige, der seiner Mitwirkungspflicht voll genügt hat, kann sich bei einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung darauf verlassen, daß eine abschließende Prüfung durch die Finanzbehörde erfolgt ist. Eine Änderung zum Nachteil des Steuerpflichtigen ist in diesem Fall auch dann nicht zulässig, wenn sein Vertrauen auf den Bestand des für ihn günstigen Bescheids nicht schützenswert wäre, weil er dessen Rechtswidrigkeit kannte oder kennen mußte; denn die §§ 130, 131 AO 1977 sind im Bereich der Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden nicht anwendbar (§ 172 Abs. 1 Nr. 2 d AO 1977).
Die Klägerin hat nach Übernahme des Architekturbüros dem FA auf dessen Fragebogen die maßgeblichen Angaben für die - hier streitige - steuerrechtliche Einordnung ihrer Tätigkeit mitgeteilt, nämlich, daß sie - von Beruf Buchhalter - ein Architekturbüro von einem Architekten übernommen habe, der nunmehr als Angestellter tätig sei. Diese Angaben erhielt die zuständige Veranlagungsstelle des FA. Wenn FA und FG meinten, nach dem Eingang dieser Anfrage habe das FA davon ausgehen können, die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für die Führung eines Architekturbüros - d. h., also als Architektin -, so ist dies nicht zutreffend. Die vom FA und FG zur Stützung ihrer Ansicht herangezogenen Angaben der Klägerin in den Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärungen - Erklärung der Einkünfte als solche aus selbständiger Arbeit und Erklärung der Umsätze zum ermäßigten Steuersatz - sind keine Tatsachenerklärungen, sondern die Darstellung eigener rechtlicher Wertungen, deren Prüfung dem FA oblegen hätte (vgl. zum Begriff der Tatsache i. S. des § 173 AO 1977 z. B. BFH-Urteil vom 28. März 1985 IV R 159/82, BFHE 144, 521, BStBl II 1986, 120). Die Angaben ,,Ingenieurbüro", ,,Architekturbüro" oder ,,Inhaberin eines Architekturbüros" waren hingegen zutreffende Tatsachenangaben. Die Beurteilung der Einkunftsart und der Umsätze als freiberufliche zum ermäßigten Steuersatz durch die Klägerin stand im Widerspruch zu ihren Angaben über ihren Beruf und ihre Betätigung sowohl in den Steuererklärungen als auch insbesondere in dem Formular der Anfrage vom Mai 1968. Das FA hätte den Widerspruch zwischen Tatsachenangaben und steuerrechtlicher Einordnung in den Steuererklärungen bereits bei den erstmaligen Veranlagungen aufklären können und müssen. Neue oder veränderte Angaben hat die Klägerin in den Folgejahren, insbesondere in den Streitjahren, nach dem festgestellten Sachverhalt nicht gemacht. Ob die Klägerin zwischenzeitlich die Unrichtigkeit ihrer Erklärungen hinsichtlich ihrer Auffassung zur freiberuflichen Tätigkeit erkannt hat oder hätte erkennen müssen, kann offenbleiben; denn daraus kann - wie bereits dargelegt - die Änderungsbefugnis nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zu ihren Lasten nicht hergeleitet werden.
b) Die Revision ist bezüglich der Steuerfestsetzungen 1978 und 1979 unbegründet.
Die Klägerin ist unstreitig nicht Angehörige eines freien Berufs i. S. des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 Einkommensteuergesetz; der ermäßigte Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 steht ihr für die in ihrem Unternehmen ausgeführten Umsätze nicht zu (vgl. auch BFH-Beschluß vom 14. April 1983 V B 62/82, Umsatzsteuer-Rundschau 1983, 149 zur Fortführung einer Arztpraxis durch die berufsfremde Witwe).
Auf Treu und Glauben oder auf einen vom FA zu beachtenden Vertrauenstatbestand kann die Klägerin ihr Besteuerungsbegehren nicht stützen. Das FA hat für die Jahre 1978 und 1979 keine Änderung einer bereits durchgeführten erklärungsgemäßen Besteuerung, sondern eine erstmalige Steuerfestsetzung vorgenommen, bei der es die Ergebnisse der Außenprüfung verwenden konnte. Die Besteuerungspraxis der vergangenen Jahre ist - nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung - nicht bindend. Eine verbindliche Zusage oder ein anderes, das FA bindende Verhalten lag nach den Feststellungen des FG nicht vor.
Fundstellen