Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Umsatzsteuerbegünstigung für Kunstfotografien
Leitsatz (NV)
1. Kunstfotografien sind zolltariflich nicht wie Originalstiche usw. zu behandeln. Ihre Umsätze unterliegen dem vollen Umsatzsteuersatz.
2. Die Umsatzsteuerregelung für die Umsätze von Kunstfotografien (1.) begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Normenkette
UStG 1980 § 12 Abs. 2 Nr. 1; Anlage Nr. 47; GZT TNr. 99.02; GG Art. 3, 5 Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) handelt als Galerist u. a. mit zeitgenössischen Fotografien. Das beklagte und revisionsbeklagte Finanzamt (FA) besteuerte die entsprechenden Umsätze (1981 bis 1985) nach dem Regelsteuersatz. Die Klage, mit der der Kläger die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 mit Nr. 47 der Anlage dazu - Kunstgegenstände . . . (Nr. 99.01 bis 99.03 des Zolltarifs - ZT -) - begehrte, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, Kunstfotografien gehörten nicht zu den steuerbegünstigten Gegenständen (Gemälde, vollständig mit der Hand geschaffen, usw.; Originalstiche, -schnitte, -steindrucke; Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst). Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den durch innerstaatliches Recht geregelten Verweis auf die zolltariflichen Vorschriften seien nicht begründet. Das Gleichheitsgebot sei nicht verletzt; die Differenzierung zwischen den begünstigten, objektiv bestimmten Kunstgegenständen und Kunstfotografien sei nicht willkürlich. Auch die Kunstfreiheitsgarantie werde nicht verletzt: die Besteuerung wirke sich nicht nennenswert prohibitiv gegen den Handel mit Kunstfotografien aus.
Mit der Revision rügt der Kläger die vom FG bestätigte zolltarifliche Einordnung, die Annahme einer zwingenden Verweisung des UStG auf den ZT und einen Verstoß gegen Grundrechte.
Eine Ausgrenzung der (handgesteuerten) lichttechnischen Bearbeitung könne vom ZT nicht gewollt sein. Zwar habe der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) entschieden (Urteil vom 13. Dezember 1989 Rs. 1/89, EuGHE 1989, 4432), daß alle Fotografien - auch solche von künstlerischem Charakter - der zutreffenden Position im Papier-Kapitel zuzuordnen und nicht wie Originalstiche usw. der Zolltarifnr. 99.02 zu behandeln seien, doch habe sich der EuGH mit dem Problem der lichttechnischen Bearbeitung nicht auseinandergesetzt. Würde aber von der zolltariflichen Einstufung im Sinne des EuGH ausgegangen, so sei es zwingend geboten, die Bindung an den ZT für die Umsatzsteuer aufzugeben. Die - im Verordnungswege aufhebbare - Bindung verletze das vom nationalen Gesetzgeber gewollte System (Unterscheidung im Hinblick auf den kulturellen Wert). Fotografien des (Kunst-)Handels müßten daher dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden. Im übrigen äußere die zolltarifliche Einstufung eine verfassungswidrige kunstlenkende, auf die Preise durchschlagende Wirkung. Die Kunstproduktion und die Auseinandersetzung mit dem Kunstzweig ,,fotografisch erzeugte Kunstwerke" würden hierdurch erkennbar nachteilig beeinflußt. Die unterschiedliche Behandlung fotografischer Kunstwerke (mit Verwendung des Lichts als Gestaltungsmedium) gegenüber Einzelkunstwerken und multiplen Kunstwerken verletze auch den Gleichheitsgrundsatz. Ferner werde das Rechtsstaatsprinzip durch eine systeminkongruente starre Bindung berührt. Im übrigen unterliege die Urheberrechtsübertragung an Kunstfotografien auch nur dem ermäßigten Umsatzsteuersatz.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß dem Kläger für seine Umsätze der ermäßigte Umsatzsteuersatz nicht zusteht. Darauf, daß die Urheberrechtsübertragung an solchen Gegenständen umsatzsteuerermäßigt sein mag (vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1980), kommt es nicht an.
Die Tarifierung von (Kunst-)Fotografien ist - jedenfalls - durch das auch vom Kläger angeführte EuGH-Urteil geklärt. Der EuGH hat auch die besondere ,,Bearbeitung" berücksichtigt, denn er hat ausgesprochen, selbst wenn der Fotograf durch die Wahl des Gegenstandes und durch die angewandten Techniken seinem Werk einen künstlerischen Wert verleihen könne, sei das ,,Original" immer das Ergebnis eines technischen Verfahrens, ,,das das Abbild der Gegenstände durch Lichteinwirkung auf einer empfindlichen Oberfläche festhält" (Abs. 16 der Urteilsgründe). Auslegungszweifel bestehen nicht; eine neue Vorabentscheidung braucht nicht eingeholt zu werden. Es ist eindeutig, daß nicht alle Gegenstände, denen ein künstlerischer Charakter zukommt, in das Zolltarif-Kapitel 99 einzureihen sind (Senat, Urteil vom 20. Februar 1990 VII R 126/89, BFHE 160, 93, 95, BStBl II 1990, 763) und daß insbesondere Kunstfotografien nicht zu Tarifnr. 99.02 gehören.
Die beanstandete Verweisung ist klar. Die mit ihr verbundene Ausgrenzung von ,,Kunstfotografien" aus dem Kreis der begünstigten Kunstgegenstände (zu den Motiven der Enumeration vgl. die in Umsatzsteuer-Rundschau 1987, 11 wiedergegebene Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage) verstößt nicht gegen übergeordnete Rechtsgrundsätze. Ob als ein solcher Rechtsgrundsatz eine ,,Wertentscheidung" des Gesetzgebers dahin in Betracht zu ziehen wäre, daß der kulturelle Wert (als solcher) zu fördern sei, kann offenbleiben. Jedenfalls besteht keine solche Wertentscheidung. Das Bundesverfassungsgericht hat schon im Schallplatten-Urteil vom 5. März 1974 1 BvR 712/68 (BVerfGE 36, 321, BStBl II 1974, 267, 271 f.) entschieden, daß dem . . . § 12 Abs. 2 UStG (1967) keine Entscheidung des Gesetzgebers für eine prinzipielle umsatzsteuerliche Begünstigung des Kulturschaffens zu entnehmen ist (übrigens mit ausdrücklichem Hinweis auch auf die Regelsatzbesteuerung der Umsätze von künstlerischen Fotografien). Mangels einer Wertentscheidung des Gesetzgebers, wie sie der Kläger annimmt, liegt auch ein verfassungsrechtlich etwa relevanter Verstoß gegen die ,,Systemgerechtigtkeit" (zu diesem Gesichtspunkt Senat, Urteil vom 26. März 1991 VII R 100/89, BFHE 164, 148 f.) nicht vor. Die weiteren verfassungsrechtlichen Rügen sind ebenfalls unbegründet. Eine Lenkungsabsicht des Gesetzgebers oder eine verfassungsrechtlich zu beanstandende (erdrosselnde) Wirkung der Regelsatzbesteuerung von Kunstfotografien sind nicht ersichtlich; ein etwa bedenklicher Eingriff in die Wettbewerbsfähigkeit kann angesichts der Unterschiede zwischen begünstigten Kunstgegenständen und Fotografien nicht vorliegen (zu allem BStBl II 1974, 267, 271).
Fundstellen
Haufe-Index 418560 |
BFH/NV 1992, 847 |