Entscheidungsstichwort (Thema)
Adressierung von Zusammenveranlagungsbescheiden; Passivlegitimation bei Wohnsitzwechsel
Leitsatz (NV)
1. Zusammenveranlagungsbescheide können auch als Einzelbescheide ergehen und die Ehefrau mit dem Vornamen des Ehemanns kennzeichnen.
2. Ändert sich die örtliche Zuständigkeit des FA im gerichtlichen Verfahren wegen Wohnsitzwechsels, bleibt das bisher zuständige FA weiterhin passiv legitimiert.
3. Geänderte Vorauszahlungsbescheide können gem. § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden.
Normenkette
AO 1977 § 125 Abs. 1, § 175 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 63 Abs. 1 Nr. 1, § 68
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Handelsvertreter. Er hatte im Streitjahr 1977 seinen Geschäftssitz und seinen Wohnsitz im Bezirk des Finanzamts G. Anfang 1979 verzog er nach F. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt F - FA -) erließ am 28. Februar 1980 Einkommensteuerbescheide für 1977 gegen den Kläger und dessen mit ihm zusammenveranlagte Ehefrau (geschätzter Gewinn aus Gewerbebetrieb 20 000 DM). Mit dem Bescheid war ein Vorauszahlungsbescheid verbunden, der für II, III und IV 1980 Vorauszahlungen von je 769 DM und ab 1981 Vorauszahlungen von vierteljährlich 577 DM festsetzte. Die Einsprüche gegen den Einkommensteuerbescheid und den Vorauszahlungsbescheid blieben erfolglos.
Nach Erhebung der Klage (18. September 1980) erließ das FA am 17. Februar 1981 einen gemäß § 175 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Steuerbescheid (Einkünfte aus Gewerbebetrieb 15 000 DM); die Änderung beruhte darauf, daß das FA G für eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR), an der der Kläger beteiligt gewesen sein sollte, am 3. Dezember 1980 einen gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid erlassen und dem Kläger einen Gewinnanteil von 15 000 DM zugerechnet hatte. Das FA verband den Änderungsbescheid wiederum mit einem Vorauszahlungsbescheid, in dem ab 10. März 1981 Vorauszahlungen von vierteljährlich 303 DM festgesetzt wurden. Der Kläger machte den ,,geänderten Steuerbescheid für 1977 vom 17. Februar 1981" zum Gegenstand des Verfahrens. Schon zuvor, am 24. Februar 1981, hatte das FA G den Feststellungsbescheid vom 3. Dezember 1980 ersatzlos aufgehoben, weil die GdbR nicht zustande gekommen sei.
Das FA erließ am 9. Juli 1981 einen erneuten Änderungsbescheid gemäß § 175 AO 1977 (Einkünfte aus Gewerbebetrieb 49 000 DM, ohne Festsetzung von Vorauszahlungen), der auf einem gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid des FA G vom 16. Juni 1981 beruhte (Gewinn 49 000 DM). Der Kläger machte auch diesen ,,geänderten Bescheid für 1977 vom 9. Juli 1981" zum Gegenstand des Verfahrens. Das FA G hob den Gewinnfeststellungsbescheid vom 16. Juni 1981 wegen eines Bekanntgabefehlers am 6. August 1981 auf. Es erließ am 13. Oktober 1981 erneut einen gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid gegen den Kläger (Gewinn wiederum 49 000 DM). Das FA sah von einer Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 9. Juli 1981 ab, da sich die festgesetzte Steuer nicht ändern würde.
Das Finangericht (FG) wies die Klage mit folgender Begründung ab: Der Änderungsbescheid vom 9. Juli 1981 sei rechtmäßig. Der Bescheid sei ein Folgebescheid, auch wenn der ihm ursprünglich zugrunde liegende Feststellungsbescheid vom 16. Juni 1981 aufgehoben worden sei. An dessen Stelle sei der Feststellungsbescheid vom 13. Oktober 1981 mit der gleichen Besteuerungsgrundlage (Gewinn 49 000 DM) getreten. Dieser Bescheid hindere die Aufhebung des Einkommensteuer-Folgebescheids. Der angegriffene Bescheid sei auch nicht deswegen zu beanstanden, weil der Prozeßbevollmächtigte (als Zustellungsbevollmächtigter) nicht in der Adresse angeführt worden sei. Hinsichtlich der Vorauszahlungen II/1980 bis IV/1980 sei die Klage unbegründet. Gegenstand des Verfahrens sei weiterhin der Vorauszahlungsbescheid vom 28. Februar 1980. Dieser Bescheid sei wirksam in zwei Ausfertigungen dem Kläger und dessen Ehefrau bekanntgegeben worden. Die Vorauszahlungen seien zu Recht nach dem Schätzungsergebnis des Einkommensteuerbescheids vom gleichen Tage bemessen worden. Die Schätzungsbefugnis des FA sei nicht dadurch hinfällig geworden, weil seinerzeit zweifelhaft gewesen sei, ob für die Fristsetzung zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen eine Rechtsgrundlage bestanden habe. Hinsichtlich der Einkommensteuervorauszahlungen ab I/1981 sei die Klage unzulässig. Der Antrag nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die Vorauszahlungen laut Bescheid vom 17. Februar 1981 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, gehe ins Leere. Es bestehe keine Nämlichkeit hinsichtlich der Vorauszahlungsbescheide vom 28. Februar 1980 und vom 17. Februar 1981. Über die letztgenannten Vorauszahlungen könne mangels eines erfolglos durchgeführten Vorverfahrens nicht entschieden werden.
Der Kläger hat Revision eingelegt. Er beantragt, die Vorentscheidung, den Einkommensteuerbescheid für 1977 vom 9. Juli 1981, den Vorauszahlungsbescheid vom 28. Februar 1980 und die Einspruchsentscheidungen vom 15. August 1980 ersatzlos aufzuheben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist hinsichtlich Einkommensteuer 1977 begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Im übrigen ist die Revision unbegründet.
1. Das FG hat seine Entscheidung zu Recht gegenüber dem beklagten FA getroffen. Selbst wenn, wie der Kläger behauptet, während des finanzgerichtlichen Verfahrens die örtliche Zuständigkeit für die Einkommensbesteuerung auf ein anderes FA übergegangen sein sollte (§§ 20, 26 AO 1977), war das beklagte FA gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 1 FGO weiterhin passiv legitimiert. Nach dieser Vorschrift ist die Klage gegen die Behörde zu richten, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat; der angegriffene Änderungsbescheid und die ihm vorausgegangenen Bescheide sind von dem FA erlassen worden. Ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit durch Vorgänge im Bereich des Klägers bleibt ohne Einfluß (BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 5/66, BFHE 96, 89, BStBl II 1969, 593). Die Rechtsprechung, die bei organisatorischen Zuständigkeitsveränderungen einen Beklagtenwechsel annimmt, ist im Streitfall nicht anwendbar (Gräber, StuW 1974, 57).
2. Die Rüge, die FÄinF - auch der Beklagte - seien ohne Rechtsgrundlage tätig geworden, ist nicht zu berücksichtigen, weil sie verspätet vorgetragen wurde.
3. Weder der angegriffene Änderungsbescheid vom 9. Juli 1981 noch die ihm vorangegangenen Bescheide vom 17. Februar 1981 und 28. Februar 1980 sind nichtig. Die Bescheide sind nicht mit offenkundig schwerwiegenden Fehlern behaftet (§ 125 Abs. 1 AO 1977). Die zuständigen Bediensteten haben bei dem Erlaß der Bescheide mit Bekanntgabewillen gehandelt (BFH-Urteil vom 27. Juni 1986 VI R 23/83, BFHE 147, 205, BStBl II 1986, 832). Sachbearbeiter oder/und Sachgebietsleiter haben in allen Fällen ausdrücklich angeordnet, daß die Bescheide abzusenden seien. Leistungsgebote sind in allen Fällen vorhanden.
Die Adressierung ist nicht zu beanstanden. Es handelt sich um Zusammenveranlagungsbescheide, die aus sich heraus ohne Rückgriff auf Abrechnungsverfügungen auszulegen sind. Der Bescheid vom 28. Februar 1980 ist gerichtet an ,,Herrn u. Frau Klaus K z. Hd. Klaus K z. Hd. Herrn Stb. B", die anderen Bescheide an ,,Herrn Klaus K z. Hd. Herrn StBv. B". Es ist erkennbar, wer als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden soll, nämlich der Kläger (im ersten Bescheid neben seiner Ehefrau), nicht hingegen der steuerliche Berater. Die Kennzeichnung der Ehefrau im erstgenannten Bescheid mit dem Vornamen des Klägers genügt dem Bestimmtheitserfordernis (BFH-Urteil vom 26. März 1985 VIII R 225/83, BFHE 143, 491, 496, BStBl II 1985, 603). Der Senat vermag keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Ehefrau zu erkennen; eine solche Verletzung wäre übrigens nicht von dem Kläger - sondern von der Ehefrau - zu rügen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können gegen zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten - wie im Falle der Bescheide vom 17. Februar und 9. Juli 1981 geschehen - auch Einzelbescheide ergehen (Urteile in BFHE 143, 491, BStBl II 1985, 603; vom 24. Mai 1985 VI R 204/82, BFHE 144, 121, BStBl II 1985, 583). Die Ausführungen des Klägers geben keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Ein Hinweis in den jeweiligen Einzelbescheiden auf den anderen Einzelbescheid mag zweckmäßig sein (BMF-Schreiben vom 14. August 1986 unter Tz. 2.1.5, BStBl I 1986, 458). Es kann dahingestellt bleiben, ob das Fehlen eines solchen Hinweises auch ein Rechtsfehler ist; sollte ein Rechtsfehler gegeben sein, könnte er nicht als schwerwiegend angesehen werden.
4. Die Vorentscheidung ist jedoch rechtsfehlerhaft, soweit sie Einkommensteuer 1977 betrifft. Der angegriffene Änderungsbescheid ist als Folgebescheid zu dem gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid des FA G vom 13. Oktober 1981 ergangen, der durch das Urteil des erkennenden Senats vom 15. April 1986 VIII R 325/84 (BFHE 147, 101) aufgehoben worden ist. Auf die Begründung dieses Urteils wird Bezug genommen. Die Vorentscheidung ist insofern fehlerhaft, als sie den gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid vom 13. Oktober 1981 als Grundlagenbescheid des angegriffenen Änderungsbescheids angesehen hat. Ob dieser aus anderen Gründen zu bestätigen ist, wird das FG im zweiten Rechtsgang prüfen. Es läßt sich nicht ausschließen, daß sich der Änderungsbescheid auf eine andere Änderungsvorschrift als § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 - z.B. auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 - stützen läßt. Sollte dies der Fall sein, wird das FG die Gewinnschätzung über 49 000 DM dem Grund und der Höhe nach zu überprüfen haben; eine Anhebung des Gewinns auf über 49 000 DM kommt wegen des Verböserungsverbots nicht in Betracht.
Der Änderungsbescheid kann nicht auf den vorangegangenen gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid des FA G vom 16. Juni 1981 gestützt werden, der dem gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid vom 13. Oktober 1981 inhaltsgleich war. Das FA G hat den Bescheid vom 16. Juni 1981 am 6. August 1981 aufgehoben. Diese Aufhebung bleibt wirksam, auch wenn nunmehr der erkennende Senat den als Ersetzung gedachten gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid vom 13. Oktober 1981 aufgehoben hat.
Sollte der angegriffene Änderungsbescheid in vollem Umfang aufzuheben sein, wird das FG hinsichtlich der Bescheide vom 17. Februar 1981 und 28. Februar 1980 zu prüfen haben, ob sie erlassen werden durften und in welcher Höhe die Festsetzung rechtmäßig ist. Dabei ist zu beachten, daß die Gewinnansätze in diesen Bescheiden niedriger sind und das Verböserungsverbot in bezug auf diese niedrigeren Gewinnbeträge eingreift.
5. Die Revision ist unbegründet, soweit die Festsetzung von Vorauszahlungen angegriffen ist.
a) Die Festsetzung der Vorauszahlungen II bis IV/1980 beruht auf dem Bescheid vom 28. Februar 1980, der insoweit von den späteren Änderungen unberührt geblieben ist. Die Höhe der Vorauszahlungen ist nicht zu beanstanden. Sie gehen auf die damalige Gewinnschätzung von 20 000 DM zurück, die angesichts des für 1976 erklärten Gewinns von 13 741 DM und fehlender Steuererklärung für 1977 nicht unangemessen erscheint. Sonderausgaben waren für 1977 weder geltend gemacht noch nachgewiesen worden. Es bestand kein Anlaß, die für 1976 nachgewiesenen Sonderausgaben anzusetzen.
b) Die Festsetzung der Vorauszahlungen 1981 beruht auf dem Änderungsbescheid vom 17. Februar 1981; der weitere Änderungsbescheid vom 9. Juli 1981 enthält keine Festsetzung von Vorauszahlungen. Der Änderungsbescheid vom 17. Februar 1981 wurde auch hinsichtlich der Vorauszahlungen gemäß § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens. Der Schriftsatz des Klägers vom 21. März 1981 stellte den Antrag aus § 68 FGO für ,,den gemäß § 175 AO geänderten Steuerbescheid für 1977 vom 17. Februar 1981"; Teil dieses Bescheids war auch die Neufestsetzung der Vorauszahlungen 1981. Eingangs des den Antrag enthaltenden Satzes heißt es überdies ,,wegen Einkommensteuer-Vorauszahlungen 1980 u. f. und Einkommensteuer 1977". Hieraus wird deutlich, daß die Vorauszahlungen 1981 einbezogen werden sollten.
Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, daß § 68 FGO nicht eingreift. Sofern überhaupt § 68 FGO die Voraussetzung der ,,Nämlichkeit" zwischen Erst- und Zweitbescheid fordert (dazu BFH-Urteil vom 9. September 1986 VIII R 198/84, BFHE 147, 463, BStBl II 1987, 28), ist diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt. Der ursprüngliche und der ihn ändernde Vorauszahlungsbescheid beziehen sich, soweit hier von Interesse, auf denselben Gegenstand, die Einkommensteuervorauszahlungen 1981.
Die Festsetzung ist sachlich nicht zu beanstanden. Zwar ist das FG hierauf nicht eingegangen. Seine Feststellungen erlauben dem Senat jedoch eine abschließende Beurteilung. Für die ursprüngliche Festsetzung gilt das oben unter a) für die Vorauszahlungen 1980 Angeführte. Der Bescheid vom 17. Februar 1981 ermäßigte die Festsetzung von vierteljährlich 577 DM auf vierteljährlich 303 DM. In dieser herabsetzenden Anpassung kann keine Rechtsverletzung gefunden werden, zumal wenn bedacht wird, daß der Feststellungsbescheid vom 17. Februar 1981, an dessen Ergebnisse angepaßt wurde, von der unrichtigen Annahme einer GdbR-Betätigung des Klägers ausging.
Fundstellen