Leitsatz (amtlich)
Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines durch Zurücknahme oder anders erledigten Verwaltungsaktes liegt vor, wenn ein ehemaliger - nunmehr zum Steuerberater bestellter - Steuerbevollmächtigter geltend macht, die beantragte erleichterte Zulassung zur Steuerberaterprüfung sei ihm zu Unrecht verweigert worden, weil die Behörde das Tatbestandsmerkmal der "besonderen Bewährung" fälschlich verneint habe.
Normenkette
FGO § 100 Abs. 1 letzter Satz; StBerG a.F. § 5 Abs. 3 Nr. 1
Gründe
... Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG.
Hat sich ein angefochtener Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat (§ 100 Abs. 1 letzter Satz FGO). Fehlt das Feststellungsinteresse, so wird die Klage - wie im Falle des § 41 FGO - als unzulässig abgewiesen; wird das Feststellungsinteresse zu Unrecht verneint, so liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor (BFH-Urteil VII R 42/68, BFHE 100, 288, BStBl II 1970, 873).
Im Streitfall hat das FG in Verkennung der Rechtslage angenommen, daß dem Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nicht zusteht und daher zu Unrecht die Klage als unzulässig abgewiesen.
Im Unterschied zu § 256 ZPO verlangt § 100 Abs. 1 FGO nur ein berechtigtes, nicht dagegen ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Berechtigtes Interesse ist im vorliegenden Zusammenhang - ähnlich wie im Verwaltungsprozeßrecht - ein durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein kann. Hierzu rechnet auch, wie in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte mit Recht anerkannt wurde, ein sogenanntes Rehabilitierungsinteresse dessen, der sich durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt fühlt (BVerwG-Urteil vom 9. Februar 1967 I C 49.64, BVerwGE 26, 161, 168). Dabei kann dahinstehen, ob dieses Interesse durch die Absicht des Klägers, das Begehrte Urteil in einem Amtshaftungsprozeß zu verwerten, genügend dargetan ist. Auch wenn der Kläger diese Absicht nicht hätte, könnte ihm das berechtigte Interesse an der finanzgerichtlichen Feststellung, daß der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen sei, nicht abgesprochen werden. Der Kläger wurde nach seinem Vorbringen von der beantragten erleichterten Zulassung zur Steuerberaterprüfung zu Unrecht ausgeschlossen, weil der Minister der Finanzen - FM - die tatbestandsmäßige Voraussetzung der besonderen Bewährung (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StBerG a. F.) fälschlich verneint und durch das fehlerhafte Verfahren überdies seine Rechte verletzt habe. Dieses sachlich-rechtliche Vorbringen hat das FG rechtsirrtümlich nicht geprüft. da es kein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids des FM anerkannte. In Übereinstimmung mit dem BVerwG bejaht der erkennende Senat das Feststellungsinteresse im Streitfall. Durch die ausdrückliche gerichtliche Feststellung, daß der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig war, könnte der nach seiner Darlegung durch die Entscheidung des FM diskriminierte Kläger angemessen rehabilitiert werden. Ob der Kläger in rechtswidriger Weise diskriminiert wurde, wird Gegenstand der Sachprüfung des FG sein. Den entscheidungserheblichen unbestimmten Rechtsbegriff der "besonderen Bewährung" hat der erkennende Senat bereits näher eingegrenzt (Urteil vom 11. August 1965 VII 107/65 U, BFHE 83, 117, BStBl III 1965, 542).
Fundstellen
Haufe-Index 71556 |
BStBl II 1975, 860 |
BFHE 1976, 315 |