Entscheidungsstichwort (Thema)
Wechsel der Gesellschafter einer KG keine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen
Leitsatz (NV)
- Die bisherige Komplementärin einer KG überträgt ihren Gesellschaftsanteil nicht im Wege einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge auf einen neu eintretenden Gesellschafter, wenn sie aus der Gesellschaft austritt, der bisherige Kommanditist in die Stellung des Komplementärs nachrückt und ein neuer Gesellschafter der Gesellschaft als Kommanditist mit einem festen Kapitalanteil beitritt.
- Anforderungen an eindeutige Vereinbarung einer Vermögensübergabe.
- Es bleibt offen, ob ein Kommanditanteil mit einem Wert von 18 050 DM eine existenzsichernde Wirtschaftseinheit i.S. der Rechtsprechung zur Vermögensübergabe gegen wiederkehrende Leistungen ist.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 12 Nr. 2; HGB §§ 107, 143, 161-162; BGB §§ 413, 719, 738
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (EFG 1998, 1001) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden für die Streitjahre 1988 bis 1992 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie sind Gesellschafter des in der Rechtsform einer KG betriebenen …hauses A. Komplementärin der KG war bis November 1987 die damals 87-jährige Mutter des Klägers, Frau A, Kommanditist war der Kläger mit einer Einlage von 50 000 DM. Aufgrund notariellen Vertrages vom 4. November 1987 trat die Klägerin "als weitere Kommanditistin mit einem festen Kapitalanteil von 50 000 DM in die Gesellschaft ein"; der Kapitalanteil war "als ihre Haftungssumme" in das Handelsregister einzutragen. Zugleich schied Frau A aus der KG aus. Ihr Kapitalkonto betrug zu diesem Zeitpunkt ./. 39 000 DM. Im Vertrag heißt es: "Über eine möglicherweise an Frau A zu zahlende Abfindung für ihren Geschäftsanteil wird eine besondere Abfindungsvereinbarung geschlossen." Neuer Komplementär wurde der Kläger. Hierzu heißt es im Vertrag: "Die Gesellschaft wird zwischen (scil. den Klägern) fortgesetzt." Mit Vertrag vom gleichen Tag wurde im Hinblick darauf, dass Frau A "zugunsten der Klägerin … ausgeschieden" sei und dies "gegen wiederkehrende Ablösungszahlungen in Form einer dauernden Last" erfolgen solle, zwischen diesen beiden vereinbart, dass die Klägerin an Frau A bis zu deren Lebensende monatlich einen Betrag von 1 050 DM zahlt. Nach Ziff. 3 des Vertrages sollte jede Vertragspartei berechtigt sein, in entsprechender Anwendung des § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) eine Änderung der Höhe der wiederkehrenden Leistungen, die im Übrigen wertgesichert waren, zu verlangen. Die erste Zahlung wurde im Jahre 1987 in Höhe von 1 050 DM geleistet. Danach leistete die Klägerin an Frau A die folgenden Zahlungen: 12 600 DM (1988), 13 448 DM (1989), 14 750 DM (1990), 17 051 DM (1991) und 17 973 DM (1992). Aus ihrer Beteiligung an der KG erzielte die Klägerin die folgenden Erträge: 16 084 DM (1988), 6 685 DM (1989), 34 882 DM (1990), 10 562 DM (1991) und 4 238 DM (1992).
In ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1987 bis 1992 machten die Kläger die an Frau A bezahlten Beträge als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes ―EStG―) geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) lehnte den Abzug ab. Die gegen die Bescheide für 1988 bis 1992 eingelegten Einsprüche hatten keinen Erfolg. Ausgehend von einem Wert der Kommanditbeteiligung der Klägerin in Höhe von 18 050 DM vertrat das FA die Auffassung, der Abzug einer dauernden Last scheitere daran, dass die Zahlungen der Klägerin überwiegend Unterhaltscharakter hätten. Denn deren Wert betrage bei überschlägiger Berechnung weniger als die Hälfte des Wertes des der Klägerin übertragenen KG-Anteils. Die Klägerin vertrat die Auffassung, es handle sich um eine Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Frau A sei allein aus familiären Beweggründen aus der KG ausgeschieden. Es handle sich daher um einen jener typischen Fälle, in denen der nachfolgenden Generation unter Vorwegnahme des Erbfalls das Nachrücken in eine die Existenz jedenfalls teilweise begründende Wirtschaftseinheit ermöglicht und andererseits die Versorgung der Übergeberin aus dem übernommenen Vermögen zumindest teilweise gesichert werde. Unschädlich sei, dass sich dies im Verhältnis Schwiegermutter/ Schwiegertochter abgespielt habe. Hierfür seien handelsrechtliche Erwägungen maßgebend gewesen.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Sein Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1001.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG.
Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie tragen vor: Das FG habe für die Abziehbarkeit einer dauernden Last zu Recht eine "Familiennähe" ausreichen lassen, auch wenn die Klägerin selbst nicht testamentarische Erbin gewesen sei. Der Hinweis des FA auf Tz. 23 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 23. Dezember 1996 (BStBl I 1996, 1508) sei durch das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Dezember 1997 IX R 11/94 (BFHE 185, 208, BStBl II 1998, 718) überholt. Das FG habe ferner überzeugend dargelegt, warum ein entgeltliches Anschaffungsgeschäft nicht gewollt gewesen sei. Den notariellen Verträgen vom 4. November 1987 könne in der Zusammenschau entnommen werden, dass eine Übertragung der Gesellschaftsanteile gegen die Gewährung "standesgemäßen Unterhalts" gewollt gewesen sei. In den Verträgen komme der Versorgungsgedanke zum Ausdruck. Indizien dafür, dass Leistung und Gegenleistung nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen worden seien, trage das FA nicht vor. Der Hinweis des FA auf das Schreiben des Steuerberaters vom 6. September 1988 reiche hierzu nicht aus. Die Frage der Entgeltlichkeit sei dort nur erörtert worden, weil das FA den Vertrag zunächst als unentgeltliches Veräußerungsgeschäft behandelt habe mit dem Ziel einer Nichtabziehbarkeit der an die Schwiegermutter geleisteten Zahlungen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Der Klägerin steht der Abzug einer dauernden Last als Sonderausgabe nicht zu.
1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG sind als Sonderausgaben abziehbar die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernde Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben. Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG). Sie sind beim Berechtigten als Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen steuerbar, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG). Hauptanwendungsfall der in vollem Umfang abziehbaren dauernden Lasten sind Versorgungsleistungen (Geld, Natural- und Sachleistungen, insbesondere Altenteilsleistungen), die in sachlichem Zusammenhang mit einem Vermögensübergabevertrag vereinbart worden sind.
Ob als dauernde Last abziehbare Versorgungsleistungen anzunehmen sind, hängt davon ab, ob der Vertrag dem Typus des Übergabevertrages zugeordnet werden kann, den das Gesetz dem Rechtsinstitut der dauernden Last zugewiesen hat. Für diesen ist charakteristisch die Verknüpfung der beiderseitigen Lebensverhältnisse infolge der Übertragung von existenzsicherndem Vermögen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499). Der Große Senat des BFH hat in seinem Beschluss vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, 326 f., BStBl II 1990, 847) den zivilrechtlichen Übergabevertrag dahin gekennzeichnet, dass Eltern "ihr Vermögen, insbesondere ihren Betrieb oder ihren privaten Grundbesitz" übertragen und dabei u.a. "für sich einen ausreichenden Lebensunterhalt" ausbedingen. Die Besonderheit dieses Übergabevertrages hat er darin gesehen, dass er der folgenden Generation das Nachrücken "in eine die Existenz wenigstens teilweise begründende Wirtschaftseinheit" ermöglicht und zugleich die Versorgung des Übergebers aus dem übernommenen Vermögen "zumindest zu einem Teil sichert". Durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge unterscheiden sich Versorgungsleistungen von Unterhaltsleistungen i.S. von § 12 Nr. 1 EStG; sie enthalten deshalb auch keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht i.S. von § 12 Nr. 2 EStG.
2. Der Senat lässt dahingestellt, ob der Kommanditanteil, dessen Wert das FA im Verwaltungsverfahren mit 18 050 DM beziffert hat, eine "existenzsichernde Wirtschaftseinheit" darstellen kann und ob die Versorgungsleistungen aus den Erträgen des übergebenen Vermögens erbracht werden könnten. Denn Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze über die steuerrechtlich privilegierte private Versorgungsrente ist, dass eine ertragbringende existenzsichernde Wirtschaftseinheit, die schon bisher vom Übergeber bewirtschaftet war und durch ihre Erträge ganz oder jedenfalls teilweise dessen Existenz sicherte, vom Übergeber zur Weiterführung durch den Übernehmer überlassen wird (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 27. Februar 1992 X R 136/88, BFHE 167, 375, BStBl II 1992, 609, unter 4.; vom 25. November 1992 X R 91/89, BFHE 170, 82, BStBl II 1996, 666; vom 13. Oktober 1993 X R 86/89, BFHE 174, 45, BStBl II 1994, 451; BMF-Schreiben in BStBl I 1996, 1508, Tz. 5). An einer solchen Übergabe fehlt es. Jedenfalls ist den Verträgen vom 4. November 1987 nicht zu entnehmen, dass Frau A "zugunsten der Klägerin" aus der Gesellschaft ausgeschieden wäre.
a) Dies hätte in der Weise geschehen können, dass Frau A ihre Gesellschaftsrechte ―insbesondere den Vermögensanteil― auf die Klägerin übertrug; Letztere wäre sodann unter "Umwandlung" der Gesellschafterstellung in eine solche als "weitere Kommanditistin" Einzelrechtsnachfolgerin geworden. Dies ist indes nicht erkennbar vereinbart worden. Vielmehr trat die Klägerin "mit einem festen Kapitalanteil von 50 000 DM" der Gesellschaft bei. Der nachfolgende Satz des Gesellschaftsvertrages vom 4. November 1987 befasst sich mit der Eintragung "des Kapitalanteils als ihre Haftungssumme" in das Handelsregister. Dies könnte für den Willen der Vertragsparteien sprechen, handelsrechtlich zutreffend zwischen der Verpflichtung zur Erbringung einer Einlage und der Haftungssumme zu unterscheiden. Jedenfalls enthält diese Vertragsklausel keinen Anhaltspunkt für die Übertragung von Gesellschaftsrechten ausschließlich von A auf die Klägerin. Das Ausscheiden der Frau A bewirkte allenfalls eine Anwachsung von Gesellschaftsrechten bei beiden verbleibenden Gesellschaftern. Zugleich wurde der Kläger neuer persönlich haftender Gesellschafter. Ihm wurden ausweislich der Mitteilungen über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen doppelt so hohe, "nach Quote verteilte" Beteiligungseinkünfte wie der Klägerin zugerechnet. Hiernach ist in Betracht zu ziehen, dass dem Kläger die höhere Gewinnbeteiligung aufgrund seiner Rechtsstellung als Komplementär zustand und er selbst Einzelrechtsnachfolger nach seiner Mutter A geworden ist. Dem würde die Annahme entsprechen, dass die Klägerin in wirtschaftlicher Hinsicht Rechtsnachfolgerin des Klägers ist; dies ungeachtet des Umstands, dass sie den Kommanditanteil nicht mittels Abtretung, sondern durch Neueintritt, mithin im Wege der gesellschaftsrechtlichen "Anwachsung" erworben hat (vgl. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 45 I und II).
b) Jedenfalls fehlt es an einer eindeutigen Vereinbarung einer Vermögensübergabe von Frau A auf die Klägerin und damit an der Voraussetzung für ihre steuerrechtliche Anerkennung. Wie der Senat im Urteil vom 15. Juli 1992 X R 165/90 (BFHE 168, 561, 565, BStBl II 1992, 1020; s. ferner Urteil vom 31. August 1994 X R 79/92, BFH/NV 1995, 382) ausgeführt hat, erfordert es die steuerrechtliche Anerkennung einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen, dass ein Mindestbestand an bürgerlich-rechtlichen Rechtsfolgen vereinbart wird, der eine Qualifikation als Versorgungsvertrag erlaubt. Neben einer Vereinbarung über die Höhe der Versorgungsleistungen und die Art und Weise der Zahlung bedarf es auch einer vertraglichen Abrede darüber, welches Vermögen in welchem Umfang übertragen wird. Letzteres bleibt wie dargelegt unklar.
c) Unerheblich ist, dass die Vertragschließenden selbst die Übertragungsvorgänge rechtlich unzutreffend qualifiziert haben. Ihre Bezeichnung des Vertragsverhältnisses als unentgeltliche Vermögensübergabe von Frau A auf die Klägerin kann nur als "unverbindlicher Anhalt" gesehen werden (vgl. BFH-Urteil vom 10. Februar 1978 III R 115/76, BFHE 124, 374, BStBl II 1978, 256). Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, dass eine rechtliche Eigenqualifikation durch die Vertragsparteien, die vom erklärten Rechtsfolgewillen nicht gedeckt ist, unmaßgeblich ist (Senatsurteil vom 21. Oktober 1992 X R 99/88, BFHE 170, 41, BStBl II 1993, 289, m.w.N.).
3. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist und sich seine Entscheidung auch nicht als im Ergebnis zutreffend erweist, war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die spruchreife Klage ist abzuweisen. Die Frage, ob die Klägerin ihren Gesellschaftsanteil entgeltlich erworben haben könnte, gehört in das hier nicht streitige Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Beteiligungseinkünfte.
Fundstellen
Haufe-Index 508920 |
BFH/NV 2000, 1468 |
DStRE 2000, 1301 |
HFR 2001, 21 |