Leitsatz (amtlich)
Erwirbt ein Steuerpflichtiger ein Grundstück, um darauf ein Gebäude zu errichten, und zahlt er an Mieter oder Pächter des Grundstücks Entschädigungen für vorzeitige Räumung, so stellen diese Zahlungen keine Anschaffungskosten des Grund und Bodens oder eines immateriellen Wirtschaftsguts, sondern Herstellungskosten des Gebäudes dar.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1; KStG § 6 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), eine GmbH in Berlin (West), kaufte im Streitjahr 1960 ein unbebautes, von Kleingärtnern benutztes Grundstück, um darauf ein Fabrikgebäude zu errichten. Ebenfalls im Streitjahr 1960 zahlte sie an die Kleingärtner für vorzeitige Räumung, für den Aufwuchs und die baulichen Anlagen Entschädigungen von insgesamt 26 903,76 DM, die sie auf dem Konto "Fabrikgebäude" aktivierte und nach § 14 BHG mit 75 v. H. abschrieb. Der Revisionsbeklagte (das FA) behandelte im Anschluß an eine Betriebsprüfung die Entschädigungen zuzüglich der Schätzungskosten von 538,07 DM als Anschaffungskosten des Grund und Bodens und ließ keine Absetzung für Abnutzung (AfA) zu.
Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg.
Das FG hat in seinem Urteil, das in EFG 1965 S. 320 veröffentlicht ist, ausgeführt, die Entschädigungen, die die Steuerpflichtige im Streitjahr an die Kleingärtner bezahlt habe, stünden in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Erwerb des Grund und Bodens. Sie seien daher als Anschaffungskosten des Grund und Bodens zu beurteilen. AfA nach § 7 EStG oder erhöhte Absetzungen nach § 14 BHG seien daher nicht zulässig. Nach dem Gutachten des vom Gericht bestellten Sachverständigen liege der Teilwert des Grundstücks nicht unter den Anschaffungskosten.
Mit der Revision rügt die Steuerpflichtige unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts und einen Verfahrensmangel. Die Steuerpflichtige läßt vortragen, sie habe die Entschädigungen nicht bezahlt, um in den Besitz eines baureifen Grundstücks zu gelangen, sondern allein um frühzeitig mit dem Bau des Fabrikgebäudes beginnen zu können. Die Entschädigungen seien daher - ebenso wie nach der Rechtsprechung die Kosten für den Abbruch eines alten Gebäudes - zu den Herstellungskosten des neuen Fabrikgebäudes zu rechnen.
Hilfsweise rügt die Steuerpflichtige, das Gutachten über den Teilwert des Grundstücks sei nicht als objektiv zu bezeichnen. Die Teilwertabschreibung in Höhe von 16 141 DM hätte zugelassen werden müssen.
Die Steuerpflichtige beantragt, die Körperschaftsteuer 1960 unter Zugrundlegung eines Verlustes von 1 124 DM auf 0 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Die Entschädigungen, die die Steuerpflichtige an die Kleingärtner bezahlt hat, stellen keine Anschaffungskosten des Grund und Bodens dar. Wie der Große Senat des BFH inzwischen entschieden hat, gehören Abstandszahlungen, die der Erwerber eines Grundstücks kurz nach dem Erwerb an den Pächter oder Mieter für die vorzeitige Räumung leistet, nicht zu den Anschaffungskosten des Grundstücks (Beschluß Gr. S. 1/69 vom 2. März 1970, BFH 98, 360, BStBl II 1970, 382). Das gleiche muß gelten, wenn die Entschädigungen für vorzeitige Räumung, wie im Streitfall nach den Feststellungen des FG, teils kurz vor und teils kurz nach dem Erwerb des Grundstücks gezahlt werden. Denn auf sie insgesamt trifft zu, was nach dem angeführten Beschluß des Großen Senats gegen die Einordnung als Anschaffungskosten des Grund und Bodens spricht: Sie dienen nicht dem Erwerb des Grundstücks, sondern dazu, die eigengewerbliche Nutzung des Grundstücks vor Ablauf des Miet- oder Pachtverhältnisses zu ermöglichen.
Soweit im Streitfall die Entschädigungen für den Aufwuchs und die baulichen Anlagen gezahlt wurden, sind sie wegen ihres engen wirtschaftlichen Zusammenhangs mit der Entschädigung für vorzeitige Räumung ebenso wie diese zu behandeln. Wirtschaftlich gesehen ist auch der Vermögensschaden, den die Kleingärtner durch den Verlust des Aufwuchses und der baulichen Anlagen erlitten haben, durch die vorzeitige Räumung verursacht.
Der Große Senat hat in dem Beschluß Gr. S. 1/69, a. a. O., entschieden, daß der durch eine Abstandszahlung für vorzeitige Räumung erlangte Vorteil als selbständig bewertbares Wirtschaftsgut zu aktivieren und im Zeitraum zwischen dem vereinbarten Räumungstermin und dem im ursprünglichen Pachtvertrag vereinbarten Ende des Pachtverhältnisses in gleichmäßigen Beträgen abzuschreiben ist. Dieser Grundsatz kann im Streitfall nicht gelten. Denn hier stehen die Entschädigungen in einem so engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Errichtung des Fabrikgebäudes auf dem erworbenen Grundstück, daß sie als Teil der Herstellungskosten dieses Gebäudes anzusehen sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG). Der besondere Vorteil, den der Große Senat für selbständig bewertbar erklärt hat, geht im Streitfall auf in dem Wirtschaftsgut "Fabrikgebäude".
Da die Steuerpflichtige mit ihrem Hauptantrag Erfolg hat, bedarf es keines Eingehens mehr auf die Frage der Teilwertabschreibung und den in diesem Zusammenhang gerügten Verfahrensmangel.
Die Berechnung der Körperschaftsteuer ist dem Senat nicht möglich, da ihm die tatsächlichen Unterlagen fehlen. Die Sache geht daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Fundstellen
Haufe-Index 69151 |
BStBl II 1970, 810 |
BFHE 1971, 32 |
NJW 1971, 447 |