Leitsatz (amtlich)
1. Zum Begriff der üblichen Miete.
2. Die übliche Miete für Altbauten im Sinn des Mietpreisrechts wird dann nicht in ihrer Höhe durch die Tabellenmiete nach dem 2. BMietG begrenzt, wenn in der Lage des zu bewertenden Grundstücks im Hauptfeststellungszeitpunkt regelmäßig preisrechtlich zulässige oder als genehmigt geltende Mieten gezahlt wurden, die über der Tabellenmiete liegen.
Normenkette
BewG 1965 § 79 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer eines eigengenutzten Einfamilienhauses mit einer Wohnfläche von 117 qm. Das Gebäude wurde 1935 erbaut.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) bewertete dieses Grundstück im Zuge der Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundvermögens 1964 im Ertragswertverfahren und stellte einen Einheitswert von 46 500 DM fest. Dabei legte das FA eine Miete von monatlich 2,40 DM je qm Wohnfläche und eine monatliche Garagenmiete von 20 DM zugrunde. Der Kläger war der Meinung, daß die angesetzte Miete die für den Fall der Vermietung preisrechtlich zulässige Miete übersteige.
Der Einspruch war erfolglos.
Auf die Klage stellte das FG den Einheitswert entsprechend dem Antrag des Klägers auf 26 600 DM fest. Das FG hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Revision des FA rügt, das FG habe § 79 Abs. 2 BewG unrichtig angewendet. Es sei zwar richtig, daß die vom FG als übliche Miete angesetzte Tabellenmiete monatlich nur 1,30 DM je qm Wohnfläche betrage. Das Erste Bundesmietengesetz (1. BMietG) habe aber genehmigt, eine Miete zu vereinbaren, die bis zu 30 v. H. über der preisrechtlich zulässigen Miete liege. Damit wäre es dem Kläger wie den Eigentümern der zum Vergleich herangezogenen vermieteten Objekte möglich gewesen, im Vermietungsfall eine Miete von monatlich 2,40 DM je qm zu fordern. § 79 Abs. 2 BewG stelle nicht auf die preisrechtlich zulässige Miete ab, sondern auf objektiv feststellbare Mieten für vergleichbare vermietete Objekte. Das FG habe zur Begründung seiner Rechtsauffassung die Überlegung herangezogen, es sei nicht feststellbar, in welchem Ausmaß im Vermietungsfall die preisrechtlich zulässige Miete überschritten worden sei und es habe weiter darauf abgestellt, die Genehmigung einer derartigen Überschreitung beziehe sich nur auf die Person des jeweiligen Mieters. Dies stehe aber dem Ansatz der in der Gegend üblicherweise in Überschreitung der Tabellenmiete vereinbarten tatsächlichen Miete nicht entgegen. Letztlich sei jede Mietvereinbarung personenbezogen. Da das Mietpreisrecht keinen Abschlußzwang zur Tabellenmiete vorsehe, müsse die üblicherweise darüberliegende Miete herangezogen werden. Das FA rügt schließlich, wenn man dem FG folge und nur die Tabellenmiete als übliche Miete anerkenne, so sei diese Miete jedenfalls wegen Übernahme der Schönheitsreparaturen durch den Mieter um 5 v. H. zu erhöhen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision des FA wird die Vorentscheidung aufgehoben.
1. Das Einfamilienhaus des Klägers ist entsprechend den tatsächlichen Feststellungen des FG im Ertragswertverfahren zu bewerten (§ 76 Abs. 1 BewG). In diesem Verfahren ergibt sich der Grundstückswert regelmäßig durch Anwendung eines Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete (§ 78 Satz 2 BewG). Bei eigengenutzten Einfamilienhäusern, wie dem des Klägers, entspricht der Grundstückswert mangels einer vereinbarten Miete im Sinne des § 79 Abs. 1 BewG dem Vielfachen der üblichen Miete. Die übliche Miete ist in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung gezahlt wird (§ 79 Abs. 2 BewG).
Aus der Begriffsbestimmung der üblichen Miete ergibt sich zunächst, daß sie eine geschätzte Miete ist. Des weiteren läßt die Begriffsbestimmung der üblichen Miete erkennen, daß diese nicht notwendig der Miete entspricht, die der Eigentümer eigengenutzter Räume erzielt hätte, wenn er sich entschlossen hätte, diese Räume am Bewertungsstichtag erstmals zu vermieten. Maßgebend ist vielmehr die Miete, die für andere Grundstücke, nämlich die Vergleichsobjekte, regelmäßig am Bewertungsstichtag gezahlt wurde. Aus diesem Grund kann der Senat dem FG nicht in der Ansicht folgen, daß die übliche Miete von dem Eigentümer der eigengenutzten Räume im Falle der Vermietung seiner Räume auf die Dauer durchsetzbar sein müsse. Denn die übliche Miete ist ebenso wie die Jahresrohmiete nur eine Berechnungsgröße, um die Bewertung im Ertragswertverfahren durchführen zu können. Diese Auffassung hat der Senat schon im Zusammenhang mit der Behandlung verlorener Baukostenzuschüsse als Bestandteil der Jahresrohmiete vertreten (vgl. Urteil vom 24. November 1972 III R 20/72, BFHE 107, 472 [474], BStBl II 1973, 109). Außerdem kann dem Eigentümer eigengenutzter Räume nicht ohne weiteres unterstellt werden, daß er zur Vermietung bereit sei. Schließlich kann für die Ableitung der üblichen Miete aus tatsächlich vereinbarten und gezahlten Mieten für vergleichbare Objekte nicht gefordert werden, daß diese Mietvereinbarungen erst kurz vor dem Bewertungsstichtag begründet worden sind. Maßgebend ist vielmehr das Mietenniveau bei den Vergleichsobjekten, wie es sich historisch über die Dauer der Vermietung seit Errichtung der Gebäude entwickelt hat. Der Senat stimmt dem FG allerdings insoweit zu, daß solche tatsächlich gezahlten Mieten für die Bestimmung der üblichen Miete unberücksichtigt bleiben müssen, deren Vereinbarung nach der Rechtslage vom Hauptfeststellungszeitpunkt 1964 unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung des Mietpreisrechts gegen ein gesetzliches Verbot verstößt und deshalb insoweit nichtig ist.
2. Das im Jahre 1935 erbaute Einfamilienhaus des Klägers ist zwar bewertungsrechtlich ein Neubau (vgl. Anlage 7 zu § 80 BewG), mietpreisrechtlich aber als Altbau zu behandeln, da es vor dem 1. Januar 1950 bezugsfertig geworden ist (vgl. § 1 der Altbaumietenverordnung vom 23. Juli 1958 -AMVO-, BGBl I 1958, 549 i. d. F. der Verordnung vom 25. Juli 1963, BGBl I 1963, 529). Nach der Entscheidung des Senats vom 11. Oktober 1974 III R 103/73 (BFHE 113, 382, BStBl II 1975, 54) können bei der Schätzung der üblichen Miete für eigengenutzte Einfamilienhäuser nur solche vergleichbare vermietete Objekte herangezogen werden, die denselben mietpreisrechtlichen Bindungen unterliegen wie das zu bewertende Grundstück. Das FG hat dies bei seiner Entscheidung beachtet und ist davon ausgegangen, daß für Altbauten im Fall der Vermietung zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1964 in preisrechtlich zulässiger Weise nur die Tabellenmiete hätte gefordert werden dürfen. Es bewertete deshalb das Grundstück des Klägers auf der Grundlage der Tabellenmiete von monatlich 1,30 DM je qm Wohnfläche (vgl. § 4 Abs. 2 2. BMietG vom 23. Juni 1960, BGBl I 1960, 389). Diese Bewertung beruht aber auf der vom Senat abgelehnten Rechtsauffassung, daß die übliche Miete nicht höher sein könne als die vom Eigentümer des zu bewertenden eigengenutzten Grundstücks auf die Dauer durchsetzbare Miete. Die Entscheidung des FG ist deshalb aufzuheben.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie geht deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Bei der erneuten Entscheidung hat das FG folgendes zu beachten:
a) Durch § 1 der Preisstoppverordnung vom 26. November 1936 - PStopV - (RGBl I 1936, 955) wurden Preiserhöhungen für Güter und Leistungen jeder Art mit Wirkung vom 18. Oktober 1936 verboten. Dieser Preisstopp erfaßte auch die Wohnraummieten. Nach § 3 PStopV konnten jedoch Ausnahmen von dem Preiserhöhungsverbot aus volkswirtschaftlichen Gründen oder zur Vermeidung besonderer Härten zugelassen werden. In den Jahren ab 1952 wurden in zunehmendem Maße preisgebundene Wohnraummieten an die steigenden Bewirtschaftungskosten angepaßt, um die Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes allmählich wieder herzustellen (wegen der Einzelheiten vgl. Holzapfel bei v. Brauchitsch/Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. VIII, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Ergänzungsband Mietpreisrecht, S. 422). Dies führte schließlich zu einer Anhebung der Mieten für den gesamten Altwohnraum bis zur Tabellenmiete im Sinne des § 4 Abs. 2 2. BMietG.
b) Die Tabellenmiete war aber nicht die höchstzulässige Miete für Altbauten im Sinne des Mietpreisrechts. Zwar führten Verstöße gegen das Mietpreisrecht dazu, daß die so vereinbarten Mieten in der Höhe unwirksam waren, in der sie die preisrechtlich zulässige Miete überstiegen (vgl. § 2 Abs. 2 AMVO und § 26 Abs. 2 1. BMietG i. d. F. des Gesetzes über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Miet- und Wohnrecht vom 23. Juni 1960, BGBl I 1960, 389). § 1 Abs. 1 1. BMietG hat aber alle Mietvereinbarungen für preisrechtlich zulässig erklärt, die bis zum 1. Januar 1955 zustande gekommen sind, und zwar auch dann, wenn sie bis zum Inkrafttreten des Ersten Bundesmietengesetzes preisrechtlich unzulässig waren (vgl. § 1 Abs. 3 1. BMietG). Außerdem wurden überschreitungen der preisrechtlich zulässigen Miete nach dem 1. Januar 1955 als preisrechtlich genehmigt betrachtet, wenn die preisrechtlich zulässige Miete nach dem Stand vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Miet- und Wohnrecht um nicht mehr als ein Drittel überschritten wurde (§ 3 1. BMietG). Schließlich durfte gemäß § 1 2. BMietG die Miete für preisgebundenen Altwohnraum um 15 v. H. erhöht werden.
c) Auf Grund dieser Rechtslage konnte sich eine preisrechtlich zulässige oder eine preisrechtlich als genehmigt geltende Miete bilden, die höher war als die Tabellenmiete. Es trifft zwar zu, daß ein Teil dieser allgemeinen Genehmigungen von Mieterhöhungen nur für die Dauer eines zu einer bestimmten Zeit bestehenden Mietverhältnisses galt (vgl. § 3 Abs. 1 1. BMietG). Der Senat kann dem FG aber nicht darin folgen, daß solche allgemeine Genehmigungen für die Schätzung der üblichen Miete unbeachtlich seien, weil sie nicht objektgebunden, sondern nur personengebunden seien. Denn die Begriffsbestimmung der üblichen Miete stellt nur darauf ab, welche Miete nach den Verhältnissen des Feststellungszeitpunktes für vermietete Vergleichsobjekte in preisrechtlich zulässiger oder genehmigter Weise tatsächlich gezahlt wurde (so auch Gürsching-Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 1. bis 5. Aufl., § 79 BewG Anm. 61; Rössler-Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 9. Aufl., § 79 BewG Anm. 20). Sie läßt dagegen weder zu noch gebietet sie eine Unterscheidung nach Mietverhältnissen, deren Mietvereinbarung nur für das konkrete Mietverhältnis preisrechtlich als genehmigt gilt, und Mietverhältnissen, die im Fall einer Kündigung die erneute Vereinbarung einer Miete in dieser Höhe ermöglichen. Entscheidend ist vielmehr das Mietenniveau vergleichbarer Objekte im Feststellungszeitpunkt, wobei bei Altbauten dieses Mietenniveau zwangsläufig durch die historische Entwicklung der Mietpreisgesetzgebung und deren praktische Handhabung sowie nachträglicher Genehmigungen früherer Preisverstöße geprägt wird. Der Senat verkennt nicht, daß diese durch das Mietpreisrecht geprägte Rechtslage zu erheblichen Streuungen der Mieten führen konnte. Als "regelmäßig gezahlte" Miete kann aber nicht die sich nach dem rechnerischen Durchschnitt ergebende Miete, sondern nur eine solche Miete angesehen werden, die bei den Vergleichsfällen am häufigsten vorkommt.
Das FG hat von seiner Rechtsauffassung ausgehend zu Recht keine Feststellungen darüber getroffen, ob die vom FA als übliche Miete angesetzte Miete in der Lage, in der sich das Einfamilienhaus des Klägers befindet, für Wohnraum gleicher Art, d. h. auch gleicher preisrechtlicher Bindungen und gleicher oder ähnlicher Ausstattung gezahlt wurde. Es hat diese Feststellungen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats noch zu treffen.
Die vom FA erhobene Revisionsrüge, das FG hätte berücksichtigen müssen, daß die Miete wegen Übernahme der Schönheitsreparaturen um 5 v. H. zu erhöhen gewesen wäre, ist wegen des Verböserungsverbots nur dann von Bedeutung, wenn das FG eine niedrigere Miete als die vom FA angesetzte feststellen sollte. In diesem Fall könnte der Umstand, daß derjenige, der die Räume des zu bewertenden Grundstücks nutzt, nämlich der Kläger selbst, auch die Kosten der Schönheitsreparaturen trägt, zu einer Erhöhung der in Anlehnung an die Vergleichsfälle ermittelten Barmiete führen, wenn in den Vergleichsfällen die Mieter die Kosten der Schönheitsreparaturen tragen (vgl. Entscheidung des BFH vom 26. Juli 1974 III R 87/73, BFHE 113, 304, BStBl II 1974, 766).
Fundstellen
Haufe-Index 71220 |
BStBl II 1975, 188 |
BFHE 1975, 257 |