Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzung der Gewährung eines Zuschlags zur Regelvergütung des Insolvenzverwalters
Leitsatz (amtlich)
Ein Zuschlag zur Regelvergütung kann dem Insolvenzverwalter nicht allein wegen der langen Dauer des Verfahrens, sondern nur wegen der in dieser Zeit von ihm erbrachten Tätigkeiten gewährt werden.
Normenkette
InsVV § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Beschluss vom 04.06.2009; Aktenzeichen 3 T 839/07) |
AG Chemnitz (Entscheidung vom 11.09.2007; Aktenzeichen 1316 IN 1761/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Chemnitz vom 4.6.2009 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 19.755,65 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der weitere Beteiligte ist Verwalter in dem am 26.11.2001 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Am 6.9.2006 beantragte er, die Vergütung für seine Tätigkeit in Höhe des 2,45-fachen Regelsatzes festzusetzen. Das Insolvenzgericht gewährte antragsgemäß Zuschläge für lange Verfahrensdauer, hohe Anzahl von Gläubigern und schwierigen Forderungseinzug (je 0,1). Die vom Verwalter beantragten Zuschläge wegen Schwierigkeiten bei der Verwertung von Immobilien und wegen der Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten (je 0,5) fasste es zu einem einheitlichen Zuschlag von insgesamt 0,5 des Regelsatzes zusammen. Einen weiteren Zuschlag für Hausverwaltung lehnte es ab. Die sofortige Beschwerde des Verwalters ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Verwalter seinen Vergütungsantrag weiter.
II.
Rz. 2
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 7, 6, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Rz. 3
1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, es brauche nicht entschieden zu werden, ob der Verwalter den Zuschlag für Hausverwaltung i.H.v. 0,1 des Regelsatzes beanspruchen kann. Denn das Insolvenzgericht habe dem Verwalter zu Unrecht einen Zuschlag von 0,1 für die lange Verfahrensdauer gewährt. Die Dauer des Insolvenzverfahrens allein rechtfertige die Gewährung eines Zuschlags nicht. Es komme für die Vergütung des Verwalters allein auf Umfang und Schwierigkeit der konkret vorgenommenen Tätigkeiten an. Der vom Insolvenzgericht für die Bemühungen des Verwalters um die Veräußerung der Grundstücke und die Bearbeitung der Aus- und Absonderungsrechte gewährte Zuschlag in Höhe des 0,5-fachen Regelsatzes sei nach den Umständen des Falles ausreichend und angemessen. Auch in der Gesamtbetrachtung sei die Gewährung der 1,8-fachen Regelvergütung angemessen.
Rz. 4
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 5
a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht nicht gegen das Verschlechterungsverbot verstoßen, indem es den vom Insolvenzgericht zugesprochenen Zuschlag wegen langer Verfahrensdauer aberkannt hat. Im Verfahren der sofortigen Beschwerde gilt zwar das Verschlechterungsverbot (BGH, Beschl. v. 6.5.2004 - IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 124 ff.) mit der Folge, dass die Position des (alleinigen) Rechtsmittelführers nicht zu seinem Nachteil verändert werden darf. Das Beschwerdegericht darf deshalb die dem Rechtsmittelführer in erster Instanz zugesprochene Vergütung nicht herabsetzen. Das Beschwerdegericht wird durch das Verschlechterungsverbot jedenfalls nicht gehindert, bei Feststellung der angemessenen Vergütung im Einzelfall Zu- und Abschläge anders zu bemessen als das Insolvenzgericht, soweit es den Vergütungssatz insgesamt nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers ändert (BGH, Beschl. v. 16.6.2005 - IX ZB 285/03, ZIP 2005, 1371; v. 28.9.2006 - IX ZB 108/05, ZIP 2006, 2186 Rz. 4).
Rz. 6
b) Auch in der Sache ist die Ablehnung eines Zuschlags wegen langer Verfahrensdauer nicht zu beanstanden. Die Bemessung vorzunehmender Zu- und Abschläge ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Sie ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur darauf zu überprüfen, ob sie die Gefahr der Verschiebung von Maßstäben mit sich bringt (BGH, Beschl. v. 13.11.2008 - IX ZB 141/07, ZInsO 2009, 55 Rz. 8; v. 18.6.2009 - IX ZB 119/98, ZInsO 2009, 1557 Rz. 9, jeweils m.w.N.). Diese Gefahr besteht nicht.
Rz. 7
aa) Die Frage, ob die lange Dauer des Insolvenzverfahrens einen Zuschlag zur Vergütung des Verwalters nach § 3 Abs. 1 InsVV rechtfertigt, ist in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum umstritten. Für die Berechtigung eines Zuschlags in solchen Fällen wird angeführt, die lange Dauer eines Insolvenzverfahrens beeinflusse die kalkulatorische Deckung der Gemeinkosten ungünstig und lasse den Umfang von Regelaufgaben des Verwalters wie die Vorlage von Berichten, Aufzeichnungspflichten und die Beantwortung von Sachstandsanfragen ansteigen (LG Potsdam, ZVI 2006, 475, 476; Nowak in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 3 InsVV Rz. 12; Eickmann/Prasser in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 3 InsVV Rz. 35; Lorenz in FK/InsO, 5. Aufl., § 3 InsVV Rz. 26, jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen; für die Zuschlagsfähigkeit einer überlangen Verfahrensdauer ferner Stephan/Riedel, InsVV § 3 Rz. 27; Hess, Insolvenzrecht, § 3 InsVV Rz. 78). Gegen einen Zuschlag allein wegen langer Verfahrensdauer wird geltend gemacht, diese resultiere regelmäßig aus Besonderheiten, die ohnehin gesondert vergütet würden (LG Deggendorf Rpfleger 1998, 125; LG Braunschweig, ZInsO 2001, 552, 554; LG Göttingen, NZI 2006, 477; LG Stendal, Beschl. v. 17.10.2007 - 25 T 166/05, juris Rz. 14 f.; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 4. Aufl., § 3 Rz. 58; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 2. Aufl., Rz. 248; Graeber, Vergütung in Insolvenzverfahren von A-Z, Rz. 459; HmbKomm-InsO/Büttner, 3. Aufl., § 3 InsVV Rz. 7a; Blersch in Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO, § 3 InsVV Rz. 24).
Rz. 8
bb) Richtiger Ansicht nach rechtfertigt eine lange Dauer des Verfahrens für sich allein keinen gesonderten Zuschlag zur Vergütung des Insolvenzverwalters (vgl. BGH, Beschl. v. 6.5.2010 - IX ZB 123/09, ZInsO 2010, 1504 Rz. 7; noch offen gelassen im Beschl. v. 10.7.2008 - IX ZB 152/07, ZIP 2008, 1640 Rz. 10). Mit der Vergütung nach der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung wird die Tätigkeit des Verwalters entgolten (Haarmeyer, ZInsO 2001, 577). Durch Abweichungen vom Regelsatz soll dem Umfang und der Schwierigkeit seiner Geschäftsführung Rechnung getragen werden (§ 63 Abs. 1 Satz 3 InsO). Maßgebendes Bemessungskriterium für Zu- und Abschläge soll daher der tatsächlich gestiegene oder geminderte Arbeitsaufwand sein (Begründung zu § 3 InsVV, abgedruckt bei Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 2. Aufl., Anhang III). Dies verbietet es, Zuschläge zur Vergütung allein an den Zeitablauf anzuknüpfen. Zu bewerten ist vielmehr die während der Dauer des Verfahrens erbrachte Tätigkeit. Weist diese einen überdurchschnittlichen Umfang oder eine besondere Schwierigkeit auf, wie dies in überlangen Verfahren oft der Fall sein wird, kann dafür ein Zuschlag gewährt werden. Die vermehrte Erledigung von Routinearbeiten wie die Erstellung von Zwischenberichten oder die Aktualisierung der Buchführung, ist dann mit diesen Zuschlägen abgegolten, zumal der dazu erforderliche Aufwand mit zunehmender Verfahrensdauer regelmäßig abnimmt. Geht eine lange Verfahrensdauer ausnahmsweise nicht mit zuschlagsfähigen Tätigkeiten des Verwalters einher, etwa weil die Fälligkeit von Sicherungseinbehalten oder der Ausgang von Prozessen, mit deren Führung Dritte beauftragt wurden, abzuwarten ist, werden auch die in regelmäßigen Zeitabschnitten sich wiederholenden Routinetätigkeiten im Allgemeinen keinen gesonderten Zuschlag rechtfertigen, weil die Abweichung vom Normalfall nicht so signifikant ist, dass ohne einen Zuschlag ein Missverhältnis entstünde (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 11.5.2006 - IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204 Rz. 24; v. 11.10.2007 - IX ZB 15/07, ZIP 2007, 2226 Rz. 15).
Rz. 9
cc) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts stimmt mit diesen Grundsätzen überein. Die lange Verfahrensdauer wurde im Wesentlichen verursacht durch Schwierigkeiten bei der Verwertung der zahlreichen Immobilien, durch eine aufwendige Prüfung der Forderungen, durch einen zur Durchsetzung einer Forderung geführten Rechtsstreit und den anschießenden Versuch, diese Forderung zu realisieren. Für die beiden erstgenannten Tätigkeiten sind dem Verwalter Zuschläge zur Vergütung gewährt worden. Unter diesen Umständen durfte das Beschwerdegericht davon absehen, für die während der langen Verfahrensdauer anfallenden Routinetätigkeiten einen weiteren Zuschlag festzusetzen.
Rz. 10
c) Ohne Erfolg beanstandet die Rechtsbeschwerde, dass das Beschwerdegericht wie schon zuvor das Insolvenzgericht die vom Verwalter gesondert geltend gemachten Zuschlagsgründe "Verkaufsbemühungen" und "Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten" zusammengefasst hat. Nach der Rechtsprechung des Senats sind in Betracht kommende Zu- und Abschlagstatbestände gem. § 3 InsVV zwar im Einzelnen zu beurteilen. Der Tatrichter ist aber nicht gezwungen, einzelne mögliche Zu- und Abschlagstatbestände gesondert zu bewerten. Er muss vielmehr in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung von Überschneidungen der einzelnen Tatbestände und einer aufs Ganze bezogenen Angemessenheitsbetrachtung den Gesamtzuschlag oder den Gesamtabschlag festlegen (BGH, Beschl. v. 1.3.2007 - IX ZB 280/05, ZIP 2007, 639 Rz. 14 m.w.N.; Beschl. v. 20.5.2010 - IX ZB 11/07, NZI 2010, 643 Rz. 9, z.V.b. in BGHZ). Das Beschwerdegericht hat sich mit beiden Zuschlagsgründen befasst.
Fundstellen
Haufe-Index 2463503 |
BB 2010, 2578 |