Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnungsgrundlage der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Berücksichtigung unzulässiger Zahlungen des GmbH-Geschäftsführers
Leitsatz (amtlich)
Ansprüche aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 Satz 1 und 2 GmbHG) gegen den Geschäftsführer wegen unzulässiger Zahlungen sind in der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Verwalters mit ihrem voraussichtlichen Realisierungswert zu berücksichtigen.
Normenkette
InsVV §§ 1, 10, 11 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Landau (Pfalz) (Beschluss vom 27.08.2009; Aktenzeichen 4 T 34/09) |
AG Landau (Pfalz) (Beschluss vom 05.06.2009; Aktenzeichen 3 IN 2/08) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Rechtsbeschwerde des vorläufigen Insolvenzverwalters wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Landau in der Pfalz vom 27.8.2009 aufgehoben.
II. Auf die sofortige Beschwerde des vorläufigen Insolvenzverwalters wird der Beschluss des AG Landau in der Pfalz vom 6.5.2009 geändert:
Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters wird wie folgt festgesetzt:
Vergütung: |
5.686,24 EUR |
Auslagen: |
750 EUR |
19 % Umsatzsteuer: |
1.222,88 EUR |
insgesamt: |
7.659,13 EUR |
III. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
IV. Von den Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde trägt der vorläufige Insolvenzverwalter 4/5.
V. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.762 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der weitere Beteiligte zu 1) begehrt die Festsetzung seiner Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter in dem inzwischen eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Er beantragte, die Vergütung auf 11.372,48 EUR zusätzlich 750 EUR Auslagen und 19 % Umsatzsteuer von 2.303,27 EUR festzusetzen, zusammen 14.425,75 EUR. Als Berechnungsgrundlage legte er einen Betrag von 142.785 EUR zugrunde. Zuschläge begehrte er i.H.v. 25 %, insgesamt also 50 % der Regelvergütung gem. § 2 Abs. 1 InsVV.
Rz. 2
In der Berechnungsgrundlage war ein Betrag von 73.561,70 EUR für bestehende Ansprüche der Masse enthalten; Ansprüche i.H.v. 14.400 EUR waren gegen die Ehefrau des Gesellschafters/Geschäftsführers aus §§ 32a, 32b GmbHG, gleichzeitig aber auch gegen den Gesellschafter/Geschäftsführer selbst aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. gerichtet. Weitere 59.161,70 EUR wurden auf Ansprüche gegen den Gesellschafter/Geschäftsführer ebenfalls aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. gestützt, außerdem gegen die Eheleute aus §§ 32a, 32b, 30, 31 GmbHG entsprechend.
Rz. 3
Die vorbezeichneten Ansprüche konnten kurz nach Verfahrenseröffnung zugunsten der Masse realisiert werden.
Rz. 4
Das AG hat die Vergütung auf 4.398,91 EUR festgesetzt zzgl. 659,84 EUR Auslagen und 19 % Umsatzsteuer von 961,16 EUR, zusammen 6.019,91 EUR. Dabei ist es von einer Berechnungsgrundlage von 69.223,30 EUR ausgegangen. Die genannten Ansprüche von zusammen 73.561,70 EUR sind in die Berechnungsgrundlage nicht einbezogen worden. Zuschläge sind nicht gewährt worden.
Rz. 5
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der weitere Beteiligte zu 1) seinen Vergütungsfestsetzungsantrag insoweit weiter, als er die Einbeziehung der genannten Ansprüche i.H.v. 73.561,70 EUR in die Berechnungsgrundlage begehrt.
II.
Rz. 6
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
Rz. 7
1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, Ansprüche aus Insolvenzanfechtung und aus §§ 32a, 32b GmbHG seien nicht in die Berechnungsgrundlage einzubeziehen. Dasselbe gelte für Ansprüche aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. Denn auch sie entstünden erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Während des Eröffnungsverfahrens und bei dessen Beendigung stehe noch nicht fest, ob und in welcher Höhe entsprechende Ansprüche bestünden. Auch für Ansprüche aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. sei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. die Abweisung des Antrags mangels Masse Anspruchsvoraussetzung.
Rz. 8
2. Die Rechtsbeschwerde nimmt hin, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats Ansprüche aus §§ 32a und 32b GmbHG sowie aus Insolvenzanfechtung nicht zur Berechnungsgrundlage zählen. Für den Anspruch aus § 64 Abs. 2 GmbHG gelte indessen anderes, weil er bereits zu dem Zeitpunkt entstehe, in dem der Geschäftsführer die verbotene Zahlung leiste, also mit der Ausführung der Zahlung in der Krise. Gläubiger des Anspruchs sei die GmbH. Soweit der II. Zivilsenat des BGH ausgeführt habe, der Anspruch des § 64 Abs. 2 GmbHG setze grundsätzlich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Ablehnung mangels Masse voraus, sei hiermit lediglich eine Durchsetzungssperre gemeint bis zu dem Zeitpunkt, in dem über den Insolvenzeröffnungsantrag entschieden werde. Hilfsweise beantragt der weitere Beteiligte zu 1) die Festsetzung eines Zuschlags.
Rz. 9
3. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
Rz. 10
a) Eingang in die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters (§§ 10, 11 InsVV i.V.m. § 1 InsVV) können nur solche Vermögenswerte finden, auf die sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens erstreckt. Entscheidend ist die Zugehörigkeit zur "Ist"-Masse, also zu dem vom Insolvenzverwalter in Besitz zu nehmenden oder sonst für die Masse zu reklamierenden Vermögen (BGH, Beschl. v. 29.4.2004 - IX ZB 225/03, ZIP 2004, 1653, 1654 m.w.N.).
Rz. 11
Anfechtungsansprüche, die erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, können deshalb nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Verwalters zugerechnet werden (vgl. BGH, Beschl. v. 29.4.2004, a.a.O.; v. 14.12.2005 - IX ZB 268/04, ZInsO 2006, 143, 145; v. 18.12.2008 - IX ZB 46/08, ZInsO 2009, 495, 496 Rz. 10).
Rz. 12
Dasselbe gilt für Ansprüche aus §§ 32a, 32b GmbHG a.F. Denn auch sie entstehen erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, also zu dem Zeitpunkt, in dem die Tätigkeit des vorläufigen Verwalters bereits endet (BGH, Beschl. v. 29.4.2004, a.a.O., S. 1654). Die Zweite Verordnung zur Änderung der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung vom 21.12.2006 gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung (BGH, Beschl. v. 18.12.2008 - IX ZB 46/08, ZInsO 2009, 495, 496 Rz. 10; v. 11.3.2010 - IX ZB 122/08, ZInsO 2010, 730, 731 Rz. 7).
Rz. 13
b) Zu dem Vermögen des Schuldners, dessen Wert für die Vergütung des vorläufigen Verwalters maßgeblich ist, gehören jedoch solche Forderungen, die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Hierzu gehört der Anspruch aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 GmbHG n.F.). Dieser Anspruch entsteht bereits mit Vornahme der verbotenen Zahlung (Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl., § 64 Rz. 36; Nowak in Michalski, GmbHG, 2. Aufl., § 64 Rz. 53; Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 64 Rz. 53; LG Waldshut-Tiengen NJW-RR 1996, 105; vgl. zu § 130a Abs. 3 HGB: BGH, Urt. v. 16.3.2009 - II ZR 32/08, NZI 2009, 486, 488 Rz. 20; Habersack in Canaris/Habersack/Schäfer, HGB 5. Aufl., § 130a Rz. 38; Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB 2. Aufl., § 130a Rz. 27; a.A. Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 64 Rz. 12; Bork/Schäfer GmbHG § 64 Rz. 16).
Rz. 14
c) Dazu steht nur scheinbar in Widerspruch die Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH, wonach der Anspruch nach § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 GmbHG) zu seiner Geltendmachung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraussetze (BGH, Urt. v. 11.9.2000 - II ZR 370/99, NJW 2001, 304, 305; ebenso Nerlich in Michalski, GmbHG, a.a.O., § 64 Rz. 47; Koch in Bartl/Bartl/Fichtelmann/Koch/Schlarb, GmbH-Recht 6. Aufl., § 64 Rz. 9; Kleindieck in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 64 Rz. 16; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 64 Rz. 38; Fleck GmbHR 1974, 224, 230).
Rz. 15
Wird das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet, ist § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 GmbHG) gleichwohl anwendbar, weil kein Grund besteht, den Geschäftsführer besser zu stellen; hier kann der einzelne Gläubiger im Wege der Einzelzwangsvollstreckung Zugriff auf den Anspruch der Gesellschaft nehmen (BGH, Urt. v. 11.9.2000, a.a.O.).
Rz. 16
Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes hängt die Entstehung des Anspruchs nicht von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Abweisung des Antrags mangels kostendeckender Masse, sondern lediglich von dem Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen ab. Deshalb geht auch die überwiegende Meinung zu Recht von der Entstehung des Anspruchs bereits im Zeitpunkt der unzulässigen Zahlung und von dem Beginn des Laufs der Verjährungsfrist ab diesem Zeitpunkt aus (vgl. oben b und die dort nachgewiesenen Zitate).
Rz. 17
d) Der Anspruch ist allerdings nur mit seinem Verkehrswert (BGH, Beschl. v. 12.1.2006 - IX ZB 127/04, ZIP 2006, 672, 673; v. 9.6.2005 - IX ZB 230/03, ZIP 2005, 1324, 1325; v. 26.4.2007 - IX ZB 160/06, ZIP 2007, 1330, 1331 Rz. 10), also hier mit dem Realisierungswert (BGH, Beschl. v. 26.4.2007, a.a.O.) anzusetzen. Da die Ansprüche kurz nach Insolvenzeröffnung in vollem Umfang realisiert wurden, bestehen gegen ihre volle Berücksichtigung keine Bedenken.
Rz. 18
4. Die Vergütung berechnet sich demgemäß wie folgt:
Berechnungsgrundlage: |
142.785 EUR |
Regelvergütung (§ 2 Abs. 1 InsVV): |
22.744,95 EUR |
davon 25 % (§ 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV) |
5.686,24 EUR |
Auslagen 15 % für maximal 3 Monate à 250 EUR |
750 EUR |
6.436,24 EUR |
|
darauf 19 % USt |
1.222,88 EUR |
Gesamtsumme |
7.659,13 EUR |
Rz. 19
Die Auslagen können gem. § 8 Abs. 3 Satz 1 InsVV - wie im Vergütungsantrag - nur i.H.v. maximal 250 EUR je angefangenem Monat der Dauer der Tätigkeit (17.1.2008 bis 1.4.2008) angesetzt werden (BGH, Beschl. v. 23.7.2004 - IX ZB 257/03, ZIP 2004, 1715, 1716).
Rz. 20
Der Rechtsbeschwerdeführer hat Festsetzung der Umsatzsteuer zwar nur i.H.v. 457,74 EUR (das entspricht 7 %) beantragt, was aber auf einem offensichtlichen mit § 7 InsVV nicht zu vereinbarenden Versehen beruht. Deshalb ist hier die - zweifellos tatsächlich als beantragt gewollte - zutreffende Umsatzsteuer zu berücksichtigen.
Fundstellen