Leitsatz (amtlich)
a) Erfüllt der Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft (Arbeitsgemeinschaft) die vertragliche Bauleistung nicht, so kann er auf Rückzahlung einer ihm zugeflossenen Vorauszahlung erst in Anspruch genommen werden, wenn der Bauvertrag von keinem der Gesellschafter erfüllt wird.
b) Der Anzahlungsbürge eines BGB-Gesellschafters wird von seiner Verpflichtung auch dann frei, wenn ein anderer Gesellschafter die geschuldete Leistung, für die die Anzahlung gewährt wurde, erbringt.
Normenkette
BGB §§ 427, 426 Abs. 2, §§ 401, 718, 767
Verfahrensgang
LG Düsseldorf |
OLG Düsseldorf |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Juni 1977 geändert.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 22. Mai 1975 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am 9. März 1973 erteilte die Arbeitsgemeinschaft Max-Planck-Institut S. i. H. (im folgenden Auftraggeberin) der Klägerin gegen eine Pauschalvergütung von 11 950 000 DM den Auftrag zur Ausführung der Fassadenarbeiten am Neubau des Forschungszentrums Stuttgart der Max-Planck-Gesellschaft. Vertragsbestandteil des Auftrags war u. a. ein Protokoll vom 8. Februar 1973, in dem Nr. 11 lautete:
„Vorauszahlung von 30 % gegen Bankbürgschaft, die gegen Materialübereignung sukzessive abgebaut werden kann, wobei die Kosten für die Versicherung des Materials der Auftragnehmer trägt … Rest gemäß Leistungsstand unter prozentualem Abbau der Vorauszahlung.”
Dementsprechend übersandte die Klägerin der Auftraggeberin am 12. März 1973 Bürgschaftsurkunden der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank über insgesamt 3 585 000 DM. Sie erhielt hierauf entsprechende Vorauszahlungen, nach ihrem Vortrag in Höhe von insgesamt 4 000 000 DM.
Mit Vertrag vom 24. Mai/24. Oktober 1973 schloß sich die Klägerin mit Wirkung vom 24. Mai 1973 mit der Firma D. B. C.H. J., D. (Firma J.) zu einer Arbeitsgemeinschaft unter der Bezeichnung A. F. B. zur gemeinsamen Ausführung der Arbeiten zusammen. Nach diesem Vertrag übernahmen die Klägerin und die Firma J. unter Anerkennung der Auftragsbedingungen der Auftraggeberin dieser gegenüber die gesamtschuldnerische Haftung für die Verpflichtungen aus dem Auftrag vom 9. März 1973 und vereinbarten, daß die Klägerin rund 7 000 000 DM, die Firma J. rund 5 000 000 DM des Gesamtauftragsvolumens von rund 12 000 000 DM übernehmen sollte. Entsprechend dieser Verteilung sollte die Klägerin mit 7/12, die Firma J. mit 5/12 an der Gesellschaft beteiligt sein. Diesem Beteiligungsverhältnis entsprechend hatte jeder Gesellschafter die für die Ausschüttung von Vorauszahlungen der Auftraggeber in vorausgesetzten Sicherheiten zu leisten. Die Auftraggeberin erklärte sich mit der gemeinschaftlichen Ausführung der Arbeiten durch die Klägerin und die Firma J. als Gesamtschuldner einverstanden und vergab den Auftrag in Abänderung des ursprünglichen Auftrags mit Schreiben vom 24. Mai 1973 an die neu gegründete A. F. B..
Am 22. Juni 1973 bat die Klägerin ihre Partnerin, die Firma J. um Übersendung einer Bankbürgschaftsurkunde über 1 000 000 DM, durch die ein gleichhoher Teil ihrer bereits erbrachten Bankbürgschaft ersetzt werden sollte. Die Klägerin kündigte entsprechende Zahlungen nach erfolgtem Austausch der Bürgschaften an. Die Firma J. übergab hierauf der Klägerin eine Bürgschaft der Beklagten vom 28. Juni 1973, die auszugsweise lautet:
„Die Firma D. B. C.H. J. hat von der A. Max-Planck-Institut i. H. H. den Auftrag zur Erstellung/Ausführung/Lieferung von Aluminium-Fenster- und Fassadenelementen gemäß Bestellung vom 8.3.1973, Auftragssumme DM 4 000 000,– für das Bauvorhaben Max-Planck-Institut, S. erhalten.
Gegen Hinterlegung einer Bürgschaftsurkunde über DM 1 000 000,–, die zum Austausch einer gleichwertigen Bürgschaftsurkunde der B. H. und W., A., bestimmt ist, erhält die Firma D. B. C.H. J. eine Anzahlung in Höhe von DM 1 000 000,–.
Zur Sicherstellung eines evtl. Anspruchs auf Rückgewährung dieser Anzahlung übernimmt die L. Bank AG, D., im Auftrag der Firma D. B. C.H. J., D., gegenüber der A. Max-Planck-Institut i.H., S. die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von DM 1 000 000,– unter Verzicht auf die Einreden der Anfechtung, der Aufrechnung und der Vorausklage gem. §§ 770, 771 BGB.”
Nachdem die Klägerin ihrerseits von der Auftraggeberin eine Teilbürgschaft in Höhe von 1 000 000 DM zurückgegeben erhalten hatte, übermittelte sie ihrer Partnerin, nach ihren Behauptungen am 13. Juli 1973, aus der ihr zugeflossenen Vorauszahlung zunächst 1 000 000 DM und sodann am 8. Februar 1974 weitere 415 000 DM.
Als die Firma J. im Frühjahr 1974 in Vermögensverfall geriet, forderte die Auftraggeberin die Beklagte am 18. April 1974 zur Zahlung der Bürgschaftssumme auf, worauf diese am 24. Juni 1974 u. a. antwortete:
„Als wir uns Ihnen gegenüber am 28.6.1973 (nach dem Bürgschaftstext nur für die Firma J.) verbürgt haben, war uns der Gründungsvertrag der A. B. vom 24.5./24.10.1973 nicht bekannt. Dieser Vertrag, den wir erst vor kurzem von der Firma C.H. J. erhalten haben, wird von uns genauso genehmigt, wie er von Ihnen genehmigt worden ist. Wir erklären ausdrücklich, daß wir ein etwaiges Anfechtungsrecht, welches uns wegen unserer unverschuldeten Unkenntnis bei Abgabe der Bürgschaftserklärung zustehen könnte, nicht ausüben wollen.
Wir sind auch bereit unseren Pflichten als Bürgen nachzukommen, müssen Sie jedoch vorab bitten, uns die Voraussetzung der Inanspruchnahme unseres Hauses darzulegen.
Wir glauben nicht, daß die von Ihnen geäußerten Bedenken so ohne weiteres ausreichend sind, um uns aus der Bürgschaft jetzt schon in Anspruch nehmen zu können.”
Am 5. Juli 1974 wurde über das Vermögen der Firma J. das Konkursverfahren eröffnet. Die Klägerin führte in der Folgezeit den bis dahin erst teilweise erfüllten Auftrag allein aus. Der Konkursverwalter der Firma J. lehnte nämlich eine Erfüllung des Auftrags für diese ab.
Die Klägerin behauptet, die Firma J. habe bis zur Konkurseröffnung lediglich Leistungen im Wert von 270 637 DM erbracht. Daher sei ihr mindestens ein Vorauszahlungsbetrag von 1 000 000 DM ohne Gegenleistung zugeflossen, den sie an die Auftraggeberin hätte zurückerstatten müssen, wofür die Beklagte sich verbürgt habe. Die Klägerin hat von der Beklagten als Bürgin unter Berufung auf eine Abtretung seitens der Auftraggeberin vom 30. Juli 1974 und auf § 426 Abs. 2 BGB Zahlung von 950 000 DM. nebst Zinsen und Mehrwertsteuer verlangt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr wegen eines Betrages von 857 962,30 DM nebst gestaffelten Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe der Bürgschaftsurkunde an die Beklagte stattgegeben.
Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin wie die Firma J. hätten als Gesellschafter der A. F. B., einer BGB-Gesellschaft, der Auftraggeberin als Gesamtschuldner für die Durchführung des Auftrags gehaftet. Die Auftraggeberin habe sich hier sogar ausdrücklich ausbedungen gehabt, jeden der beiden Gesellschafter als Gesamtschuldner unmittelbar in Anspruch nehmen zu können. Die BGB-Gesellschaft sei mit dem Konkurs der Firma J. aufgelöst worden. Deren Konkursverwalter habe die Erfüllung des Vertrags nach § 17 KO abgelehnt, wodurch für die Auftraggeberin ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gegen die Firma J. als Gemeinschuldnerin entstanden sei. Die Klägerin und nicht die BGB-Gesellschaft in Liquidation habe als persönlich haftende Gesamtschuldnerin hierauf den Auftrag erfüllt. Sie habe insoweit den Schadensersatzanspruch der Auftraggeberin gegen die Firma J. nach § 426 Abs. 2 BGB mit allen Sicherungs- und Nebenrechten (§§ 412, 401 BGB) erworben. Weitere Ansprüche hätten auch nicht aufgrund der ausdrücklichen Abtretung der Auftraggeberin vom 30. Juli 1974 an die Klägerin auf diese übergehen können, so daß diese Abtretung außer Betracht bleiben könne. Für die Verbindlichkeit der Firma J. auf Rückgewähr der empfangenen Vorauszahlung müsse die Beklagte als Bürgin einstehen.
2. Die Revision meint, es sei nicht denkbar, daß der Konkursverwalter für einen von zwei Gesellschaftern einer BGB-Gesellschaft, die auch nach Auflösung der Gesellschaft für deren Verpflichtungen hafteten, die Erfüllung eines noch nicht abgewickelten Vertrags nach § 17 KO ablehne, wenn der andere Gesellschafter erfüllungsbereit sei und die ihn als Gesamtschuldner treffende Verpflichtung auch erfülle. In einem solchen Falle entstehe dem Forderungsberechtigten aus dem vom Konkursverwalter des einen Gesamtschuldners nicht mehr erfüllten Vertrag kein Schaden; denn er erhalte ja die Leistung von dem anderen Gesamtschuldner. Die Vorauszahlung der Auftraggeberin, die die Firma J. innerhalb der A. mit der Klägerin anteilig ausbezahlt erhalten habe, sei durch die Vertragserfüllung der Klägerin ausgeglichen worden. Die Klägerin habe keinen Ersatz für die Anzahlung an die Auftraggeberin leisten müssen, daher komme auch ein Rechtsübergang hinsichtlich der Bürgschaft, die für einen solchen Fall von der Beklagten gegeben gewesen sei, nicht in Frage. Für den Erfüllungsanspruch der Auftraggeberin habe sich die Beklagte nicht verbürgt gehabt. Es gehöre auch nicht zum Inhalt einer Anzahlungsbürgschaft, einen Mitgesellschafter des Hauptschuldners gegen dessen Leistungsunfähigkeit zu schützen.
II. Die Revision hat Erfolg.
1. Vertragspartnerin der Auftraggeberin aufgrund des abgeänderten Auftrags vom 24. Mai 1973 war die A. F. B., die die Klägerin mit der Firma J. gebildet hatte. Diese Arge war eine BGB-Gesellschaft, die durch den Konkurs der Firma J. aufgelöst (§ 728 BGB), aber noch nicht beendet worden ist. Für die Verbindlichkeiten dieser BGB-Gesellschaft haftete jeder der beiden Gesellschafter der Auftraggeberin unmittelbar als Gesamtschuldner (BGHZ 56, 355, 360; 23, 307, 313 f; von Gamm in BGB-RGRK 12. Aufl., § 714 Rdn. 9).
Der A. war nach dem geänderten Bauauftrag auch die Vorauszahlung mit Billigung der Auftraggeberin zugeflossen. Das hat das Berufungsgericht festgestellt, wobei die Aufteilung dieser Vorauszahlung im Innenverhältnis auf die A.-P. für die Auftraggeberin bedeutungslos war. Die Auftraggeberin konnte die geleistete Vorauszahlung weder von der A. noch von deren Gesellschaftern zurückverlangen, solange nicht feststand, daß der Bauauftrag nicht erfüllt werden würde; denn die A. schuldete Erfüllung des Bauauftrages und nur im Falle der Nichterfüllung die Zurückzahlung der erhaltenen Vorauszahlung.
2. Selbst wenn die Firma J. nicht mehr die sie als Gesellschafterin der A. treffende Verpflichtung, den Bauauftrag auszuführen, erfüllen konnte, entstand damit noch kein Rückzahlungsanspruch für die Auftraggeberin wegen der von ihr an die A. geleisteten Vorauszahlung, solange durch die Klägerin als den anderen Arge-Partner der Bauvertrag noch erfüllt werden konnte. Auch die vom Konkursverwalter der Firma J. nach § 17 KO erklärte Ablehnung der Vertragserfüllung brachte – entgegen der Meinung des Berufungsgerichts – noch keinen Rückzahlungsanspruch der Auftraggeberin als Hauptschuld für die von der Beklagten geleistete Bürgschaft zum Entstehen, selbst wenn man – was zweifelhaft ist – annehmen würde, daß die Ablehnungserklärung des Konkursverwalters das Vertragsverhältnis zwischen der Auftraggeberin und der A. beeinflußt hat. Solange nämlich die Klägerin für die A. erfüllungsbereit war, konnte die Auftraggeberin nach dem mit der A. geschlossenen Vertrag andere als Erfüllungsansprüche nicht geltend machen.
3. Nur für einen Rückzahlungsanspruch wegen des Teils der Vorauszahlung an die A., der im Innenverhältnis an die Firma J. gelangt war, hatte sich die Beklagte verbürgt (vgl. dazu Senatsurteil vom 26. April 1976 – VIII ZR 290/74 = WM 1976, 687, 689), nicht dagegen für die Vertragserfüllung. Davon geht auch das Berufungsgericht aus. Ein solcher Rückzahlungsanspruch konnte aber, wie dargelegt, für die Auftraggeberin nur entstehen, wenn der Vertrag endgültig nicht erfüllt worden wäre. Mit der Erfüllung des Vertrages durch die Klägerin wurde das Entstehen eines Rückforderungsanspruchs für die geleistete Anzahlung für immer ausgeschlossen. Die der Bürgschaft der Beklagten zugrunde liegende Hauptschuld, die bis dahin noch nicht entstanden war, konnte nicht mehr entstehen. Die Beklagte ist gegenüber der Auftraggeberin damit von ihrer Bürgschaftsverpflichtung frei geworden. Ansprüche gegen die Beklagte als Bürgin für die Rückzahlung eines Teils der an die A. geleisteten Vorauszahlung konnten danach auf die Klägerin weder nach §§ 426 Abs. 2, 412, 401 BGB noch aufgrund der Abtretung vom 30. Juli 1974 übergehen. Die Klägerin kann Ausgleichsansprüche gegen ihre Mitgesellschafterin wegen der von ihr für die Gesellschaft erbrachten Leistungen allein im Rahmen der Auseinandersetzung zur Beendigung der A. geltend machen.
III. Das Berufungsurteil kann demnach aus Rechtsgründen keinen Bestand haben, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, war auf die Revision der Beklagten unter Abänderung des Berufungsurteils das Urteil des Landgerichts wieder herzustellen.
Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens treffen die Klägerin (§ 91 ZPO).
Unterschriften
Braxmaier, Claßen, Dr. Hiddemann, Wolf, Merz
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 08.11.1978 durch Scheibl Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BGHZ |
BGHZ, 267 |
Nachschlagewerk BGH |