Leitsatz (amtlich)
Erläßt das Konkursgericht im Eröffnungsverfahren ein allgemeines Veräußerungsverbot an den Schuldner und veranlaßt es die öffentliche Bekanntmachung, hat derjenige, der dennoch an den Schuldner leistet, zu beweisen, daß er das Veräußerungsverbot nicht kannte.
Die Vermutung des § 8 Abs. 3 KO ist von einer BGB-Gesellschaft mit mehreren einzelvertretungsbefugten Gesellschaftern regelmäßig nur zu widerlegen, wenn keinem von ihnen das Verfügungsverbot (die Konkurseröffnung) bekannt war.
Normenkette
KO § 8 Abs. 3, § 106 Abs. 1 S. 3; BGB § 714
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 5. Februar 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte unterhielt zusammen mit F. C. und C. N. die CGN Gesellschaft bürgerlichen Rechts (nachfolgend: CGN); alle drei Gesellschafter waren selbständig geschäftsführungsbefugt. Für die Gesellschaft führte der Tischlermeister R. W. Arbeiten an einem Hausumbau in S. aus. Der Beklagte war zugleich Steuerberater W.. Gegen diesen wurde am 28. März 1996 ein Konkursantrag gestellt. Das zuständige Amtsgericht U. untersagte durch Beschluß vom 10. April 1996 W. unter anderem, „über Gegenstände seines Vermögens zu verfügen sowie Forderungen einzuziehen”. Dieses Verfügungsverbot wurde W. zugestellt und am 16. April 1996 in der in U. erscheinenden „Allgemeinen Zeitung” veröffentlicht. In der Folgezeit bemühte sich der Beklagte für W., den antragstellenden Gläubiger zu einer Rücknahme seines Konkursantrags zu veranlassen.
Für seine Umbauarbeiten stand W. gegen die CGN ein Werklohnanspruch von wenigstens 50.000 DM zu. Der Mitgesellschafter N. leistete an W. in O. (bei S.) auf diese Forderung drei Barzahlungen: am 18. Juli 1996 in Höhe von 20.000 DM sowie am 2. August und 4. September 1996 in Höhe von je 15.000 DM. W. gab das Geld zur Bezahlung eigener Schulden wieder aus.
Am 30. Oktober 1996 eröffnete das Amtsgericht das Konkursverfahren über W. (nachfolgend: Gemeinschuldner) Vermögen und bestellte den Kläger zum Konkursverwalter. Dieser verlangt vom Beklagten – erneute – Zahlung von 50.000 DM auf die Werklohnforderung des Gemeinschuldners. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Kläger habe nicht bewiesen, daß einer der Gesellschafter der CGN Kenntnis vom Verfügungsverbot des Amtsgerichts U. vom 10. April 1986 erlangt habe. Dieses stelle nur ein relatives Verfügungsverbot dar, auf das §§ 407, 408 BGB entsprechend anzuwenden seien. Danach müsse der Kläger eine in Unkenntnis des Einziehungsverbots erfolgte Zahlung an den Gemeinschuldner gegen sich gelten lassen. Es könne dahingestellt bleiben, ob es nur auf die Kenntnis des handelnden Gesellschafters ankomme oder schon die Kenntnis eines einzigen Gesellschafters schade, denn hier sei die Kenntnis keines der drei Gesellschafter bewiesen. Eine Kenntnis des Gesellschafters C. habe der Kläger nicht einmal behauptet.
Der Kläger trage die Beweislast, weil § 8 Abs. 3 KO nicht entsprechend auf öffentlich bekanntgemachte Sicherungsmaßnahmen gemäß § 106 KO anzuwenden sei. § 8 KO beziehe sich nur auf Leistungen nach Konkurseröffnung und die in § 111 KO vorgeschriebene öffentliche Bekanntmachung. Wenn § 106 KO nichts Vergleichbares anordne, handele es sich nicht um ein Versehen des Gesetzgebers. Für einen Schuldner des späteren Gemeinschuldners sei es vielmehr regelmäßig nicht von besonderem Interesse, die Vermögenslage und Zahlungsfähigkeit des Gemeinschuldners zu überwachen. Für dessen Schuldner sei es kaum von Bedeutung, ob ein Antrag auf Konkurseröffnung gestellt werde. Deshalb könne ihnen nicht zugemutet werden, sich entsprechend einem Gläubiger des Gemeinschuldners um das Ergebnis des Verfahrens zu kümmern. Eine vom Konkursgericht angeordnete öffentliche Bekanntmachung zerstöre deshalb nicht den guten Glauben von Drittschuldnern.
II.
Dem vermag der Senat in einem entscheidenden Punkt nicht zu folgen: Erläßt das Konkursgericht – wie hier – im Konkurseröffnungsverfahren ein allgemeines Veräußerungsverbot und veranlaßt es dessen öffentliche Bekanntmachung, ist § 8 Abs. 3 KO darauf entsprechend anzuwenden.
1. § 106 Abs. 1 Satz 3 KO erwähnt nur in pauschaler Form die Möglichkeit des Gerichts im Konkurseröffnungsverfahren, ein allgemeines Veräußerungsverbot an den Schuldner zu erlassen. Eine öffentliche Bekanntmachung des Veräußerungsverbots ist nicht ausdrücklich vorgesehen, wird allerdings durchweg für zweckmäßig gehalten (vgl. BGH, Beschl. v. 20. März 1986 – III ZR 55/85, WM 1986, 652; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 106 KO Anm. 3 a.E.; Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 106 Rdnr. 3 a.E.).
Im Vergleich damit enthält § 8 Abs. 2 und 3 KO wesentlich ausführlichere Regelungen für eine der Folgen des Übergangs der Verfügungsbefugnis auf den Konkursverwalter, der erst mit dem Eröffnungsbeschluß eintritt: Leistet ein Schuldner des Gemeinschuldners danach in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung an diesen, so bewirkt die Leistung die Erfüllung der Verbindlichkeit. Dies entspricht der Regelung des § 407 Abs. 1 BGB für Leistungen an den bisherigen Gläubiger einer Forderung in Unkenntnis der Abtretung; eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift in Verbindung mit § 135 Abs. 2 BGB wird des öfteren auch für die durch § 106 Abs. 1 Satz 3 KO geregelten Fälle vorgeschlagen. Jedoch enthält § 8 KO Sonderregelungen, welche zusätzlich die Bedürfnisse eines Verfahrens mit vielen – teilweise unbekannten – Beteiligten berücksichtigten. § 8 Abs. 3 KO knüpft an die in § 111 Abs. 1 und 2 KO vorgeschriebene öffentliche Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses die Vermutung, daß dem danach leistenden Drittschuldner die Eröffnung bekannt war. Fr. W. (in Jaeger, KO 8. Aufl. § 106 Rn. 8) hat sich bisher als einziger zu der Rechtsfrage geäußert, ob § 8 KO im Falle der § 106 KO entsprechend angewendet werden kann, und hat dies bejaht.
2. Für diese Ansicht sprechen bereits die Motive zum damaligen § 98 der Konkursordnung von 1877. Darin wird mit Bezug auf das im Eröffnungsverfahren zu erlassende Veräußerungsverbot ausgeführt (Hahn, Die gesammten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, 4. Bd. Konkursordnung, zu §§ 96 bis 101 S. 300):
„… fragt es sich, mit welchem Moment das Verbot … Wirkung erlangen soll? Eine Zustellung des Verbots an die Gläubiger ist aus einleuchtenden Gründen unmöglich; die Zustellung an den Gemeinschuldner würde für die Gläubiger nicht erkennbar sein. Schon dem Erlaß des Verbots die Wirkung von Rechtswegen beizulegen, muß Bedenken erregen … Aber die Kenntnis kann ersetzt werden durch die Bewirkung einer öffentlichen Bekanntmachung des Verbots. Diese rechtliche Fiktion wird nicht oft fern sein von der tatsächlichen Kenntnis; sie wird ausreichen zum Schutze der übrigen Gläubiger, und die Veröffentlichung … wird … als ein unzulässiger Eingriff in die Rechte des Schuldners nicht zu erachten sein.”
Danach ist die Regelung des allgemeinen Veräußerungsverbots im jetzigen § 106 Abs. 1 Satz 3 KO bewußt kurz gefaßt; sie soll durch einen Rückgriff auf die Vorschriften über die Veröffentlichung und deren Wirkungen ergänzt werden.
3. Eine Anwendung des § 8 Abs. 3 KO auf das nach § 106 Abs. 1 Satz 3 KO erlassene allgemeine Veräußerungsverbot ist zudem allein sachgerecht. Es ist dadurch gekennzeichnet, daß es sich an eine unbestimmte Vielzahl oft unbekannter Gläubiger wie Schuldner des – späteren – Gemeinschuldners richtet. Gerade für Massenverfahren, in denen der Kreis der Betroffenen groß ist und sich nicht immer von vornherein übersehen läßt, ist die öffentliche Bekanntmachung angebracht und den Betroffenen grundsätzlich zuzumuten (vgl. BVerfGE 77, 275, 285). Dies unterscheidet das allgemeine Veräußerungsverbot auch von dem Problembereich, der durch § 407 Abs. 1 BGB geregelt ist: Durch Abtretung werden in aller Regel nur bestimmte oder bestimmbare Forderungen an einzelne, individuell bezeichnete Gläubiger übertragen. Da sowohl Abtretungsempfänger als auch die Schuldner persönlich unterrichtet werden können, bedarf es keiner öffentlichen Bekanntmachung und daran anknüpfender Vermutungen. Für die Breitenwirkung des § 106 Abs. 1 Satz 3 KO dagegen reicht eine solche begrenzte Regelung nicht aus.
Demgegenüber ist unerheblich, ob das nach § 106 Abs. 1 Satz 3 KO erlassene Veräußerungsverbot allgemein oder nur relativ im Sinne von §§ 136, 135 BGB wirkt (zum Meinungsstand vgl. Gerhardt, Festschrift 100 Jahre Konkursordnung S. 111, 121 ff einerseits; OLG Koblenz ZIP 1989, 1593, 1594; Kuhn/Uhlenbruck § 106 Rn. 4 m.w.N. andererseits; offengelassen von BGH, Urt. v. 20. März 1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737 f, z.V.b. in BGHZ 135, 140): Sogar wenn § 135 Abs. 2 BGB anwendbar sein sollte, besagt dies nichts darüber, unter welchen Voraussetzungen sich der behauptete gute Glaube des Betroffenen gegen die Veröffentlichung durchsetzt.
Unzutreffend ist weiter die allgemeine Erwägung des Berufungsgerichts, dem Schuldner eines späteren Gemeinschuldners sei die Überwachung eines Konkurseröffnungsverfahrens nicht zuzumuten. Das vom Konkursgericht erlassene allgemeine Veräußerungsverbot beansprucht grundsätzlich dieselbe allgemeine Beachtung wie der Konkursbeschlag. Demgegenüber wird die besondere Lage von Schuldnern des Gemeinschuldners gerade durch § 8 KO berücksichtigt: Während nach § 7 Abs. 1 KO Leistungen aus dem beweglichen Vermögen des Gemeinschuldners an seine Gläubiger ausnahmslos unwirksam sind, wird den ihrerseits leistenden Schuldnern des Gemeinschuldners gemäß § 8 Abs. 2 und 3 KO aus Billigkeitsgründen ein Gutglaubensschutz eingeräumt. Dieser erscheint jedoch nicht etwa als ein Mindestmaß an Sicherheit, sondern im Gegenteil als eine besondere, abschließende Vergünstigung. Für diese war die vom Berufungsgericht erwähnte Ungewißheit maßgebend, wie die Motive zum damaligen § 7 der Konkursordnung von 1877 ausweisen (Hahn aaO S. 64 f):
„Ein Schuldner des Kridars [Gemeinschuldners] befindet sich in einer anderen Lage als ein Gläubiger desselben. Er hat nicht das gleiche Interesse wie dieser, die Vermögenslage und Zahlungsfähigkeit des Gemeinschuldners zu überwachen; er wird es daher nicht so leicht wie dieser erfahren, wenn der Gemeinschuldner seine Zahlungen einstellt. Für ihn ist es sogar kaum von Bedeutung, wenn ein Antrag auf Konkurseröffnung gestellt und bekannt wird; denn ob der Konkurs eröffnet wird oder nicht, seine Schuld bleibt dieselbe, während die Stellung eines Gläubigers die wesentlichste Änderung durch die Eröffnung des Konkurses erleidet; darum steht der Schuldner des Kridars dem Eröffnungsverfahren fern, und ihm wird deshalb nicht zugemutet werden können, sich gleich einem Gläubiger des Gemeinschuldners um das Ergebnis jenes Vorverfahrens zu kümmern …
Den redlich leistenden Schuldner zu schützen, ist allemal notwendig … Die öffentliche Bekanntmachung muß als entscheidend anerkannt werden … Sobald dieser Zeitpunkt eingetreten, kann das Gesetz die Annahme aufstellen, daß die Eröffnung zur Kenntnis eines jeden Beteiligten gelangt ist oder bei schuldiger Aufmerksamkeit hätte gelangen müssen. Nur als eine Ausnahme kann man dem Drittschuldner den Nachweis gestatten, daß ihm trotzdem die Konkurseröffnung nicht bekannt war …”
Ein weitergehender Schuldnerschutz ist gegenüber einer öffentlichen Bekanntmachung nicht berechtigt. Die betroffenen Verkehrskreise können und müssen die Bekanntmachung allgemeiner Verfügungsverbote im Eröffnungsverfahren genauso wie diejenige von Konkurseröffnungsbeschlüssen zur Kenntnis nehmen (zur Einschränkung je nach dem Verbreitungsgrad des Veröffentlichungsblatts siehe unten V 1).
4. Das vom Senat gefundene Ergebnis wird schließlich durch neuere Gesetzesnormen bestätigt.
Gemäß § 12 Satz 2 VerglO kann das Gericht vor der Entscheidung über einen Vergleichsantrag dem Schuldner Verfügungsbeschränkungen auferlegen. Für diese gilt unter anderem § 62 Abs. 4 Satz 2 VerglO sinngemäß (§ 12 Satz 3 VerglO). Danach wird die Kenntnis auch eines Drittschuldners unter anderem dann vermutet, wenn die Anordnung des allgemeinen Veräußerungsverbots öffentlich bekannt gemacht worden ist. Dies wirkt sich nach § 103 VerglO zugleich in einem möglichen Anschlußkonkurs aus. Es ist kein Grund zu erkennen, dem in einem Konkurseröffnungsverfahren erlassenen allgemeinen Veräußerungsverbot eine schwächere Wirkung zuzulegen als dem in einem Vergleichseröffnungsverfahren verfügten.
§ 23 Abs. 1 Satz 1 InsO schreibt künftig die öffentliche Bekanntmachung unter anderem allgemeiner Verfügungsverbote ausdrücklich vor; diese hat gemäß § 9 Abs. 1 InsO in dem für amtliche Bekanntmachungen des jeweiligen Gerichts bestimmten Blatt – also nicht auch notwendigerweise im Bundesanzeiger – zu erfolgen. Wegen der Wirkung einer so bekanntgemachten Verfügungsbeschränkung verweist § 24 Abs. 1 ausdrücklich unter anderem auf § 82 InsO. Diese Vorschrift übernimmt die in § 8 Abs. 2 und 3 KO enthaltenen Regelungen.
III.
Danach hat das Berufungsgericht zu Unrecht dem Kläger die Beweislast für eine Kenntnis des Beklagten von dem am 10. April 1996 erlassenen allgemeinen Verfügungsverbot des Amtsgerichts U. auferlegt. Da das Berufungsgericht eine derartige Kenntnis nicht ausschließt, beruht das angefochtene Urteil auf einem Rechtsfehler.
Es stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Die Klage ist schlüssig. Unstreitig stand dem Gemeinschuldner gegen die CGN gemäß §§ 651 Abs. 2, 631 Abs. 1, 632 BGB ein Werklohnanspruch in Höhe von wenigstens 50.000 DM zu. Die erst nach der Veröffentlichung des Verfügungsverbots an den Gemeinschuldner persönlich geleisteten Zahlungen befreiten die CGN auf der Grundlage des Klagevortrags nicht. Denn der Kläger behauptet, außer dem Beklagten habe jedenfalls auch der zahlende Gesellschafter N. das Veräußerungsverbot gekannt (§ 166 Abs. 1 BGB).
Eine sinngemäße Anwendung des § 8 Abs. 1 KO steht der Klage ebenfalls nicht entgegen. Unstreitig hat der Gemeinschuldner die von der CGN erlangten Geldbeträge nicht behalten. Die Behauptung des Beklagten, der Gemeinschuldner habe damit unter anderem Schulden beim Finanzamt bezahlt und von diesem habe der Kläger später 10.000 DM zurückerlangt, hat der Kläger jedenfalls insoweit bestritten, als nach seiner Darstellung nicht festzustellen ist, welche seiner vielen Schulden der Gemeinschuldner mit dem von der CGN erlangten Geld bezahlt hat. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß das Geleistete gerade in die Konkursmasse gekommen ist, trägt aufgrund der Fassung des § 8 Abs. 1 KO der leistende Drittschuldner (Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 8 Rn. 53; Kuhn/Uhlenbruck aaO § 8 Rn. 5), hier also der Beklagte. Er hat ihr bisher nicht in substantiierter Form genügt.
IV.
Der Senat kann nicht in der Sache abschließend entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Verteidigung des Beklagten ist erheblich und nicht widerlegt.
Der Beklagte behauptet, keiner der Gesellschafter der CGN habe das allgemeine Verfügungsverbot gekannt. Demgegenüber hat sich das Berufungsgericht mit der tatsächlichen Feststellung begnügt, daß dies nicht zu widerlegen sei. Zur Frage, ob die Unkenntnis zu beweisen ist, hat es sich – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – nicht geäußert. Diese tatrichterliche Würdigung ist nachzuholen.
V.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
1. Bei der Frage, ob die Vermutung des § 8 Abs. 3 KO widerlegt ist, ist auch das Verbreitungsgebiet des jeweiligen Bekanntmachungsblattes zu berücksichtigen, in dem das Verfügungsverbot veröffentlicht wurde. Leistet der Drittschuldner außerhalb dieses Gebietes, ist der Beweis der Unkenntnis leichter zu führen (vgl. Jaeger/Henckel aaO § 8 Rn. 60). Eine solche Erleichterung könnte im vorliegenden Falle zwar dem Mitgesellschafter N. zugute kommen, der die Zahlungen in S. geleistet hat; auch sein Wohnsitz in O. liegt in einem anderen Bundesland. Dagegen gilt die Erleichterung nicht ohne weiteres für den Beklagten, weil dessen Wohnort L. eine Nachbarstadt von U. ist, wo die Allgemeine Zeitung erscheint.
2. Die CGN ist schon dann nicht von ihrer Zahlungspflicht gegenüber dem Gemeinschuldner frei geworden, wenn der Beklagte den ihm gemäß § 8 Abs. 3 KO obliegenden Entlastungsbeweis (siehe oben IV.) entweder für sich oder für N. nicht zu führen vermag. Die Kenntnis insbesondere auch des Beklagten hindert hier eine wirksame Tilgung. Das ergibt sich im einzelnen aus folgenden Gründen.
a) Während für juristische Personen überwiegend angenommen wird, daß die Kenntnis auch nur eines ihrer organschaftlichen Vertreter von einer nachteiligen Tatsache gemäß § 31 BGB der juristischen Person schadet (vgl. BGHZ 109, 327, 330 f m.w.N.; Staudinger/Gursky, BGB 13. Aufl. § 892 Rdnr. 132; Soergel/Leptien, BGB 12. Aufl. § 166 Rdnr. 5; einschränkend Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG 16. Aufl. § 35 Rdnr. 85 ff m.w.N.; H. Baumann ZGR 1973, 284, 290 ff), wird dasselbe bei Personengesellschaften nur für die Fälle der Gesamtvertretung allgemein anerkannt (RGZ 90, 21, 23; Staudinger/Gursky aaO; Schlegelberger/K. Schmidt, HGB 5. Aufl. § 125 Rdnr. 50 m.w.N.). Ist dagegen eine Einzelvertretungsberechtigung nicht ausgeschlossen, so ist für die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft umstritten, ob die Kenntnis jedes handelnden Gesellschafters der Gesellschaft zuzurechnen ist (bejahend aufgrund von § 166 Abs. 1 BGB Soergel/Stürner aaO § 892 Rdnr. 33; vgl. auch BGHZ 34, 293, 297; RGZ 43, 104, 106; verneinend A. Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. § 19 III. Fußn. 16, S. 274; offengelassen von BGH, Urt. v. 17. Mai 1995 – VIII ZR 70/94, NJW 1995, 2159, 2160 m.w.N.). Mit Bezug auf Gesellschaften bürgerlichen Rechts besteht ein vergleichbarer Meinungsstreit jedenfalls dann, wenn sie Unternehmensträger sind (für eine Wissenszurechnung entsprechend § 31 BGB K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 3. Aufl. § 10 V., S. 295 und § 60 III 2, S. 1787 ff; einschränkend auf der Grundlage des § 166 BGB Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht S. 105 ff).
b) Nach Ansicht des erkennenden Senats ist der schuldtilgenden BGB-Gesellschaft das Wissen eines anderen als des konkret handelnden, vertretungsbefugten Gesellschafters jedenfalls dann zuzurechnen, wenn die unterlassene Weitergabe dieses Wissens an den handelnden Gesellschafter eine Verletzung der der Gesellschaft obliegenden Organisationspflichten darstellt (ebenso Staub/Habersack, Großkommentar zum HGB 4. Aufl. § 125 Rn. 24).
aa) Jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation muß unter anderem sicherstellen, daß die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können. Sie muß es deshalb so einrichten, daß ihre Repräsentaten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen (Wissensvertreter, vgl. BGHZ 117, 104, 106 f), die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten (ebenso Grunewald in: Festschrift für Karl Beusch, 1993, S. 301, 304 ff; Taupitz VersR Beilage „Karlsruher Forum 1994” S. 16, 25 ff; JZ 1996, 734, 735; vgl. auch Medicus VersR Beilage „Karlsruher Forum 1994” S. 4, 10 ff; Bohrer DNotZ 1991, 124, 129 f). Maßgeblich ist also, ob unter den Umständen des konkreten Einzelfalls ein Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Vertretern möglich und geboten gewesen wäre (BGHZ 109, 30, 36 ff). Ob unter dieser Voraussetzung die Zurechnung auf der Grundlage des § 31 BGB erfolgt (so Staub/Habersack aaO Rdnr. 20 bis 24) oder auf einer ausdehnenden Anwendung des § 166 Abs. 2 BGB beruht (vgl. Schilken aaO S. 106 ff; Grunewald aaO S. 305 ff; Taupitz „Karlsruher Forum 1994” aaO S. 26; Staudinger/Gursky aaO), braucht hier nicht entschieden zu werden.
bb) Nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten hat der Mitgesellschafter N. auftragsgemäß das Bauvorhaben in S. verantwortlich betreut. Die dem Gemeinschuldner übertragenen Sanierungsarbeiten hatten einen preislichen Umfang von mindestens 88.000 DM. Der Beklagte stellt nicht in Abrede, daß er diese Tätigkeit des Gemeinschuldners für das Bauvorhaben der CGN kannte. Dann mußte ihm klar sein, daß Werklohnforderungen des Gemeinschuldners zu begleichen sein würden. Erfuhr der Beklagte von einem gegen den Auftragnehmer erlassenen allgemeinen Verfügungsverbot, mußte sich ihm als einzelvertretungsberechtigten Gesellschafter die Erkenntnis aufdrängen, daß dieser Umstand für das Bauvorhaben in S. bedeutsam war; deshalb mußte gegebenenfalls der örtliche Repräsentant N. darüber unterrichtet werden. Die durch eine amtliche öffentliche Bekanntmachung vermittelte Information stellte nicht etwa ein bloß privates Wissen des Beklagten dar, das er für sich hätte behalten dürfen. Vielmehr begründete eine pflichtwidrige Unterlassung, N. zu unterrichten, die Wissenszurechnung auch gegenüber den anderen Gesellschaftern der CGN.
Zwar hat das Berufungsgericht eine Kenntnis des Beklagten nicht festzustellen vermocht. Jedoch wirkt sich in diesem Zusammenhang die Vermutung des § 8 Abs. 3 KO ebenfalls aus: Ist ihretwegen von einer Kenntnis des Beklagten auszugehen, so gilt das zugleich gegenüber dem handelnden Gesellschafter. Denn die öffentliche Bekanntmachung des allgemeinen Verfügungsverbots sollte gerade die Beachtung der betroffenen Verkehrskreise finden und gegebenenfalls innergesellschaftliche Mitteilungsobliegenheiten auslösen. Konnte der Beklagte von der Bekanntmachung Kenntnis erlangen, dann bestand für ihn auch eine entsprechende Obliegenheit hierzu. Diese liegt der Vermutungswirkung des § 8 Abs. 3 KO zugrunde. Wegen der daran anknüpfenden Weiterleitungsobliegenheit wirkt die Vermutung zugleich gegenüber den anderen Gesellschaftern.
Unterschriften
Paulusch, Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof, Fischer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.11.1998 durch Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 609753 |
BGHZ |
BGHZ, 54 |
DB 1999, 213 |
NJW 1999, 284 |
KTS 1999, 104 |
NZG 1999, 127 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1998, 2543 |
WuB 1999, 283 |
ZAP 1999, 10 |
ZIP 1998, 2162 |
MDR 1999, 253 |
NZI 1999, 23 |
Rpfleger 1999, 142 |
ZInsO 1998, 392 |