Entscheidungsstichwort (Thema)
Einhaltung Schriftform. Abschluss langfristiger Mietvertrag. Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Ordentliche Kündigung. Mangelnde Vertretungsmacht. Auslegung Willenserklärung. Alleinvertretungsberechtigung. Gesamtvertretungsberechtigung
Leitsatz (amtlich)
Zur Einhaltung der Schriftform beim Abschluss eines langfristigen Mietvertrages durch einen für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handelnden Vertreter.
Normenkette
BGB § 550 n. F
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Rostock v. 25.2.2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist eine aus vier Gesellschaftern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Einzelvertretungsberechtigte Gesellschafter sind die im Rubrum unter den Nr. 1 und 2 aufgeführten Gesellschafter Rechtsanwalt H. und B.. Durch schriftlichen Mietvertrag vermietete die Klägerin an die Beklagte ein Geschäftshaus in Schwerin. In der Vertragsurkunde ist die Klägerin bezeichnet als "Erwerbergemeinschaft Haus E", vertreten durch die Herren B. und Rechtsanwalt H.. Für die Klägerin unterschrieb den Vertrag lediglich der Gesellschafter H., ohne einen auf ein Vertretungsverhältnis hinweisenden Zusatz.
Das Mietverhältnis wurde auf 10 Jahre fest abgeschlossen. Es sollte ab Bezugsfertigkeit beginnen, voraussichtlich ab dem 20.9.1994. Als Miete wurden 2.400 DM monatlich vereinbart, zzgl. Nebenkosten und Umsatzsteuer.
Mit Schreiben v. 22.8.1997 räumte die mit der Vermietung beauftragte Verwaltungsgesellschaft der Beklagten "für vorerst sechs Monate" eine Reduzierung der monatlichen Nettomiete ab 1.9.1997 um 400 DM auf 2.000 DM ein.
Mit Schreiben v. 28.5.1998 kündigte die Beklagte das Mietverhältnis wegen rückläufiger Ertragslage zum 30.6.1998. Die Klägerin widersprach der Kündigung, bemühte sich jedoch, einen Nachmieter zu finden. Am 30. Juni/15.7.1998 schloss sie mit dem Nachmieter einen mit dem 1.8.1998 beginnenden und bis zum 30.9.2004 befristeten Mietvertrag ab. Als Nettomiete (zzgl. MWSt und Nebenkosten) sollte dieser 2.000 DM monatlich zahlen.
Die Beklagte räumte das Mietobjekt zum 30.6.1998 und übergab es am 22.7.1998 im Beisein des Nachmieters an die Klägerin.
Die Beklagte zahlte bis einschließlich Juli 1998 eine Nettomiete von 2.000 DM zzgl. Nebenkostenpauschale und Umsatzsteuer. Für die Monate August bis Dezember 1998 zahlte sie jeweils 400 DM (die Differenz zwischen der ursprünglich vereinbarten Nettomiete und der reduzierten und mit dem Nachmieter vereinbarten Nettomiete).
Mit der Klage hat die Klägerin in erster Instanz für die Monate Januar 1999 bis Juli 2000 die Differenzmiete von je 400 DM geltend gemacht, insgesamt 7.600 DM. Außerdem hat sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr die Mietausfälle bis September 2004 zu ersetzen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat Berufung eingelegt und in der Berufungsinstanz ihre Zahlungsklage um 53.258,41 DM (zzgl. Zinsen) erweitert mit der Begründung, der Nachmieter habe für November 1998 die Nettomiete von 2.000 DM nicht gezahlt, ab Januar 1999 habe er die vereinbarten Beträge nur unregelmäßig und unvollständig gezahlt, so dass bis einschließlich September 2001 ein Rückstand von 53.258,41 DM entstanden sei.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Beklagte auf die im Berufungsrechtszug erweiterte Klage hin verurteilt, an die Klägerin 1.022,58 Euro (= 2.000 DM) zzgl. Zinsen zu zahlen. Das ist die offen stehende Nettomiete für November 1998. Im übrigen hat es die erweiterte Klage abgewiesen.
Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die von der Beklagten erklärte Kündigung das Mietverhältnis der Parteien zum 31.12.1998 beendet hat.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter für die Ausfälle in der Zeit v. 1.1.1999 bis zum 30.9.2001 und ihren Feststellungsantrag für die Zeit v. 1.10.2001 bis zum 30.9.2004.
Entscheidungsgründe
Die Beklagte war in dem Verhandlungstermin vor dem Senat nicht vertreten. Gleichwohl war über die Revision der Klägerin nicht durch Versäumnisurteil, sondern durch Endurteil (unechtes Versäumnisurteil) zu entscheiden, da sie sich auf der Grundlage des vom OLG festgestellten Sachverhalts als unbegründet erweist (vgl. BGH, Urt. v. 10.2.1993 - XII ZR 239/91, MDR 1993, 468 = FamRZ 1993, 788)
1. In der Revisionsinstanz ist lediglich darüber zu entscheiden, ob der Klägerin Ansprüche für die Zeit ab 1.1.1999 zustehen. Das Berufungsgericht führt aus, das sei nicht der Fall, weil das Mietverhältnis der Parteien durch die von der Beklagten erklärte Kündigung zum 31.12.1998 beendet worden sei. Die Kündigungserklärung der Beklagten sei als ordentliche Kündigung auszulegen, weil die Beklagte klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe, dass sie wegen ihrer ungünstigen wirtschaftlichen Lage den Vertrag unter allen Umständen zum nächstmöglichen Termin beenden wolle. Obwohl in dem schriftlichen Mietvertrag eine feste Mietzeit bis zum Jahre 2004 vorgesehen gewesen sei, sei die Beklagte berechtigt gewesen, den Vertrag schon vorher unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist ordentlich zu kündigen, weil der schriftliche Mietvertrag nicht der erforderlichen Schriftform des § 566 Abs. 1 BGB a. F. genügt habe. In dem schriftlichen Mietvertrag sei ausgeführt, dass die vermietende GbR durch die Herren B. und RA H. vertreten werde. Unterschrieben sei der Vertrag aber lediglich von RA H., und zwar ohne jeden Zusatz über seine Vertretungsbefugnis. Das reiche zur Einhaltung der gesetzlichen Schriftform nicht aus. Daran ändere es nichts, dass RA H. Einzelvertretungsmacht für die Gesellschaft gehabt habe.
Gegen diese Ausführungen des Berufungsgerichts wendet sich die Revision ohne Erfolg.
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung sei als ordentliche Kündigung zu verstehen, beruht auf einer Auslegung einer Willenserklärung und ist deshalb in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar, und zwar darauf, ob das Berufungsgericht bei der Auslegung gegen gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstoßen hat (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 25.2.1992 - X ZR 88/90, MDR 1992, 804 = NJW 1992, 1967 [1968] m. w. N.). Solche revisionsrechtlich relevanten Auslegungsfehler sind nicht ersichtlich und werden von der Revision zu Recht auch nicht geltend gemacht. Es entspricht im Gegenteil ständiger Rechtsprechung, dass sogar eine ausdrücklich als fristlose Kündigung bezeichnete Erklärung hilfsweise in eine ordentliche Kündigung umzudeuten ist, wenn nach dem eindeutigen Willen des Kündigenden das Vertragsverhältnis in jedem Fall zum nächstmöglichen Termin beendet werden soll (vgl. BGH, Urt. v. 15.1.2003 - XII ZR 300/99, BGHReport 2003, 700 = MDR 2003, 591 = NJW 2003, 1143 [1144] = NZM 203, 235 [236]; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl., Rz. 909, 910 m.N.). Dass der Kündigungserklärung der Beklagten die Absicht, das Mietverhältnis möglichst schnell zu beenden, zu entnehmen war, hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis sei durch die von der Beklagten mit Schreiben v. 28.5.1998 erklärte (ordentliche) Kündigung zum 31.12.1998 beendet worden.
Zwar enthält der Mietvertrag die Vereinbarung, das Mietverhältnis werde auf die Dauer von 10 Jahren fest abgeschlossen. Wäre diese Vereinbarung wirksam, so wäre eine ordentliche Kündigung vor Ablauf von 10 Jahren ausgeschlossen. Die Vereinbarung einer langfristigen Laufzeit des Mietvertrages ist aber unwirksam, weil bei Abschluss des Mietvertrages die Schriftform nicht eingehalten worden ist (§ 566 BGB a. F. = § 550 BGB n. F.). Das hat zur Folge, dass der Vertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt und nach Ablauf eines Jahres unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist (hier: § 565 Abs. 1 a BGB a. F.) ordentlich gekündigt werden konnte.
Für die Einhaltung der Schriftform ist es erforderlich, dass alle Vertragsparteien die Vertragsurkunde unterzeichnen. Unterzeichnet für eine Vertragspartei ein Vertreter den Mietvertrag, muss dies in der Urkunde durch einen das Vertretungsverhältnis anzeigenden Zusatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen (BGH v. 22.2.1994 - LwZR 4/93, BGHZ 125, 175 [178 ff.] = MDR 1994, 579; Urt. v. 11.9.2002 - XII ZR 187/00, BGHReport 2002, 1023 = MDR 2003, 81 = NJW 2002, 3389 [3990 ff.] m. w. N. und Anm. Eckert, EWiR 2002, 951; v. 15.1.2003 - XII ZR 300/99, BGHReport 2003, 700 = MDR 2003, 591 = NJW 2003, 1143 [1144] = NZM 203, 235 [236]; so schon RGZ 81, 286 [289]). Der Senat hat bisher offen gelassen, ob ein bloßer Hinweis auf eine Stellvertretung ausreichend ist oder ob weitere Kennzeichnungen des Vertreterverhältnisses erforderlich sind (BGH, Urt. v. 11.9.2002 - XII ZR 187/00, BGHReport 2002, 1023 = MDR 2003, 81 = NJW 2002, 3389 [3990 ff.] m. w. N. und Anm. Eckert, EWiR 2002, 951; v. 15.1.2003 - XII ZR 300/99, BGHReport 2003, 700 = MDR 2003, 591 = NJW 2003, 1143 [1144] = NZM 203, 235 [236]). In der Literatur wird z. T. gefordert, dem Schutzzweck des § 550 BGB n. F. (= § 566 BGB a. F.) entsprechend müsse ein potenzieller Erwerber des Mietgrundstücks aus der Vertragsurkunde entnehmen können, "in welcher Funktion" der Vertreter gehandelt habe (Kraemer, NZM 2002, 465 [471]). Ob dieser Meinung zu folgen ist und ob dementsprechend jedenfalls dann, wenn sich die Vertretungsbefugnis des für eine Vertragspartei Auftretenden nicht aus öffentlichen Registern ergibt (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 9.11.2001 - LwZR 4/01, BGHReport 2002, 202 = MDR 2002, 269 = NZM 2002, 163 [164]), der Vertragsurkunde zu entnehmen sein muss, woraus der als Vertreter Handelnde seine Vertretungsbefugnis herleitet, kann auch im vorliegenden Fall offen bleiben. Auch wenn man dieser Meinung nicht folgt, genügt die Vertragsurkunde den Anforderungen an die Schriftform nicht.
Für die vermietende GbR hat allein Rechtsanwalt H. unterschrieben. Der Unterschrift ist kein die Vertretung erläuternder Zusatz beigefügt. Im Kopf der Urkunde heißt es, die Gesellschaft werde vertreten durch die Herren B. und RA H. Die Annahme des Berufungsgerichts, aus dieser Formulierung ergebe sich nicht, dass jeder der beiden Genannten alleinvertretungsberechtigt sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Formulierung spricht eher für eine Gesamtvertretungsberechtigung, zumindest lässt sie diese Deutung gleichrangig zu. Das Berufungsgericht nimmt deshalb zu Recht an, dass bei der Prüfung, ob die Schriftform eingehalten ist, von einer Gesamtvertretungsbefugnis ausgegangen werden muss. Die Unterschrift des RA H. wäre deshalb nur ausreichend, wenn er zugleich als Vertreter des B. unterschrieben hätte. Einen Hinweis darauf enthält die Vertragsurkunde nicht. Nach dem Text der Vertragsurkunde ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass vorgesehen war, auch B. solle für die Gesellschaft unterschreiben und seine Unterschrift fehle noch (so jeweils für einen ähnlich gelagerten Fall BGH v. 22.2.1994 - LwZR 4/93, BGHZ 125, 175 [178 ff.] = MDR 1994, 579; Urt. v. 15.1.2003 - XII ZR 300/99, BGHReport 2003, 700 = MDR 2003, 591 = NJW 2003, 1143 [1144] = NZM 203, 235 [236]). Der Urkunde ist deshalb nicht zu entnehmen, dass sie alle erforderlichen Unterschriften enthält.
Fundstellen
Haufe-Index 972533 |
NJW 2003, 3053 |
BGHR 2003, 1124 |
EWiR 2004, 13 |
NZM 2003, 801 |
WM 2003, 2193 |
ZMR 2004, 19 |
ZfIR 2004, 17 |
MDR 2003, 1283 |
WuM 2003, 725 |
GuT 2003, 209 |
MietRB 2003, 97 |
RÜ 2004, 31 |
ZGS 2003, 363 |
AIM 2003, 201 |