Leitsatz (amtlich)
a) Erklärt ein Kreditinstitut, das den Kredit wegen einer finanziellen Krise des Kunden gekündigt und fällig gestellt hat, es werde künftig Kontoüberziehungen dulden, rechtfertigt dies allein noch nicht die Annahme, das Kreditinstitut fordere den Kredit nicht mehr ernsthaft ein.
b) Führt der Schuldner nach der Kündigung und Fälligstellung des Kredits seine Gesamtverbindlichkeiten noch um etwa ein Drittel zurück, steht dies der Annahme nicht entgegen, daß er bereits mit der Kündigung und Fälligstellung zahlungsunfähig geworden ist.
c) Für die Bewertung der kontokorrentmäßigen Verrechnung von Soll- und Habenbuchungen als Bargeschäft ist es grundsätzlich unerheblich, ob die Deckung früher oder später entsteht als die Forderungen des Kreditinstituts aus der Ausführung von Überweisungsaufträgen oder Lastschriften (Bestätigung des Senatsurt. v. 25. Februar 1999 – IX ZR 353/98).
Normenkette
GesO § 10 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG |
LG Neuruppin |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden – unter Zurückweisung im übrigen – das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin vom 6. November 1997, das Teilurteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 8. Dezember 1999 und das Schlußurteil desselben Gerichts vom 19. April 2000 wie folgt geändert und neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 141.611,68 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 4. April 1997 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger ¾ und die Beklagte ¼.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der klagende Gesamtvollstreckungsverwalter nimmt die verklagte Sparkasse im Wege der Anfechtung (§ 10 Abs. 1 GesO) auf Auskehr von Gutschriften auf debitorisch geführten Konten der U. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) in Anspruch.
Die Schuldnerin unterhielt bei der Beklagten unter anderem zwei Girokonten (Nr. … 0069 und Nr. … 2223), die im Kontokorrent geführt wurden. Auf beiden Konten waren der Schuldnerin Überziehungskredite eingeräumt. Streitig ist, ob es ein Gesamtkreditlimit in Höhe von 300.000 DM oder Kreditlinien von 300.000 DM für das Konto mit den Endziffern 0069 und 100.000 DM für das Konto mit den Endziffern 2223 gab.
Mit Schreiben vom 21. Mai 1996 teilte die Beklagte der Schuldnerin folgendes mit:
„Hiermit kündigen wir … die Kreditlinien aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung …
Unsere Kredit- und Darlehenskündigung möchten wir Ihnen wie folgt erläutern: … Auf den bei uns geführten Geschäftskonten machen sich seit längerer Zeit enorme Liquiditätsprobleme bemerkbar. Dies führte in der Vergangenheit dazu, daß wiederholt Lastschriften und Schecks mangels Deckung nicht eingelöst werden konnten. Zins- und Tilgungsbelastungen aus den Kreditverbindlichkeiten führten ebenfalls zu Überziehungen der vereinbarten Kreditlinien …
Aus den angesprochenen Gründen rechtfertigt sich die sofortige Kündigung der Kreditverbindung aus wichtigem Grund und die Fälligstellung zum 28. Juni 1996 …
Den Sollsaldo von insgesamt DM 8.230.829,08 möchten wir Sie bitten, umgehend, spätestens aber bis zum 28. Juni 1996 auszugleichen. Sollte der Ausgleich nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erfolgen, sehen wir uns veranlaßt, bereitgestellte Sicherheiten zu verwerten, ggf. Aufrechnungsansprüche geltend zu machen bzw. das gerichtliche Mahnverfahren gegen Sie einzuleiten.”
Am 21. Mai 1996 waren das Konto Nr. … 0069 mit 263.718,09 DM und das Konto Nr. … 2223 mit 93.599,48 DM im Soll. In der Folgezeit buchte die Beklagte noch Gutschriften; außerdem ließ sie – in geringerem Umfang – Belastungsbuchungen zu. Bis zum 29. Oktober 1996 verringerte sich der Sollstand des Kontos Nr. … 0069 auf 191.701,03 DM. Der Sollstand auf dem Konto Nr. … 2223 betrug am 26. September 1996 noch 52.029,11 DM. Nach den genannten Daten fanden auf den Konten bis zum 18. November 1996 keine Bewegungen mehr statt.
Am 30. Oktober 1996 wurde die Gesamtvollstreckung über das Vermögen der Schuldnerin beantragt. Am 15. November 1996 wurde das Verfahren eröffnet und der Kläger zum Verwalter bestellt.
Dieser hat mit seiner Klage die Verrechnung von Zahlungen angefochten, die nach der Kreditkündigung eingegangen waren. Betroffen sind Eingänge in Höhe von 102.960,56 DM auf dem Konto Nr. … 0069 und von 523.892,16 DM auf dem Konto Nr. … 2223, insgesamt 626.852,66 DM. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 606,77 DM stattgegeben. In dieser Höhe hatte die Beklagte am 18. und 27. November 1996 – nach Eröffnung der Gesamtvollstreckung – noch Gutschriften verrechnet. Im übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Die dagegen eingelegte Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht durch Teilurteil vom 8. Dezember 1999 (veröffentlicht in NZI 2000, 325 ff m. Anm. Tappmeier EWiR 2000, 493 f) im Umfang von 488.838,92 DM und im übrigen – nach Verzicht des Klägers auf die Durchführung einer Beweisaufnahme – durch Schlußurteil vom 19. April 2000 zurückgewiesen. Gegen diese Urteile richten sich die Revisionen des Klägers. Der Senat hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsmittel haben teilweise Erfolg.
I.
Das Teilurteil vom 8. Dezember 1999 hat das Berufungsgericht wie folgt begründet: Im Umfang von 488.838,92 DM könne die Verrechnung von Gutschriften auf dem Konto Nr. … 2223 schon nach dem Vorbringen des Klägers nicht angefochten werden. Denn in dieser Höhe habe die Beklagte im Zeitraum vom 2. Mai bis 15. November 1996 Sollbuchungen zugelassen. Der Zeitraum vom 2. Mai 1996 bis zur Kreditkündigung dürfe mitberücksichtigt werden, weil der kontokorrentmäßige Abrechnungszeitraum maßgeblich sei, der im Streitfall jedenfalls nicht kürzer als ein Monat sei. Wegen ab 12. September 1996 eingegangener Gutschriften in Höhe von 34.446,47 DM auf diesem Konto und sämtlicher von dem Kläger angefochtener Gutschriften auf dem Konto Nr. … 0069 sei der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif.
Zur Begründung des Schlußurteils vom 19. April 2000 hat das Berufungsgericht ausgeführt, für eine Anfechtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO fehle es an ausreichendem Vortrag des Klägers, daß die Schuldnerin die Benachteiligung ihrer Gläubiger bewußt in Kauf genommen habe. Eine Anfechtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO scheitere teilweise deswegen, weil auch Buchungen auf dem Konto Nr. … 0069 als Bardeckungsgeschäfte anzusehen seien, und im übrigen deswegen, weil nicht davon ausgegangen werden könne, daß die Schuldnerin im Zeitpunkt der anfechtbaren Rechtshandlungen bereits zahlungsunfähig gewesen sei und der Beklagten das habe bekannt sein müssen. Insofern sei der Kläger beweisfällig geblieben.
II.
Es kann auf sich beruhen, ob der Erlaß eines Teilurteils zulässig war. Teil- und Schlußurteil sind mit der Revision angefochten und die Verfahren sind zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden worden. Dadurch ist ein in dem Erlaß des Teilurteils liegender Verfahrensfehler geheilt worden (vgl. BGH, Urt. v. 10. Juli 1991 – XII ZR 109/90, NJW 1991, 3036).
III.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts in der Sache sind teilweise von Rechtsfehlern beeinflußt.
1. Die Ansicht, daß eine Anfechtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO ausscheide, ist allerdings nicht zu beanstanden. Insoweit nimmt auch die Revision das Berufungsurteil hin.
2. Der vollständige Ausschluß der Anfechtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO ist demgegenüber rechtlich nicht haltbar.
a) Fehlerhaft ist insbesondere die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger sei hinsichtlich einer Zahlungsunfähigkeit (Zahlungseinstellung) der Schuldnerin vor Eröffnung der Gesamtvollstreckung beweisfällig geblieben. Der Revision ist darin Recht zu geben, daß schon der unstreitige Sachverhalt die Annahme rechtfertigt, das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 21. Mai 1996 habe die Zahlungseinstellung durch die Schuldnerin zur Folge gehabt.
aa) „Zahlungseinstellung” ist das vom Schuldner ausgehende, nach außen erkennbare Verhalten, das den beteiligten Verkehrskreisen den berechtigten Eindruck vermittelt, der Schuldner könne einen nicht unwesentlichen Teil seiner fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten aufgrund eines objektiven, nicht nur vorübergehenden Mangels an Geldmitteln nicht bezahlen (BGH, Urt. v. 13. April 2000 – IX ZR 144/99, WM 2000, 1207, 1208 m.w.N.).
(1) Schon die Nichtbezahlung einer einzigen, für die Verhältnisse des Schuldners erheblichen Schuld kann die Zahlungseinstellung zum Ausdruck bringen. Dann muß allerdings der Gläubiger zugleich der Anfechtungsgegner sein (BGHZ 118, 171, 174; BGH, Urt. v. 27. April 1995 – IX ZR 147/94, WM 1995, 1113, 1115; v. 25. September 1997 – IX ZR 231/96, WM 1997, 2134, 2135). Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall erfüllt, weil nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten die Verbindlichkeiten der Schuldnerin ihr gegenüber bei Kündigung der Kredite mindestens 4,69 Mio. DM betrugen. Darauf hat die Schuldnerin bis zur Eröffnung der Gesamtvollstreckung über ihr Vermögen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts höchstens ca. 270.000 DM bezahlt.
(2) Die Kreditforderung war mit Schreiben vom 21. Mai 1996 gekündigt und zum 28. Juni 1996 fälliggestellt worden. Sie war damit – ab diesem Zeitpunkt (vgl. unten IV 4) – ernsthaft eingefordert (vgl. BGH, Urt. v. 9. Januar 1997 – IX ZR 1/96, WM 1997, 432, 435).
Allerdings hat die Beklagte geltend gemacht, sie habe zu keinem Zeitpunkt den bestehenden Debetsaldo ernsthaft eingefordert, weil mit der Kündigung lediglich „ein Warnschuß (habe) abgegeben” werden sollen. Das widerspricht dem eindeutigen Wortlaut des Kündigungsschreibens. Im übrigen hat die Beklagte eingeräumt, die Kündigung habe der Schuldnerin „die Ernsthaftigkeit der Forderung der Beklagten verdeutlichen” sollen.
Weiter hat die Beklagte vorgetragen, ihr Mitarbeiter W. – Leiter der Rechtsabteilung – habe „einige Tage nach dem Ausspruch der Kündigung deren Wirkung mündlich zurück-”genommen. Später hat die Beklagte ihren Vortrag dahin erläutert, W. habe der Schuldnerin mitgeteilt, daß Verfügungen „selbstverständlich auch weiterhin zugelassen” werden würden. Abgesehen davon, daß nicht vorgetragen worden ist, W. habe die Beklagte rechtsgeschäftlich vertreten dürfen, rechtfertigt dieser Vortrag weder die Annahme einer Zurücknahme der Kündigung noch einer Stundung der Rückzahlungspflicht (vgl. zu letzterem BGH, Urt. v. 9. Januar 1997 – IX ZR 47/96, WM 1997, 436, 438; v. 25. September 1997 – IX ZR 231/96, WM 1997, 2134, 2135; v. 8. Oktober 1998 – IX ZR 337/97, WM 1998, 2345, 2346). Wenn ein Kreditinstitut nach einer Kreditkündigung erklärt, es werde künftig Kontoüberziehungen zulassen, bedeutet dies im allgemeinen nur, daß es im Einzelfall nach vorheriger Überprüfung – freibleibend – Verfügungen duldet. Dadurch erhält der Kontoinhaber noch keine geschützte Rechtsposition. Insbesondere nimmt das Kreditinstitut von dem – in der Fälligstellung liegenden – ernsthaften Einfordern noch nicht Abstand, sondern behält sich vor, jederzeit Rückzahlung der Kredite zu verlangen.
(3) Schließlich ist auch unerheblich die Behauptung der Beklagten, die Schuldnerin habe in der Zeit vom 31. Mai bis 15. November 1996 auf fällige Verbindlichkeiten bei der Beklagten und Dritten noch ca. 2,2 Mio. DM bezahlt. Da die Beklagte in diesem Zeitraum höchstens 270.000 DM erhalten hat (siehe oben (1) a.E.), müssen 1,93 Mio. DM an andere Gläubiger geflossen sein. Dann müssen nach dem eigenen Vortrag der Beklagten die Gesamtverbindlichkeiten der Schuldnerin wenigstens (4,69 Mio. + 1,93 Mio. =) 6,62 Mio. DM betragen haben. Die behaupteten Zahlungen deckten somit allenfalls ca. ein Drittel der Verbindlichkeiten. Bei einem derartigen Mißverhältnis zwischen dem erfüllten und dem nicht erfüllten Teil der Schulden kann von einer – für die Zahlungseinstellung vorausgesetzten – Zahlungsunfähigkeit ausgegangen werden (vgl. Kirchhof, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung 2. Aufl. S. 285, 290 Rdnr. 16 m.w.N.).
b) Die Zahlungsunfähigkeit war der Schuldnerin bekannt. Zumindest mußte sie ihr „den Umständen nach” bekannt sein. Dieses Merkmal ist regelmäßig schon dann zu bejahen, wenn der Anfechtungsgegner die Umstände kennt, auf denen die Zahlungsunfähigkeit beruht (BGH, Urt. v. 8. Oktober 1998 – IX ZR 337/97, WM 1998, 2345, 2347). Die Kündigung der Kreditlinien, auf der die Zahlungsunfähigkeit (Zahlungseinstellung) beruhte, war der Beklagten bekannt. Denn sie hatte sie selbst ausgesprochen.
IV.
Nicht frei von Rechtsfehlern sind ferner die Ausführungen des Berufungsgerichts im Teilurteil, denen zufolge die Anfechtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO auch deswegen scheitern soll, weil ein Bargeschäft vorliege.
1. Entgegen der Ansicht der Revision ist es allerdings nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht die Gutschriften nicht isoliert, sondern in der Zusammenschau mit den zeitlich zusammenhängenden Sollbuchungen bewertet hat. Insofern hat es sich im Einklang mit der Senatsrechtsprechung befunden (vgl. BGH, Urt. v. 25. Februar 1999 – IX ZR 353/98, WM 1999, 781, 784 m. Anm. Tappmeier EWiR 1999, 789; Obermüller LM GesO Nr. 50; Smid WuB VI G. § 2 GesO 2.99). Der Meinung der Revision, die Kündigung der Beklagten vom 21. Mai 1996 habe auch die Kontokorrentvereinbarung beendet, kann nicht gefolgt werden. In dem bezeichneten Schreiben ist nur von einer Kündigung der Kreditlinien und Darlehen die Rede, nicht von einer Beendigung der Kontokorrentvereinbarungen oder gar der Geschäftsbeziehung. Dafür, daß die Schuldnerin den Inhalt des Schreibens in weitergehendem Sinne habe verstehen müssen, ist nichts vorgetragen.
2. Fehl geht außerdem die Ansicht der Revision, die kontokorrentmäßige Verrechnung von Soll- und Habenbuchungen könne nur dann als Bargeschäft gewertet werden, wenn zunächst eine Gutschrift auf dem Schuldnerkonto eingehe und erst danach – im engen zeitlichen Zusammenhang – eine Belastung gebucht werde. Im Urteil vom 25. Februar 1999 (aaO S. 784) hat es der Senat als unerheblich bezeichnet, ob die Deckung früher oder später entsteht als die Forderung des Kreditinstituts aus der Ausführung einer Überweisung oder Lastschrift. Dem ist das Schrifttum gefolgt (vgl. Steinhoff ZIP 2000, 1141, 1150; Lwowski, Festschrift für Wilhelm Uhlenbruck zum 70. Geburtstag 2000 S. 299, 312). Die Argumente der Revision geben dem Senat zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlaß.
3. Berechtigt ist hingegen die Rüge, das Berufungsgericht habe den Begriff des „engen zeitlichen Zusammenhangs” verkannt. Der – für ein Bargeschäft vorausgesetzte (vgl. BGHZ 70, 177, 185; 118, 171, 173; BGH, Urt. v. 25. Februar 1999, aaO S. 783) – zeitliche Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung muß so eng sein, daß noch von einem „unmittelbaren” Leistungsaustausch gesprochen werden kann (vgl. § 142 InsO). Das ist fraglos der Fall, wenn zwischen den kontokorrentmäßig zu verrechnenden Soll- und Habenbuchungen weniger als eine Woche vergeht (Senatsurt. v. 25. Februar 1999, aaO). Die Abrechnungsperiode des Kontokorrents ist insofern kein geeigneter Maßstab (a.A. Tappmeier EWiR 2000, 493, 494). Wenn sie „nicht kürzer als ein Monat” ist, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, kann sie auch länger sein. Schon eine quartalsmäßige Abrechnungsperiode wäre aber bei weitem zu lang. Ob bei monatlicher Abrechnung der „enge zeitliche Zusammenhang” noch gewahrt wäre, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht die Buchungen von Anfang Mai bis Ende Oktober – also aus dem Zeitraum von einem halben Jahr – zu einer Rechnungseinheit zusammengefaßt. Dies war nicht zulässig.
Es kommt hinzu, daß das Berufungsgericht ohnehin nicht solche Vorgänge in die Betrachtung mit einbeziehen durfte, die außerhalb des von der Anfechtung erfaßten Zeitraums liegen. Da nach der Behauptung des Klägers (erst) das Kündigungsschreiben vom 21. Mai 1996 die Zahlungseinstellung der Schuldnerin ausgelöst hat, und dies auch erst ab 28. Juni 1998, war es verfehlt, den „Verrechnungszeitraum” bis auf den 2. Mai 1996 vorzuverlegen. Vor der Zahlungseinstellung liegende Vorgänge sind bei einer Prüfung nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO nicht zu berücksichtigen.
4. Da die Beklagte mit dem Kündigungsschreiben vom 21. Mai 1996 die Kreditforderungen erst zum 28. Juni 1996 fälliggestellt hat, kann nur die Verrechnung mit nach diesem Zeitpunkt erfolgten Gutschriften anfechtbar sein. Nur insoweit kann deshalb auch der Frage des Bargeschäfts Bedeutung zukommen. Dabei ist zu prüfen, ob und in welchem Umfange im engen zeitlichen Zusammenhang mit den Gutschriften Sollbuchungen erfolgt sind. Gegebenenfalls ist allein wegen des Überschusses der Habenbuchungen, der zu einer Verminderung des Sollsaldos geführt hat, eine Anfechtung möglich. Falls mit Gutschriften lediglich vorherige Belastungen zurückgebucht wurden, ist dies bei der Differenzrechnung unerheblich, weil sich auch hier Gutschriften und Belastungen gegenseitig aufheben.
Danach ergibt sich für die einzelnen Konten folgendes Bild:
a)Konto Nr. … 0069
Für die Zeit nach dem 28. Juni 1996 hat der Kläger die Kontoauszüge Nr. 124 bis 179 vorgelegt und die Kontobewegungen mit Schriftsatz vom 17. Januar 2000 übersichtlich dargestellt. Die Richtigkeit dieser Übersicht hat die Beklagte nicht bestritten. Daraus ergibt sich, daß der Sollsaldo am 28. Juni 1996 254.010,45 DM und am 29. Oktober 1996 191.701,03 DM betrug. Der Schuldenstand wurde also um (254.010,45 DM – 191.701,03 DM =) 62.309,42 DM abgebaut. In dem fraglichen Zeitraum wurden mehr als 100 Einzelbuchungen vorgenommen. Sie erfolgten entweder an denselben Tagen oder liegen nur wenige Tage auseinander. Um den Betrag von 62.309,42 DM wurden die Gläubiger benachteiligt.
b)Konto Nr. … 2223
Nach der mit Schriftsatz der Beklagten vom 17. Juni 1998 vorgelegten Kontoübersicht und den vom Kläger eingereichten Kontoauszügen, von deren Richtigkeit beide Seiten ausgehen, betrug der Sollsaldo am 28. Juni 1996 130.724,60 DM und am 26. September 1996 52.029,11 DM. Die insgesamt 45 Sollbuchungen und Gutschriften erfolgten wiederum an denselben Tagen oder im Abstand weniger Tage. Stellt man zusätzlich auf die Größenordnung der jeweiligen Buchungen ab, ist der Abstand zwar größer – höchstens zwei Wochen –; damit ist die Grenze des „engen zeitlichen Zusammenhangs” aber noch nicht überschritten. In Höhe des Betrages, um den im Anfechtungszeitraum der Sollsaldo verringert wurde – 78.695,49 DM –, wurden wiederum die Gläubiger benachteiligt.
V.
Die Berufungsurteile sind somit teilweise aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht in Frage kommen, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
Unterschriften
Kreft, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.01.2001 durch Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 547508 |
DB 2001, 2040 |
NJW 2001, 1650 |
BGHR 2001, 620 |
EWiR 2001, 321 |
KTS 2001, 309 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 689 |
WuB 2001, 713 |
WuB 2001, 715 |
WuB 2001, 717 |
WuB 2001, 725 |
ZIP 2001, 524 |
DZWir 2001, 374 |
InVo 2001, 191 |
MDR 2001, 761 |
NZI 2001, 247 |
NZI 2001, 27 |
ZInsO 2001, 318 |
ZBB 2001, 94 |