Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlöschen der Haftung für Verbindlichkeiten der Vorgründungsgesellschaft. Erlöschen der Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus Vorgründungsstadium
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine im Vorgründungsstadium entstandene Haftung des Handelnden und der Gesellschafter der „Vorgründungsgesellschaft” mit Eintragung der GmbH erlischt.
Orientierungssatz
1. Die Haftung des Handelnden und der Gesellschafter der Vorgründungsgesellschaft erlischt, wenn die mit Ermächtigung aller Gesellschafter begründeten Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft ohne besondere Eintrittserklärung und Genehmigungserklärung voll auf die GmbH übergehen, eine dadurch möglicherweise entstehende Lücke im Stammkapital durch die Differenzhaftung der Gründer ausgeglichen wird und der Gläubiger damit den Schuldner erhält, mit dem er das Geschäft abschließen wollte (Festhaltung BGH, 1981-03-16, II ZR 59/80, BGHZ 80, 182).
2. Wenn der Gründungstatbestand deutlich offengelegt und somit Gegenstand der vertraglichen Überlegungen wird, spricht die Interessenlage der Beteiligten dafür, daß die Vorgründungsverpflichtungen der Gesellschafter den Vertragspartner nur vorübergehend sichern sollen, sofern nur die GmbH nach ihrer Entstehung vollinhaltlich für jene Verbindlichkeiten einzustehen hat.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 31. Dezember 1980 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 1978 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtsmittelinstanzen.
Tatbestand
Der Beklagte und sein Mitgesellschafter B vereinbarten am 24. Mai 1975 privatschriftlich in der Absicht, vom Vater des Klägers die dafür erforderlichen Ausbeuteverträge zu erwerben, die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zum Abbau und Verkauf von Kies. Am 26. Mai 1975 schlossen beide als Vertreter der Gesellschaft mbH in Gründung (Z) mit dem Vater des Klägers einen Vertrag, in dem jener der Z die Rechte aus namentlich aufgeführten Pacht- und Ausbeuteverträgen gegen sofortige Zahlung von 333.000 DM und monatliche Zahlung eines Bruchzinses von 0,40 DM je cbm geförderter loser Masse übertrug. Die Gesellschaft mbH wurde am 30. Mai 1975 in notarieller Form gegründet und am 16. September 1975 ins Handelsregister eingetragen. Sie begann im September 1975 mit der Kiesförderung und erteilte am 13. Oktober und 18. November 1975 Abrechnungen über den Bruchzins, zahlte jedoch nicht. Am 29. März 1976 beschlossen die Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft. Der Kläger, dem der Vater am 28. Mai 1975 seine Rechte aus dem Vertrage vom 26. Mai 1975 abgetreten hat, verlangt nunmehr vom Beklagten einen Bruchzins in Höhe von 20.000 DM.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten verurteilt. Dieser erstrebt mit der zugelassenen Revision die Wiederherstellung des Urteils erster Instanz.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht läßt den Beklagten gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG für einen Bruchzins aus der Zeit von September 1975 bis Ende des Jahres 1977 in Höhe von insgesamt 20.000 DM haften, weil er den Kaufvertrag, aus dem sich die Zinsverpflichtung ergibt, für die GmbH vor deren Eintragung ins Handelsregister geschlossen hat. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht.
1. Allerdings bestehen gegen diese Haftung nicht schon deshalb Bedenken, weil im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages (26. Mai 1975) der GmbH-Vertrag noch nicht geschlossen war. Es reicht vielmehr aus, daß in dem maßgebenden Zeitpunkt greifbare Ansätze zu einer Gesellschaftsgründung vorhanden und die Verhandlungen darüber soweit gediehen waren, daß feststand, für wen der Handelnde auftreten wollte, wenn er namens der künftigen GmbH handelte (vgl. Urt. d. Sen. v. 8. 10.79 – II ZR 165/77, WM 1979, 1389). Diese Voraussetzungen hatten die Gesellschafter zwei Tage vor Abschluß des Kaufvertrages am 24. Mai 1975 geschaffen, als sie in der Gründungsversammlung den Gesellschaftszweck und die Höhe von Kapital und Beteiligungen festlegten. Damit gewann § 11 Abs. 2 GmbHG schon für die Zeit vor Gründung der GmbH Bedeutung. Denn sein Zweck, dem Gläubiger einen Ausgleich dafür zu geben, daß ihm noch nicht, wie versprochen, in Gestalt der eingetragenen GmbH ein Schuldner mit einer gesetzlich abgesicherten Kapitalgrundlage haftet (BGHZ 80, 129, 133; 182, 184), kommt nicht erst mit Abschluß des GmbH-Vertrages zum Tragen, sondern schon im Vorgründungsstadium (vgl. Urt. d. Sen. v. 8. 10. 79, aaO).
2. Die Revision beanstandet aber mit Recht die Auffassung des Berufungsgerichts, die Haftung gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG habe die am 16. September 1975 erfolgte Eintragung der GmbH ins Handelsregister überdauert. Wie der Senat in seinem Urteil vom 16. März 1981 (BGHZ 80, 182) entschieden hat, erlischt die Haftung, wenn die mit Ermächtigung aller Gesellschafter begründeten Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft ohne besondere Eintritts- und Genehmigungserklärung voll auf die GmbH übergehen, eine dadurch möglicherweise entstehende Lücke im Stammkapital durch die Differenzhaftung der Gründer ausgeglichen wird und der Gläubiger damit den Schuldner erhält, mit dem er das Geschäft abschließen wollte. So war es auch hier.
Der Kaufvertrag vom 26. Mai 1975 sah die sofortige Zahlung von 333.000 DM und die erst mit der Kiesförderung einsetzende Zahlung eines Bruchzinses vor. Die GmbH kam vor ihrer Eintragung ins Handelsregister als Schuldnerin dieser Verbindlichkeiten nicht in Betracht. Nicht nur für den sofort fälligen Kapitalbetrag, sondern auch für den im Falle eines Förderbeginns vor Eintragung fälligen Bruchzins hatten deshalb andere vertragsmäßige Schuldner einzustehen. Hierfür kam nicht nur eine schon vor der Gründung bestehende Gesellschaft infrage, sondern für den Fall der Kiesförderung nach Gründung, aber vor Eintragung gerade die Vorgesellschaft. Auch in deren Namen haben also der Beklagte und sein Mitgesellschafter den Kaufvertrag geschlossen. Beide haben dann am 30. Mai 1975 als die einzigen Mitglieder der Vorgesellschaft dieses Handeln im § 11 des GmbH-Vertrages genehmigt, wo es heißt, daß alle bis zur Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister vorgenommenen Geschäfte mit sofortiger Wirkung als für Rechnung der GmbH abgeschlossen gelten. Damit waren auch die Geschäfte erfaßt, die die Gründer vor Abschluß des GmbH-Vertrages im Namen der GmbH in Gründung und damit auch im Namen der Vorgesellschaft getätigt hatten. Die Verpflichtung der Vorgesellschaft ist, wie der Senat im Urteil vom 9. März 1981 (BGHZ 80, 129) im einzelnen ausgeführt hat, im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge in alle Rechte und Pflichten mit der Eintragung der GmbH ins Handelsregister auf diese übergegangen. Damit hat der Verkäufer den Schuldner erhalten, der in Zukunft Kies fördern und im Zusammenhang damit den Bruchzins zahlen sollte. Da die Differenzhaftung der Gründer das Stammkapital im Zeitpunkt der Eintragung garantiert, ist daneben für eine Haftung des Beklagten gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG kein Platz mehr.
II. Als Mitglied der Vorgesellschaft schuldet der Beklagte den Bruchzins ebenfalls nicht, weil auch deren Haftung mit der Eintragung der GmbH entfallen ist (vgl. Urt. d. Sen. v. 9. 3. 81, aaO).
III. Der Kläger hebt deshalb in der Revisionsinstanz in erster Linie auf eine Haftung des Beklagten als Mitglied einer Vorgründungsgesellschaft ab. Er ist der Meinung, diese Haftung sei weder mit der Gründung noch mit der Eintragung der GmbH erloschen. Hieran ist richtig, daß bereits vor Gründung der GmbH eine Gesellschaft bestanden hat, auf die der Verkäufer die Rechte aus den Kiesförderverträgen übertragen und die sich ihm zur Zahlung des Entgelts verpflichtet hat. Da die 333.000 DM sofort zu zahlen waren, ist derjenige verpflichtet worden, der sich am 26. Mai 1975 hinter der Bezeichnung „GmbH in Gründung” verbarg. Das war die zum Zwecke des Erwerbs der Rechte vereinbarte, in der Gründungsversammlung vom 24. Mai 1975 entstandene und die Gründung der GmbH vorbereitende Gesellschaft, auf deren rechtliche Einordnung im einzelnen es hier nicht weiter ankommt. Die persönliche Verpflichtung ihrer Gesellschafter einschließlich des Beklagten ist nun nicht dadurch erloschen, daß diese ohne weiteres auf die wenige Tage später durch Abschluß des notariellen Vertrages entstandene Vorgesellschaft übergegangen wäre oder daß die Vorgesellschaft das auch in ihrem Namen abgeschlossene Geschäft genehmigt hätte. Denn beide Gesellschaften waren nicht identisch, und eine befreiende Schuldübernahme durch die Vor-GmbH schied ohne Zustimmung des Verkäufers aus. Ob mit der Eintragung der GmbH die Verpflichtung der Vorgründungsgesellschaft und ihrer Gesellschafter dennoch beendet war, kann daher nur von der Frage abhängen, ob die Vertragspartner zumindest stillschweigend von einer zeitlich bis zur Eintragung der GmbH begrenzten Haftung ausgegangen sind. Das wird in Fällen dieser Art oft so sein und ist jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden Falles anzunehmen.
Eine persönliche Verpflichtung der Gesellschafter im Stadium der Vor- oder der Vorgründungsgesellschaft entsteht nur, weil es die GmbH als eigentlich gewollte Schuldnerin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht gibt, der Gläubiger aber für seine fälligen Forderungen sofort einen Schuldner erhalten und nicht allein auf die Haftung des Handelnden verwiesen sein will und soll. Ist die GmbH aber erst entstanden und damit ohne weiteres in die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft eingetreten (BGHZ 80, 129, 140), so hat der Gläubiger auch insoweit, als ihm nach Lage des Falles die Vorgründungsgesellschaft aus demselben Rechtsgrunde haftet, in der Regel mit der Verpflichtung der juristischen Person erreicht, was ihm sein als „GmbH in Gründung” aufgetretener Geschäftspartner versprochen hat; sollte durch den Übergang der Verbindlichkeiten auf die GmbH eine Lücke im Stammkapital entstanden sein, so wird das durch die Differenzhaftung der Gründer ausgeglichen, so daß ein die Verbindlichkeit deckendes Vermögen für den Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft garantiert ist (BGHZ 80, 129, 140 ff). Die Interessenlage der Beteiligten spricht daher, wenn der Gründungstatbestand – wie hier – deutlich offengelegt und somit Gegenstand der vertraglichen Überlegungen wird, dafür, daß die Vorgründungsverpflichtungen der Gesellschafter den Vertragspartner nur vorübergehend sichern sollen, sofern nur die GmbH nach ihrer Entstehung vollinhaltlich für jene Verbindlichkeiten einzustehen hat. Das ist zweifellos anders, wenn der Vertragspartner ausdrücklich oder nach den Umständen erkennbar auf eine weitergehende Haftung der Gesellschafter Wert legt. Im vorliegenden Fall ist jedoch dafür nichts ersichtlich, im Gegenteil: Der Vater des Klägers hat bei Vertragsschluß den Grundkaufpreis von 333.000 DM durch Übergabe des Schecks erhalten; damit waren alle zunächst entstehenden Verbindlichkeiten erledigt. Alle späteren Verpflichtungen waren von der Käuferseite erst zu erfüllen, wenn aus der Sicht bei Vertragsschluß die GmbH ohnehin schon förmlich gegründet und eingetragen sein würde. Ein besonderes Sicherungsbedürfnis hat daher für den Verkäufer, der wissentlich mit einer beschränkt haftenden Gesellschaft abschloß, augenscheinlich nicht bestanden; es spricht vielmehr alles dafür, daß er sich für die weitere Vertragsabwicklung allein auf die Haftung der GmbH als den gewollten Vertragspartner eingerichtet hat. Der Vertrag vom 26. Mai 1975 kann daher nicht dahin ausgelegt werden, daß sich die Haftung der Vorgründungsgesellschaft und ihrer Gesellschafter über die Eintragung der GmbH hinaus erstrecken sollte. Der Kläger kann daher den Beklagten auch nicht aus dem Gesichtspunkt der persönlichen Gesellschafterhaftung in Anspruch nehmen.
IV. Der Beklagte schuldet auch aus sonstigen Gründen den Bruchzins nicht. Deshalb ist das Berufungsurteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 649113 |
NJW 1982, 932 |
DNotZ 1982, 699 |
JZ 1982, 113 |