Rn 70
Hat der Insolvenzschuldner dem Anfechtungsgegner von vornherein nur die Nutzungsmöglichkeit eines Gegenstands in anfechtbarer Weise eingeräumt, sind Gegenstand des Rückgewähranspruchs nach § 143 Abs. 1 Satz 1 eben diese Nutzungsmöglichkeiten. Ist deren tatsächliche Herausgabe nicht möglich, greift der Wertersatzanspruch nach § 143 Abs. 1 Satz 2. Ein eigenständiger Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen ist hier neben dem Rückgewähranspruch in natura (oder in Form von Wertersatz) nur möglich, wenn der Anfechtungsgegner über die gewährte Nutzungsmöglichkeit hinausgehende Nutzungen gezogen hat. Nutzungen können auch als Teil eines Schadensersatzanspruchs zu ersetzen sein, etwa wenn der Anfechtungsgegner mit der Rückgewähr in natura in Verzug ist (siehe hierzu unten unter Rn. 81).
Rn 71
Eine Anspruchskonkurrenz kann sich insbesondere ergeben, wenn der Schuldner dem Anfechtungsgegner in anfechtbarer Weise Geld überlassen hat. Dass in diesen Fällen den Anfechtungsgegner – neben der Rückgewähr der Hauptsumme – auch eine Verzinsungspflicht trifft, ist unstreitig. Diese Verpflichtung kann sich zum einen aus § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 291 BGB (Prozesszinsen) und zum anderen aus § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 987 BGB (Nutzungsersatz) ergeben. Beide Ansprüche stehen freilich nicht kumulativ nebeneinander. Darüber hinaus kann sich eine Verzinsungspflicht auch als Teil des Verzögerungsschadens nach § 286 BGB darstellen, wenn der Anfechtungsgegner mit der Rückgewähr der Hauptsumme in Verzug ist.
Rn 72
Je nachdem, auf welche Anspruchsgrundlage sich der Insolvenzverwalter stützt, variieren der Zinssatz sowie der Zeitpunkt, ab dem der entsprechende Zinssatz verlangt werden kann:
Rn 73
Prozesszinsen: Die Höhe der Prozesszinsen (§ 291 BGB) folgt aus § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. § 288 Abs. 2 BGB findet keine Anwendung, da es sich bei dem Anfechtungsanspruch um keinen Entgeltanspruch handelt. Eine teleologische Reduktion auf den Zinssatz des § 246 BGB kommt daher wegen der ausdrücklichen Verweisung nicht in Betracht. Aufgrund der Bösgläubigkeitsfiktion des § 143 Abs. 1 Satz 2 ist der Rückgewähranspruch als von Anfang an rechtshängig zu behandeln. Für den Beginn der Verzinsungspflicht nach § 291 BGB stellt der BGH allerdings – entgegen seiner früher vertretenen Ansicht – nunmehr auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 291 Satz 1 2. Halbsatz BGB, der die Verzinsungspflicht ausdrücklich an die Fälligkeit der (Haupt-)Schuld knüpft. Der Rückzahlungsanspruch in Bezug auf die Hauptschuld aus § 143 wird aber erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig (siehe oben Rn. 19). § 849 BGB ist insoweit auf die Verzinsungspflicht einer gewöhnlichen Geldforderung nicht entsprechend anzuwenden.
Rn 74
Nutzungsersatz: Wird die Verzinsung als Teil des Nutzungsersatzes geltend gemacht, stellt sich die Rechtslage anders dar. Maßstab für die Höhe des Zinssatzes sind hier zunächst die von dem Anfechtungsgegner tatsächlich gezogenen Nutzungen (§ 987 Abs. 1 BGB). Hat der Anfechtungsgegner keine oder nicht hinreichende Nutzungen gezogen, kommt es auf den Maßstab der "ordnungsgemäßen Wirtschaft" i. S. v. § 987 Abs. 2 BGB an, also darauf, welche Zinseinkünfte der Anfechtungsgegner hätte erzielen können. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt insofern dem Insolvenzverwalter. Gelingt ihm der Nachweis eines höheren üblichen Zinssatzes nicht, soll – so die verschiedentlich geäußerte Ansicht – der gesetzliche Zinssatz von 4 % (§ 246 BGB) herangezogen werden können. Für § 987 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB kommt es nicht darauf an, ob auch der Insolvenzschuldner einen solchen Zinsgewinn erwirtschaftet hätte (str., siehe auch Rn. 77).
Rn 75
Soweit die Verzinsung als Teil des Nutzungsersatzes geltend gemacht wird, tritt die Verzinsungspflicht vom Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung an ein. Das Argument, dass zu diesem Zeitpunkt noch kein Primäranspruch auf Rückgabe des Geldes besteht bzw. fällig ist, spielt hier – anders als im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 819 BGB - keine Rolle; denn im Bereich der Insolvenzanfechtung findet der § 987 BGB lediglich über eine Fiktion Anwendung. Daher muss die Frage nach dem Beginn der Nutzungsersatzpflicht beim Zweck der Insolvenzanfechtung ansetzen, nämlich gewisse, (auch bereits vor Insolvenzeröffnung) in sachlich ungerechtfertiger Weise abgeflossene Vermögenswerte in die Insolvenzmasse zurückzuführen. Dann aber ist es konsequent, die Rechtfolgen des Rückgewähranspruchs – trotz Entstehens (bzw. Fälligkeit) erst im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung – rückwirkend auf den Zeitpunkt der Erfüllung des Anfechtungstatbestandes zu beziehen. Das Anfechtungsrecht knüpft in seiner Entstehung nämlich – wie der BGH zu Recht ausführt – materiell an die Erfüllung der Anfechtungstatbestände an und lediglich verfahrensrechtlich an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Bereits im erstg...