Rn 6
Aus den umfangreichen Einsichts- und Informationsrechten der Gläubigerausschussmitglieder resultiert zwangsläufig auch ohne ausdrückliche gesetzliche Festlegung eine Pflicht zur Verschwiegenheit. Durch die nach der InsO vorgesehene intensive Verfahrensbegleitung erlangen die Ausschussmitglieder häufig Kenntnis von Vorgängen, die zur Sicherstellung eines optimalen Verfahrensverlaufs vertraulich zu behandeln sind. Hierauf ist jedes Ausschussmitglied bei Übernahme seines Amtes vom Gericht ausdrücklich hinzuweisen. Dies betrifft vor allem Vorgänge, deren vorzeitiges Bekanntwerden zu einer Schädigung der am Verfahren beteiligten Gläubiger führen kann, wie z.B. der Stand von Vertragsverhandlungen mit verschiedenen Bietern bei beabsichtigtem Verkauf von Anlagevermögensgegenständen oder die Erörterung von Prozessrisiken vor Erhebung einer Klage des Verwalters gegen einzelne Gläubiger. Richtet sich die beabsichtigte Klage gar unmittelbar oder mittelbar gegen ein Gläubigerausschussmitglied, so muss es zur Verwirklichung der Verfahrensziele möglich sein, dieses Mitglied von der betreffenden Information auszuschließen. In diesem Fall hat der Verwalter dem Ausschuss die Interessenkollision und das Geheimhaltungsbedürfnis darzulegen und zweckmäßigerweise eine Einigung über den partiellen Informationsausschluss des Mitglieds herbeizuführen. Außerdem ist der Verwalter in diesen Fällen gut beraten, zumindest das Insolvenzgericht einzuschalten oder im Zweifel sogar eine Gläubigerversammlung gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 1 einzuberufen und darüber entscheiden zu lassen, insbesondere wenn mehrere Mitglieder oder etwa der gesamte Gläubigerausschuss betroffen sind. Korrespondierend hierzu besteht darüber hinaus die Verpflichtung jedes Ausschussmitglieds, die durch seine Tätigkeit im Ausschuss gewonnenen Informationen nicht für eigene Zwecke zu verwerten. Hinsichtlich dieses Insiderwissens muss sich jedes Ausschussmitglied darüber im Klaren sein, dass die Pflichten der Gläubigerausschussmitglieder und die damit verfolgten Interessen der Gläubigergesamtheit Vorrang haben vor wirtschaftlichen Eigeninteressen. Nutzt ein Ausschussmitglied den Informationsvorsprung für eigene Zwecke oder zur Verbesserung seiner Position als Gläubiger zum Nachteil der übrigen Verfahrensbeteiligten aus, so führt dies unweigerlich zu seiner Haftung nach § 71 und sollte ausreichender Anlass zu einer sofortigen Entlassung dieses Ausschussmitglieds sein. Wie die Praxis aber zeigt, genügen auch diese Sanktionen oft nicht, eigennütziges Verhalten einzelner Ausschussmitglieder zu verhindern, so dass eine zurückhaltende Information durch den Verwalter zu sensiblen Bereichen nahe liegt. Andererseits ist eine effektive Kontrolle des Verwalters nur durch umfassende Information des Gläubigerausschusses gewährleistet, woraus sich häufig ein Spannungsverhältnis zwischen Gläubigerausschuss und Verwalter ergibt. Der verantwortungsbewusste Verwalter wird daher mit Fingerspitzengefühl und diplomatischem Geschick vorgehen und bei entsprechenden Verdachtsmomenten das Insolvenzgericht oder die Gläubigerversammlung einschalten. Er muss sich aber von Anfang an der aus dem Interessenwiderstreit resultierenden Gefahren bewusst sein und seine Informationspolitik darauf abstimmen. Vor allem aber wird er durch professionelles Handeln das notwendige Vertrauen der Ausschussmitglieder in seine Kompetenz zur Verfahrensabwicklung schaffen, das dann die Offenlegung der letzten vertraulichen Informationen oft entbehrlich macht, ohne die Informationsrechte des Gläubigerausschusses zu verletzen.
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Daneben stehen dem Gläubigerausschuss verschiedene in den nachfolgend aufgelisteten Einzelvorschriften niederlegte Mitwirkungsrechte und -pflichten zu, die regelmäßig vom Gremium und nicht von dem einzelnen Ausschussmitglied wahrzunehmen sind, wobei jedoch eine Stellvertretung durch einzelne Ausschussmitglieder möglich ist:
§ 59 |
Abs. 1 Satz 2 |
Antragsrecht auf Entlassung des Insolvenzverwalters |
§ 66 |
Abs. 2 Satz 2 |
Stellungnahme zur Schlussrechnung des Insolvenzverwalters |
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Abs. 3 Satz 2 |
Stellungnahme zu Zwischenrechnungen des Insolvenzverwalters |
§ 70 |
Satz 2 |
Antragsrecht des einzelnen Mitglieds zur eigenen Entlassung |
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Satz 3 |
Anhörungsrecht bei Entlassungsantrag durch Dritte |
§ 71 |
Satz 1 |
Schadensersatzpflicht bei schuldhafter Pflichtverletzung |
§ 73 |
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Vergütungsanspruch |
§ 75 |
Abs. 1 Nr. 2 |
Antragsrecht zur Einberufung der Gläubigerversammlung |
§ 97 |
Abs. 1, § 101 |
Informationsrecht gegenüber dem Schuldner, dessen Organen und Angestellten |
§ 100 |
Abs. 2 |
Zustimmung zur Gewährung von Unterhalt vor Entscheidung der Gläubigerversammlung |
§ 149 |
Abs. 1 Satz 1 |
Bestimmung der Hinterlegungsstelle |
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Abs. 2 |
Mitzeichnungspflicht gegenüber Hinterlegungsstelle |
§ 151 |
Abs. 3 Satz 2 |
Zustimmungserfordernis bei Antrag auf Befreiung von der Aufstellung des Verzeichnisses der Massegegenstände |
§ 156 |
Abs. 2 Satz 1 |
Stellungnahme zum Verwalterbericht im Berichtstermin |
§ 158 |
Abs. 1 |
Zustimmung zur Unternehmensstilllegung vor dem Berichtst... |