Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Voraussetzung für Rüge einer Rechtsprechungsabweichung. Zulassungsentziehung. Vertrags(zahn)arzt. Unrechtseinsicht. Wohlverhalten. Wiederzulassung. Bewährungsfrist
Orientierungssatz
1. Für den Erfolg der Rüge einer Rechtsprechungsabweichung ist Voraussetzung, dass Rechtssätze aus dem LSG-Urteil und aus einer höchstrichterlichen Entscheidung miteinander unvereinbar sind und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht. Dabei ist der jeweils aktuelle Stand der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde maßgebend. Zudem darf nicht lediglich isoliert auf einzelne Sätze der bundesgerichtlichen Entscheidungen abgestellt werden, sondern zu berücksichtigen ist der Kontext, in dem die vom Kläger für seine Divergenzrügen herangezogenen bundesgerichtlichen Rechtssätze jeweils stehen.
2. Das BSG hat mit dem Hinweis darauf, dass das (Prognose-)Kriterium der Unrechtseinsicht zu zweifelhaften Ergebnissen führe, keineswegs die Aussage getroffen, dass die Frage des Vorliegens einer (Unrechts-)Einsicht bei der Prüfung des "Wohlverhaltens" bzw einer wiedererlangten Eignung außer Betracht zu bleiben habe (vgl BSG vom 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R = BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26).
3. Von einem Arzt bzw Zahnarzt, dem jegliche Unrechtseinsicht fehlt, kann in der Regel nicht sicher angenommen werden, dass er in Zukunft die Regeln einhalten wird (vgl BSG vom 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R aaO).
4. Die zur "Wohlverhaltens"-Frist gemachten Aussagen gelten auch gleichermaßen für den Beginn der für eine Wiederzulassung maßgeblichen "Bewährungs"-Frist (vgl BSG vom 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R aaO).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2, § 160a Abs. 2 S. 3; SGB 5 § 95 Abs. 6; Ärzte-ZV § 27; Zahnärzte-ZV § 27
Verfahrensgang
LSG für das Saarland (Urteil vom 23.11.2012; Aktenzeichen L 3 KA 11/11) |
SG für das Saarland (Gerichtsbescheid vom 06.05.2011; Aktenzeichen S 2 KA 168/10) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 23. November 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 14 499 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Im Streit steht die (Wieder-)Zulassung der Klägerin zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit nach 1997 erfolgter Zulassungsentziehung.
Die 1948 geborene Klägerin war seit 1984 zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen; diese Zulassung wurde ihr 1997 wegen fortgesetzt unwirtschaftlicher Behandlungsweise entzogen. Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteil des SG vom 19.9.2001; Urteil des LSG vom 11.2.2005). Nach Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG im Revisionsverfahren (Urteil des BSG vom 19.7.2006 = SozR 4-2500 § 95 Nr 12) wies dieses die Berufung der Klägerin abermals zurück (Urteil vom 24.8.2007); die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin blieb erfolglos (Beschluss des BSG vom 17.6.2009). Am 19.8.2009 beantragte die Klägerin erneut die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung. Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag wegen Ungeeignetheit der Klägerin iS des § 21 Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte ab (Bescheid vom 28.9.2009). Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid des beklagten Berufungsausschusses vom 18.10.2010, Gerichtsbescheid des SG vom 6.5.2011, Urteil des LSG vom 23.11.2012).
Das SG hat ausgeführt, die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg auf ein Wohlverhalten berufen. Bereits nach ihrem Verhalten während des - die Zulassungsentziehung betreffenden - gerichtlichen Verfahrens könne für die Zukunft nicht erwartet werden, dass sie sich ordnungsgemäß verhalten werde; eine solche Prognose müsse zweifelsfrei sein. So sei gegen die Klägerin noch am 23.11.2006 wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen das Medizin-Produkte-Gesetz rechtskräftig eine Geldbuße verhängt worden. Dass die Klägerin einen Bezug dieser Verurteilung zu ihrer zahnärztlichen Tätigkeit noch heute abstreite, lasse klar erkennen, dass es ihr nach wie vor an einer Geeignetheit mangele; erst recht könne sie für sich kein Wohlverhalten geltend machen. Weiter habe die Klägerin während einer längeren Erkrankung in den Jahren 2003 und 2004 Vertreter ohne Genehmigung beschäftigt. Dass sich die beiden Vorwürfe auf die Jahre 2003/2004 und 2006 bezögen, führe zu keiner anderen Beurteilung, da die Klägerin bis heute - wie ihre Klagebegründung sowie ihre Berufungsbegründung im Verfahren L 3 KA 33/10 zeige - diese Vorwürfe entweder nicht einräume oder "kleinrede".
Das LSG hat auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Wiederzulassung lägen derzeit weiterhin nicht vor. Der Senat habe in seiner - die Zulassungsentziehung betreffenden - Entscheidung vom 24.8.2007 (im Verfahren L 3 KA 16/06) das Verhalten der Klägerin nicht nur in dem Zeitraum bis zur letzten Verwaltungsentscheidung, sondern auch im gerichtlichen Verfahren bis zu seiner Entscheidung gewürdigt, und dabei ein Wohlverhalten nicht festzustellen vermocht. Auch während des Gerichtsverfahrens sei keine Verhaltensänderung eingetreten, die eine positive Prognose rechtfertigen könne. Die Klägerin habe bereits wenige Wochen, nachdem das BSG ihre Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Senats vom 24.8.2007 zurückgewiesen habe und dieses damit rechtskräftig geworden sei, erneut die Zulassung beantragt. Zwar sei nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass auch nach Verstreichen eines kurzen Zeitraums nach dem Eintritt der Rechtskraft einer Zulassungsentziehung bereits wieder ein Anspruch auf Zulassung zur vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung bestehen könne. Die Dauer einer "Bewährungszeit" könne jedoch nicht generell festgelegt werden, sondern sei vielmehr abhängig von den besonderen Umständen des Einzelfalles.
Im Falle der Klägerin sei zu berücksichtigen, dass diese seit Beginn ihrer vertragszahnärztlichen Tätigkeit über zwei Jahrzehnte hinweg in unterschiedlicher Weise, teilweise schwerwiegend, gegen ihre vertragszahnärztlichen Pflichten verstoßen habe, wobei sie im Zusammenhang mit ihrer zahnärztlichen Tätigkeit auch Straftaten begangen habe, die zu einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe geführt hätten. Besonders zu berücksichtigen sei, dass es auch nach Entziehung der Zulassung und noch während des anhängig gewesenen Berufungsverfahrens zu nicht unerheblichen Verletzungen der vertragszahnärztlichen Pflichten gekommen sei. Bei einer Gesamtwürdigung vermöge das Verhalten der Klägerin damit nicht den Eindruck zu vermitteln, dass diese durch den seit nur wenig mehr als drei Jahren bestehenden rechtskräftigen Ausschluss aus der vertragszahnärztlichen Tätigkeit veranlasst sein könnte, im Falle ihrer erneuten Zulassung, von weiteren Verletzungen ihrer vertragszahnärztlichen Pflichten Abstand zu nehmen.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht die Klägerin Rechtsprechungsabweichungen (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) geltend.
II. Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerde den Darlegungsanforderungen genügt, denn sie ist, ausgehend von ihrer Zulässigkeit, jedenfalls unbegründet.
Für den Erfolg der Rüge einer Rechtsprechungsabweichung ist Voraussetzung, dass Rechtssätze aus dem LSG-Urteil und aus einer höchstrichterlichen Entscheidung miteinander unvereinbar sind und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht. Dabei ist der jeweils aktuelle Stand der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde maßgebend. Zudem darf nicht lediglich isoliert auf einzelne Sätze der bundesgerichtlichen Entscheidungen abgestellt werden, sondern zu berücksichtigen ist der Kontext, in dem die vom Kläger für seine Divergenzrügen herangezogenen bundesgerichtlichen Rechtssätze jeweils stehen. Aus dem Erfordernis, die Aktualität und den Kontext der herangezogenen bundesgerichtlichen Entscheidungen zu berücksichtigen, folgt zugleich die Notwendigkeit, die Entscheidungen daraufhin zu hinterfragen, ob ihre Aussagekraft durch spätere Gesetzesänderungen Einschränkungen erfahren hat.
1. Die Klägerin macht zum einen geltend, das LSG habe den Rechtssatz aufgestellt, "ein (Zahn)-Arzt sei für die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung ungeeignet, wenn sie/er die Vorwürfe aus dem Zulassungsentziehungsverfahren im Verfahren über die Zulassungsentziehung, in anderen Verfahren und auch im nachfolgenden Verfahren über die Wiederzulassung nicht einräumt oder 'kleinredet'". Damit weiche das Berufungsgericht von einem Rechtssatz des BSG ab, wonach das Kriterium der Einsicht des Betroffenen in den Unrechtsgehalt seines Verhaltens kein verlässlicher Indikator für die Prüfung des Wohlverhaltens sein könne. Eine derartige Divergenz liegt jedoch nicht vor.
Es fehlt schon an einem Rechtssatz des BSG des Inhalts, dass die Unrechtseinsicht kein geeignetes Kriterium für die Beurteilung darstellt, ob der Arzt seine Eignung wiedererlangt hat. Soweit sich die Klägerin auf die Ausführungen des Senats im Urteil vom 17.10.2012 (BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26) bezieht, geht sie fehl. Zwar hat der Senat dort (aaO RdNr 46) ausgeführt, dass "das Kriterium der Einsicht des Betroffenen in den Unrechtsgehalt seines Verhaltens … (ebenfalls) zu zweifelhaften Ergebnissen" führe. Indem die Klägerin diesen einzelnen Satz herausgreift und ihn zum (ausschließlichen) Beleg ihrer These heranzieht, dass das BSG damit den von ihr angegebenen Rechtssatz aufgestellt habe, lässt sie den Grundsatz außer Acht, dass nicht lediglich isoliert auf einzelne Sätze der bundesgerichtlichen Entscheidungen abgestellt werden darf, sondern der Kontext zu berücksichtigen ist, in dem die herangezogenen bundesgerichtlichen Rechtssätze jeweils stehen. Dass dieser Grundsatz nicht nur in Bezug auf (ausdrückliche) Rechtssätze, sondern erst recht in Bezug auf sonstige, nicht ohne Weiteres als Rechtssatz erkennbare Ausführungen in bundesgerichtlichen Entscheidungen gilt, versteht sich von selbst. Auch wenn die Klägerin auf Seite 12 ihrer Beschwerdebegründung den Kontext mit zitiert, lässt sie diesen letztlich inhaltlich außer Betracht.
Das BSG hat mit dem von der Klägerin angeführten Hinweis darauf, dass das (Prognose-)Kriterium der Unrechtseinsicht zu zweifelhaften Ergebnissen führe, keineswegs die Aussage getroffen, dass die Frage des Vorliegens einer (Unrechts-)Einsicht bei der Prüfung des "Wohlverhaltens" bzw einer wiedererlangten Eignung außer Betracht zu bleiben habe. Vielmehr beziehen sich die geäußerten Zweifel des Senats allein darauf, dass es keine "harten" Tatsachen gibt, die eine Unrechtseinsicht belegen könnten (aaO RdNr 46), also - positiv - als Nachweis für ihr Vorliegen geeignet wären. Die Ausführungen können - im Kontext betrachtet - gerade nicht in dem Sinne verstanden werden, dass (auch) - negativ - das Fehlen einer (Unrechts-)Einsicht als Kriterium untauglich ist, um beurteilen zu können, ob ein (Zahn-)Arzt seine Eignung wiedererlangt hat. Dass der Senat dem Fehlen einer Unrechtseinsicht weiterhin Bedeutung beimisst, hat er vielmehr in dem - dem von der Klägerin herangezogenen "Rechts"-Satz unmittelbar vorangehenden - Satz deutlich gemacht: "Zwar kann von einem Arzt, dem jegliche Unrechtseinsicht fehlt, in der Regel nicht sicher angenommen werden, dass er in Zukunft die Regeln einhalten wird."
Die gegenteilige Annahme stünde auch im Widerspruch zu dem - vom Senat ausdrücklich in Bezug genommenen - Beschluss des BSG vom 9.2.2011 (BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1). Dort (aaO RdNr 15, mwN) hat das BSG ausgeführt, dass ein für die Wiederherstellung des Vertrauens wie auch für eine entsprechende positive Prognose wesentlicher Umstand typischerweise die Frage der Einsicht des Betroffenen in den Unrechtsgehalt seines Verhaltens und einer hieraus ggf resultierenden Einstellungs- und Verhaltensänderung ist. Andernfalls lässt sich nicht feststellen, ob der (Zahn-)Arzt die Entziehung der Vertrags(zahn)arztzulassung zum Anlass genommen hat, sein Fehlverhalten zu korrigieren. Ist damit die (Unrechts-)Einsicht nach der Rechtsprechung des BSG weiterhin von - wesentlicher - Bedeutung, steht dem die - vom LSG geteilte - Annahme des SG nicht entgegen, dass ein (Zahn-)Arzt, der (insbesondere) die Vorwürfe, die rechtskräftig zur Entziehung seiner Zulassung als Vertrags(zahn)arzt geführt haben, weiterhin bestreitet oder als unbedeutend abtut, ersichtlich für die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung ungeeignet ist, sondern entspricht vielmehr den in der Senatsrechtsprechung aufgestellten Vorgaben.
Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Annahme einer Divergenz auch entgegensteht, dass eine solche nur dann von Bedeutung wäre, wenn sie tragende Aussagen der Entscheidung betrifft (Becker, SGb 2007, 261, 269 mwN). Dies ist jedoch in Bezug auf die zitierten Ausführungen des BSG nicht der Fall, da diese ausschließlich zur Illustration der Schwachpunkte der bisherigen "Wohlverhaltens"-Rechtsprechung dienen (vgl BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26, RdNr 42 ff unter "ee.": "Es ist - auch dem Senat - in den letzten drei Jahrzehnten nicht gelungen, handhabbare Kriterien für die richtige Anwendung des Gedankens des 'Wohlverhaltens' zu entwickeln."), nicht aber zur Begründung der zu entscheidenden Frage, ob die Zulassungsentziehung rechtmäßig war.
2. Auch soweit die Klägerin eine Divergenz in Bezug auf den Beginn der sogenannten "Wohlverhaltensfrist" geltend macht, ist ihr nicht zu folgen. Zwar geht die Klägerin zu Recht davon aus, dass die für eine Wiederzulassung erforderliche "Bewährungszeit" nach der Rechtsprechung des Senats nicht erst mit Rechtskraft der Entscheidung über die Zulassungsentziehung beginnt, sondern schon während eines noch laufenden Zulassungsentziehungsverfahrens. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG wird für ein "Wohlverhalten" eine "Bewährungszeit" von fünf Jahren vorausgesetzt, für deren Beginn die Entscheidung des Berufungsausschusses maßgeblich ist (BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 15; BSGE 100, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24 RdNr 55; zuletzt BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26, RdNr 56 mwN). Der Senat hat in seinem Urteil vom 17.10.2012 (BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26) deutlich zu erkennen gegeben, dass diese zur "Wohlverhaltens"-Frist gemachten Aussagen auch gleichermaßen für den Beginn der für eine Wiederzulassung maßgeblichen "Bewährungs"-Frist Geltung beanspruchen. Die Aussage, dass einem Antrag auf Wiederzulassung nicht entgegensteht, dass die Zulassungsentziehung noch nicht bestandskräftig geworden ist und bei besonders langer Dauer des gerichtlichen Verfahrens die übliche "Bewährungszeit" abgelaufen sein kann (aaO RdNr 54), kann nur in dem Sinne verstanden werden, dass diese "Bewährungszeit" schon mit der Entscheidung des Berufungsausschusses zu laufen beginnt (ebenso Meschke in Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte-ZV, § 27 RdNr 53 Fn 185 unter Hinweis auf Steinhilper, MedR 2007, 418, 421). Dafür, die "Bewährungszeit" weder - schon - mit dem Zeitpunkt des Fehlverhaltens noch - erst - mit dem rechtskräftigen Ende des Zulassungsentziehungsverfahrens beginnen zu lassen, spricht der Gesichtspunkt, dass die für eine Wiederzulassung erforderliche Prognoseentscheidung (auch) der Prüfung dient, ob der (Zahn-)Arzt die Entziehung der Vertragsarztzulassung zum Anlass genommen hat, sein Fehlverhalten zu korrigieren (vgl BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 15 mwN); als "Pflichtenmahnung" genügt insofern die letzte Verwaltungsentscheidung.
Die Klägerin macht geltend, das LSG habe demgegenüber den Rechtssatz aufgestellt, "die Dauer der erforderlichen Bewährungszeit als Basis für die Eignungsbeurteilung im Rahmen des Antrages auf Wiederzulassung ist abhängig von den besonderen Umständen des Einzelfalles zu beurteilen und beginnt mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über die Entziehung der Zulassung". Auch wenn das LSG dies nicht ausdrücklich, sondern lediglich "en passant" so formuliert hat, lassen seine Ausführungen die Annahme zu, dass das LSG der (auch in der Rechtsprechung - s Bayerisches LSG Urteil vom 26.9.2007 - L 12 KA 5017/04 - Juris RdNr 64, 66 - sowie im Schrifttum - s die Nachweise bei Meschke in Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte-ZV, § 27 RdNr 53 Fn 185 - vertretenen) Auffassung war, dass von einem erst auf den rechtskräftigen Abschluss des (vorangegangenen) Zulassungsentziehungsverfahrens bezogenen Beginn der "Bewährungsfrist" auszugehen ist.
Eine Divergenz ist jedoch nur dann von Bedeutung, wenn sie tragende Aussagen der Entscheidung betrifft. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Soweit es den der Klägerin zitierten Rechtssatz des BSG betrifft, ergibt sich das Fehlen einer tragenden Bedeutung schon daraus, dass das BSG in dem von ihm entschiedenen Fall nicht über den Fall einer Wiedererlangung der Eignung im Rahmen eines Verfahrens über eine Wiederzulassung (und der dort maßgeblichen "Bewährungszeit") zu befinden hatte, sondern allein über das Vorliegen von Wohlverhalten während eines noch anhängigen Verfahrens über eine Zulassungsentziehung. Im Übrigen befassen sich die von der Klägerin zitierten Aussagen des BSG (allein) damit, dass der Aufgabe der "Wohlverhaltens"-Rechtsprechung keine Umsetzungsprobleme entgegenstehen (vgl BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26, RdNr 53).
Unabhängig davon beruht das Urteil des Berufungsgerichts nicht auf der geltend gemachten Abweichung. Dieses "Beruhen" fehlt bereits dann, wenn das anzufechtende Urteil auf mehrere Begründungen gestützt ist, die die Klageabweisung jeweils selbstständig tragen, sich die Abweichung aber nur auf eine Begründung bezieht und hinsichtlich der sonstigen entscheidungserheblichen Begründung auch kein anderer Zulassungsgrund vorliegt (vgl BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 27 mwN). So liegt es hier. Das LSG hat seine Entscheidung nicht allein darauf gestützt, dass die Bewährungsfrist noch nicht abgelaufen sei, sondern hat ausdrücklich auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug genommen. Dieses habe - so das LSG - die Klage mit zutreffender Begründung zurückgewiesen; diese Begründung sei dahingehend zu ergänzen, dass die Voraussetzungen zur Wiederzulassung der Klägerin derzeit weiterhin nicht vorlägen. Das SG wiederum hat seine Entscheidung (allein) darauf gestützt, dass sich die Klägerin auch zum Zeitpunkt der (SG-)Entscheidung nicht auf "Wohlverhalten" berufen könne, weil bereits nach ihren Verhalten während des gerichtlichen Verfahrens für die Zukunft nicht erwartet werden könne, dass die Klägerin sich ordnungsgemäß verhalten werde. Auch der Umstand, dass Vorwürfe sich auf die Jahre 2003/2004 und 2006 bezögen, führe zu keiner anderen Beurteilung, da die Klägerin auch im zeitlichen Nachgang dazu bis heute diese Vorwürfe entweder nicht einräume oder "kleinrede". Diese Ausführungen - und damit einen von der Dauer der Bewährungsfrist unabhängigen Begründungsstrang - hat sich das LSG zu Eigen gemacht. Die Klägerin hat diesen Begründungsstrang auch nicht mit durchgreifenden Rügen angegriffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Klägerin die Kosten des erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).
Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der Festsetzung des SG vom 6.5.2011, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG).
Fundstellen
ArztR 2015, 79 |
MedR 2014, 609 |