Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. April 1988 hinsichtlich der Kostenentscheidung ganz und im übrigen insoweit aufgehoben, als es den Anspruch auf Kindergeld für die Zeit von Januar 1986 bis einschließlich September 1987 betrifft. Der Rechtsstreit wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Im übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.
Tatbestand
I
Nachdem der Kläger die Revision in der mündlichen Verhandlung teilweise zurückgenommen hat, streiten die Beteiligten nur noch darüber, ob der Kläger für seine Tochter Caroline für die Zeit von August 1981 bis einschließlich September 1987 Anspruch auf Kindergeld hat.
Der 1924 in Prag geborene Kläger heiratete 1963 in Rostock die deutsche Staatsangehörige W… S…. Seine im Juni 1963 geborene Tochter Caroline erwarb mit ihrer Geburt die Staatsangehörigkeit der DDR. Ende 1963 verzog der Kläger mit seiner Familie in die Tschechoslowakei (CSSR). Seine Tochter besuchte dort die Schule und studierte nach dem Abitur von Oktober 1982 bis 1988 in Prag Zoologie.
Am 22. November 1968 wurde die Ehe des Klägers geschieden. Er siedelte im November 1969 in die Bundesrepublik Deutschland über und wurde hier im Januar 1970 als Asylberechtigter anerkannt. Im Januar 1982 erwarb er durch Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach dem Inhalt der Einbürgerungsurkunde vom 2. Dezember 1981 erstreckt sich die Einbürgung nicht auf die in der CSSR gebliebene Tochter Caroline, die zusammen mit ihrer Mutter spätestens mit dem 30. März 1981 auf einen entsprechenden Antrag die Staatsangehörigkeit der CSSR erlangt hatte.
Der Kläger erhielt von dem Beklagten für Caroline bis einschließlich Juli 1981 Kindergeld. Durch Bescheid vom 15. September 1981 wurde ihm diese Leistung mit Ablauf des Monats Juli 1981 entzogen. Dieser Bescheid ist bindend geworden. Nach der Einbürgerung stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Zahlung von Kindergeld, der aber mit dem ebenfalls bindend gewordenen Bescheid vom 12. Februar 1982 abgelehnt wurde. Einen weiteren Antrag des Klägers auf Kindergeld vom 30. Juli 1982 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 18. März 1983 mit der Begründung ab, selbst unter Berücksichtigung der vom Kläger geltend gemachten Zeit der Dienstverpflichtung ab Oktober 1943 bei den J… – … in B… sei jedenfalls bis zum 31. Dezember 1982 der damals gesetzlich geforderte 15jährige Aufenthalt noch nicht erreicht gewesen, so daß bis zu diesem Zeitpunkt eine Kindergeldgewährung ohnehin nicht in Betracht komme. Für die Zeit danach scheide die begehrte Leistung schon deshalb aus, weil nunmehr das Gesetz geändert worden sei. Für die in der CSSR lebenden Kinder bestehe seit der Gesetzesänderung nur dann ein Anspruch, wenn sie die deutsche Staatsangehörigkeit besäßen oder aber deutsche Volkszugehörige seien. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 29. April 1983).
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung seiner Entscheidung unter anderem ausgeführt, für die Zeit bis zum 31. Dezember 1985 scheitere der geltend gemachte Anspruch bereits daran, daß – von der nicht in Betracht kommenden Ausnahmeregelung des § 2 Abs 5 Satz 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) aF abgesehen – Kindergeld nur für Kinder zu gewähren sei, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG gehabt hätten. Diese Voraussetzung habe in der Zeit von September 1981 bis zum 31. Dezember 1985 bei der Tochter des Klägers nicht vorgelegen. Zwar hätten Verwaltungsvorschriften des Bundes – abweichend von § 2 Abs 5 BKGG aF – eine Leistungsgewährung auch dann vorgesehen, wenn die Kinder in der DDR oder einem sonstigen früheren Vertreibungsgebiet lebten. Diese Verwaltungsvorschriften seien aber gesetzwidrig und könnten mangels einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung (§ 31 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs-SGB I-) keine Leistungsverpflichtungen begründen. Auch die auf diesen Verwaltungsvorschriften beruhende Verwaltungspraxis führe zu keinem Rechtsanspruch des Klägers. Eine Selbstbindung der Verwaltung durch gesetzwidrige Verwaltungsvorschriften sei nicht eingetreten, so daß aus ihr auch kein Anspruch auf Gleichbehandlung hergeleitet werden könne. Aber auch nach der zum 1. Januar 1986 in Kraft getretenen Neufassung des § 2 Abs 5 Satz 3 BKGG bestehe für die Tochter des Klägers kein Anspruch auf Kindergeld. Denn Caroline sei weder Deutsche iS von Art 116 des Grundgesetzes (GG) noch deutsche Volkszugehörige noch habe sie seit ihrer Geburt ohne Unterbrechung einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der DDR oder in Berlin (Ost) bzw Ländern wie etwa der CSSR gehabt. Zwar habe sie mit ihrer Geburt die Staatsangehörigkeit der DDR erworben und sei gleichzeitig deutsche Staatsangehörige iS des Art 16 Abs 1 und Art 116 Abs 1 GG geworden. Dies folge – wie das Bundesverfassungsgericht entschieden habe (BVerfG, Beschluß vom 21. Oktober 1987 – 2 BvR 373/83 –) – aus dem Gebot der Wahrung der Einheit der deutschen Staatsangehörigkeit. Sie habe diese Staatsangehörigkeit aber vor Inkrafttreten der Änderung des § 2 Abs 5 Satz 3 BKGG aF zum 1. Januar 1986 wieder durch Annahme der Staatsangehörigkeit der CSSR verloren. Sie besitze auch nicht den Status als Deutsche nach der zweiten Alternative des Art 116 Abs 1 GG. Denn sie lebe nach wie vor in der CSSR und habe keinen Einbürgerungsantrag gestellt. Schließlich sei sie auch nicht als deutsche Volkszugehörige iS von § 2 Abs 5 Satz 3 BKGG iVm § 6 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anzusehen. Denn sie habe sich vom Bekenntnis zum deutschen Volkstum abgewendet. Der Entschluß zur Annahme der Staatsangehörigkeit der CSSR sei maßgeblich davon bestimmt gewesen, auf diesem Wege eher einen Studienplatz an der Universität Prag in der von ihr gewünschten Fachrichtung zu finden. Dies wäre nach dem Vortrag des Klägers bei Beibehaltung der ursprünglich deutschen Staatsangehörigkeit nicht möglich gewesen. Die Erreichung des genannten Zieles sei als persönliche Lebensentscheidung durchaus verständlich und nachvollziehbar. Es könne deshalb aber nicht davon ausgegangen werden, daß sie nur zur Sicherung ihrer Existenz die Staatsangehörigkeit der CSSR angenommen habe und daß darin keine Abkehr vom Bekenntnis zum deutschen Volkstum liege.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt der Kläger eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG und macht geltend, bis einschließlich 31. Dezember 1985 ergebe sich ein Anspruch auf Kindergeld für seine Tochter Caroline aus der Verwaltungspraxis des Beklagten. Zwar seien die dieser Verwaltungspraxis zugrundeliegenden Verwaltungsvorschriften gesetzwidrig. Die Verwaltung dürfe aber bei einer langjährigen gesetzwidrigen Verwaltungspraxis nicht im Einzelfalle zuungunsten eines Betroffenen abweichen. Dies würde zu Willkür führen. Wenn die Behörde eine rechtswidrige Verwaltungspraxis nicht fortsetzen wolle, müsse sie diese für die Zukunft aufgeben. Das Abweichen im Einzelfalle verstoße gegen den Gleichheitssatz. Die Selbstbindung an eine rechtswidrige Verwaltungspraxis ende erst dann, wenn die Verwaltung eine rechtmäßige Verwaltungspraxis beginnen wolle. Da der Beklagte in allen gleichartigen Fällen jedoch Kindergeld gewährt habe, stehe ihm, dem Kläger, ebenfalls Kindergeld zu. Dem könne nicht entgegengehalten werden, daß die Verwaltungsvorschriften die deutsche Volkszugehörigkeit des Kindes, für das Kindergeld begehrt werde, voraussetzten. Denn auch diese Voraussetzung sei – entgegen der Auffassung des LSG – erfüllt. Seine Tochter habe sich nicht von dem Bekenntnis zum deutschen Volkstum abgewendet. Wenn sie die Staatsangehörigkeit der CSSR angenommen habe, so sei dies insbesondere deshalb geschehen, um ihre berufliche Laufbahn, dh ihre berufliche Existenz, zu sichern. In der Annahme der Staatsangehörigkeit der CSSR dürfe keineswegs eine persönliche Lebensentscheidung gesehen werden, die über die bloße Existenzsicherung hinausgehe. Bei Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere daß seine Tochter lange Jahre die deutsche Staatsangehörigkeit gehabt habe, ihre Mutter Deutsche gewesen sei und sie – auch jetzt noch – im Privatbereich ausschließlich deutsch spreche, komme dem Wechsel der Staatsangehörigkeit keine entscheidende Bedeutung zu. Das Gericht habe gegen die ihm obliegende Amtsermittlungspflicht verstoßen, indem es nicht die für die Umstände benannten, zum Termin vom 30. Juli 1987 geladenen Zeugen, vernommen habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. April 1988 und das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 7. Juni 1984 sowie den Bescheid des Beklagten vom 18. März 1983 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. April 1983 und den Bescheid vom 12. Februar 1982 aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit von August 1981 bis September 1987 für seine Tochter Caroline Kindergeld zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und macht unter anderem geltend, es gebe keine Selbstbindung an gesetzwidrige Verwaltungsvorschriften. Art 3 GG begründe nur den Anspruch auf Gleichbehandlung im Recht. Aus der Verfassungsnorm könne aber weder die Befugnis der Verwaltung noch ein Anspruch des Bürgers hergeleitet werden, eine Gleichbehandlung im Unrecht zu gewähren oder zu fordern. Deshalb komme ein Leistungsanspruch für die Zeit bis zum 31. Dezember 1985 nicht in Betracht. Aber auch für die Zeit ab 1. Januar 1986 stehe dem Kläger das begehrte Kindergeld nicht zu. Insbesondere könne seine Tochter nicht als deutsche Volkszugehörige angesehen werden. Selbst wenn man davon ausgehe, daß sie die Staatsbürgerschaft der CSSR nur angenommen habe, um den von ihr gewünschten Studienplatz einer bestimmten Fachrichtung zu erhalten, liege darin eine Abkehr von der deutschen Volkszugehörigkeit. Denn es sei nicht ersichtlich, daß die Behörden der CSSR in irgendeiner Weise die Tochter des Klägers bedrängt oder auf sie Druck ausgeübt hätten, weil sie Deutsche sei. Vielmehr habe sie sich freiwillig für die CSSR-Staatsangehörigkeit entschieden, um den Studienplatz zu erhalten. Diese Entscheidung sei als grundlegende und persönliche Lebensentscheidung verständlich. Sie gehe aber über die bloße Existenzsicherung weit hinaus. Daß die Tochter des Klägers sich von der deutschen Volkszugehörigkeit abgekehrt habe, werde auch durch ihre freiwillige Rückkehr in die CSSR nach Besuchen im Bundesgebiet belegt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision führt dazu, daß die Entscheidung des Berufungsgerichts teilweise aufgehoben und der Rechtsstreit insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen wird.
Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Berufung zulässig ist. Die Berufungsausschlußnorm des § 27 Abs 2 BKGG greift nicht ein. Denn für die Frage, ob die Berufung statthaft ist, kommt es auf die Verhältnisse zur Zeit der Einlegung des Rechtsmittels an (BSG SozR 1500 § 146 Nrn 6 und 7). Der Kläger hat die Berufung im September 1984 eingelegt. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Rechtsmittel auch noch Kindergeld für einen zukünftigen Zeitraum.
Soweit der Kläger Kindergeld für die Zeit von August 1981 bis Dezember 1985 begehrt, konnte die Revision keinen Erfolg haben. Da der Beklagte für den Zeitraum ab August 1981 durch Bescheid vom 12. Februar 1982 bereits einmal die Gewährung von Kindergeld bindend abgelehnt hat, richtet sich die Prüfung nach § 44 Abs 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren – (SGB X). Dies gilt für die Zeit bis zum Inkrafttreten des Elften Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 27. Juni 1985 (BGBl I, 1251) am 1. Januar 1986. Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei Erlaß eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bescheides vom 12. Februar 1982, durch den die Gewährung von Kindergeld nach der damals geltenden Rechtslage abgelehnt worden ist, sind nicht gegeben.
Für die Zeit von August 1981 bis Dezember 1985 hatte der Kläger keinen Anspruch auf Kindergeld für seine Tochter Caroline, weil das Kind weder seinen Wohnsitz, noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG hatte (§ 2 Abs 5 Satz 1 BKGG). Die teils im Gesetz enthaltenen Ausnahmen vom Erfordernis des Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthalts im Geltungsbereich des BKGG (§ 2 Abs 5 Satz 2 BKGG idF der Bekanntmachung vom 31. Januar 1975 – BGBl I, 412 –) waren durch Art 1 Nr 1 Buchst a des Achten Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 14. November 1978 (BGBl I, 1757) durch eine Neufassung von § 2 Abs 5 Satz 2 BKGG herausgenommen worden. Die Verwaltung vertrat zwar die Auffassung, daß dadurch eine Gesetzeslücke entstanden sei, die verfassungskonform geschlossen werden müsse. In Verwaltungsvorschriften (vgl zB Gemeinsames Rundschreiben des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit und des Bundesministers des Inneren vom 30. August 1972, BMJFG-28-2862-005/BMI-D II 4-221 972/1 – GMBl 1982, 438, 470 f) wurde deshalb bestimmt, als Kinder seien auch Deutsche iS des Art 116 GG zu berücksichtigen, wenn sie sich ua in der CSSR aufhielten bzw ihren Wohnsitz hatten. Dieser Auffassung ist der erkennende Senat in seinem Urteil vom 22. Januar 1981 – 10/8b RKg 7/79 – (SozR 5870 § 2 BKGG) nicht gefolgt und hat die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Anwendung des § 2 Abs 5 BKGG idF des Achten BKGG-Änderungsgesetzes mit der Begründung verneint, der maßgebende Gesichtspunkt für die Kindergeldregelung sei nicht die Entlastung des Unterhaltspflichtigen, sondern die Begünstigung der Familie, in der das Kind dauernd lebe. Diejenigen, die dem Kind eine Heimstatt böten und sich um sein persönliches Wohl so wie um seine Erziehung kümmerten, sollten für die damit verbundenen finanziellen, mindestens aber persönlichen Opfer einen Ausgleich von der Gesellschaft erhalten. Die grundsätzlich bestehende Pflicht des Staates zur Förderung der Familie gehe nicht soweit, daß er gehalten wäre, jede die Familie treffende finanzielle Belastung auszugleichen. Daher sei Art 6 Abs 1 GG nicht verletzt, wenn im Ausland lebende Kinder für den Kindergeldanspruch nicht berücksichtigt würden. Demgegenüber versage der Gesichtspunkt, deutsche Kinder hätten das Grundrecht auf Freizügigkeit des Art 11 Abs 1 GG. Auch Kinder, die sich nicht freiwillig außerhalb des Geltungsbereichs des BKGG aufhielten, belasteten die Familien der Bundesrepublik Deutschland in dem oben genannten Sinne nicht.
Der erkennende Senat hält – nach erneuter Prüfung – an dieser Auffassung fest. Die in den Verwaltungsvorschriften vorgesehene Berücksichtigung deutscher Kinder, die außerhalb des Geltungsbereichs des BKGG leben, ist daher nach altem Recht gesetzwidrig.
Entgegen der Auffassung der Revision kann der Kläger auch nicht über Art 3 GG etwas daraus herleiten, daß die Verwaltung aufgrund der Erlasse zu § 2 Abs 5 BKGG aF in gleichgelagerten Fällen in der Vergangenheit Kindergeld gewährt hat. Es ist ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, daß weder aus Verwaltungsvorschriften, die dem Gesetz nicht entsprechen, noch aus einer rechtswidrigen Verwaltungsübung irgendwelche Ansprüche oder Rechte hergeleitet werden können (vgl BSGE 7, 75, 78; BSG SozR Nr 2 zu § 1 14. DVO AVAVG; BSG SozR Nr 18 zu § 35 BVG; BSG, Urteil vom 17. Dezember 1975 – 7 RAr 5/74 –). Auch über den Gleichbehandlungsgrundsatz kann nicht Unrecht zu Recht werden. Die Verwaltung ist deshalb auch im Hinblick auf die Regelung des Art 3 GG nicht verpflichtet, eine ständige rechtswidrige Verwaltungspraxis fortzusetzen und einen Fehler zu wiederholen. Selbst wenn der Beklagte – wie die Revision geltend macht – nur im Falle des Klägers von der rechtswidrigen Verwaltungsübung abgewichen sein sollte, ist die angefochtene Verwaltungsentscheidung nicht zu beanstanden, weil sie mit der damaligen Rechtslage in Einklang stand. Auch der Gesichtspunkt willkürlichen Verhaltens vermag die Klage nicht zu stützen, denn auch dieser Gesichtspunkt läuft darauf hinaus, daß aus Art 3 GG iVm einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis zugunsten des Klägers ein Anspruch hergeleitet werden soll. Das ist aber nach Auffassung des erkennenden Senats zu Recht von der Rechtsprechung abgelehnt worden.
Soweit es um den Anspruch des Klägers auf Kindergeld für die Zeit vom Januar 1986 bis einschließlich September 1987 geht, führt die Revision zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits in die Vorinstanz. Die Tatsachenfeststellungen des LSG reichen nicht aus, um insoweit über den geltend gemachten Kindergeldanspruch abschließend zu entscheiden.
Während des Gerichtsverfahrens hat der Gesetzgeber dem d § 2 Abs 5 BKGG durch Art 1 Nr 2 Buchst b des 11. Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 27. Juni 1985 mit Wirkung ab 1. Januar 1986 einen weiteren Satz angefügt. Dadurch könnte sich die Rechtslage möglicherweise zugunsten des Klägers geändert haben. Deshalb sind die angefochtenen Verwaltungsakte für die Zeit ab 1. Januar 1986 nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X zu überprüfen. Ist eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen eingetreten, die beim Erlaß der Ablehnungsbescheide vorgelegen haben, so sind die genannten Bescheide nach der genannten Vorschrift mit Wirkung für die Zukunft, dh im vorliegenden Falle mit Wirkung ab Eintritt der Rechtsänderung, aufzuheben.
Nach § 2 Abs 5 Satz 2 BKGG idF des 11. Gesetzes zur Änderung des BKGG werden ua Kinder, die Deutsche iS des Art 116 GG oder deutsche Volkszugehörige sind und seit ihrer Geburt ohne Unterbrechung einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der DDR oder in der CSSR haben, bei Berechtigten berücksichtigt, die erstens Deutsche iS des Art 116 GG sind und zweitens für den Unterhalt dieser Kinder regelmäßig mindestens einen Betrag in Höhe des Kindergeldes aufwenden, das bei Leistung von Kindergeld für diese Kinder auf sie entfällt (§ 12 Abs 4 BKGG). Der Kläger ist seit seiner Einbürgerung im Jahre 1981 deutscher Staatsangehöriger und damit Deutscher iS des Art 116 GG. Dagegen läßt sich noch nicht entscheiden, ob seine Tochter Deutsche iS des Art 116 GG oder deutsche Volkszugehörige ist. Sie unterfällt jedenfalls nicht der ersten Alternative des Art 116 Abs 1 GG. Denn Caroline besitzt nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Durch die Annahme der Staatsangehörigkeit der CSSR hat sie die deutsche Staatsangehörigkeit verloren. Dies ergibt sich aus § 25 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStAG). Davon gehen die Beteiligten übereinstimmend zu Recht aus.
Der Begriff “deutsche Volkszugehörige” wird im BKGG nicht definiert. Auch verlangt das BKGG nicht, daß es sich um vertriebene deutsche Volkszugehörige handelt. Die Personen müssen lediglich ohne Unterbrechung ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem der in § 2 Abs 5 Satz 3 BKGG genannten Gebiete gehabt haben. Eine Unterbrechung liegt aber nicht vor, wenn – wie hier – die betreffende Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt von einem in ein anderes der aufgezählten Gebiete verlegt (so mit Recht Schroeter, BKGG, Komm, § 2 Anm 26).
Für den Begriff “deutsche Volkszugehörige” ist die Vorschrift des § 6 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (BVFG) idF vom 3. September 1971 (BGBl I, 1566) im Kindergeldrecht entsprechend anzuwenden. Denn es gibt keine überzeugenden Gründe dafür, diesen Begriff hier abweichend zu definieren. Nach der genannten Bestimmung ist deutscher Volkszugehöriger, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird. Bei der Anwendung dieser Bestimmung im Kindergeldrecht kann es allerdings nicht darauf ankommen, daß das Bekenntnis zum deutschen Volkstum im Geburtsland abgelegt worden ist. Hierfür könnte zwar der in § 6 BVFG verwendete Begriff “Heimat” sprechen. Der Gesetzgeber hatte bei der Schaffung dieser Vorschrift die deutschen Volkszugehörigen im Auge, die in fremden Staaten geboren sind und für die ihr Geburtsland Heimat war, aus dem sie vertrieben worden sind. Für das Kindergeldrecht, das eine Übersiedlung nicht voraussetzt, muß es aber – bei entsprechender Anwendung des § 6 BVFG – genügen, daß das Bekenntnis zum deutschen Volkstum im jeweiligen Aufenthalts- oder Wohnsitzland erfolgt ist.
Das LSG hat zu Unrecht angenommen, daß die Tochter des Klägers sich allein schon durch die Annahme der tschechoslowakischen Staatsangehörigkeit und die damit verbundene Aufgabe der deutschen Staatsangehörigkeit vom Bekenntnis zum deutschen Volkstum abgewendet habe und deshalb nicht als deutsche Volkszugehörige angesehen werden könne. Zwar sind die Aufgabe der deutschen Staatsangehörigkeit und der Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit ein besonders wichtiges und starkes Kriterium bei der Beurteilung der Volkszugehörigkeit. Dieser Vorgang darf aber nicht isoliert betrachtet werden. Der in § 6 BVFG verwendete Rechtsbegriff (vgl dazu BVerwG DÖV 1958, 425) des deutschen Volkszugehörigen erfordert eine Bewertung des Gesamtverhaltens. Es genügt weder das Bekenntnis zum deutschen Volkstum noch das Vorliegen von Tatsachen, die entsprechend den in § 6 BVFG aufgeführten Beispielen geeignet sind, ein etwaiges Bekenntnis zum deutschen Volkstum zu bestätigen. Beides muß gegeben sein (BVerwGE 26, 344, 345). Das Bekenntnis zum deutschen Volkstum kann ausdrücklich erfolgen, zB durch Eintragung in eine Volkszugehörigkeitsliste oder durch Erklärung gegenüber den zuständigen Behörden. Es ist aber auch möglich, daß der einzelne durch schlüssiges Verhalten seinen Willen kund tut, Deutscher zu sein (BVerwGE 30, 305, 308 f). Unter diesem schlüssigen Verhalten sind nun allerdings nicht nur einzelne bestimmte Handlungen oder Maßnahmen (zB Eintritt in einen deutschen Verein, Besuch einer deutschen Schule) zu verstehen, sondern das vom Gesetz geforderte Bekenntnis kann auch durch ein Gesamtverhalten der betreffenden Person zum Ausdruck kommen (BVerwGE 37, 38, 40). Dies hat das LSG verkannt. Es wird deshalb noch im einzelnen zu ermitteln haben, aus welchen Gründen die Tochter des Klägers die deutsche Staatsangehörigkeit aufgegeben und die Staatsangehörigkeit der CSSR angenommen hat (vgl dazu auch BSG, Urteil vom 6. September 1978 – 10 RV 49/77 -; BVerwGE 38, 224, 228; VGH München, Urteil vom 6. Februar 1967 – 12 V 65 –, BYVGHE 20, 28; BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1958 – 5 C 437/56 –, DVBl 1959, 434, OVG Münster, VerwRspr Band 24 -1973- Nr 217). Nach dem Vorbringen der Revision hat die Tochter des Klägers die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit angenommen, weil sie sonst nicht hätte Zoologie studieren können. Unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Revision, daß die Tochter des Klägers auch in der CSSR über wiegend deutsch gesprochen und zur Gruppe der deutschen Minderheit in der CSSR gehört habe, ist es rechtlich möglich, daß sie trotz Wechsels der Staatsangehörigkeit deutsche Volkszugehörige geblieben ist. Der Kläger hat in der Vorinstanz entsprechende Beweisanträge gestellt. Das LSG hat bei Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung diese Beweisanträge übergehen können. Nach der von der Ansicht des LSG abweichenden Rechtslage sind – wegen der notwendigen Abwägung der Gesamtumstände – weitere Tatsachenfeststellungen erforderlich. Damit diese Feststellungen nachgeholt werden können, hat der Senat die angefochtene Entscheidung, soweit es um den noch streitigen Kindergeldanspruch für die Zeit vom Januar 1986 bis einschließlich September 1987 geht, aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Sollte das LSG bei der Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis kommen, daß Caroline in der hier streitigen Zeit deutsche Volkszugehörige war, so ist ferner festzustellen, ob der Kläger – wie dies § 2 Abs 5 Satz 2 BKGG nF weiter voraussetzt – für den Unterhalt seiner Tochter regelmäßig mindestens einen Betrag in Höhe des Kindergeldes aufgewandt hat.
Das LSG wird auch über die gesamten Kosten des Verfahrens – einschließlich des Revisionsverfahrens – zu entscheiden haben. Obwohl die Revision nur im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung Erfolg hat, soweit es um den Kindergeldanspruch für die Zeit von Januar 1986 bis einschließlich September 1987 geht, war die Kostenentscheidung des LSG ganz aufzuheben. Wer die Kosten eines Gerichtsverfahrens zu tragen hat, hängt vom Ausgang des gesamten Rechtsstreits ab (vgl dazu BFHE 119, 380, 383; BSG, Beschluß vom 1. Dezember 1988 – 8/5a RKn 11/87 –). Erst wenn die Sachentscheidung insgesamt feststeht, läßt sich das den Gerichten für die Verteilung der Kosten eingeräumte Ermessen (vgl BSG SozR § 193 SGG Nr 3 und SozR 1500 § 193 Nr 3) sachgemäß ausüben. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zwar ist es in der Regel billig, daß derjenige die Kosten trägt, der unterliegt. Ausnahmsweise kann das Gericht aber auch einem obsiegenden Beteiligten die außergerichtlichen Kosten des Prozeßgegners ganz oder teilweise auferlegen, zB wenn die beklagte Behörde durch eine unrichtige Begründung des angefochtenen Verwaltungsakts zur Klageerhebung Veranlassung gegeben hat (vgl dazu BSGE 17, 124, 128; Hennig/Danckwerts/König, SGG, Kommentar, § 193 Anm 5; Kummer in von Maydell/Ruland, Sozialrechtshandbuch, B 13 Rdz 242 mwN).
Deshalb widerspräche es dem Sinn und Zweck des § 193 Abs 1 SGG, wenn der Senat die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts aufrechterhalten hätte, soweit schon in der Sache selbst eine endgültige Entscheidung vorliegt. Der Senat ist auch nicht durch das Verbot der reformatio in peius an der vollständigen Aufhebung der vorinstanzlichen Kostenentscheidung gehindert. Denn dieses Verbot gilt nicht für die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten (BSGE 62, 131, 136).
Fundstellen