Leitsatz (amtlich)
1. Die Vereinbarung zwischen der Republik Griechenland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Regelung von Rentenfragen vom 6.7.1984 und das Protokoll über die zu ihrer Anwendung zwischen Vertretern der Regierung der Republik Griechenlands und Deutschlands getroffene Vereinbarung vom 7.10.1991 stehen jedenfalls bei vor dem 1.1.1996 entstandenen Rentenansprüchen von griechischen Staatsangehörigen, die am 2.10.1990 ihren ständigen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hatten, der Berücksichtigung von Versicherungszeiten im Beitrittsgebiet nicht entgegen.
2. Die Verweisung in Anh III der EWGV 1408/71 idF der EGV 3095/95 vom 22.12.1995 auf das obengenannte Protokoll iVm der Vereinbarung wirkt nicht auf vor ihrem Inkrafttreten entstandene Rentenansprüche zurück.
Stand: 16. März 2000
Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Württemberg |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Juni 1998 und das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22. August 1996 aufgehoben.
Unter Änderung des Bescheids vom 10. August 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 1994 und des Bescheids vom 30. Juli 1997 wird die Beklagte verurteilt, bei der ab 1. Februar 1993 der Klägerin gewährten Altersrente für Frauen die im Beitrittsgebiet vom 23. Oktober 1950 bis 5. Mai 1980 zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten zu berücksichtigen.
Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung der von ihr in der DDR zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten.
Die im Januar 1933 geborene Klägerin ist griechische Staatsangehörige. Zur Zeit des griechischen Bürgerkriegs verließ sie Griechenland und lebte seit Oktober 1950 in der DDR. Dort absolvierte sie eine Ausbildung und ein Studium; anschließend war sie mit kurzen Unterbrechungen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Im Mai 1980 kehrte sie nach Griechenland zurück und war dort von März 1981 bis September 1984 ebenfalls versicherungspflichtig beschäftigt. Am 23. Dezember 1987 siedelte sie von Griechenland in die Bundesrepublik Deutschland über; hier ging sie in der Zeit vom 28. Januar bis 29. April 1988 wiederum einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Mit Bescheid der BfA vom 22. August 1988 sowie mit Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 1989 wurden die in der DDR zurückgelegten Ausbildungs-, Beschäftigungs- und Kindererziehungszeiten festgestellt und als Zeiten nach dem FRG anerkannt. Die Beklagte gab die Höhe der monatlichen Rente in der gleichzeitig erteilten Rentenauskunft nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht mit monatlich 1.038,30 DM an.
Am 10. Juni 1992 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente. Daraufhin hob die Beklagte mit Bescheid vom 10. August 1993 die Bescheide vom 22. August 1988 und vom 26. Oktober 1989 unter Berufung auf § 48 SGB X auf und stellte im gleichzeitig übersandten Versicherungsverlauf für die Zeit bis 1981 nur noch zwölf Monate Kindererziehungszeiten fest. Zur Begründung führte sie aus: Zwischen der Republik Griechenland und der DDR sei am 6. Juli 1984 eine Vereinbarung auf dem Gebiet der sozialen Sicherung abgeschlossen worden. Nach dieser Vereinbarung seien die in der DDR zurückgelegten Versicherungszeiten auf den griechischen Versicherungsträger übergegangen; die DDR habe der Griechischen Republik hierfür eine Abfindung gezahlt. Betroffen hiervon seien griechische Staatsangehörige, die ab 1. Januar 1947 ihren Wohnsitz in die DDR verlegt hätten, dort versicherungspflichtig gewesen und von dort mit dem Ziel des ständigen Aufenthalts unmittelbar nach Griechenland zurückgekehrt seien. Die griechische Seite rechne die in der DDR zurückgelegten Versicherungszeiten als griechische Versicherungszeiten an. Entsprechend Art 12 EinigVtr sei mit der Republik Griechenland festgelegt worden, daß die Vereinbarung vom 6. Juli 1984 weiterhin für alle diejenigen Personen Anwendung finde, die – wie die Klägerin – bis zum 2. Oktober 1990 unmittelbar aus der DDR nach Griechenland zurückgekehrt seien. Den Rentenantrag der Klägerin stellte die Beklagte unter dem 31. August 1993 bis zur Klärung der griechischen Versicherungszeiten zurück, da mit den zur deutschen Rentenversicherung entrichteten Beiträgen die Wartezeit nicht erfüllt sei. Die Klägerin widersprach beiden Bescheiden und führte aus, sie gehöre nicht zu dem von der Vereinbarung vom 6. Juli 1984 erfaßten Personenkreis, da sie 1980 nicht dauerhaft nach Griechenland zurückgekehrt sei; sie habe sich nur vorübergehend dorthin begeben, um ihrer pflegebedürftigen Mutter behilflich zu sein. Mit der Begründung, angesichts ihres fast siebenjährigen Verbleibens in Griechenland, verbunden mit der Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, sei nicht von einem lediglich vorübergehenden Aufenthalt auszugehen, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 1994 zurück. Im gerichtlichen Verfahren hat die Klägerin geltend gemacht, die Anwendung der Vereinbarung vom 6. Juli 1984 benachteilige sie ungerechtfertigt gegenüber Personen, die in der DDR verblieben oder unmittelbar in die Bundesrepublik Deutschland ausgereist seien. Die griechischen Behörden würden die in der DDR zurückgelegten Zeiten auch nicht vollständig anerkennen, sondern nur eine Mindestrente gewähren.
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das SG hat die auf Aufhebung des Bescheids vom 10. August 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. April 1994 und Zahlung einer Altersrente gerichtete Klage mit dem – vom LSG in Bezug genommenen – Urteil vom 22. August 1996 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Vereinbarung vom 6. Juli 1984 sei aufgrund von Art 12 EinigVtr und ihrer Aufnahme in die EWGV 1408/71 für die Beklagte verbindliches Recht und im Falle der Klägerin auch anwendbar; denn die Klägerin sei vor dem 2. Oktober 1990 auf unbestimmte Zeit nach Griechenland zurückgekehrt. Die Vereinbarung stelle sicher, daß den Personen, die nicht nur vorübergehend nach Griechenland zurückgekehrt seien, keine Versicherungszeiten verlorengingen und die griechischen Versicherungsträger für diesen Personenkreis einheitlich zuständig seien. Daß die Klägerin nach siebenjährigem Aufenthalt in Griechenland wieder nach Deutschland übergesiedelt sei, stehe der Anwendbarkeit der Vereinbarung nicht entgegen. Insoweit müsse die Anwendung aus Gründen der Rechtssicherheit möglich sein, andernfalls bliebe der Übergang der Versicherungszeiten in die griechische Versicherungslast in der „Schwebe” und vom Willen der betroffenen Versicherten abhängig. Es sei auch weder das europarechtliche Freizügigkeitsrecht der Klägerin noch das EG-rechtliche oder das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot verletzt. Die Klägerin sei 1980 nicht als Wanderarbeitnehmerin im europarechtlichen Sinne von einem Mitgliedstaat in einen anderen gezogen, sondern von einem Drittstaat wieder zugewandert, so daß es sich bei den in der DDR zurückgelegten Zeiten nicht um mitgliedstaatliche Zeiten iS von Art 45 EWGV 1408/71 handele, und sie würden deshalb auch nicht vom europarechtlichen Gleichbehandlungsgebot geschützt. Art 3 Abs 1 GG sei nicht verletzt, weil die Ungleichbehandlung gegenüber Personen, die nicht wie die Klägerin unmittelbar nach Griechenland zurückgekehrt, sondern in Deutschland verblieben oder aus der DDR direkt in die Bundesrepublik übergesiedelt seien, aufgrund der unterschiedlichen Lebenslagen der verschiedenen Personenkreise sachlich gerechtfertigt sei.
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte aufgrund der Mitteilungen des griechischen Versicherungsträgers der Klägerin mit Bescheid vom 30. Juli 1997 Altersrente für Frauen ab 1. Februar 1993 mit einem monatlichen Nettozahlbetrag von 160,84 DM (ab 1. Juli 1997) bewilligt. Sie hat dabei als deutsche Versicherungszeiten nur die Zeit der Kindererziehung vom 1. Oktober 1957 bis 30. September 1958 sowie die Zeit der versicherungspflichtigen Beschäftigung vom 28. Januar bis 29. April 1988 berücksichtigt. Das LSG hat mit Urteil vom 26. Juni 1998 die Berufung zurückgewiesen und die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids und des Rentenbescheids vom 30. Juli 1997 bestätigt; es hat auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor: Der griechische Versicherungsträger habe ihr unter Anrechnung der Beschäftigungszeiten in der DDR eine monatliche Rente von 550,00 DM bewilligt, so daß ihr in Anwendung der zwischen der DDR und Griechenland getroffenen Vereinbarung vom 6. Juli 1984 zusammengerechnet nur ca 720,00 DM als monatliche Rente verblieben. Dies verletze ihr Recht auf sozialrechtlichen Bestandsschutz sowie auf Gleichbehandlung nach Art 3 Abs 1 GG und Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art 51 EGVtr.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 26. Juni 1998 und das Urteil des SG Köln vom 22. August 1996 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 10. August 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 1994 sowie des Bescheids vom 30. Juli 1997 zu verurteilen, der Klägerin ab 1. Februar 1993 Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung der in der Zeit vom 23. Oktober 1950 bis 5. Mai 1980 im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Zwar war die Beklagte gehalten, die Feststellungsbescheide vom 22. August 1988 und 26. Oktober 1989 aufzuheben. Entgegen der Auffassung der Beklagten und der Vorinstanzen sind die im Aufhebungsbescheid vom 10. August 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. April 1994 getroffenen neuen Feststellungen jedoch fehlerhaft. Der Bescheid ist ebenso wie der entsprechend § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordene Rentenbescheid vom 30. Juli 1997 (vgl BSG Urteil vom 3. Dezember 1992 - 13 RJ 73/91 - SozR 2200 § 1259 Nr 14 mwN) insoweit rechtswidrig, als darin nicht alle im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten der Klägerin als deutsche Zeiten berücksichtigt sind.
A
Bei den der Klägerin erteilten Bescheiden vom 22. August 1988 und 26. Oktober 1989 handelt es sich um Feststellungsbescheide nach § 104 Abs 3 AVG bzw § 1325 Abs 3 RVO über diejenigen Daten im Versicherungsverlauf der Klägerin, die nach den zum damaligen Zeitpunkt gültigen rentenrechtlichen Vorschriften (insbesondere § 17 Abs 1 Buchst a iVm § 15 sowie § 28b FRG in der bis zur Änderung durch das RRG 1992 geltenden Fassung) erheblich waren. Solche Feststellungsbescheide sind Verwaltungsakte iS des § 48 Abs 1 SGB X. Im Hinblick auf die hier streitigen, aufgrund des FRG festgestellten Versicherungszeiten ist jedoch zusätzlich Art 38 Rentenüberleitungsgesetz vom 25. Juli 1991 (RÜG - BGBl I, 169) in der Fassung des Art 14 Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz vom 24. Juni 1993 (Rü-ErgG - BGBl I, 1038, in Kraft getreten am 1. Juli 1993 – vgl Art 18 Abs 1 Rü-ErgG) zu beachten. Darin ist bestimmt, daß Bescheide, die außerhalb einer Rentenbewilligung Feststellungen aufgrund des Fremdrentenrechts getroffen haben, zu überprüfen sind, ob sie mit den zum Zeitpunkt des Rentenbeginns geltenden Vorschriften des SGB VI und des Fremdrentenrechts übereinstimmen (Satz 1). Nach Art 38 Satz 2 RÜG ist für eine nach dem 31. Juli 1991 beginnende Rente die für diese Rente nach diesem Zeitpunkt maßgebende Fassung des SGB VI und des Fremdrentenrechts von ihrem Beginn an anzuwenden; sofern der Feststellungsbescheid nicht schon aufgrund der vorgenommenen Überprüfung aufgehoben wurde, ist er im Rentenbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen der §§ 44 und 48 SGB X aufzuheben. Demzufolge hat die Beklagte die Feststellungsbescheide vom 22. August 1988 und 26. Oktober 1989 zu Recht aufgehoben (vgl BSG Urteil vom 29. April 1997 - 4 RA 25/96 - nicht veröffentlicht). Denn sie stimmten mit dem zum Zeitpunkt des Rentenbeginns (am 1. Februar 1993) geltenden, durch Art 1 und 14 RÜG mit Wirkung vom 1. Januar 1992 geänderten Recht des SGB VI und des FRG nicht mehr überein. Nach diesem Recht sind die in der DDR zurückgelegten, nach dem FRG anerkannten Versicherungszeiten rentenrechtliche Zeiten im Sinne des SGB VI. Soweit die Klägerin dafür in der DDR Beiträge zur dortigen Rentenversicherung gezahlt hat, sind diese Zeiten den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten (§ 55 SGB VI) durch § 248 Abs 3 SGB VI gleichgestellt; dort zurückgelegte Kindererziehungs- und Ausbildungszeiten sind nach den Vorschriften des SGB VI Pflichtbeitragszeiten bzw Anrechnungszeiten (§§ 56, 58 SGB VI). Abgesehen von der in § 259a Abs 1 SGB VI vorgesehenen Heranziehung der Anlagen 1 bis 16 zum FRG bei der Ermittlung der Entgeltpunkte für vor dem 19. Mai 1990 im Beitrittsgebiet zurückgelegte Pflichtbeitragszeiten bei Versicherten der Geburtsjahrgänge vor 1937, die – wie die Klägerin – vor diesem Zeitpunkt bereits einen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik ohne das Beitrittsgebiet hatten, findet das FRG für diese Zeiten keine Anwendung mehr.
B
Zwar gilt auch im Hinblick auf das für die Rente der Klägerin von ihrem Beginn an maßgebliche Recht des SGB VI die Vorrangregelung in § 30 Abs 2 SGB I, wonach über- oder zwischenstaatliches Recht unberührt bleibt. Der Anwendung des SGB VI, insbesondere des § 248 Abs 3 SGB VI entgegenstehendes über- oder zwischenstaatliches Recht ist aber für den Zeitpunkt des Rentenbeginns am 1. Februar 1993 nicht festzustellen. Allerdings sind im Hinblick auf die versicherungspflichtige Beschäftigung der Klägerin in Griechenland auch die zum Zeitpunkt des Rentenbeginns gültigen Bestimmungen der EWGV 1408/71 anzuwenden. Diese treffen aber jedenfalls bis zu ihrer Änderung durch die Verordnung (EG) Nr 3095/95 des Rats vom 22. Dezember 1995 (EGV 3095/95 - Abl EG 1995 Nr L 335, 1) keine Regelung, die die Berücksichtigung der von der Klägerin in der ehemaligen DDR zurückgelegten Beitrags-, Ausbildungs- und Kindererziehungszeiten als rentenrechtliche Zeiten nach dem SGB VI ausgeschlossen hätte. Die Vereinbarung zwischen der Regierung der DDR und der Regierung der Griechischen Republik über die Regelung von Rentenfragen vom 6. Juli 1984 (im folgenden: Vereinbarung vom 6. Juli 1984) und das Protokoll vom 7. Oktober 1991 über die zwischen Vertretern der Regierung der Republik Griechenland und Deutschlands getroffene Vereinbarung (im folgenden: Protokoll vom 7. Oktober 1991) finden hingegen keine Anwendung, weil sie weder für sich noch iVm Art 12 EinigVtr oder dem Anhang zur EWGV 1408/71 Teil des für den Rentenanspruch der Klägerin nach Art 38 RÜG iVm § 300 Abs 1 und 2 SGB VI maßgeblichen Rechts geworden sind.
1. Die Vereinbarung vom 6. Juli 1984 hat folgenden Wortlaut:
„Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und die Regierung der Griechischen Republik sind, getragen vom Geiste der Zusammenarbeit und der Vertiefung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Staaten, geleitet vom Wunsch beider Staaten, die Rentenfragen für Personen griechischer Abstammung und ihrer Familienangehörigen, die aus der Deutschen Demokratischen Republik nach Griechenland zurückgekehrt sind oder noch zurückkehren, zu regeln und auf diese Weise die Rückkehr dieser Personen nach Griechenland, falls sie es selbst wünschen, zu erleichtern, unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen den Systemen der Sozialversicherung beider Staaten übereingekommen, folgendes zu vereinbaren:
Artikel 1
Die in dieser Vereinbarung verwendeten Begriffe haben folgende Bedeutung:
a) Rückkehrer
Personen griechischer Abstammung, die vom 1. Januar 1947 an und danach ihren Wohnsitz in der Deutschen Demokratischen Republik genommen haben, sowie auch deren Familienangehörige, und aus der Deutschen Demokratischen Republik unmittelbar nach Griechenland mit dem Ziel des ständigen Aufenthalts zurückgekehrt sind oder noch zurückkehren werden,
b) in der Deutschen Demokratischen Republik geleistete Arbeitsjahre
Zeiten, in denen Rückkehrer in der Deutschen Demokratischen Republik eine versicherungspflichtige Tätigkeit entsprechend den Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen Republik ausgeübt haben,
c) Rente
eine Versorgung durch den zuständigen Träger der Sozialversicherung entsprechend den für ihn geltenden Bestimmungen des Rentenrechts.
Artikel 2
(1) Diese Vereinbarung regelt die Rentenfragen der Rückkehrer.
(2) Die Deutsche Demokratische Republik gewährt der Griechischen Republik eine einmalige Abfindung für die in der Deutschen Demokratischen Republik geleisteten Arbeitsjahre der Rückkehrer als Grundlage für die Gewährung von Renten durch die griechische Seite.
(3) Die griechische Seite gewährt Rückkehrern Renten entsprechend den griechischen Rechtsvorschriften für die Sozialversicherung und berücksichtigt dabei die in der Deutschen Demokratischen Republik geleisteten Arbeitsjahre wie in Griechenland erworbene Versicherungszeiten.
Artikel 3
(1) Die in Artikel 2 genannte Abfindung beträgt 2 (zwei) Millionen US-Dollar. Sie wird durch die Lieferung von Waren der Deutschen Demokratischen Republik beglichen.
(2) Die Zusammensetzung der zu liefernden Waren, ihre Preise sowie die Liefertermine werden zwischen dem Ministerium für Außenhandel der Deutschen Demokratischen Republik und dem Ministerium für Nationale Wirtschaft der Griechischen Republik vereinbart.
Artikel 4
Die zuständigen Versicherungsträger übergeben auf Antrag Rückkehrern, die ihren ständigen Wohnsitz in der Deutschen Demokratischen Republik aufgeben und unmittelbar nach Griechenland übersiedeln, eine Bescheinigung über die Dauer der in der Deutschen Demokratischen Republik geleisteten Arbeitsjahre (in Tagen und in Jahren). Rückkehrer, die in der Deutschen Demokratischen Republik bereits eine Rente bezogen, erhalten außerdem eine Bescheinigung über die Art und Dauer des bisherigen Rentenbezugs in der Deutschen Demokratischen Republik sowie bei Renten aufgrund von Invalidität über die ärztlich festgestellte Invaliditätsursache.
Artikel 5
(1) Die Vertragspartner notifizieren einander die Bestätigung der Vereinbarung entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften.
(2) Die Vereinbarung tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der dem Datum der Übergabe der letzten Note, mit der die Bestätigung mitgeteilt wird, folgt.”
Es kann hier dahinstehen, ob die Klägerin zum Personenkreis der Rückkehrer iS der Vereinbarung vom 6. Juli 1984 gehört; denn zum Zeitpunkt des Rentenbeginns am 1. Februar 1993 war diese Vereinbarung bereits erloschen (dazu nachfolgend unter 2 und 3). Soweit das Protokoll vom 7. Oktober 1991 für einen bestimmten Personenkreis darauf Bezug nimmt, sind für dessen Abgrenzung in erster Linie die Festlegungen des Protokolls maßgebend (dazu nachfolgend unter 4).
2. Die Bundesrepublik ist nicht Rechtsnachfolgerin der mit dem Wirksamwerden der Beitrittserklärung gemäß Art 23 GG aF (vgl BGBl 1990 I, 2057 f) als Staats- und Völkerrechtssubjekt vollständig und ersatzlos untergegangenen DDR geworden (vgl dazu BVerfG Beschluß vom 10. Juni 1997 - 2 BvR 1516/96 - BVerfGE 96, 68, 94; BGH Beschluß vom 30. Januar 1991 - 2 BGs 38/91 - BGHSt 37, 305 = NJW 1991, 929, 931; BSG Urteile vom 29. September 1994 - 4 RA 7/94 - SozR 3-8570 § 11 Nr 3, S 3, vom 8. Dezember 1994 - 11 RAr 107/93 - SozR 3-4100 § 249c Nr 5, S 22, 28, vom 29. September 1998 - B 4 RA 4/98 R - BSGE 83, 19, 22 = SozR 3-8100 Art 12 Nr 1, S 5 und vom 27. Januar 1999 - B 4 RA 44/98 R - BSGE 83, 224, 228 - in SozR zur Veröffentlichung vorgesehen –, jeweils mwN; vgl auch Denkschrift zum EinigVtr BT-Drucks 11/7760, S 377 zu Art 44). Mit dem Untergang der DDR mit Ablauf des 2. Oktober 1990 sind die von ihr geschlossenen völkerrechtlichen Verträge grundsätzlich erloschen. Im Völkerrecht gilt das Prinzip, wonach Verträge Rechte und Pflichten regelmäßig nur für die daran unmittelbar beteiligten Staaten begründen (Art 34 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge – WVK – vom 23. Mai 1969 - BGBl 1985 II, 926). Für den Fall einer Staatensukzession, als welche die Eingliederung der DDR in das Bundesgebiet anzusehen ist (dazu eingehend BSG Urteil vom 27. Januar 1999 - B 4 RA 44/98 R - BSGE 83, 224, 229; vgl auch BVerfG Beschluß vom 10. Juni 1997 - 2 BvR 1516/96 - BVerfGE 96, 68, 93, jeweils mwN), ergibt sich ein Übergang von Rechten und Pflichten aus einem mit dem Vorgängerstaat abgeschlossenen Vertrag durch das kodifizierte Völkerrecht oder durch Völkergewohnheitsrecht (vgl dazu BVerfG Beschluß vom 13. Mai 1996 - 2 BvL 33/93 - BVerfGE 94, 315, 332) weder generell, noch läßt sich daraus ein solcher Übergang speziell für einen der Vereinbarung vom 6. Juli 1984 vergleichbaren Einzelfall oder für eine auf sie zutreffende Kategorie völkerrechtlicher Verträge entnehmen; nichts anderes gilt unter den besonderen Aspekten des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland.
a) Die Wiener Konvention der Vereinten Nationen über Staatensukzession bei Verträgen (WKSV) von 1978 ist noch nicht in Kraft. Sie berücksichtigt auch nicht den durch den Beitritt der DDR realisierten Fall, daß ein Staat untergeht und sein Staatsgebiet in dem eines unverändert fortbestehenden anderen Staates aufgeht (Mansel, Staatsverträge und autonomes internationales Privat- und Verfahrensrecht nach der Wiedervereinigung, JR 1990, 441; Wittkowski, Die Staatensukzession in Völkerrechtliche Verträge unter besonderer Berücksichtigung der Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands, 1992, 303; Dornbusch, Das Schicksal völkerrechtlicher Verträge der DDR nach der Herstellung der Einheit Deutschlands 1997, 84, 89, jeweils mwN). Soweit Art 15 WKSV den gewohnheitsrechtlichen Grundsatz der beweglichen Vertragsgrenzen wiedergibt (vgl BSG Urteil vom 29. September 1998 - B 4 RA 4/98 R - BSGE 83, 19, 23 = SozR 3-8100 Art 12 Nr 1, S 5), führt dieser Grundsatz hier nicht weiter. Nach diesem Grundsatz binden Verträge jeden Vertragspartner für sein ganzes Territorium. Sie erfassen somit grundsätzlich auch hinzukommendes Hoheitsgebiet. Eine der Universalsukzession des bürgerlichen Rechts vergleichbare Nachfolge in alle vertraglichen Rechte und Pflichten des Vorgängerstaates aber besteht völkerrechtlich nicht (BVerfG Beschluß vom 10. Juni 1997 - 2 BvR 1516/96 - BVerfGE 96, 68, 92; BSG Urteile vom 8. Dezember 1994 - 11 RAr 107/93 - SozR 3-4100 § 249c Nr 5, S 28, vom 29. September 1998 - B 4 RA 4/98 R - BSGE 83, 19, 22 f = SozR 3-8100 Art 12 Nr 1, S 5 und vom 27. Januar 1999 - B 4 RA 44/98 R - BSGE 83, 224, 229, jeweils mwN). Die in Bezug auf dessen Gebiet abgeschlossenen zweiseitigen Verträge des abgebenden Staates erlöschen vielmehr, sofern sie nicht rein territoriale Fragen regeln oder durch den anderen Staat übernommen werden oder sich gewohnheitsrechtlich aus der Staatenpraxis für einzelne Verträge oder Vertragskategorien eine Nachfolge des aufnehmenden Staates ergibt (BVerfG Beschluß vom 10. Juni 1997 - 2 BvR 1516/96 - BVerfGE 96, 68, 92 mwN). Insoweit haben sich aber gewohnheitsrechtliche Grundsätze angesichts der vielfältigen Staatenpraxis und zahlreichen Besonderheiten der einzelnen Fallkonstellationen erst in wenigen Bereichen herausgebildet, die hier nicht einschlägig sind. Die Fortgeltung der Vereinbarung vom 6. Juli 1984 läßt sich daher nicht schon daraus ableiten, daß sie nicht – wie die meisten anderen Sozialversicherungsabkommen – an die Staatsangehörigkeit der Bürger der Vertragsparteien anknüpft, weshalb für solche Abkommen eine Fortgeltung nach Untergang eines Vertragsstaats abgelehnt wird (vgl Abendroth, Die Sozialversicherungsabkommen der DDR, DAngVers 1992, 339, 340; BSG Urteile vom 29. September 1998 - B 4 RA 4/98 R - BSGE 83, 19, 23 = SozR 3-8100 Art 12 Nr 1, S 6 und vom 27. Januar 1999 - B 4 RA 44/98 R - BSGE 83, 224, 230).
b) Einzig denkbar wäre eine Fortgeltung der Vereinbarung vom 6. Juli 1984 unter dem Gesichtspunkt einer Zuordnung zur Kategorie der beiderseitig erfüllten Austauschverträge. Dabei handelt es sich um völkerrechtliche Verträge, bei denen Leistung und Gegenleistung bereits erbracht sind, die also einen in der Vergangenheit bereits abgeschlossenen Sachverhalt betreffen, und ferner um Verträge, bei denen der untergegangene Staat seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt hat und der Anspruch auf die Gegenleistung mit dessen Staatsvermögen auf den Nachfolgestaat übergegangen ist (Herdegen, Völkerrechtliche Verträge der DDR in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Band IX, 1997, § 214 RdNr 18). Bei diesen Verträgen wird angenommen, daß zumindest deren Rechtsfolgen bzw die darin begründeten Vermögenspositionen fortbestehen (Drobnig, Das Schicksal der Staatsverträge der DDR nach dem Einigungsvertrag, DtZ 1991, 76, 78; Papenfuß, Die Behandlung der völkerrechtlichen Verträge der DDR im Zuge der Herstellung der Einheit Deutschlands, 1997, S 172 f). Soweit hierzu auch die von der DDR mit einigen Staaten abgeschlossenen Abkommen über die Zahlung von Entschädigungen für die Enteignungen ihrer Bürger gerechnet werden (Drobnig aaO, Herdegen aaO § 214 RdNr 2), wird jedoch zusätzlich davon ausgegangen, daß diese Abkommen auch den Verzicht auf Individualrechte an den betroffenen Vermögensgegenständen umfassen (vgl BGH Urteil vom 14. November 1996 - III ZR 304/95 - BGHZ 134, 67, 74 - zum Abkommen der DDR mit Schweden vom 24. Oktober 1986; Heß, Der Ausschluß österreichischer Berechtigter vom Vermögensgesetz, VIZ 1993, 331 f - aA Österreichischer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 25. Juni 1992 - B 214/92-11, G 21/93-11 - VIZ 1993, 360).
Mit solchen Verträgen ist die Vereinbarung vom 6. Juli 1984 indes nicht vergleichbar. Selbst wenn man unterstellen kann, daß die DDR die danach von ihr geschuldete Abfindung an Griechenland gezahlt hat (vgl dazu Ebenhöch, Auswirkungen der Wiedervereinigung Deutschlands auf das über- und zwischenstaatliche Rentenversicherungsrecht, Kompaß 1990, 578, 582), und daß Griechenland die gesetzlichen Regelungen zur Anrechnung der in der DDR geleisteten Versicherungsjahre schon vor dem Untergang der DDR erlassen hatte, läßt sich doch gerade im Hinblick auf diejenigen Personen, deren Rentenansprüche – wie im Fall der Klägerin – noch nicht befriedigt waren, nicht von einem in der Vergangenheit bereits abgeschlossenen Sachverhalt sprechen.
Darüber hinaus läßt sich der Vereinbarung vom 6. Juli 1984 kein Verzicht der griechischen Seite auf Ansprüche der Rückkehrer gegenüber der Rentenversicherung der DDR entnehmen, wie dies aber bei dem von der Beklagten und den Vorinstanzen angenommenen endgültigen Übergang der Versicherungslast unterstellt werden müßte. Von einer „Abgeltung” der Ansprüche der Rückkehrer gegen die Sozialversicherung der DDR ist in dem Abkommen keine Rede. Nach der einleitenden Begründung dient die Vereinbarung auch nicht diesem Ziel, sondern soll die Rückkehr der betroffenen Personen nach Griechenland erleichtern. Daß damit – etwa auch bei späterer Rückkehr in die DDR – Ansprüche gegenüber der Sozialversicherung der DDR aufgrund der dort geleisteten Arbeitsjahre entfallen sollten, läßt sich daraus nicht folgern. Insoweit unterscheidet sich die Vereinbarung vom 6. Juli 1984 deutlich von Sozialversicherungsabkommen, wie sie etwa die Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel des Übergangs der Versicherungslast abgeschlossen hat (vgl den Überblick bei Hillen, Versicherungslastregelungen im Rahmen zwischenstaatlicher Verträge über Soziale Sicherheit, DRV 1987, 172). So ist zB in der Vierten Zusatzvereinbarung vom 21. Dezember 1956 zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Sozialversicherung (BGBl 1959 II, 433 – in Anhang III Teil A und B der EWGV 1408/71 unter Nr 34 Buchst b aufgeführt) festgelegt, daß die von niederländischen Staatsangehörigen in den Jahren 1940 bis 1945 in der deutschen Rentenversicherung zurückgelegten Versicherungszeiten unter näher bezeichneten Voraussetzungen als in der niederländischen Rentenversicherung zurückgelegte Versicherungszeiten gelten und Ansprüche aus diesen Versicherungszeiten gegen die deutsche Rentenversicherung nicht geltend gemacht werden können. Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung vom 10. März 1956 (BGBl 1958 II, 170) enthält die ausdrückliche Bestimmung, daß durch die Zahlung von Pauschbeträgen Ansprüche und Anwartschaften aufgrund bestimmter in der Sozialversicherung des anderen Staates zurückgelegter Versicherungszeiten abgegolten und die Sozialversicherungsträger von den Verpflichtungen aus den bei ihnen für diese Zeiten erwachsenen Ansprüchen und Anwartschaften mit der Zahlung der vereinbarten Beträge befreit werden. Für die Regelung eines solchen mit dem endgültigen Ausschluß von Ansprüchen gegen die Sozialversicherung der DDR verbundenen Übergangs der Versicherungslast von der Sozialversicherung der DDR auf die griechische Sozialversicherung gibt der Wortlaut der Vereinbarung vom 6. Juli 1984 nichts her. Sie wäre nach dem Rentenrecht der ehemaligen DDR, welches die Gewährung von Renten an Personen ohne Wohnsitz in der DDR nur aufgrund entsprechender zwischenstaatlicher Abkommen kannte (vgl § 1 Abs 1 der Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung vom 23. November 1979 - GBl I Nr 38, 401), auch zur Wahrung der Vermögensinteressen der DDR nicht nötig gewesen. Für die Zwecke des Abkommens genügte es, die Rückkehrer in Griechenland so zu stellen, als ob sie ihr Versicherungsleben statt in der DDR in Griechenland verbracht hätten und den damit verbundenen finanziellen Aufwand der griechischen Seite durch eine Pauschalleistung auszugleichen.
3. Der Einigungsvertrag ändert an diesem völkerrechtlichen Befund nichts. Art 12 EinigVtr, der sich mit den völkerrechtlichen Verträgen der DDR befaßt, sieht vor, daß diese „im Zuge der Herstellung der Einheit Deutschlands unter den Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes, der Interessenlage der beteiligten Staaten und der vertraglichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland sowie nach den Prinzipien einer freiheitlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Grundordnung unter Beachtung der Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaften mit den Vertragspartnern der Deutschen Demokratischen Republik zu erörtern sind, um ihre Fortgeltung, Anpassung oder ihr Erlöschen zu regeln beziehungsweise festzustellen” (Absatz 1), und daß das vereinte Deutschland seine Haltung zum Übergang völkerrechtlicher Verträge der DDR „nach Konsultationen mit den jeweiligen Vertragspartnern und mit den Europäischen Gemeinschaften, soweit deren Zuständigkeiten berührt sind”, festlegt (Absatz 2). Die grundsätzliche Möglichkeit einer Fortgeltung der von der DDR geschlossenen völkerrechtlichen Verträge war damit nicht ausgeschlossen, deren Fortgeltung aber auch nicht festgestellt; die Entscheidung darüber blieb vielmehr dem vereinten Deutschland nach Erörterung mit den Vertragspartnern vorbehalten (BVerfG Beschluß vom 10. Juni 1997 - 2 BvR 1516/96 - BVerfGE 96, 68, 91 f mwN; BSG Urteile vom 29. September 1998 - B 4 RA 4/98 R - BSGE 83, 19, 24 f = SozR 3-8100 Art 12 Nr 1, S 7 und vom 27. Januar 1999 - B 4 RA 44/98 R - BSGE 83, 224, 231; vgl auch Denkschrift zum EinigVtr BT-Drucks 11/7760, S 362 - zu Art 12, wonach sich die Vertragsparteien außerstande sahen, die Vielzahl der Vertragsbeziehungen im Einzelfall durch den EinigVtr zu regeln und sich daher auf Grundprinzipien beschränkt haben, welche nach der Herstellung der Einheit für die weitere Behandlung der völkerrechtlichen Verträge und Vereinbarungen maßgeblich sein sollten).
a) Soweit Art 12 EinigVtr eine völkerrechtlich verbindliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Vertragspartnern der DDR entnommen werden könnte (so Dannemann, Das staatsvertragliche Kollisionsrecht der DDR nach der Vereinigung, DtZ 1991, 130 f; BVerfG Beschluß vom 10. Juni 1997 - 2 BvR 1516/96 - BVerfGE 96, 68, 91), könnte eine solche allenfalls in dem Sinne verstanden werden, daß nur der Weg für künftige Verhandlungen, nicht aber deren Resultat vorgegeben wird. Aufgrund des völkerrechtlichen Verbots von Verträgen zu Lasten Dritter (Art 34 WVK) hätten die Bundesrepublik Deutschland und die DDR das Schicksal der von der DDR abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge nicht einseitig durch den EinigVtr festlegen können (vgl BVerfG Beschluß vom 10. Juni 1997 - 2 BvR 1516/96 - BVerfGE 96, 68, 91 mwN). Dies muß insbesondere gelten, wenn – wie möglicherweise hier durch die Fortgeltung der Vereinbarung vom 6. Juli 1984 – nur der frühere Vertragspartner der DDR (noch) aus dem Vertrag verpflichtet war. Eine nach Durchführung der Konsultationen erfolgte Feststellung iS des Art 12 EinigVtr konnte deshalb auch nur deklaratorische Bedeutung haben, dh sie stellte eine Rechtsfolge fest, die am 3. Oktober 1990 völkerrechtlich ohnehin bereits eingetreten war (BSG Urteile vom 8. Dezember 1994 - 11 RAr 107/93 - SozR 3-4100 § 249c Nr 5, S 22 f, vom 29. September 1998 - B 4 RA 4/98 R - BSGE 83, 19, 25 = SozR 3-8100 Art 12 Nr 1, S 8 und vom 27. Januar 1999 - B 4 RA 44/98 R - BSGE 83, 224, 232).
b) Daraus, daß Art 12 EinigVtr das völkerrechtliche Schicksal der von der DDR abgeschlossenen Verträge und Vereinbarungen bis zum Abschluß der Konsultationen und einer Klärung der Haltung der Bundesrepublik Deutschland quasi „in der Schwebe” gelassen hat, resultiert nicht deren weitere vorübergehende Anwendung (BSG Urteile vom 8. Dezember 1994 - 11 RAr 107/93 - SozR 3-4100 § 249c Nr 5, S 6 f, vom 29. September 1998 - B 4 RA 4/98 R - BSGE 83, 19, 24 f = SozR 3-8100 Art 12 Nr 1, S 7 und vom 27. Januar 1999 - B 4 RA 44/98 R - BSGE 83, 224, 233 f). Zu einer derartigen Gestaltung dieses Zwischenzeitraums mit Wirkung für die Vertragspartner der DDR wäre die Bundesrepublik Deutschland ebensowenig befugt gewesen wie zu einer einseitigen Entscheidung über die Fortgeltung, das Erlöschen oder eine Modifikation der Verträge. Soweit Art 3 Abs 1 Satz 1 EinigVtrG die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung vorübergehend die weitere Anwendung der von Art 12 EinigVtr erfaßten völkerrechtlichen Verträge der DDR im Bereich der sozialen Sicherheit im Beitrittsgebiet zu regeln, bis das vereinte Deutschland seine Haltung zum Übergang dieser Verträge festgelegt hat (vgl dazu BSG Urteil vom 8. Dezember 1994 - 11 RAr 107/93 - SozR 3-4100 § 249c Nr 5), ist diese Regelung hier von vornherein nicht einschlägig, da die Vereinbarung vom 6. Juli 1984 in die aufgrund jener Ermächtigung erlassene Verordnung über die vorübergehende weitere Anwendung verschiedener völkerrechtlicher Verträge der DDR im Bereich der sozialen Sicherheit vom 3. April 1991 (BGBl 1991 II, 614) nicht aufgenommen ist.
4. Das Ergebnis der von der Bundesregierung nach Art 12 EinigVtr hinsichtlich der Vereinbarung vom 6. Juli 1984 durchgeführten Konsultationen ist zum einen der Bekanntmachung über das Erlöschen völkerrechtlicher Übereinkünfte der DDR mit Griechenland vom 4. Juni 1992 (BGBl II, 435) zu entnehmen. Die Vereinbarung vom 6. Juli 1984 ist dort unter Punkt 9 als eine Übereinkunft aufgeführt, für die die Bundesregierung „aufgrund der in Art 12 des Einigungsvertrags … vorgesehenen Konsultationen festgestellt” hat, daß sie „mit der Herstellung der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 erloschen” ist.
Zum anderen ist das Konsultationsergebnis in dem Protokoll vom 7. Oktober 1991 niedergelegt, dessen Inhalt sich aus einem an den Verband Deutscher Rentenversicherungsträger gerichteten Schreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 19. November 1991 (VIIa2-65100) ergibt, das die Beklagte im Klageverfahren vorgelegt hat. Die getroffenen Vereinbarungen sind darin wie folgt enthalten:
„Protokoll
Die Vereinbarung, die zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Griechischen Republik über die Regelung von Rentenfragen am 6. Juli 1984 geschlossen wurde, war am 4. und 7. Oktober 1991 Gegenstand von Besprechungen zwischen Vertretern der Regierung der Republik Griechenland und Deutschlands. Die Besprechungen fanden auf Wunsch der griechischen Regierung und Empfehlung der Verwaltungskommission für soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer sowie in Übereinstimmung mit Art 12 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands statt. Die Delegationen vereinbarten dabei folgendes:
- Die Vereinbarung vom 6. Juli 1984 gilt für alle Personen, die bis zum 2. Oktober 1990 unmittelbar aus der Deutschen Demokratischen Republik in die Republik Griechenland zurückgekehrt sind. Die in der Deutschen Demokratischen Republik zurückgelegten Versicherungszeiten dieser zurückgekehrten Personen gelten als mit der Rückkehr nach Griechenland in die Versicherungslast der griechischen Sozialversicherung übergegangen.
- Personen, die bis zum 2. Oktober 1990 nicht unmittelbar aus der Deutschen Demokratischen Republik in die Republik Griechenland zurückgekehrt sind – also einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und einem Drittland hatten –, fallen nicht unter den von der Vereinbarung erfaßten Personenkreis. Für diese Personen gelten die Vorschriften des deutschen Sozialversicherungsrechts in Verbindung mit dem über- und zwischenstaatlichen Sozialversicherungsrecht.
- Personen, die nach dem 2. Oktober 1990 aus Deutschland oder einem Drittland in die Republik Griechenland zurückgekehrt sind oder zurückkehren werden, fallen ausschließlich unter die Vorschriften des deutschen Sozialversicherungsrechts in Verbindung mit dem über- und zwischenstaatlichen Sozialversicherungsrecht. Die Vereinbarung vom 6. Juli 1984 hat für diesen Personenkreis keine Wirkung mehr.
- Beide Delegationen vereinbaren, die in diesem Protokoll vom 7. Oktober 1991 getroffenen Vereinbarungen in den Anhang III der Verordnung (EWG) 408/71 zu übernehmen.”
Das Protokoll bringt hinreichend deutlich zum Ausdruck, daß die von der DDR abgeschlossene Vereinbarung vom 6. Juli 1984 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Griechenland nur mit dem zwischen den neuen Verhandlungspartnern vereinbarten Inhalt angewendet werden sollte. Im Hinblick darauf, daß die Vereinbarung vom 6. Juli 1984 am 3. Oktober 1990 erloschen war, kann es sich dabei völkerrechtlich nur um einen Neuabschluß handeln. Das Protokoll vom 7. Oktober 1991 bestätigt nicht die Anpassung iS einer modifizierten Fortgeltung der zwischen der DDR und Griechenland bestehenden Vereinbarung, sondern eine neue vertragliche Regelung, die an die Vereinbarung vom 6. Juli 1984 anknüpft. Dafür spricht auch, daß nach den im Protokoll in Bezug genommenen Konsultationen mit der oben dargestellten Bekanntmachung vom 4. Juni 1992 (BGBl II, 435) das Erlöschen der Vereinbarung vom 6. Juli 1984 festgestellt worden ist.
Wesentlicher Inhalt des Protokolls vom 7. Oktober 1991 ist eine Versicherungslastregelung für diejenigen Personen, die bis zum 2. Oktober 1990 aus der DDR nach Griechenland zurückgekehrt sind (Nr 1 Satz 2 iVm Satz 1 aaO). Wie oben ausgeführt, bewirkt ein solches Versicherungslastabkommen, daß Ansprüche und Anwartschaften aufgrund der davon betroffenen Zeiten nur noch gegenüber demjenigen Versicherungsträger bestehen, auf den die Versicherungslast übergeht. Für alle anderen Personen soll die Vereinbarung vom 6. Juli 1984 auch aufgrund des Protokolls vom 7. Oktober 1991 keinerlei Bedeutung mehr haben. Zwar wird dieser – ausgegrenzte – Personenkreis im Protokoll vom 7. Oktober 1991 differenziert beschrieben. Zum einen sollen das Personen sein, die nach dem 2. Oktober 1990 aus Deutschland oder einem Drittland nach Griechenland zurückgekehrt sind oder noch zurückkehren werden; sie fallen nach Nr 3 aaO ausschließlich unter die Vorschriften des deutschen Sozialversicherungsrechts iVm dem über- und zwischenstaatlichen Sozialversicherungsrecht, und die Vereinbarung vom 6. Juli 1984 soll für sie keine Wirkung mehr haben. Zum anderen handelt es sich um „Personen, die bis zum 2. Oktober 1990 nicht aus der DDR nach Griechenland zurückgekehrt sind – also einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und einem Drittland hatten”. Für diese Personen wird zusätzlich festgelegt, daß sie nicht unter die Vereinbarung vom 6. Juli 1984 „fallen” (Nr 2 Satz 1 aaO), und daß für sie die Vorschriften des deutschen Sozialversicherungsrechts iVm dem über- und zwischenstaatlichen Sozialversicherungsrecht „gelten”. Dieser unterschiedlichen Ausdrucksweise könnte man entnehmen, die Verhandlungsdelegationen seien hinsichtlich der unter Nr 2 aaO genannten Personen von einer Fortgeltung der Vereinbarung vom 6. Juli 1984 ausgegangen, die sie mit der neuen Vereinbarung rückwirkend ab 2. Oktober 1992 hätten beseitigen wollen. Dies würde aber noch nicht zur Anwendung der tatsächlich erloschenen Vereinbarung vom 6. Juli 1984 im Fall der Klägerin führen. Man kann hingegen die nähere Beschreibung des Personenkreises, der nach Nr 2 aaO nicht unter die Vereinbarung vom 6. Juli 1984 fällt, insbesondere wegen der Formulierung „die ….also einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und einem Drittland hatten”, als Einschränkung der in der Vereinbarung vom 6. Juli 1984 enthaltenen Definition der Rückkehrer verstehen, und zwar dahin, daß nur (noch) Personen erfaßt werden, die am 2. Oktober 1990 einen gewöhnlichen Aufenthalt in Griechenland hatten. Unter den so eingegrenzten Personenkreis fiele die Klägerin nicht. Der Senat braucht diese Frage nicht abschließend zu entscheiden, weil es für den Vorrang des Protokolls vom 7. Oktober 1991 als Regel des zwischenstaatlichen Rechts iS von § 30 Abs 2 SGB I an dem für einen völkerrechtlichen Vertrag erforderlichen innerstaatlichen Anwendungsbefehl mangelt (dazu nachfolgend unter 5).
5. Soweit die innerstaatliche Wirkung von Völkerrecht nicht schon unmittelbar durch das Grundgesetz festgelegt ist (Art 25 Satz 1 GG) oder es sich um Normen überstaatlicher Institutionen handelt, denen die Bundesrepublik Hoheitsrechte übertragen hat (Art 23 Abs 1 Satz 2, Art 24 Abs 1 GG), bedarf es bei völkerrechtlichen Verträgen, die sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen und unmittelbar Rechte und Pflichten für die Bürger begründen, im Einzelfall der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in Form eines Bundesgesetzes (Art 59 Abs 2 Satz 1 GG; vgl BVerfG Beschluß vom 9. Dezember 1970 - 1 BvL 7/66 - BVerfGE 29, 348, 360 und Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19 und 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263, 284). Das Protokoll vom 7. Oktober 1991 enthält mit der Vereinbarung eines Übergangs der Versicherungslast für in der Sozialversicherung der DDR zurückgelegte Beitragszeiten Abweichungen gegenüber dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und betrifft damit einen Gegenstand der Bundesgesetzgebung (Art 74 Abs 1 Nr 12 GG).
a) Zu dem Protokoll vom 7. Oktober 1991 wurde kein bundesdeutsches Zustimmungsgesetz erlassen. Ebensowenig ist Recht der DDR feststellbar, durch das die Vereinbarung vom 6. Juli 1984 umgesetzt wurde und das aufgrund eines bundesdeutschen Anwendungsbefehls weitergälte (vgl Art 9 Abs 2 und 4 EinigVtr iVm Anlage II; BSG Urteile vom 14. Juni 1995 - 4 RA 41/94 - BSGE 76, 136, 137 = SozR 3-8120 Kap VII H III Nr 9 Nr 1).
Zwar wird die Auffassung vertreten, für die bundesdeutsche Anwendung eines aufgrund von Konsultationen nach Art 12 EinigVtr mit geändertem Inhalt fortgeführten völkerrechtlichen Vertrags der DDR bedürfe es keines Zustimmungsgesetzes (Papenfuß aaO S 126 ff). Diese Auffassung wird zum einen darauf gestützt, daß die in Art 12 EinigVtr vorgesehenen Feststellungen in erster Linie nach völkerrechtlichen Sukzessionsregeln zu beurteilen seien, während Art 59 Abs 2 Satz 1 GG nur das Zustandekommen, also den Abschluß von Verträgen betreffe, mithin auf die Begründung neuer völkerrechtlicher Bindungen der Bundesrepublik Deutschland beschränkt sei (Papenfuß aaO S 127). Zum anderen wird für diese Auffassung angeführt, eine erweiterte Anwendung des Art 59 Abs 2 Satz 1 GG über dessen Wortlaut hinaus auf Feststellungsakte nach Art 12 EinigVtr hätte angesichts deren außenpolitischer Bedeutung zur Absicherung der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands den außenpolitischen Gestaltungsbereich der Exekutive eingeengt. Aus diesem Grunde müsse davon ausgegangen werden, daß die Vertragsparteien des Einigungsvertrags wie auch der Bundesgesetzgeber der Bundesregierung bewußt den zur Umsetzung notwendigen politischen Ermessensspielraum durch Art 12 EinigVtr und die dort aufgestellten, von ihr zu beachtenden Grundsätze an die Hand hätten geben wollen (Papenfuß aaO S 129 f). Dies gelte nicht nur für Feststellungen über die Fortgeltung oder das Erlöschen, sondern auch für die Anpassung der Verträge iS einer Änderung einzelner Bestimmungen eines Vertrages oder auch des Vertrags in seiner Gesamtheit; der in Art 12 EinigVtr verwendete Begriff der Anpassung trage dem bei Abschluß des Einigungsvertrags bereits vorhersehbaren Umstand Rechnung, daß viele DDR-Verträge nicht vorbehaltlos hätten weitergelten können, sondern der grundlegenden Änderung der Umstände im Zuge der Herstellung der deutschen Einheit hätten angepaßt werden müssen (Papenfuß aaO S 130 f, 132).
Dieser Auffassung ist der 4. Senat des BSG in seinem Urteil vom 27. Januar 1999 (B 4 RA 44/98 R - BSGE 83, 224, 234 - zum Sozialversicherungsabkommen zwischen der DDR und Ungarn) entgegengetreten. Der Annahme, Art 12 EinigVtr habe von der DDR abgeschlossene völkerrechtliche Verträge innerstaatlich in Kraft gesetzt, widerspreche schon die durchgehend allein völkerrechtliche, auf das Außenverhältnis zu dritten Staaten und die einseitige Haltung der Bundesrepublik hierzu beschränkte Zielrichtung der Vorschrift. Eine weitergehende Intention lasse sich auch nicht aus deren Wortlaut und Sinnzusammenhang erkennen. Darüber hinaus vermöge die Annahme einer Generaltransformation auch nicht zu erklären, warum Art 12 EinigVtr eine innerstaatliche und damit nur einseitig verbindliche Geltungsanordnung erlassen haben sollte, bevor mit Hilfe des in dieser Vorschrift vorgesehenen Verfahrens überhaupt geklärt sei, ob und welche Verträge der DDR auch nach Ansicht der Vertragspartner als für diese und die Bundesrepublik völkerrechtlich verbindlich anzusehen und ggf – jedenfalls bei nachträglichen Modifizierungen – in nationales Recht zu transformieren seien. Wenn daher der Bereich bloßer Feststellung eines inhaltlich unveränderten Fortbestehens eines Abkommens verlassen werde, bedürfe es auch im Zusammenhang des Beitritts der DDR zwingend der Beachtung von Art 59 Abs 2 GG (BSG aaO S 241).
Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung nach eigener Prüfung im Ergebnis jedenfalls für die hier vorliegende Konstellation an. Diese ist dadurch gekennzeichnet, daß zu dem in einem zum 3. Oktober 1990 erloschenen Abkommen geregelten Sachverhalt eine neue Vereinbarung getroffen wird, die auf das erloschene Abkommen Bezug nimmt. Dabei entsteht eine völkerrechtliche Bindung der Bundesrepublik überhaupt erst durch die neue Vereinbarung, so daß hier Art 59 Abs 2 GG einschlägig ist (so wohl auch Papenfuß aaO S 134). So liegt der Fall hier. Durch das Protokoll vom 7. Oktober 1991 wurde die Vereinbarung vom 6. Juli 1984 nicht lediglich „angepaßt”. Ihre Anwendung beruht jedenfalls für Personen, deren Rentenansprüche noch nicht befriedigt sind, nicht auf einer völkerrechtlichen Fortwirkung, sondern auf dem Zusammenwirken zwischen der Bundesrepublik als dem Nachfolgestaat und der Republik Griechenland als dem früheren Vertragspartner der DDR. Daß die Vertragsparteien dabei möglicherweise von einer Fortwirkung für alle Personen ausgingen, die vor Herstellung der deutschen Einheit aus der DDR nach Griechenland zurückgekehrt waren, ändert daran nichts und kann erst recht nicht die nach Art 59 Abs 2 GG erforderliche Zustimmung zu diesem Vertragsabschluß ersetzen. Selbst wenn man Art 12 EinigVtr aber eine antizipierte Zustimmung auch zu derartigen neuen völkerrechtlichen Verträgen der Bundesrepublik Deutschland mit den früheren Vertragspartnern der DDR entnehmen könnte, bedürfte es im übrigen zur wirksamen Begründung entsprechender Rechtsnormen einer Bekanntmachung ihres Inhalts. Dies ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip, welches verlangt, daß materielle Rechtsnormen der Öffentlichkeit so förmlich zugänglich gemacht werden, daß die Betroffenen sich verläßlich von ihrem Inhalt Kenntnis verschaffen können (BVerfG Beschluß vom 22. November 1983 - 2 BvL 25/81 - BVerfGE 65, 283, 291 und Urteil vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 - BVerfGE 90, 60, 85). Das Protokoll vom 7. Oktober 1991 bzw die von beiden Delegationen getroffene Vereinbarung wurde nicht veröffentlicht. Es erfolgte – wie oben dargestellt – mit dem Schreiben des BMA vom 19. November 1991 lediglich eine Bekanntgabe an den Verband Deutscher Rentenversicherungsträger mit der Bitte, entsprechend zu verfahren. Damit war dem Erfordernis förmlicher Publizität keineswegs entsprochen.
b) Die innerstaatliche Verbindlichkeit des Protokolls vom 7. Oktober 1991 läßt sich zumindest im vorliegenden Fall auch nicht aus der EWGV 1408/71 herleiten. Zwar bedarf diese Verordnung als in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht (Art 249 EGVtr) der Europäischen Union, der die Bundesrepublik Rechtssetzungsbefugnisse übertragen hat, keiner Transformation durch einen innerstaatlichen Rechtsakt. Gleichwohl muß bezweifelt werden, daß die Aufnahme des Protokolls vom 7. Oktober 1991 in den Anhang III der EWGV 1408/71 den grundgesetzlich erforderlichen Transformationsakt ersetzt. Anhang III der EWGV 1408/71 führt Bestimmungen aus mitgliedstaatlichen Abkommen über soziale Sicherheit auf, die von der Anwendung der Verordnung unberührt bleiben (Anhang III Teil A iVm Art 7 Abs 2 Buchst b EWGV 1408/71) und deren Anwendungsbereich sich nicht auf alle von der Verordnung erfaßten Personen erstreckt (Anhang III Teil B iVm Art 3 Abs 3 EWGV 1408/71); der Inhalt der Bestimmungen ist im Amtsblatt der EG nicht bekannt gemacht. Die hier fragliche Regelung ist aber auf den Fall der Klägerin schon deswegen nicht anzuwenden, weil das „Protokoll vom 7. Oktober 1991 in Verbindung mit der Vereinbarung zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über die Regelung von Rentenfragen vom 6. Juli 1984” erst durch Art 1 Nr 11 und Nr 12 der EGV 3095/95 vom 22. Dezember 1995 (Abl EG Nr L 335, 1) in den Anhang III Teil A und Teil B, Nr 30 der EWGV 1408/71 aufgenommen worden und die EGV 3095/95 nach ihrem Art 5 Abs 1 am ersten Tag des ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EG (am 30. Dezember 1995) folgenden Monats, dh am 1. Januar 1996, in Kraft getreten ist.
Für das Gemeinschaftsrecht gelten nach der Rechtsprechung des EuGH – ebenso wie für den nationalen Gesetzgeber – die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit und das daraus folgende grundsätzliche Verbot der Rückwirkung von Rechtsakten, die in eine vor ihrem Inkrafttreten vorhandene Rechtsposition eingreifen (stRspr vgl EuGH Urteile vom 25. Januar 1979 - 98/78 - EuGHE 1979, 69 - und 99/78 - EuGHE 1979, 101, vom 16. Februar 1982 - 258/80 - EuGHE 1982, 487, vom 1. April 1993 - C-260/91 und C-261/91 - EuGHE I 1993, 1885, vom 6. November 1997 - C-261/96 - EuGHE I 1997, 6177 und vom 20. November 1997 - C-244/95 - EuGHE I 1997, 6441). Um die Beachtung dieser Grundsätze zu gewährleisten, sind Vorschriften des Gemeinschaftsrechts so auszulegen, daß sie für einen vor ihrem Inkrafttreten entstandenen Sachverhalt nur gelten, wenn aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrer Struktur eindeutig hervorgeht, daß ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist und das schutzwürdige Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet ist (vgl EuGH Urteile vom 12. November 1981 - 212-217/80 - EuGHE 1981, 2735, vom 10. Februar 1982 - 21/81 - EuGHE 1982, 381 f, vom 29. Januar 1985 - 234/83 - EuGHE 1985, 327 und vom 15. Juli 1993 - C-34/92 - EuGHE I 1993, 4147 f). Unabhängig davon, ob hier eine Rückwirkung zulässig gewesen wäre, kommt der EGV 3095/95 gemessen an diesen Grundsätzen keine Rückwirkung zu. Insbesondere legen die im Änderungsbefehl für Anhang III Teil A und B Nr 30 angeführten Daten (der Vereinbarung vom 6. Juli 1984 und des Protokolls vom 7. Oktober 1991) keinen von Art 5 EGV 3095/95 abweichenden Zeitpunkt fest, zumal es eher die Ausnahme als die Regel darstellt, daß ein völkerrechtliches Abkommen vom Zeitpunkt seines Abschlusses an in Kraft ist. Infolgedessen ändert sich auch durch die EGV 3095/95 nichts daran, daß die von der Klägerin in der DDR zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach den Vorschriften des SGB VI für die Altersrente der Klägerin zu berücksichtigen sind.
6. Der Senat hat nicht darüber zu entscheiden, inwiefern hier eine Doppelleistung für diese Zeiten auszuschließen ist. Insoweit wird jedoch auf folgendes hingewiesen:
Das SGB VI enthält keine Vorschrift, nach der auf die danach zustehende Rente die vom griechischen Sozialversicherungsträger gewährte Rente anzurechnen wäre. Auch die EWGV 1408/71 erlaubt hier keine Kürzung der deutschen Rentenleistung. Nach Art 46a Abs 3 Buchst a EWGV 1408/71 führen die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates erworbenen Leistungen zu Kürzungen bei den Leistungen des ersten Mitgliedstaats nur, wenn dessen Rechtsvorschriften die Berücksichtigung solcher im Ausland erworbenen Leistungen vorsehen. Die Anrechnungsvorschrift des § 31 FRG ist hier nicht anwendbar. Danach ruht die Rente, wenn der Berechtigte von einem Träger der Sozialversicherung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält, in Höhe des in Deutsche Mark umgerechneten Betrags, der als Leistung des Trägers der Sozialversicherung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt wird. Die Anwendbarkeit von § 31 FRG setzt indes voraus, daß es sich um einen nach dem FRG Berechtigten handelt (vgl BSG Urteile vom 25. Mai 1972 - 5 RKn 61/68 - SozR Nr 3 zu § 31 FRG und vom 22. April 1992 - 5 RJ 77/90 - SozR 3-5050 § 31 Nr 1). Eine analoge Anwendung im Wege der Ausfüllung einer Gesetzeslücke kommt nicht in Betracht. Zwar ist Sinn der Ruhensregelung in § 31 FRG, daß Doppelleistungen für identische Zeiten vermieden werden (BSG Urteil vom 14. September 1976 - 11 RA 128/75 - SozR 5050 § 31 Nr 1). Aus der Aufnahme der Anrechnungsvorschrift nur in das FRG und nicht in das SGB VI ergibt sich aber schon, daß damit nicht jede Doppelleistung aus zeitgleichen Versicherungszeiten ausgeschlossen werden sollte. Vielmehr sollte nur in den Fällen einer doppelten Entschädigung entgegengewirkt werden, in denen der deutsche Versicherungsträger eine fremde Versicherungslast übernommen hat (Senatsurteil vom 22. April 1992 - 5 RJ 77/90 - SozR 3-5050 § 31 Nr 1 S 5). Die von der Klägerin in der DDR zurückgelegten, nach dem SGB VI anrechnungsfähigen Zeiten fallen jedoch von vornherein in die deutsche Versicherungslast. Ob die Berücksichtigung der in der DDR zurückgelegten Zeiten als deutsche Versicherungszeiten zu einer Neuberechnung der griechischen Rente der Klägerin führt, unterliegt der Beurteilung des griechischen Versicherungsträgers.
Ebenso ist nicht zu entscheiden, ob die Rechtslage bei ständigem Aufenthalt der Klägerin in Griechenland anders zu beurteilen wäre. Da die Klage schon wegen der fehlenden Rechtswirkungen der Vereinbarung vom 6. Juli 1984 und des Protokolls vom 7. Oktober 1991 Erfolg hatte, konnte auch dahingestellt bleiben, ob und inwieweit der Klägerin aufgrund der Anerkennung von FRG-Zeiten durch die Bescheide der BfA vom 22. August 1988 und der Beklagten vom 26. Oktober 1989 eine durch Art 14 GG geschützte Rechtsposition zustand und ein Eingriff in diese zulässig gewesen wäre (vgl BVerfG Beschluß vom 12. November 1996 - 1 BvL 4/88 - BVerfGE 95, 143, 160 mwN).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 543178 |
NJ 2000, 389 |
NZS 2000, 360 |
SGb 1999, 698 |
SozSi 2001, 70 |