Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungs- und Beitragspflicht eines ehrenamtlichen Bürgermeisters einer verbandsangehörigen Gemeinde in Sachsen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung. abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Weisungsrecht des Arbeitgebers. Aufhebung einer Kostenentscheidung. Verbot des reformatio in peius. keine Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen einer Gebietskörperschaft
Leitsatz (amtlich)
Ein ehrenamtlicher Bürgermeister einer verbandsangehörigen Gemeinde in Sachsen, der eine steuerpflichtige Aufwandsentschädigung erhält, übt eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt aus.
Leitsatz (redaktionell)
Da die Aufwandsentschädigung zu 1/3 steuerfrei und zu 2/3 steuerpflichtig ist, wird der steuerpflichtige Teil als Arbeitsentgelt zu Grunde gelegt.
Normenkette
SGB IV § 7 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Fassung: 1998-12-19; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; AFG § 168 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1995-12-15; SGG § 193 Abs. 4 S. 1 Fassung: 1998-03-30; EStG § 3 Nr. 12 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. Februar 2005 aufgehoben, soweit es über die Kosten entschieden hat.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie die Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung des Beigeladenen zu 1 in seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister einer verbandsangehörigen Gemeinde in Sachsen.
Die Klägerin ist eine Gemeinde in Sachsen, die seit 1994 einem Verwaltungsverband angehört. Der Beigeladene zu 1 war bei diesem Verband hauptberuflich als Kämmerer beschäftigt. Daneben war er als ehrenamtlicher Bürgermeister der Klägerin tätig und erhielt hierfür eine Aufwandsentschädigung, die ab März 1996 monatlich 2.180 DM betrug und zu zwei Dritteln und damit in Höhe von 1.453,33 DM als steuerpflichtig behandelt wurde.
Auf Grund einer Betriebsprüfung setzte der beklagte Rentenversicherungsträger Rentenversicherungsbeiträge und Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zunächst für die Zeit von August 1994 bis Dezember 1997 fest. Der Beigeladene zu 1 habe als ehrenamtlicher Bürgermeister in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden, weil er nicht nur repräsentativ tätig gewesen sei, sondern auch Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen gehabt habe und insoweit weisungsgebunden gewesen sei (Bescheid vom 27. August 1998, Widerspruchsbescheid vom 10. März 1999).
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) hat die Beklagte diese Bescheide aufgehoben, soweit Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum vom 1. August 1994 bis 31. März 1997 festgesetzt worden waren. Das SG hat mit Urteil vom 17. April 2002 die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte anerkannt, dass für den Beigeladenen zu 1 in der Zeit bis einschließlich Februar 1996 keine Sozialversicherungspflicht bestand. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen. Darüber hinaus haben die Beteiligten einen die Beitragsforderungen regelnden Teilvergleich geschlossen. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 23. Februar 2005 die Berufung zurückgewiesen und der Beklagten ein Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge auferlegt. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 als ehrenamtlicher Bürgermeister sei im noch streitigen Zeitraum rentenversicherungspflichtig und beitragspflichtig gewesen. Obwohl ihm eine Reihe von Aufgaben oblegen habe, die der Repräsentation bzw dem Vorsitz im Gemeinderat zuzurechnen seien, seien ihm darüber hinaus trotz der auf den Verwaltungsverband übergegangenen und von diesem zu erledigenden Aufgaben Verwaltungsaufgaben verblieben und von ihm auch tatsächlich wahrgenommen worden, die zur Beurteilung als abhängiges Beschäftigungsverhältnis führen würden. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung sowie der Verwaltungspraktikabilität genüge es, dass die kommunalverfassungsrechtlich und untergesetzlich geregelte Aufgabenzuweisung bei einer abstrakt-generellen Betrachtung der sich daraus ergebenden Tätigkeitsfelder die Annahme rechtfertige, dass die Tätigkeit durch qualitativ nicht lediglich unbedeutende Verwaltungsaufgaben geprägt werde. Ein quantitatives oder qualitatives Überwiegen der Verwaltungsaufgaben oder des hierfür erforderlichen Zeitaufwandes sei nicht erforderlich. Der steuerpflichtige Anteil der Aufwandsentschädigung sei Arbeitsentgelt. Die Tätigkeit sei nicht wegen Geringfügigkeit iS von § 8 Abs 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) versicherungs- und nicht beitragsfrei gewesen. Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs 1 und Abs 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und noch anzuwendenden Fassung beruhe auf einer einschränkenden Auslegung dieser Vorschrift dahin, dass eine Gebietskörperschaft Anspruch auf Erstattung der außergerichtlicher Kosten habe, wenn sie allein in ihrer Funktion als Arbeitgeberin am Rechtsstreit beteiligt sei.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung der § 7 Abs 1 SGB IV, § 25 Abs 1 des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III), § 168 Abs 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) und § 1 Satz 1 Nr 1 des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Für die Versicherungs- und Beitragspflicht eines ehrenamtlichen Bürgermeisters könne es nicht nur auf eine abstrakt-generelle Betrachtung der wahrzunehmenden Aufgaben ankommen, sondern es müsse jedenfalls in dem hier zu entscheidenden Fall zumindest auch konkret-individuell eine Beurteilung des Anteiles der tatsächlich verrichteten Verwaltungstätigkeit im Verhältnis zur repräsentativen Tätigkeit erfolgen. Neben der Qualität der übertragenen Verwaltungsaufgaben sei die zeitliche Beanspruchung durch die übertragenen Verwaltungsaufgaben entscheidend und müsse gegenüber dem durch Repräsentationsaufgaben verursachten Zeitaufwand überwiegen. Bei zutreffender Gewichtung sei dies hier nicht der Fall. Werde die konkret-individuelle Situation des Beigeladenen zu 1 bei der Aufgabenwahrnehmung berücksichtigt oder auch bei abstrakt-genereller Betrachtung ein qualitatives und quantitatives Überwiegen der Verwaltungsaufgaben gefordert, so liege ein Beschäftigungsverhältnis iS von § 7 SGB IV nicht vor. Das Urteil des LSG verletze bei der Feststellung der vom Beigeladenen zu 1 tatsächlich wahrgenommenen Verwaltungsaufgaben die Vorschriften der Sächsischen Gemeindeordnung. Das LSG habe einzelne Aufgaben zu Unrecht dem ehrenamtlichen Bürgermeister einer verbandsangehörigen Gemeinde zugeordnet. So würden die Weisungen an den Verwaltungsverband zur Vorbereitung der Beschlüsse des Gemeinderates und die Vorberatung zum Erlass einer Haushaltssatzung in der Funktion als Vorsitzender des Gemeinderates erfolgen und seien deshalb keine Verwaltungstätigkeit.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Chemnitz vom 23. Februar 2005 und das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 17. April 2002 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 27. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1999 aufzuheben, soweit die Beklagte die Rentenversicherungspflicht für die Zeit vom 1. März 1996 bis 31. Dezember 1997 und die Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1997 des Beigeladenen zu 1 festgestellt hat.
Die Beklagte beantragt,
die Revision gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. Februar 2005 zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Der Beigeladene zu 1 hat sich nicht geäußert.
Die beigeladene AOK Sachsen – Die Gesundheitskasse und die beigeladene Barmer Ersatzkasse halten das Urteil des LSG für zutreffend.
Die beigeladene Bundesagentur für Arbeit und die beigeladene Deutsche Rentenversicherung Bund schließen sich dem Antrag der Beklagten an. Auch sie halten das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Der Bescheid vom 27. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1999 ist, soweit die Beklagte die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für die Zeit vom 1. März 1996 bis 31. Dezember 1997 und die Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1997 des Beigeladenen zu 1 festgestellt hat, rechtmäßig.
Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 als ehrenamtlicher Bürgermeister der Klägerin begründete in den Zeiträumen vom 1. März 1996 bis 31. Dezember 1997 seine Rentenversicherungspflicht sowie vom 1. April bis 31. Dezember 1997 die Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung. Im Rahmen der Betriebsprüfung war die Beklagte als Rentenversicherungsträger gemäß § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV befugt, über die Rentenversicherungs- und Beitragspflicht durch Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin als der Arbeitgeberin des Beigeladenen zu 1 zu entscheiden.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, waren während des streitigen Zeitraumes gemäß § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI in der Rentenversicherung versicherungspflichtig und nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG zur Arbeitslosenversicherung beitragspflichtig. Gemäß § 7 Abs 1 SGB IV in der bis zur Änderung durch Art 1 Nr 1 Buchst a des Gesetzes zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl I 2000, 2) geltenden hier anzuwendenden Fassung ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Tätigkeit in einem fremden Betrieb ist erforderlich, dass der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und einem Zeit, Dauer und Ort der Ausführungen umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Das Weisungsrecht kann jedoch, vornehmlich bei Diensten höherer Art, eingeschränkt und zur “funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess” verfeinert sein (vgl Urteil des Senats vom 22. Februar 1996 – 12 RK 6/95 – BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN).
Der Senat hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Leistungsrecht in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Ehrenbeamte in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gemäß § 7 Abs 1 SGB IV stehen, wenn sie dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen und hierfür eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigung erhalten (vgl zuletzt Urteile des Senats vom 22. Februar 1996 – 12 RK 6/95 – BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 mwN, sowie des BSG vom 23. Juli 1998 – B 11 AL 3/98 R – SozR 3-4100 § 138 Nr 11 S 60 mwN). Weder das Rechtsverhältnis als Ehrenbeamter als solches noch dessen Rechtsstellung als Organ oder Mitglied eines Organs einer juristischen Person des öffentlichen Rechts mit eigenen gesetzlichen Befugnissen noch die Zahlung einer pauschalen Aufwandsentschädigung ohne Bezug zu einem konkreten Verdienstausfall schließen danach die Annahme eines versicherungspflichtigen und beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses aus. Ob der Ehrenbeamte in seinem Amt zur weisungsgebundenen Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben, ggf neben der Wahrnehmung weisungsfreier Repräsentationsaufgaben als Mitglied einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, verpflichtet ist und damit dieser Aufgabenbereich seine Tätigkeit prägt, ist in einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des Ehrenamtes in der Kommunalverfassung des jeweiligen Bundeslandes zu beurteilen (vgl Urteil des Senats vom 22. Februar 1996 – 12 RK 6/95 – BSGE 78, 34, 36 f = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN). Bereits im Urteil vom 21. Januar 1969 (3 RK 81/67 = Breithaupt 1969, 823) hat das BSG die ehrenamtliche Tätigkeit eines Bürgersmeisters im Saarland als abhängige Beschäftigung beurteilt. Dieser war Leiter der Verwaltung, führte den Vorsitz im Gemeinderat, bereitete dessen Verhandlungen vor und führte dessen Beschlüsse aus. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ist in der Folge auch dann in Betracht gezogen worden, wenn nicht nur Repräsentationsfunktionen wahrgenommen werden, sondern der ehrenamtliche Bürgermeister einer amtsangehörigen Gemeinde als Leiter der Gemeindeverwaltung an der Spitze der Selbstverwaltung steht und damit Verwaltungsaufgaben seine Tätigkeit prägen (BSG, Urteil vom 27. März 1980 – 12 RK 56/78 – SozR 2200 § 165 Nr 44 S 61 f). Es ist für die Tätigkeit eines ehrenamtlichen Ortsbürgermeisters einer verbandsangehörigen Ortsgemeinde, dem nach der Kommunalverfassung und den entsprechenden weiteren landesrechtlichen Bestimmungen in seiner Funktion als Verwaltungsspitze wesentliche Verwaltungsaufgaben oblagen, bejaht worden, auch wenn die Durchführung der Verwaltungsaufgaben der Verbandsgemeinde übertragen war (vgl Urteil des BSG vom 13. Juni 1984 – 11 RA 34/83 – SozR 2200 § 1248 Nr 41 S 103 f).
Danach ist die Beurteilung der ehrenamtlichen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 als abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 Abs 1 SGB IV durch das LSG nicht zu beanstanden.
Es begegnet keinen Bedenken, dass das LSG maßgeblich darauf abgestellt hat, dass nach dem vom Berufungsgericht festgestellten und damit grundsätzlich bindenden Inhalt der nicht revisiblen Vorschriften der Sächsischen Gemeindeordnung und des Sächsischen Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit sowie der Satzung des Verwaltungsverbandes (vgl § 162 SGG) dem Beigeladenen zu 1 trotz der Mitgliedschaft der Klägerin im Verwaltungsverband weiterhin als Leiter der Gemeindeverwaltung Verwaltungsaufgaben oblagen und dass er solche auch tatsächlich wahrnahm. Dies galt sowohl für nicht auf den Verwaltungsverband übergegangene bzw übertragene Verwaltungsaufgaben als auch für die vom Verband im Namen und im Auftrag der Klägerin zu erledigenden Aufgaben. Unerheblich ist deshalb, dass ihm die innere Organisation der Gemeindeverwaltung nicht oblag. Die sachgemäße Erledigung von Aufgaben hatte er nämlich weiter zu überwachen, auch wenn deren konkrete Durchführung beim Verwaltungsverband lag. Die vom LSG im Einzelnen genannten und von der Revision auch nicht in ihrer Zuordnung als Verwaltungstätigkeiten beanstandeten oder hinsichtlich der Feststellungen des LSG nicht mit zulässigen Rügen angegriffenen Aufgaben bestätigen dies.
Soweit die Revision die rechtliche Einordnung bestimmter Tätigkeiten als Verwaltungstätigkeiten durch das LSG rügt, greift dies nicht durch. Wenn das LSG die Erteilung von Weisungen an den Verwaltungsverband durch den Beigeladenen zu 1 zur Vorbereitung der Beschlüsse des Gemeinderats und auch die Vorberatungen für die Haushaltssatzung mit Sachbearbeitern des Verwaltungsverbandes als Verwaltungstätigkeit angesehen hat, so hat es damit der Stellung des Beigeladenen zu 1 einerseits als Leiter der Verwaltung und andererseits als Vorsitzender des Gemeinderats Rechnung getragen. Es hat diese außerhalb der Gemeinderatssitzungen und zu deren Vorbereitung erforderlichen, auch sonst mit Hilfe von Mitarbeitern der Verwaltung bzw hier der Mitarbeiter des Verwaltungsverbandes zu erledigenden Tätigkeiten zutreffend den Verwaltungstätigkeiten zugeordnet, während es im Übrigen die Vorbereitungen der Sitzungen des Gemeinderates als nicht weisungsabhängige Tätigkeiten eingeordnet hat. Ob Letzteres zutreffend ist und ob das LSG die Zuordnung zu den Repräsentationsaufgaben zutreffend vorgenommen hat, kann dahinstehen. Die Konzentration der bei der Klägerin anfallenden und durch sie weiterhin zu erledigenden Verwaltungsaufgaben bei dem Beigeladenen zu 1 als Leiter der Verwaltung rechtfertigen es, von einem nicht unerheblichen Umfang der ihm obliegenden Verwaltungstätigkeiten auszugehen und sie als prägend für seine Tätigkeit anzusehen. Soweit die Revision beanstandet, dass LSG habe nicht darauf abgestellt, ob die Verwaltungstätigkeit qualitativ und quantitativ überwiege, verkennt sie, dass die Rechtsprechung für die Bejahung der abhängigen Beschäftigung eines ehrenamtlichen Bürgermeisters seine Tätigkeit als Leiter der Verwaltung auch bei einer verbandsangehörigen Gemeinde hat ausreichen lassen und keine darüber hinaus gehende qualitative oder quantitative Bewertung der Verwaltungsaufgaben vorgenommen hat. Für eine solche zusätzliche Bewertung würde es auch an geeigneten Maßstäben fehlen. Der weitere Einwand, die Verwaltungstätigkeiten seien nicht anhand der übertragenen Aufgaben, sondern nur anhand der tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten zu beurteilen, weil der Beigeladene zu 1 weder zeitliche noch Vorgaben dazu gehabt habe, mit welcher Intensität er sich welcher Aufgabe annehme bzw mit welchen Schwerpunkten er die ihm obliegenden Aufgaben wahrnehme, berücksichtigt nicht, dass dies gerade auf der Eigenart der hier zu beurteilenden Tätigkeit beruht. Soweit die Revision die Berücksichtigung des jeweiligen typischen oder konkreten Zeitaufwandes für die Erledigung der Verwaltungsaufgaben heranziehen will, führt sie selbst aus, dass der zeitliche Umfang von nicht vorhersehbaren Umständen abhängen kann. Der Zeitaufwand ist damit kein für die Beurteilung der Versicherungspflicht durch die Verwaltung taugliches Abgrenzungskriterium.
Zutreffend haben die Vorinstanzen die dem Beigeladenen zu 1 gezahlte Aufwandsentschädigung mit ihrem steuerpflichtigen Anteil als Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung iS von § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV angesehen. Nach § 14 Abs 1 SGB IV in der hier anzuwendenden, bis zur Änderung durch Art 1 Nr 3 des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24. März 1999 (BGBl I 388) mit Wirkung vom 1. April 1999 geltenden Fassung, sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. § 14 Abs 1 SGB IV und die hierzu ergangene Arbeitsentgeltverordnung nehmen die an Ehrenbeamte gezahlten Aufwandsentschädigungen nicht von den Einnahmen aus, die als Arbeitsentgelt anzusehen sind. Soweit die Entschädigung nicht einen tatsächlich entstehenden Aufwand abgilt, ist sie Arbeitsentgelt. Da das Steuerrecht der Tatsache seit jeher Rechnung getragen hat, dass die Aufwandsentschädigung von Ehrenbeamten neben der Abgeltung des tatsächlich entstehenden Aufwandes auch eine Entschädigung für den Aufwand an Zeit und Arbeitsleistung sowie einen etwaigen Verdienstausfall enthält, und die Steuerfreiheit dieser Einnahmen auf die Entschädigung des tatsächlichen Aufwandes beschränkt hat, hat der Senat es auch vor der ausdrücklichen Nennung der Aufwandsentschädigungen in der seit 1. April 1999 geltenden Fassung des § 14 Abs 1 SGB IV bei einer pauschalen Aufwandsentschädigung für sachgerecht gehalten, den steuerpflichtigen Anteil als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt anzusehen (vgl Urteil vom 22. Februar 1996 – 12 RK 6/95 – BSGE 78, 34, 38 f = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 28 f).
Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG wurde die Aufwandsentschädigung für den durch das Amt allgemein verursachten erhöhten persönlichen Aufwand und damit nicht konkret oder pauschal nur für den tatsächlich entstehenden, sondern auch für den Aufwand an Zeit und für einen Verdienstausfall gezahlt. Gemäß § 3 Nr 12 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes iVm Abschnitt 13 Abs 4 Satz 2 der Lohnsteuerrichtlinien 1996 war die dem Kläger gezahlte Aufwandsentschädigung zu 1/3 steuerfrei, zu 2/3 wurde sie als steuerpflichtig behandelt. Zutreffend hat daher das LSG den steuerpflichtigen Anteil von 1.453,33 DM als Arbeitsentgelt zu Grunde gelegt.
Zutreffend hat das LSG ebenfalls die Versicherungs- bzw Beitragsfreiheit auf Grund einer geringfügigen Beschäftigung iS von § 8 SGB IV und § 169a AFG verneint. Diese richtete sich für die Zeit vom 1. März 1996 bis 31. Dezember 1997 nach § 8 SGB IV idF des Art 2 Nr 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches vom 13. Juni 1994 (BGBl I 1229). Die Vorschrift kam nach Aufhebung der Kurzzeitigkeitsgrenze des § 102 AFG aF ab 1. April 1997 bis zum 31. Dezember 1997 auch im Recht der Arbeitsförderung zur Geltung (vgl § 169a Abs 1 AFG idF des Art 11 Nr 35, Art 83 Abs 3 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl I 594; vgl auch Urteil des Senats vom 14. Juli 2004 – B 12 KR 1/04 R – BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 8). Geringfügigkeit nach § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV lag danach vor, wenn die Beschäftigung regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wurde und das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat 1/7 der monatlichen Bezugsgröße, bei höherem Arbeitsentgelt 1/6 des Gesamteinkommens, nicht überstieg. Nach den Feststellungen des LSG waren diese Voraussetzungen erfüllt.
3. Die Kostenentscheidung des LSG, durch die unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils der Beklagten ein Drittel der Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens auferlegt worden ist, war aufzuheben. Der Senat ist hieran nicht gehindert, auch wenn die Beklagte keine Rechtsmittel eingelegt hatte. Insoweit gilt das Verbot der reformatio in peius nicht (vgl Urteil des BSG vom 10. September 1987 – 10 RAr 10/86 – BSGE 62, 131, 136 = SozR 4100 § 141b Nr 40 S 154). Zutreffend hat das LSG seine Entscheidung auf § 193 SGG in der bis zum 6. SGG-Änderungsgesetz (6. SGGÄndG) vom 17. August 2001 (BGBl I, 2144) geltenden Fassung gestützt und § 197a Abs 1 SGG idF des 6. SGGÄndG nicht angewandt, weil die Klage vor dem 2. Januar 2002 erhoben worden ist (vgl Urteil des BSG vom 31. Januar 2002 – B 6 KA 12/01 R – SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115, sowie Beschluss des BSG vom 5. Mai 2003 – B 13 SF 5/02 S – SozR 4-1500 § 183 Nr 1 RdNr 7). Nach § 193 Abs 4 Satz 1 SGG aF sind nicht erstattungsfähig die Aufwendungen der Behörden, der Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts. Zu diesem Kreis gehört die Klägerin als Gebietskörperschaft, sodass eine Kostenerstattung ausscheidet. Unerheblich ist, dass die Klägerin in ihrer Funktion als Arbeitgeberin am Verfahren beteiligt war, weil § 193 Abs 4 Satz 1 SGG aF allein auf die Rechtsnatur und nicht auf die Funktion der Verfahrensbeteiligten abstellt (vgl Beschluss des BSG vom 29. November 1991 – 7 RAr 90/90 – SozR 3-1500 § 193 Nr 3 S 7). Gründe für die vom LSG vorgenommene einschränkende Auslegung des § 193 Abs 4 SGG sind nicht ersichtlich. Insbesondere rechtfertigt die Kostenbelastung eine einschränkende Auslegung nicht, weil es der Klägerin auch im Revisionsverfahren freigestellt ist, sich anwaltlich vertreten zu lassen (vgl § 166 Abs 1 SGG).
Fundstellen
Haufe-Index 1491799 |
BFH/NV Beilage 2006, 409 |