Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch. Krankenkasse gegen Unfallversicherungsträger. Krankenhausbehandlung. überholende Kausalität. Arbeitsunfall. Durchgangsarzt. Heilbehandlung der Unfallversicherung. Leistungskonkurrenz. Vorrangigkeit. Nachrangigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch einer Krankenkasse gegen den Unfallversicherungsträger auf Erstattung der für einen Versicherten aufgewandten Krankenhausbehandlungskosten, wenn dieser bei einer stationären Behandlung einen Arbeitsunfall (§ 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO) hatte.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGB X § 105; RVO §§ 557, 559; SGB V § 11 Abs. 4, § 49 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. April 1997 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die ihr durch die Übernahme der Krankenhausbehandlung der im Jahre 1910 geborenen, bei der Klägerin gegen Krankheit versicherten H. … D. … (V) in der Zeit vom 3. September bis zum 12. Oktober 1993 entstandenen Kosten (17.286,00 DM) zu erstatten.
V wurde auf Kosten der Klägerin ab 6. August 1993 stationär im M. … -L. … -Krankenhaus in B. … wegen einer dekompensierten Herzinsuffizienz und eines entgleisten insulinpflichtigen Diabetes mellitus stationär behandelt. Am 3. September 1993 stürzte sie auf dem frisch gewischten Boden ihres Krankenzimmers und zog sich dabei eine vordere Beckenringfraktur zu. Der Durchgangsarzt Prof. Dr. H. … leitete laut Durchgangsarztbericht vom 7. September 1993 wegen dieser Verletzung eine besondere stationäre Heilbehandlung ein. V verstarb am 12. Oktober 1993. Das Krankenhaus teilte der Beklagten mit, die Mitbehandlung von unfallchirurgischer Seite sei weiterhin auf der inneren Abteilung erfolgt, weil die unfallunabhängigen Erkrankungen im Vordergrund gestanden hätten. Insgesamt sei der stationäre Aufenthalt wegen der unfallbedingten Verletzungen vom 3. September 1993 nicht verlängert oder verzögert worden.
Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 2. Dezember 1993 einen Erstattungsanspruch hinsichtlich der von ihr erbrachten Kosten für die stationäre Behandlung der V in der Zeit vom 3. September bis zum 12. Oktober 1993 in Höhe von 17.286,00 DM geltend. Nachdem die Beklagte es abgelehnt hatte, diese Kosten zu erstatten, weil der aufgrund der unfallfremden Leiden erforderliche stationäre Aufenthalt durch den Unfall vom 3. September 1993 weder verlängert noch verzögert worden sei, hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Hamburg (SG) Klage erhoben, die durch Urteil vom 8. April 1997 abgewiesen worden ist. Ein Erstattungsanspruch gemäß § 105 Abs 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) bestehe nicht: Zwar habe V die Beckenringfraktur infolge eines in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten fallenden Arbeitsunfalls erlitten, gleichwohl sei diese für die Erbringung der stationären Behandlung im streitigen Zeitraum nicht zuständig gewesen. Die stationäre Behandlungsbedürftigkeit sei nämlich nicht durch die unfallbedingte Erkrankung iS der Theorie der wesentlichen Bedingung verursacht worden. Denn bei V habe bereits zum Zeitpunkt des Eintritts der Unfallverletzung wegen unfallunabhängiger Erkrankungen eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit vorgelegen; aufgrund der Unfallverletzung sei weder eine qualitative noch eine quantitative kostensteigernde Änderung der stationären Behandlung eingetreten. Auf § 11 Abs 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) könne die Klägerin ihren Erstattungsanspruch ebenfalls nicht stützen, weil ein Leistungsausschluß nach dieser Vorschrift nur dann bestehe, wenn die Leistung – anders als im vorliegenden Fall – als Folge eines Arbeitsunfalls zu erbringen sei.
Mit ihrer vom SG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 105 SGB X, des § 11 Abs 4 SGB V und der §§ 557, 559 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Die vom SG herangezogene Lehre von der wesentlichen Bedingung helfe in der hier strittigen Frage nach dem zuständigen Träger für eine bestimmte Leistung nicht weiter. Die stationäre Behandlung der V sei kein „Erfolg” des Arbeitsunfalls, sondern eine erbrachte Leistung. Vom Unfallzeitpunkt an sei stationäre Behandlung sowohl wegen des Einweisungsleidens als auch wegen der Unfallverletzung zu gewähren gewesen. Das Problem sei mithin nicht die stationäre Behandlung als solche, sondern daß es nicht möglich sei, die Kosten voneinander abzugrenzen und abrechnungstechnisch aufzuteilen, weil sowohl durch Einweisungsleiden als auch durch Verletzungen im Krankenhaus entstandene Kosten untrennbar vermischt in den täglichen Pflegesatz eingingen; müßten die Krankenhausärzte nach Einzelleistungen abrechnen, könnte sich die Beklagte kaum gegen die Übernahme der durch den Arbeitsunfall verursachten zusätzlichen Arztkosten wehren.
Die Bestimmung des zuständigen Kostenträgers sei unter zwei rechtlichen Gesichtspunkten möglich: § 11 Abs 4 SGB V und § 49 Abs 1 Nr 3 SGB V (Ruhen des Krankengeldanspruchs während des Bezuges von Verletztengeld) ließen auf den allgemeinen Willen des Gesetzgebers schließen, bei Leistungskonkurrenz die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung denen der gesetzlichen Krankenversicherung im Range vorgehen zu lassen. Dies bedeute, daß der durch die Unfallverletzung begründete Anspruch der Geschädigten auf stationäre Behandlung gegenüber der Beklagten gegenüber dem weiterbestehenden Anspruch auf Gewährung stationärer Behandlung aus der Krankenversicherung im Range vorgehe, so daß die Beklagte hier der für die stationäre Behandlung in der Zeit vom 3. September 1993 bis 12. Oktober 1993 zuständige Leistungsträger sei und insoweit die Kosten der stationären Behandlung zu übernehmen habe. Außerdem habe hier der Durchgangsarzt nach dem Unfall eine stationäre besondere Heilbehandlung eingeleitet; dadurch habe die weitere stationäre Behandlung nicht mehr in ihrer Regie gestanden, sondern sich nach den von der Beklagten aufgestellten besonderen Regeln richten müssen. Damit müsse die Beklagte vom Beginn der Unfallbehandlung an der zuständige Leistungsträger sein, weil die Behandlung und damit die Kosten entscheidend durch die von ihr aufgestellten Regeln für die besondere Heilbehandlung bestimmt worden seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. April 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 17.286,00 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der von ihr für V im Zeitraum vom 3. September 1993 bis zum 12. Oktober 1993 aufgewandten Krankenhausbehandlungskosten, wie das SG zutreffend entschieden hat.
In der Revisionsinstanz fortwirkende Verstöße gegen verfahrensrechtliche Grundsätze, die bei einer zulässigen Revision, wie sie hier gegeben ist, von Amts wegen zu beachten sind und einer Entscheidung in der Sache entgegenstehen, liegen nicht vor. Mit Recht hat das SG die Rechtsnachfolger der V nicht nach § 75 Abs 2 Alternative 1 SGG beigeladen. Falls weder die dem Versicherten gewährte Leistung als solche streitig ist noch die Möglichkeit einer Doppelleistung besteht, es vielmehr nur um eine Lastenverteilung aus leistungsrechtlichen Verpflichtungen zweier Leistungsträger geht, werden die Rechte des Versicherten selbst durch die Entscheidung nicht berührt und dieser – bzw ggf sein Rechtsnachfolger – ist nicht notwendig beizuladen (vgl BSGE 72, 163, 168f = SozR 3-2200 § 183 Nr 6; BSG SozR 3-3100 § 18c Nr 2).
Ein Erstattungsanspruch der Klägerin könnte sich allein aus § 105 SGB X ergeben. § 103 SGB X, der die Erstattungspflicht bei nachträglichem Entfallen der Leistungspflicht regelt, kommt hier ebensowenig in Betracht wie § 104 SGB X, der die Erstattungspflicht des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers normiert. Nach § 105 Abs 1 SGB X ist, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne daß die Voraussetzungen des § 102 Abs 1 SGB X vorliegen, der zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (§ 105 Abs 1 Satz 1 SGB X). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall jedoch ebenfalls nicht gegeben.
Die Voraussetzungen des § 102 Abs 1 SGB X liegen hier allerdings – wie für den Erstattungstatbestand des § 105 Abs 1 SGB X erforderlich – nicht vor. Danach ist der zur Leistung verpflichtete Sozialleistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein anderer Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat. Die Klägerin war im Verhältnis zur Beklagten nicht gesetzlich zur vorläufigen Erbringung von Krankenhausbehandlung an die V verpflichtet. Aus § 43 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I), der hier allenfalls in Betracht kommen könnte, ergab sich eine solche Pflicht nicht. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift kann, wenn ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist, der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen. Die Klägerin hat die Krankenhausbehandlung erbracht, ohne daß insoweit – wie zur Erfüllung des Tatbestandes des § 43 Abs 1 SGB I erforderlich – Streit mit einem anderen Sozialleistungsträger über die Verpflichtung dazu bestand; streitig wurde die Frage des zuständigen Leistungsträgers vielmehr erst nach der Leistungserbringung. Wie das BSG bereits entschieden hat (BSGE 58, 263, 274 = SozR 2200 § 1237 Nr 20), erfaßt § 102 SGB X nicht den Fall einer freiwilligen, dh ohne rechtliche Verpflichtung übernommenen Vorleistung. Es kann mithin dahingestellt bleiben, ob die Klägerin hier überhaupt Vorleistungen für einen andern Leistungsträger erbringen wollte.
Die Klägerin ist jedenfalls nicht „unzuständiger Leistungsträger” iS des § 105 SGB X. „Zuständig” iS dieser Vorschrift ist der im Hinblick auf den erhobenen Anspruch nach materiellem Recht richtigerweise anzugehende, dh sachlich befugte (BSG SozR 1300 § 111 Nr 6 mwN), „unzuständig” dagegen der sachlich nicht befugte Leistungsträger. Als Krankenkasse ist die Klägerin grundsätzlich zur Leistung von Krankenhausbehandlung an ihre Versicherten zuständig (§ 2 Abs 1 Satz 1 iVm § 27 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V). Anspruch auf Krankenbehandlung haben Versicherte, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 27 Abs 1 Satz 1 SGB V). Dieser Anspruch umfaßt auch die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V) in Form von vollstationärer Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V).
Nach den bindenden Feststellungen des SG bedurfte V, die bei der Klägerin gegen Krankheit versichert war, in der Zeit vom 6. August 1993 bis zu ihrem Tode am 12. Oktober 1993, also auch in dem hier streitigen Zeitraum vom 3. September 1993 bis zum 12. Oktober 1993, aufgrund einer dekompensierten Herzinsuffizienz und eines entgleisten insulinpflichtigen Diabetes mellitus – unfallunabhängiger Erkrankungen – einer stationären Krankenhausbehandlung. Dies wird von den Beteiligten auch nicht bestritten. Damit lagen alle Voraussetzungen für die Zuständigkeit der Klägerin zur Erbringung der Krankenhausbehandlung auch im streitigen Zeitraum vor.
An dieser Zuständigkeit änderte sich durch den Unfall der V vom 3. September 1993 und dessen Folgen nichts. Zwar handelte es sich dabei nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des SG um einen Arbeitsunfall. V erlitt den Unfall bei der von einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gewährten stationären Behandlung und war daher nach dem hier gemäß § 212 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) noch anzuwendenden § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a der RVO gegen Arbeitsunfall versichert; das Ausgleiten auf dem frisch gewischten Fußboden ihres Krankenzimmers geschah aufgrund einer besonderen, mit der fremden Umgebung verbundenen Gefahr (vgl dazu BSGE 59, 291, 292 = SozR 2200 § 539 Nr 115 mwN) und stand damit in innerem Zusammenhang mit dem stationären Krankenhausaufenthalt. Für die Entschädigung dieses Arbeitsunfalls ist die Beklagte zuständig, § 658 Abs 2 Nr 3 RVO. Auch dies ist zwischen den Beteiligten im Ergebnis nicht strittig.
Die seit dem 6. August 1993 bestehende Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit aufgrund der unfallunabhängigen Erkrankungen der V wurde durch diesen Arbeitsunfall jedoch nicht beendet, sondern bestand unverändert bis zu ihrem Tode fort. Zwar bedingten auch die Folgen der unfallbedingten Beckenringfraktur nach den erstinstanzlichen Feststellungen die Notwendigkeit stationärer Krankenhausbehandlung, Art und Dauer der stationären Behandlung wurden nach den Feststellungen des SG durch die Unfallfolgen aber weder quantitativ noch qualitativ beeinflußt. V wurde weiterhin auf der bisherigen internistischen Station des Krankenhauses behandelt; die Unfallfolgen wurden dort mitbehandelt, ohne daß insoweit zusätzliche – als rein unfallbedingt allein von der Beklagten zu tragende – Kosten entstanden, auch wenn der Durchgangsarzt die „besondere Heilbehandlung” angeordnet hatte.
Die bereits aufgrund unfallunabhängiger Krankheiten bestehende Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit wurde auch nicht durch die Folgen des Unfalls im Wege einer sog „überholenden Kausalität” (vgl dazu BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr 91; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 480 d, e) verdrängt. Es berührt die einmal eingetretene Zuständigkeit der Krankenkasse für die Erbringung der Sachleistung Krankenhausbehandlung insoweit nicht, wenn infolge eines späteren Unfallereignisses wegen dessen Folgen ebenfalls stationäre Behandlungsbedürftigkeit gegeben ist, so daß die nur als einheitliche Leistung zu gewährende Krankenhausbehandlung auch vom Unfallversicherungsträger zu erbringen wäre. Ein Vorrang der Leistungspflicht der Unfallversicherungsträger ist für solche Fälle nicht vorgesehen.
Aus der Regelung des § 11 Abs 4 SGB V, die mit Wirkung vom 1. Januar 1991 durch das Gesundheits-Reformgesetz (GRG) in das SGB V eingefügt wurde, ergibt sich keine vorrangige Verpflichtung der Unfallversicherungsträger. Danach besteht auf Leistungen (der Krankenversicherung) kein Anspruch, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit iS der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. Mit dieser Vorschrift soll nach der Begründung des Entwurfs zum GRG eine klare Abgrenzung der beiden Versicherungszweige – Krankenversicherung und Unfallversicherung – vorgenommen werden, indem die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für den Fall ausgeschlossen wird, daß unfallbedingte Krankheiten Leistungen erforderlich machen (BT-Drucks 11/2237, S 163, zu § 11 Abs 3). Die Tragweite dieser Norm wird bei Betrachtung der Rechtslage vor ihrem Inkrafttreten deutlich. Bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten grundsätzlich die Krankenversicherungsträger ua die Krankenbehandlung, auch wenn die Krankheit auf einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit beruhte (§ 565 RVO aF), wobei sie ihre Aufwendungen gegenüber dem zuständigen Träger der Unfallversicherung gemäß § 1504 RVO aF geltend machen konnten. Diese zu zahlreichen Erstattungsstreitigkeiten infolge Meinungsverschiedenheiten über die Leistungsverpflichtung der Unfallversicherung (Vorliegen eines Arbeitsunfalls bzw einer Berufskrankheit, Umfang der Behandlungsbedürftigkeit uä) führende Regelung sollte nunmehr durch eine grundsätzliche Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger für die Leistungserbringung bei Versicherungsfällen der gesetzlichen Unfallversicherung ersetzt werden. Eine ursprünglich beabsichtigte Entlastung der Krankenversicherung vom Risiko jeglicher beruflich bedingter Unfälle ist allerdings nicht umgesetzt worden (vgl Hauck/Haines-Noftz, SGB V, 1997, K § 11 RdNr 35).
Der hier vorliegende Fall, daß die Voraussetzungen für die Gewährung einer Leistung sowohl aufgrund von unfallbedingten als auch von unfallfremden Gesundheitsstörungen nebeneinander und unabhängig voneinander gegeben sind, fällt mithin nicht in den Regelungsbereich des § 11 Abs 4 SGB V, der nur die Leistungsgewährung aufgrund einer (allein) in den Bereich der Unfallversicherung gehörenden Gesundheitsstörung im Auge hat. Diese Fallgestaltung bleibt also von § 11 Abs 4 SGB V unberührt mit der Folge, daß grundsätzlich beide Versicherungssysteme für die Leistungserbringung zuständig sind. Wird also etwa stationäre Krankenbehandlung vom Unfallversicherungsträger wegen unfallbedingter Gesundheitsstörungen erbracht, so ändert die nunmehr hinzutretende stationäre Behandlungsbedürftigkeit aufgrund einer unfallunabhängigen Erkrankung nichts an der Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers für die Erbringung dieser Leistung, sofern keine zusätzlichen – nur den unfallfremden Erkrankungen anzulastenden – kostensteigernden Leistungen hinzukommen. Andererseits bleibt der Krankenversicherungsträger, der aufgrund einer unfallunabhängigen Krankheit des Versicherten stationäre Krankenhausbehandlung gewährt, hierfür zuständig, auch wenn nunmehr Arbeitsunfallfolgen ebenfalls eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit bedingen, wenn und soweit hierfür keine besonderen, zusätzlichen Kosten entstehen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist § 11 Abs 4 SGB V und § 49 Abs 1 Nr 3 SGB V auch nicht der allgemeine Rechtssatz zu entnehmen, daß bei Leistungskonkurrenz die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung denen der gesetzlichen Krankenversicherung stets im Range vorzugehen hätten. Beide Normen haben einen deutlich abgegrenzten Regelungsbereich, der nicht auf eine vom Gesetzgeber gewollte generelle Bedeutung des ihnen zugrundeliegenden Rechtsgedankens schließen läßt. Angesichts der großen Tragweite einer solchen – von der bisherigen Regelung erheblich abweichenden – Leistungserweiterung für die gesetzliche Unfallversicherung ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber, falls er tatsächlich eine solche Regelungsabsicht gehabt hätte, dieser auf klare und eindeutige Weise Ausdruck verliehen hätte. Daß er diesen Bereich lediglich durch die beiden genannten Normen geregelt hat, läßt im Gegenteil darauf schließen, daß eine weitergehende generelle neue Risiko- und Leistungsabgrenzung, wie sie die Klägerin dem Gesetz über dessen Wortlaut hinaus entnehmen zu können glaubt, gerade nicht gewollt ist.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1175483 |
SGb 1999, 417 |
SozR 3-2200 § 539, Nr. 43 |
KHuR 1999, 106 |
KVuSR 2000, 59 |
SozSi 1999, 260 |