Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei sprachunkundigem Ausländer
Leitsatz (redaktionell)
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen einem sprachunkundigen Asylbewerber bei Versäumung der Frist des § 10 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG von Verfassungs wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (im Anschluß an BVerfGE 40, 95; BVerfGE 42, 120).
2. Die Rechtsschutzgarantien der Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1 GG verbieten, die Versäumung einer Rechtsmittelfrist, soweit sie auf den unzureichenden Sprachkenntnissen eines Ausländers beruht, als verschuldet i. S. des Rechts auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anzusehen.
3. Unzureichende Sprachkenntnisse entheben den Ausländer allerdings nicht der Sorgfaltspflicht in der Wahrnehmung seiner Rechte. Wird daher einem Ausländer ein Bescheid zugestellt, dessen Rechtsmittelbelehrung ihm unverständlich ist, kann er aber seine Bedeutung jedenfalls soweit erfassen, daß es sich um ein amtliches Schriftstück handeln könnte, das eine ihn belastende Verfügung enthält, so können im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht zumutbare Anstrengungen verlangt werden, sich innerhalb angemessener Frist Gewißheit über den genauen Inhalt des Schriftstücks zu verschaffen.
4. Für Ausländer, denen im Rahmen eines gesicherten Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland ein erkennbar amtliches Schriftstück zugeht, das sie nicht verstehen, hat das BVerfG entschieden, daß eine Vergewisserung über dessen Inhalt jedenfalls binnen eines Monats angesonnen werden kann. Diese nur beispielhaft genannte Frist läßt sich nicht einfachhin auf Asylbewerber übertragen.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4; AsylVfG §§ 10, 17 Abs. 1; VwGO § 80 Abs. 5, § 58 Abs. 1, § 60 Abs. 2
Verfahrensgang
VG Arnsberg (Beschluss vom 22.01.1992; Aktenzeichen 2 L 1276/91.A) |
VG Neustadt a.d. Weinstraße (Beschluss vom 06.08.1991; Aktenzeichen 1 L 1259/91.NW) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Tatbestand
A.
Die Beschwerdeführer wenden sich in den zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren gegen Beschlüsse, die ihnen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Antragsfrist nach § 10 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG versagen.
1. Beide Beschwerdeführer sind rumänische Staatsangehörige. Ihre Asylanträge wurden vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als offensichtlich unbegründet abgelehnt.
a) Dem Beschwerdeführer zu 1) wurde der ablehnende Bescheid zusammen mit Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung der Ausländerbehörde am 29. April 1991 durch Niederlegung zugestellt. In der Rechtsbehelfsbelehrung, die dem ausländerbehördlichen Bescheid beigefügt war, heißt es unter anderem:
„… Die Klage gegen diesen Bescheid hat keine aufschiebende Wirkung. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vom 21. Januar 1960 (BGBl. I, S. 17) kann innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieses Bescheides bei dem vorgenannten Verwaltungsgericht gestellt werden. …”
b) Dem Beschwerdeführer zu 2) wurde der ablehnende Bescheid, ebenfalls mit Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung versehen, am 24. Oktober 1991 durch Niederlegung zugestellt. In der Rechtsbehelfsbelehrung heißt es hier:
„… Die Klage gegen diesen Bescheid hat keine aufschiebende Wirkung. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieses Bescheides bei dem vorgenannten Verwaltungsgericht gestellt werden. …”
2. a) Am 27. Mai 1991 erhob der Beschwerdeführer zu 1) gegen die an ihn gerichteten Bescheide Klage und beantragte vorläufigen Rechtsschutz. Er machte geltend, daß die Behörde ihrer Verpflichtung, ihn auf die Möglichkeit eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO hinzuweisen, nicht ausreichend nachgekommen sei; dem rechtsunkundigen Verfahrensbeteiligten, auf dessen Empfängerhorizont abzustellen sei, sei der Inhalt einer solchen Rechtsbehelfsbelehrung nicht verständlich; folglich sei nur die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO in Lauf gesetzt worden.
In jedem Fall aber sei ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Fristversäumung zu gewähren. Er könne nämlich die deutsche Sprache weder verstehen noch lesen und habe deshalb zunächst nicht gewußt, um was es sich bei den Bescheiden handele. Über andere Rumänen, die im selben Hotel untergebracht seien, habe er einen Landsmann kennengelernt, der ihm die Bescheide am 16. oder 17. Mai 1991 übersetzt habe. Jener habe ihm dabei mitgeteilt, daß er einen Monat Zeit habe, um etwas zu unternehmen. Von der Wochenfrist habe er erstmals am 22. Mai 1991 von seinem Anwalt erfahren.
b) Der Beschwerdeführer zu 2) erhob gegen die an ihn gerichteten Bescheide am 8. November 1991 Klage und beantragte vorläufigen Rechtsschutz. Auch er stellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil er der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sei und nicht verstanden habe, daß er für einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO nur eine Frist von einer Woche habe. Diejenigen Personen, denen er den ausländerbehördlichen Bescheid gezeigt habe, seien der Ansicht gewesen, daß er nichts unmittelbar hätte unternehmen müssen. Erst als er nach Ablauf der Wochenfrist seinen Prozeßvertreter aufgesucht hatte, sei er auf die Bedeutung der Rechtsbehelfsbelehrung hingewiesen worden.
3. a) Mit Beschluß vom 6. August 1991 wies das Verwaltungsgericht Neustadt den Antrag des Beschwerdeführers zu 1) wegen Fristversäumnis als unzulässig ab. Maßgeblich sei die Wochenfrist des § 11 Abs. 2 i.V.m. § 10 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG und nicht die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO. Die Rechtsbehelfsbelehrung habe den gesetzlichen Anforderungen entsprochen. Sie habe klar und unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß eine Klage keine aufschiebende Wirkung habe und ein hiergegen gerichteter Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides zu stellen sei. Es sei demgegenüber nicht auch zwingender Inhalt der von § 10 Abs. 3 AsylVfG gebotenen Rechtsbehelfsbelehrung, über die genaue Bezeichnung des Rechtsbehelfs durch Angabe der maßgebenden gesetzlichen Bestimmung hinaus deren Inhalt und fachliche Bedeutung zu erläutern. Sei der Betroffene nicht in der Lage, die Belehrung zu verstehen, so stehe es ihm frei, einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen.
Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist komme nicht in Betracht, denn der Antragsteller sei nicht ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen, diese Frist einzuhalten. Sei ein Ausländer nicht in der Lage, den Inhalt eines ihm übermittelten Bescheides zu verstehen, so sei es seine Sache, für die Übersetzung – etwa durch Rücksprache bei der Ausländerbehörde – zu sorgen oder einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen. Dafür, daß dies innerhalb der Antragsfrist nicht möglich gewesen sei, seien keine Anhaltspunkte ersichtlich. Auch der Beschwerdeführer selbst habe diesbezüglich nichts vorgetragen.
b) Mit Beschluß vom 22. Januar 1992 wies das Verwaltungsgericht Arnsberg den Antrag des Beschwerdeführers zu 2) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Die Frist des § 10 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG sei bei Eingang des Antrags verstrichen gewesen. Dem Beschwerdeführer sei keine Wiedereinsetzung zu gewähren. Bei Anwendung zumutbarer Sorgfalt sei ihm die Fristeinhaltung möglich gewesen. Zwar möge es sein, daß der Beschwerdeführer die deutsche Sprache nicht verstehe. Dies genüge jedoch nicht, um die Fristversäumnis zu entschuldigen. Zum einen sei die Gerichtssprache deutsch und zum anderen sei es dem Antragsteller zuzumuten, unverzüglich die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um einen Übersetzer zu erreichen. Diesbezüglich habe der Antragsteller jedoch nichts vorgetragen. Der Antragsbegründung sei lediglich zu entnehmen, daß der Antragsteller erst nach Ablauf der Frist bei seinen Verfahrensbevollmächtigten vorstellig geworden sei. Hingegen enthielte die Begründung keine Anhaltspunkte dafür, daß der Antragsteller sich noch während des Laufs der Antragsfrist in irgendeiner Form darum bemüht habe, in den Besitz einer Übersetzung der Ausreiseaufforderung zu gelangen.
4. Hiergegen erhoben die Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde. Der Beschwerdeführer zu 1) sieht sich durch die nach seiner Auffassung unzureichende Rechtsbehelfsbelehrung in seinem Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verstoße angesichts der ihm nicht vorwerfbaren fehlenden Sprachkenntnisse gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Der Beschwerdeführer zu 2) sieht sich gleichfalls an einer zumutbaren Wahrnehmung der Rechtsschutzgarantien gehindert. Er habe die Wochenfrist nur kurz überschritten und sich rasch an einen Anwalt gewandt. Angesichts der Schärfe der Frist des § 10 Abs. 3 AsylVfG müsse bei fehlender Sprachkenntnis von Verfassungs wegen eine gewisse Großzügigkeit bei der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beachtet werden. Die überspannten Anforderungen der angegriffenen Entscheidungen verletzten ihn in seinen Grundrechten aus Art. 103 Abs. 1, 19 Abs. 4, 16 Abs. 2 Satz 2, 3 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG.
5. Dem Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Justizminister des Landes Rheinland-Pfalz ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Sie haben von einer Äußerung abgesehen.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig aber unbegründet.
1. Die Annahme des Verwaltungsgerichts Neustadt, daß die dem Beschwerdeführer zu 1) gegebene Rechtsbehelfsbelehrung die Wochenfrist des § 10 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG in Lauf gesetzt habe, verletzt diesen nicht in seinem Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG.
Welche Anforderungen im Asylverfahren an eine Belehrung gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 und 5 AsylVfG i.V.m. § 58 Abs. 1 VwGO zu stellen sind und ob hierbei auf die Möglichkeit der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ausdrücklich und gesondert von der dafür geltenden Frist hingewiesen werden muß, ist eine Frage der Auslegung des gesetzlichen Rechts. Diese obliegt den Fachgerichten und ist dem Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪93≫). Spezifisches Verfassungsrecht wird durch die Auslegung des Verwaltungsgerichts, nach der es hinreicht, wenn auf § 80 Abs. 5 VwGO nur durch einfache Erwähnung des Paragraphen unter Hervorhebung der einzuhaltenden Frist hingewiesen wird, nicht verletzt. Insbesondere wird der Asylbewerber dadurch nicht in unzumutbarer, gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßender Weise gehindert, den Rechtsweg zu beschreiten. Es ist ihm jederzeit möglich, sich über den Inhalt einer angegebenen Rechtsvorschrift, die ordnungsgemäß veröffentlicht ist, zu vergewissern und deren Bedeutung durch Einholung von Rechtsrat zu erschließen.
2. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer auch nicht dadurch in ihren Grundrechten, daß sie ihnen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagen.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats fordern Art. 103 Abs. 1 GG und – in Fällen ersten Zugangs zum Gericht – Art. 19 Abs. 4 GG, daß die mangelhafte Kenntnis der deutschen Sprache bei einem Ausländer nicht zur Verkürzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor Gericht führen darf. Versäumt daher ein der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtiger Ausländer eine Rechtsmittelfrist, so verbieten es die Rechtsschutzgarantien der Art. 19 Abs. 4, 103 Abs. 1 GG, die Versäumung dieser Frist, soweit sie auf den unzureichenden Sprachkenntnissen des Ausländers beruht, als nicht unverschuldet im Sinne des Rechts auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anzusehen (vgl. BVerfGE 40, 95 ≪100≫; 42, 120 ≪125 f.≫).
Unzureichende Sprachkenntnisse entheben den Ausländer allerdings nicht der Sorgfaltspflicht in der Wahrnehmung seiner Rechte. Wird daher einem Ausländer ein Bescheid zugestellt, dessen Rechtsmittelbelehrung ihm unverständlich ist, kann er aber seine Bedeutung jedenfalls soweit erfassen, daß es sich um ein amtliches Schriftstück handeln könnte, das eine ihn belastende Verfügung enthält, so können im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht zumutbare Anstrengungen verlangt werden, sich innerhalb angemessener Frist Gewißheit über den genauen Inhalt des Schriftstücks zu verschaffen. Für die Beurteilung der Angemessenheit dieser Frist ist die Länge der in der Rechtsmittelbelehrung angegebenen Rechtsmittelfrist nicht maßgebend. Deren Unkenntnis ist dem Betroffenen ja gerade nicht vorzuwerfen. Erheblich sind vielmehr die konkreten Umstände des jeweiligen Falles. Auf ihrer Grundlage muß beurteilt werden, innerhalb welcher Zeit dem Betroffenen welche Maßnahmen zumutbar waren, um ihn in die Lage zu versetzen, den Inhalt des Bescheids zu verstehen und dadurch zum „Wegfall des Hindernisses” für eine Wahrung der Frist beizutragen (vgl. BVerfGE 42, 120 ≪126 f.≫). Erfüllt der Betroffene die ihm insoweit obliegende Sorgfaltspflicht nicht, so kann das Weiterbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden (vgl. BGH, NJW-RR 1990, S. 830; Kopp, VwGO, 8. Aufl. 1989, § 60 Rdnr. 19).
b) Für Ausländer, denen im Rahmen eines gesicherten Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland ein erkennbar amtliches Schriftstück zugeht, das sie nicht verstehen, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß eine Vergewisserung über dessen Inhalt jedenfalls binnen eines Monats angesonnen werden kann (BVerfGE 42, 120 ≪127≫). Diese nur beispielhaft genannte Frist läßt sich nicht einfachhin auf Asylbewerber übertragen.
Dies folgt aus dem besonderen, Asylbewerbern in Übereinstimmung mit Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG gewährten aufenthaltsrechtlichen Status. Einem Asylbewerber ist der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nur solange gestattet, bis über seinen Asylantrag entschieden wird (§§ 19 ff. AsylVfG). Er weiß, daß der Sinn seiner Aufenthaltsgestattung allein in der Klärung seiner Asylberechtigung liegt und daß von deren Ausgang sein Bleiberecht regelmäßig abhängt. Gemäß § 17 Abs. 1 AsylVfG hat er während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, daß ihn Mitteilungen im Rahmen des Asylverfahrens stets erreichen können. Von Gesetzes wegen ist sein Aufenthalt nicht mehr als ein Warten auf den Asylbescheid.
Ist hiernach der gesamte Aufenthalt eines Asylbewerbers auf den Asylbescheid hin orientiert, ist es ihm zuzumuten, daß er sich bei Eingang eines erkennbar amtlichen Schreibens umgehend und intensiv darum bemüht, dessen Inhalt zu erkunden. Anders als im Regelfall, in dem ein amtliches Schreiben den der deutschen Sprache unkundigen Adressaten im anderweitig bestimmten Lebensalltag erreicht, muß ein Asylbewerber damit rechnen, daß dieses gerade sein Verfahren betrifft und von großer Dringlichkeit ist. Er darf deshalb nicht zunächst einige Tage untätig bleiben; vielmehr obliegt ihm, sich unverzüglich und mit allem ihm zumutbaren Nachdruck um eine rasche Aufklärung über den Inhalt eines ihm nicht verständlichen Schreibens zu bemühen.
Angesichts dessen, daß der Asylbewerber stets erreichbar sein muß (§ 17 Abs. 1 AsylVfG) und überdies regelmäßig durch seinen Aufenthalt schon Gelegenheit hatte, sich zu orientieren und Rechtsrat zu suchen (vgl. BVerfGE 60, 253 ≪294≫), wird dies bei zumutbaren Anstrengungen jedenfalls in größeren Städten regelmäßig innerhalb einer Woche möglich sein. Eine Versäumung der Frist innerhalb derer der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu stellen ist, kann dann nicht mehr mit mangelnden Sprachkenntnissen entschuldigt werden.
Führen allerdings innerhalb dieser Zeit auch unverzügliche und nachdrückliche Bemühungen nicht dazu, daß sich der Asylbewerber über den Inhalt des Bescheides Klarheit verschaffen kann, ist ihm ein Verschulden nicht vorzuwerfen. Macht ein Asylbewerber nach § 60 Abs. 2 VwGO fristgemäß und substantiiert glaubhaft, daß er sich umgehend nach Erhalt des Schreibens mit allem ihm zumutbaren Nachdruck um eine rasche Aufklärung dessen Inhalts bemüht hat, dies aber dennoch nicht so rechtzeitig möglich war, daß er die Frist des § 10 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG einhalten konnte, ist ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
In der Praxis läßt sich solchen Schwierigkeiten allerdings dadurch begegnen, daß den Verwaltungsbehörden für ihre Rechtsbehelfsbelehrungen Übersetzungen in den für Asylbewerber einschlägigen Sprachen zur Verfügung gestellt werden (vgl. auch BVerfGE 40, 95 ≪98≫).
c) Hiernach ist die Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch die Verwaltungsgerichte im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar unterliegen die angegriffenen Entscheidungen insoweit, als sie das Verständnis der Bescheide und die Kenntnis der Wochenfrist seitens der Beschwerdeführer voraussetzen, verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn der Inhalt des amtlichen Schreibens war den Beschwerdeführern mangels Sprachkenntnis gerade unbekannt. Jedoch haben weder der Beschwerdeführer zu 1) noch der Beschwerdeführer zu 2) innerhalb der Frist des § 60 Abs. 2 VwGO vorgetragen, daß sie sich umgehend und intensiv um eine Übersetzung der Schreiben gekümmert hätten und so den ihnen obliegenden Sorgfaltspflichten, zum „Wegfall des Hindernisses” beizutragen, nachgekommen seien. Der Beschwerdeführer zu 1) hat seinem Vortrag nach erst zweieinhalb Wochen nach Eingang des Schreibens jemanden gefunden, der ihm den Inhalt des Schreibens verständlich machen konnte. Daß er sich während der gesamten Zeit mit allem Nachdruck um eine Übersetzung gekümmert habe, hat er nicht vorgetragen. Auch der Beschwerdeführer zu 2) hat in keiner Weise substantiiert dargelegt, daß er sich seit Eingang des Schreibens intensiv darum bemüht habe, sich über dessen Inhalt Klarheit zu verschaffen. Welche Personen er gefragt hat, in welcher Art und zu welchem Zeitpunkt dies geschehen ist und warum er sich auf diese meinte verlassen zu können, hat er in keiner Weise ausgeführt.
3. Verstöße gegen andere Grundrechte sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergeben sich aus den Art. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 16 Abs. 2 Satz 2 GG keine über die aufgezeigten Maßstäbe hinausführenden Anforderungen an die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die insoweit vorgebrachten Rügen des Beschwerdeführers zu 2) gehen damit fehl.
Fundstellen