Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung für solche Personen, die sich während der Zeit der Kinderziehung im Ausland – im vorliegenden Fall in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union – aufgehalten haben.
Die am 11. März 1926 geborene Beschwerdeführerin war bis 1948 im Gebiet der damaligen sowjetischen Besatzungszone versicherungspflichtig beschäftigt. Danach lebte sie mit ihrem Ehemann in Belgien. Dort gingen aus der Ehe drei in der Zeit von 1949 bis 1952 geborene Kinder hervor. 1957 siedelte die Familie in die Bundesrepublik um, wo die Beschwerdeführerin in der Zeit von 1962 bis 1977 einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachging.
Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als Beklagte des Ausgangsverfahrens lehnte 1986 bei der Gewährung von Altersruhegeld die Anerkennung von Kindererziehungszeiten nach § 28a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) mit der Begründung ab, die Beschwerdeführerin habe weder während der Kindererziehung in Belgien noch unmittelbar vor den Geburten Beiträge nach dem Angestelltenversicherungsgesetz geleistet. Im nachfolgenden Klageverfahren hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 25. April 1990 – 4 RA 48/89 – einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten verneint. Hiergegen richtet sich die Verfassungsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde bietet, ihre Zulässigkeit unterstellt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Die der Entscheidung des Bundessozialgerichts zugrunde liegende Vorschrift des § 28a AVG in der Fassung des Art. 7 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 – RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S. 2261), die mit der Verfassungsbeschwerde mittelbar angegriffen wird, verstieß, soweit sie die rentenrechtliche Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung im Ausland ausschloß, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Es entspricht der Eigenart eines auf Pflichtbeiträgen der Versicherten aufbauenden Sozialversicherungssystems, daß es grundsätzlich an inländische Beschäftigungsverhältnisse anknüpft, weil die mit einem derartigen System verbundene zwangsweise Einziehung von Pflichtbeiträgen lediglich innerhalb der Reichweite der nationalen Hoheitsgewalt erfolgen kann. Es ist ein verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstandendes Ziel nationaler Sozialpolitik, sozial relevante Tatbestände im eigenen Staatsgebiet zu formen und zu regeln; dies geschieht ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit dessen, der den Tatbestand verwirklicht. Systemgerechter Anknüpfungspunkt für die mitgliedschaftliche Einbeziehung in nationale Sozialversicherungssysteme ist daher der gewöhnliche Aufenthalt einer Person im jeweiligen Staatsgebiet und nicht die Staatsangehörigkeit. Soweit ersichtlich hat sich dieses System in allen nationalen Sozialversicherungssystemen durchgesetzt. Davon kennt das deutsche Sozialversicherungsrecht Ausnahmen (vgl. §§ 4, 5 SGB IV), die aber im vorliegenden Fall nicht einschlägig sind.
2. An diesem historisch gewachsenen Schutzbereich der Sozialversicherung und insbesondere der gesetzlichen Rentenversicherung hat sich der Gesetzgeber bei der territorialen Begrenzung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten in sachgerechter Weise orientiert. Nur wer sich danach noch im sozialen Verantwortungsbereich der Bundesrepublik Deutschland aufhält, soll auch im Falle der Kindererziehung rentenwirksam abgesichert werden.
Wer sich dagegen, wie die Beschwerdeführerin es getan hat, in ein ausländisches Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsystem integriert, befindet sich für die Dauer dieser Integration nicht mehr im Verantwortungsbereich der bundesdeutschen Rentenversicherung. Er partizipiert vielmehr regelmäßig an den dort im Falle der Kindererziehung gewährten Sozialleistungen. Bereits die Vermeidung des Bezugs von Doppelleistungen rechtfertigt daher den Staatsgebietsbezug bei der Anerkennung von Kindererziehungszeiten.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kühling, Jaeger, Steiner
Fundstellen
Haufe-Index 1276250 |
BB 1998, 1592 |
DStR 1998, 1728 |
NJW 1998, 2963 |
FamRZ 1998, 1293 |
NVwZ 1998, 1172 |
AuA 1999, 468 |
NZS 1998, 518 |
SozSi 1999, 221 |