Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung des erbschaftsteuerlichen Erwerbs von anderem Vermögen als Grundbesitz mit gemeinem Wert
Leitsatz (amtlich)
Es war verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß bis 1973 Zuwendungen von Grundbesitz nur mit den nach den Wertverhältnissen von 1935 ermittelten Einheitswerten zur Erbschaftsteuer heranzuziehen waren, während für Kapitalforderungen zeitnahe Werte anzusetzen waren (im Anschluß an BVerfGE 23, 242) .
Normenkette
BewG §§ 10, 12 Abs. 1; ErbStG §§ 22-23, 28; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
A.
Das Normenkontrollverfahren betrifft die Prüfung, ob es 1966 mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar war, den erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb von anderem Vermögen als Grundbesitz mit dem gemeinen Wert zu bewerten, solange dem Erwerb von Grundbesitz nur die nach dem Wertniveau von 1935 ermittelten Einheitswerte zugrunde zu legen waren.
I.
1. Der Erbschaftsteuer unterliegen der Erwerb von Todes wegen, Schenkungen unter Lebenden und Zweckzuwendungen (§ 1 Abs. 1 bis 4 des im Ausgangsverfahren anwendbaren Erbschaftsteuergesetzes vom 22. August 1925 [RGBl I S. 320] in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. April 1959 ([BGBl I S. 187, berichtigt S. 667] – ErbStG 1959 –). Wegen der Bewertung verweist das Erbschaftsteuergesetz 1959 auf die Vorschriften des Bewertungsgesetzes. Die §§ 22 und 23 ErbStG 1959 lauten:
§ 22
Bewertungsstichtag
Für die Wertermittlung ist, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, der Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld maßgebend.
§ 23
Bewertung
(1) Die Bewertung richtet sich, soweit nicht in den Absätzen 2 bis 7 etwas Besonderes vorgeschrieben ist, nach den Vorschriften des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes (Allgemeine Bewertungsvorschriften).
(2) Für land- und forstwirtschaftliches Vermögen, für Grundvermögen, für Betriebsgrundstücke und für Gewerbeberechtigungen ist der Einheitswert maßgebend, der nach dem Zweiten Teil des Bewertungsgesetzes (Besondere Bewertungsvorschriften) auf den Zeitpunkt festgestellt ist, der der Entstehung der Steuerschuld vorangegangen ist oder mit ihr zusammenfällt.
(3) – (5) …
(6) Für den Bestand und die Bewertung von Betriebsvermögen mit Ausnahme der Bewertung der Betriebsgrundstücke und der Gewerbeberechtigungen (Absatz 2) sind die Verhältnisse zur Zeit der Entstehung der Steuerschuld maßgebend. Die Vorschriften der §§ 54 bis 58, 62, 65 und 66 Absatz 1 und 4 Satz 1 des Bewertungsgesetzes sind anzuwenden. Zum Betriebsvermögen gehörende Wertpapiere, Anteile und Genußscheine von Kapitalgesellschaften sind nach § 13 des Bewertungsgesetzes zu bewerten.
(7) …
Von den danach anwendbaren Vorschriften des Bewertungsgesetzes 1965 lautet die hier einschlägige Vorschrift für Kapitalforderungen:
§ 12
(1) Kapitalforderungen,…, und Schulden sind mit dem Nennwert anzusetzen,…
(2)–(4)…
2. Die Bewertung war im Jahre 1966, dem für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens erheblichen Zeitpunkt, wie folgt ausgestaltet: Wie das Bundesverfassungsgericht bereits dargelegt hat (BVerfGE 23, 242 [251] ), hatte das Bewertungsgesetz – BewG – vom 16. Oktober 1934 (RGBl I S. 1035) einen im wesentlichen einheitlichen Maßstab für die Bewertung von Wirtschaftsgütern zur Erfassung durch verschiedene Steuern, unter anderem die Erbschaftsteuer, geschaffen. Der Gesetzgeber hatte in dem die gesamte Bewertung regelnden Bewertungsgesetz verschiedene Vermögensarten in eine Relation zueinander gebracht, um eine gleichmäßige steuerliche Erfassung zu gewährleisten. Grundlage der Bewertung war im allgemeinen der gemeine Wert; bei bestimmten Wirtschaftsgütern war mit Rücksicht auf deren Eigenart eine besondere Bewertungsmethode, das Ertragswertverfahren, vorgeschrieben. Für die Bewertung des Grundbesitzes (Einheitsbewertung) sah das Bewertungsgesetz periodische Hauptfeststellungen der sich ändernden Werte vor. Diese wurden auf Grund Art. 1 Nr. 2 der Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Reichsbewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz vom 22. November 1939 (RGBl I S. 2271) ausgesetzt, so daß die nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 festgestellten Einheitswerte maßgebend blieben, obwohl die tatsächlichen Werte infolge der weiteren Entwicklung zum Teil sehr erheblich gestiegen waren. Da die nicht in Grundbesitz bestehenden Vermögenswerte zeitnah bewertet wurden, trat zwischen beiden Vermögensgruppen eine Wertverschiebung von bedeutendem Ausmaß ein (BVerfGE a.a.O., S. 252). Deshalb wurde das Bewertungsrecht durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 13. August 1965 (BGBl I S. 851) – BewÄndG 1965 – vor allem mit dem Ziel, die überholten Einheitswerte 1935 an zeitnahe Werte heranzuführen, reformiert und in neuer Fassung als Bewertungsgesetz 1965 – BewG 1965 – bekanntgemacht (BGBl I S. 1862). Das Bewertungs-Änderungsgesetz 1965 trat zwar am Tage nach seiner Verkündung, also am 14. August 1965, in Kraft (Art. 9 Abs. 1 BewÄndG 1965). Es sah eine Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes, d.h. des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, des Grundvermögens und der Betriebsgrundstücke auf den 1. Januar 1964 vor (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BewÄndG 1965), ordnete aber gleichzeitig an, daß der Zeitpunkt, von dem an die auf den 1. Januar 1964 festzustellenden Einheitswerte des Grundbesitzes nach neuem Recht der Besteuerung zugrunde gelegt werden und die von diesem Zeitpunkt an zu beachtenden Besteuerungsmaßstäbe durch besonderes Gesetz bestimmt werden (Art. 3 Abs. 1 BewÄndG 1965). Das geschah für die Erbschaftsteuer erst durch das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts vom 17. April 1974 (BGBl I S. 933) – ErbStRG –. Dieses enthielt in Art. 1 ein neues Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG 1974) und ordnete in Art. 2 für erbschaftsteuerliche Zwecke die Anwendung der auf den 1. Januar 1964 festgestellten Einheitswerte teilweise mit einem Zuschlag von 40 v. H. an. Es trat nach Art. 10 § 2 rückwirkend am 1. Januar 1974 in Kraft. Für die Vermögen- und für die Grundsteuer wurden die neuen Einheitswerte durch das Vermögensteuerreformgesetz vom 17. April 1974 (BGBl I S. 949) und durch das Grundsteuergesetz vom 7. August 1973 (BGBl I S. 965) für anwendbar erklärt.
II.
Dem Ausgangsverfahren liegt eine Schenkung zugrunde, die zwischen den minderjährigen Klägern des Ausgangsverfahrens und deren Großvater am 25. August 1966 vereinbart worden war. Dieser übertrug Teilbeträge einer aus einer Abfindungsvereinbarung herrührenden Darlehensforderung zu je 200 000 DM nebst Zinsen gegen eine Familien-Kommanditgesellschaft, an der er früher als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt gewesen war. Die Schenkung erfolgte ausdrücklich unter der „Auflage”, mit den erworbenen Teilbeträgen der Kommanditgesellschaft als Kommanditisten beizutreten; die Erwerber verpflichteten sich, diese „Auflage” zu erfüllen und traten am 28. Dezember 1966 der Kommanditgesellschaft bei. Die Gesellschafter der Kommanditgesellschaft hatten zuvor beschlossen, die Erwerber aufzunehmen.
Das FA setzte Schenkungsteuer in Höhe von je 19 965 DM fest. Das FG billigte die Auffassung des FA, Gegenstand der Schenkung seien nicht Kommanditanteile, sondern Darlehensteilforderungen nebst Zinsen gewesen, die nach § 23 Abs. 1 ErbStG 1959 in Verbindung mit § 12 BewG 1965 mit dem Nennwert angesetzt werden müßten. Demgegenüber vertraten die Erwerber die Ansicht, es seien Kommanditanteile geschenkt worden, die nach § 23 Abs. 6 und 2 ErbStG 1959 zu bewerten seien in diesem Falle wäre keine Schenkungsteuerschuld entstanden. Die Kommanditgesellschaft hätte, da bewertungsrechtlich ihre Betriebsgrundstücke nur mit den auf den 1. Januar 1935 ermittelten Einheitswerten hätten berücksichtigt werden dürfen und die Betriebsschulden mit dem Nennwert hätten eingesetzt werden müssen, als „überschuldet” gegolten, obwohl die Handels- und Ertragsteuerbilanzen ein positives Kapital auswiesen und das tatsächliche Reinvermögen der Kommanditgesellschaft noch über dem bilanzmäßigen Kapital lag. Demgemäß überstieg der gemeine Wert der Beteiligungen der Kommanditisten noch beträchtlich den Wert der Einlagen von je 200 000 DM nebst Zinsen; bewertungsrechtlich lag der Wert der Anteile an der „überschuldeten” Kommanditgesellschaft jedoch bei etwa minus 240 000 DM.
III.
1. Der BFH legt dar, er könne wegen lückenhafter Feststellungen des FG nicht abschließend prüfen, ob der Großvater Kommanditbeteiligungen oder Darlehensteilforderungen geschenkt habe. An der Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und an der Zurückweisung der Sache an die Vorinstanz sieht sich der BFH gehindert, da er § 23 Abs. 1 ErbStG, jedenfalls im Zeitpunkt des Entstehens der Erbschaftsteuerschuld (25. August 1966) für verfassungswidrig und nichtig hält. Bei Nichtigkeit des § 23 Abs. 1 ErbStG 1959 fehle es an einer gültigen Bewertungsnorm für die nach dieser Vorschrift zu bewertenden Erwerbe, so daß insoweit nicht (auch nicht „frei”) bewertet werden dürfte und die Klage Erfolg haben müßte. Sollte § 23 Abs. 1 ErbStG 1959 gültig sein, wäre das Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, damit das FG seine Feststellungen zum Gegenstand des Schenkungsvertrages ergänzen könnte. Vom Ausgang einer Beweisaufnahme würde dann abhängen, ob die Klage – bei Annahme der Schenkung einer Geldforderung – schließlich abzuweisen oder ob ihr – bei Annahme der Schenkung eines „überschuldeten” Kommanditanteils – stattzugeben wäre.
2. Da der BFH § 23 Abs. 1 ErbStG 1959 für nachkonstitutionelles Recht hält, hat er das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt,
ob die durch Art. 1 Nr. 12 des Gesetzes zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes vom 30. Juni 1951 (BGBl I S. 759) als § 22 Abs. 1 in das Erbschaftsteuergesetz, eingefügte Vorschrift des § 23 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. April 1959 (BGBl I S. 187) am 25. August 1966 mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig war.
Es verstoße jedenfalls zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt am 25. August 1966 gegen den Gleichheitsgrundsatz, für Vermögensgegenstände, die nicht in Grundbesitz bestehen, nach § 23 Abs. 1 ErbStG Werte anzusetzen, die den tatsächlichen Preisen am Stichtag entsprächen oder ihnen zumindest nahekämen, während für Grundbesitz die auf dem Wertniveau von 1935 ermittelten Einheitswerte gültig seien, obwohl sich die Wertverhältnisse seit 1935 erheblich verschoben hätten. In der Regel betrage der wirkliche Wert eines Grundstücks ein Vielfaches des Einheitswerts, häufig das Zehnfache, in Ballungsgebieten der Großstädte auch ein Vielfaches des Zehnfachen. Das Auseinanderklaffen der Einheitswerte und der gemeinen Werte führe bei der Erbschaftsteuer, einer Steuer mit progressiven Steuersätzen, zu völlig sinnwidrigen Ergebnissen.
Es sei zwar nicht schlechthin unzulässig, unter bestimmten Umständen bestimmte Gegenstände niedriger zu veranschlagen als mit ihrem Verkehrswert. Wenn sich etwa das in einem Mietwohngrundstück gebundene Kapital nur mit 3 v. H. verzinse, während die darauf ruhenden Lasten mit 6 v. H. oder gar mit 9 v. H. verzinst werden müßten, spreche vieles dafür, der Differenz dieser Zinsfaktoren dadurch Rechnung zu tragen, daß das Grundstück nur zu seinem niedrigeren Ertragswert angesetzt werde. Wenn in der Land- und Forstwirtschaft nur eine geringe Verzinsung des eingesetzten Kapitals erwirtschaftet werden könne, sei es sinnvoll, auch bei der Erbschaftsteuer niedrigere Ertragswerte anzusetzen. Unter keinem denkmöglichen Grund sei es jedoch gerechtfertigt, die verschiedene Bewertung in dem bisher eingetretenen Ausmaß aufrechtzuerhalten, zumal auch wegen der verschiedenen Grundstückspreisentwicklung in den einzelnen Teilen des Bundesgebietes der Umfang des dem einzelnen Erwerber zukommenden Vorteils rein zufällig sei.
IV.
Für die Bundesregierung hat sich der Bundesminister der Finanzen nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder, die keine eigenen Stellungnahmen abgegeben haben, geäußert. Er hält die Vorlage für unzulässig, weil nach dem gegenwärtigen Stand des Ausgangsverfahrens nicht feststehe, ob es für die Entscheidung auf die Gültigkeit des § 23 Abs. 1 ErbStG ankomme.
Im übrigen sei die Vorlage unbegründet, weil § 23 Abs. 1 ErbStG in der bis 31. Dezember 1973 geltenden Fassung insbesondere für den im Ausgangsfall maßgebenden Zeitpunkt des 25. August 1966 grundgesetzgemäß sei. Allerdings hätten Diskrepanzen zwischen den tatsächlichen Werten und den Einheitswerten 1935 vorgelegen. Der Gesetzgeber sei jedoch nicht in der Lage gewesen, die ehedem nicht zu beanstandenden Einheitswerte frühzeitiger durch eine bessere Regelung zu ersetzen, da die für die Bewertung des Grundbesitzes maßgebenden Umstände sich grundlegend verändert hätten. Erst seit dem Jahre 1960 hätten sich, auch wegen verschiedener gesetzlicher Maßnahmen wie der Aufhebung der Preisbindung für Grundstücke und der schrittweisen Überführung der Wohnungswirtschaft in die soziale Marktwirtschaft, die wirtschaftlichen Verhältnisse konsolidiert. In der Land- und Forstwirtschaft habe man infolge des Hineinwachsens in den Gemeinsamen Markt der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Entwicklung der Ertragsverhältnisse als Voraussetzung für eine Bewertung nicht voll überschauen können. Die Durchführung des Bewertungsgesetzes 1965 habe entgegen den ursprünglichen Erwartungen einen langen Zeitraum beansprucht. Nachdem der Gesetzgeber zu Beginn der siebziger Jahre einen Überblick über die Einheitswerte des Grundbesitzes erlangt habe, habe er unter Zugrundelegung der so ermittelten Einheitswerte des Grundbesitzes die Steuerreformgesetze auf dem Gebiet der Vermögens-, Erbschaft-, Grund- und Gewerbesteuer erlassen.
Entscheidungsgründe
B.
Die Vorlage ist zulässig.
1. Der BFH hat die Entscheidungserheblichkeit des zur Prüfung gestellten § 23 Abs. 1 ErbStG 1959 dargetan. Bei Gültigkeit der Bestimmung will er das finanzgerichtliche Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur Klärung des Vertragswillens an das FG zurückverweisen. Vom Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem FG würde es dann abhängen, ob die Klage schließlich unter Anwendung des § 23 Abs. 1 ErbStG 1959 abgewiesen oder ob ihr unter Anwendung des § 23 Abs. 6 und 2 ErbStG stattgegeben werden müßte. Bei Ungültigkeit des § 23 Abs. 1 ErbStG will der BFH die Schenkungsteuerbescheide ersatzlos aufheben. Es fehle dann an einer Bewertungsvorschrift für Kapitalforderungen, so daß nicht „frei”, sondern gar nicht bewertet werden dürfe. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Auffassung des BFH, eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Grundbesitz und nicht in Grundbesitz bestehenden Vermögenswerten müsse zu einer Nichtigkeit des § 23 Abs. 1 ErbStG führen, zutrifft. Wenn die Verfassungswidrigkeit einer Regelung darauf beruht, daß für einen jeweiligen Anwendungsbereich gültige Bestimmungen – gemeiner Wert für Kapitalforderungen, Einheitswert für Grundbesitz – nur deshalb mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, weil sie in dem Gesamtsystem der Bewertung der Gleichheit widersprechen, so kann das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nur diesen Verfassungsverstoß feststellen, ohne die eine oder andere Regelung für nichtig zu erklären (vgl. BVerfGE 23, 1 [10] ; 28, 227 [243] ). Es müßte dann das Ausgangsverfahren bis zu einer dem Gleichheitsgebot Rechnung tragenden Neuregelung durch den Gesetzgeber ausgesetzt werden. Auch dies bedeutet eine andere als die bei Gültigkeit des § 23 Abs. 1 ErbStG zu erlassende Entscheidung.
2. Es steht der Zulässigkeit des Vorlagebeschlusses nicht entgegen, daß nach Auffassung des BFH das FG noch nicht festgestellt hat, ob es sich um die Schenkung einer Kapitalforderung oder eines Kommanditanteils handelt. Im letztgenannten Fall würde das FG unter Anwendung der Bewertungsgrundsätze des § 23 Abs. 6 und 2 wegen der „Überschuldung” des Kommanditanteils zu einer Aufhebung des Steuerbescheides kommen, ohne daß es letzten Endes auf die Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 1 ErbStG ankäme. Zwar hat ein vorlegendes Gericht darzulegen, daß es bei Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm zu einem anderen Ergebnis kommen würde als bei Ungültigkeit. Da jedoch ein Revisionsgericht den Sachverhalt nicht selbst feststellen kann, sind seine Vorlagebeschlüsse auch dann zulässig, wenn es möglicherweise nach weiterer Aufklärung durch die Tatsacheninstanz für den Ausgang des Prozesses auf die vorgelegte Norm letztlich nicht mehr ankommt (BVerfGE 24, 119 [134]).
3. § 23 Abs. 1 ErbStG ist auch – wie § 23 ErbStG 1959 insgesamt – eine Norm nachkonstitutionellen Rechts. Bis zur Neufassung des Erbschaftsteuergesetzes am 1. April 1959 (BGBl I S. 187) wurde die Bestimmung in der Paragraphenfolge als § 22 ErbStG geführt. Bei Inkrafttreten des Grundgesetzes hatte § 22 ErbStG drei Absätze, von denen die Absätze 1 und 2 dem § 23 Abs. 1 und 2 ErbStG 1959 entsprachen. § 22 Abs. 3 ErbStG in der Fassung des Gesetzes vom 16. Oktober 1934 (RGBl I S. 1056) enthielt eine Ermächtigung an den Reichsminister der Finanzen zum Erlaß ergänzender Bestimmungen, von der in der Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung Gebrauch gemacht worden war. Durch Art. I Nr. 12 des Gesetzes zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes vom 30. Juni 1951 (BGBl I S. 759) wurde § 22 ErbStG neu gefaßt und dabei die Verordnungsermächtigung des Abs. 3 und die entsprechenden Bestimmungen der Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung in diese Bestimmung aufgenommen. Der Gesetzgeber hat sich nicht damit begnügt, § 22 Abs. 3 a. F. durch § 22 Abs. 3 bis 6 n. F. zu ersetzen, sondern hat auch die Absätze 1 und 2 zum Gegenstand seiner Neuregelung gemacht.
4. § 23 Abs. 1 ErbStG 1959 verweist auf den ersten Teil des Bewertungsgesetzes, also seit 1965 auf die §§ 1 bis 16 BewG n. F., und hat damit so viele Teilinhalte, wie der erste Abschnitt des Bewertungsgesetzes Normen enthält. In den Ausgangsfällen kommt es auf die Bewertung von Darlehensforderungen mit dem Nennbetrag nach § 12 Abs. 1 BewG n. F. an. Es ist daher möglich und auch geboten, die Vorlagefrage dahin zu beschränken, ob § 23 Abs. 1 ErbStG 1959 insoweit mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig war, als er unter Verweisung auf § 12 BewG n. F. die Bewertung von Kapitalforderungen mit dem Nennbetrag anordnete.
Es besteht auch kein Anlaß, nicht nur den entscheidungserheblichen Teil des § 23 Abs. 1 ErbStG 1959, sondern auch die von ihm in Bezug genommenen Vorschriften des Bewertungsgesetzes, soweit sie mittelbar entscheidungserheblich sind – hier § 12 Abs. 1 BewG n. F. –, generell auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Das Bewertungsgesetz gilt für mehrere Steuerarten. Für sich gesehen liefert es nur wertneutrale Rechnungsgrößen. Die Auswirkungen des Bewertungsgesetzes können z.B. bei der laufend nach einem proportionalen Steuersatz erhobenen Vermögensteuer anders sein als bei der einmalig geschuldeten, mit progressiven Steuersätzen ausgestatteten Erbschaftsteuer.
C.
In der sachlichen Beurteilung kann dem Vorlagebeschluß nicht gefolgt werden.
Der Gesetzgeber hatte im Bewertungsgesetz ein aufeinander abgestimmtes Bewertungssystem mit vergleichbaren Werten geschaffen, um eine gleichmäßige Besteuerung zu erreichen. Er hat dabei nach einzelnen Vermögensarten unterschieden und für ihre Bewertung verschiedene Maßstäbe eingeführt, wie den gemeinen Wert im Sinne des § 10 BewG und den Ertragswert. Damit hat er im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bestimmt, welche Sachverhalte er im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerfGE 23, 242 [251 f.] ). Der Gleichheitssatz wäre verletzt, wenn auch bei Berücksichtigung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit in der Einordnung der einzelnen Sachverhalte das Prinzip der gleichmäßigen Besteuerung von vornherein nicht gewahrt wäre, oder wenn die tatsächliche Entwicklung der Bewertung bei einem Vergleich verschiedener Bewertungsgruppen zu einem unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit unerträglichen Auseinanderklaffen der wirklichen Werte und der nach dem Bewertungsgesetz ermittelten Werte führen würde. Im letzten Fall könnten die einzelnen Bewertungsmaßstäbe unter verfassungsrechtlichen Aspekten untereinander unvereinbar werden, so daß der Gesetzgeber Abhilfe schaffen müßte. Dieser Pflicht hat der Gesetzgeber noch entsprochen.
I.
Nicht zu beanstanden ist, daß für einzelne Grundstücksarten, wie z.B. land- und forstwirtschaftliches Vermögen, und für Betriebsgrundstücke, die wie land- und forstwirtschaftliches Vermögen zu bewerten sind, ein auch für die erbschaftsteuerliche Bewertung (§ 23 Abs. 2 bis 4 und 6 ErbStG 1959) maßgeblicher Ertragswert ermittelt wurde, obwohl diese Bewertung – unabhängig von der Rückbeziehung auf die Wertverhältnisse des Jahres 1935 – zu niedrigeren Werten führen kann als die Bewertung des sonstigen Grundbesitzes und der anderen Vermögensgegenstände mit dem gemeinen Wert (BVerfGE 23, 242 [251] ). Der Markt ist durchweg geneigt, Ertragssteigerungsaussichten, die sich noch nicht im nachhaltig erzielbaren, für die Bewertung maßgeblichen Reinertrag niedergeschlagen haben, vorwegzunehmen und außerdem anzuerkennen, daß eine Vermögensanlage in Immobilien vor Geldentwertung schützt. Aus diesem Grund werden Ertragswerte häufig unter den gemeinen Werten liegen. Die Einheitswerte für Grundbesitz sollen vornehmlich als Besteuerungsgrundlage für die Vermögensteuer und die Grundsteuer dienen, die beide nach der gesetzgeberischen Zielsetzung in erster Linie den Ertrag, nicht die Substanz belasten sollen. Deshalb konnte der Gesetzgeber an den nachhaltigen Ertrag anknüpfen. Zudem wird auch der gemeine Wert durch Ertragserwartungen bestimmt.
Zwar ist – mehr als die Vermögen- und die Grundsteuer – die Erbschaftsteuer eine auf die Substanz und nicht auf den Ertrag der zugewendeten Bereicherung gelegte Steuer. Deshalb liegt es bei der Erbschaftsteuer weniger nahe, den Grundbesitz mit Ertragswerten zu bewerten. Bei einem Rückgriff auf die vorhandenen Einheitswerte läßt sich jedoch für die Finanzverwaltung und auch für die Zuwendungsbeteiligten und ihre steuerlichen Berater ohne große Mühe überblicken, ob und gegebenenfalls wieviel Erbschaftsteuer im Einzelfall geschuldet wird. Deshalb konnte der Gesetzgeber davon absehen, in jedem Falle umfangreiche Ermittlungen zur Festsetzung des gemeinen Wertes anzuordnen, zumal die Erbschaftsteuer im Gesamtsteueraufkommen eine untergeordnete Rolle spielt (weniger als 1 v. H.; vgl. Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik 1971 S. 404; 1973 S. 423) und wegen der Freibeträge häufig überhaupt keine Steuerforderung entsteht.
II.
1. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Maßstäbe des Bewertungsgesetzes beruhen darauf, daß – wie das Bundesverfassungsgericht bereits dargelegt hat (BVerfGE 9, 3 [8] ); 23, 242 [252 f.] ); 25, 216 [226] – die nach den Wertverhältnissen des Jahres 1935 festgesetzten Einheitswerte des Grundbesitzes – mit zu vernachlässigenden einzelnen Ausnahmen – immer mehr hinter den tatsächlichen Werten zurückblieben, während die nicht in Grundbesitz bestehenden Vermögensgegenstände zeitnah bewertet wurden. Die Differenz zwischen Einheitswerten und zeitnahen wirklichen Werten entwickelte sich in Richtung auf eine Ungleichheit, die der Steuergerechtigkeit immer weniger entsprach. Diese Veränderungen zeigen die Probebewertungen, die der vom Bundesminister der Finanzen zur Vorbereitung der Einheitsbewertung eingesetzte Schätzungsausschuß in den Jahren 1952/1953 durchgeführt hat (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes – BTDrucks. IV/1488, S. 33 f. –). Danach haben schon die für diesen Zeitpunkt probeweise neu ermittelten Einheitswerte bei den bebauten Grundstücken im Durchschnitt 161 v. H. der geltenden steuerlichen Einheitswerte betragen, wobei für Neubauten erheblich höhere Abweichungen festgestellt wurden. Eine ähnliche Entwicklung ergab sich für die unbebauten Grundstücke und – wenn auch in offensichtlich geringerem Maße – für die land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke (vgl. die Nachweise in BVerfGE 23, 242 [253] ; Rössler, Das Wertpapier 1964, S. 488). Nach Durchführung der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1964 erhöhten sich die Einheitswerte im Durchschnitt bei den land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken auf das 1,5fache, bei Miet- und Einfamilienhäusern auf das 2,5 bis 5fache, bei Geschäfts- und Fabrikgrundstücken auf das 4 bis 6fache und bei Bauland auf das 10 bis 15fache (Troll, Steuervermeidung bei der Erbschaftsteuer in: Steuer-Kongreß-Report 1969, S. 393, 398). Im Schrifttum ist durchgängig zum Ausdruck gekommen, daß jedenfalls in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt die bisherigen Einheitswerte überholt seien.
2. Es wäre eine zu formale Auslegung von Art. 3 Abs. 1 GG, wenn die ungleiche Bewertung von Grundbesitz und sonstigem Vermögen allein damit gerechtfertigt würde, daß es sich bei dem Grundbesitz um andere Vermögensgegenstände und keine vergleichbaren Vermögensarten handelt. Ob ein Sachverhalt vergleichbar ist, hängt von Sinn und Zweck der einschlägigen gesetzlichen Regelung ab. Im Steuerrecht geht es um eine möglichst gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen. Diese erfordert nach den Prinzipien des Bewertungsgesetzes die Anknüpfung an Werte, die wenigstens der Konzeption nach den wirklichen Werten nahekommen, wenn auch mit Rücksicht auf die Besonderheiten der einzelnen Vermögensarten verschiedene Wertmaßstäbe aufgestellt sind. Dem steht nicht entgegen, daß aus Gründen der Praktikabilität für einen gewissen Zeitraum die einmal festgestellten Einheitswerte unter Inkaufnahme von Abweichungen zu den wirklichen Werten gelten. Diese Möglichkeit findet jedoch im Willkürverbot ihre Grenze. Wenn sich Differenzierungen in der Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter, insbesondere im Verhältnis von Grundbesitz zu anderen Vermögensgegenständen ergeben, die, gemessen an der Idee der Steuergerechtigkeit, unerträglich sind, so lassen sie sich für die Besteuerung nicht mit den Besonderheiten des Grundbesitzes wie der Ortsgebundenheit, der nur allmählichen Wertveränderung, der erschwerten Übertragbarkeit und dergleichen rechtfertigen. Das Auseinanderfallen von Einheits- und tatsächlichen Werten war keine Folge der Besonderheiten der einzelnen Vermögensarten, es wurde vielmehr durch die Aussetzung weiterer Hauptfeststellungen auf Grund Art. 1 Nr. 2 der Verordnung zur Änderung der Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz vom 22. November 1939 (RGBl I S. 2271) bewirkt. Wenn sich infolgedessen eine Entwicklung in Richtung einer Verfassungswidrigkeit anbahnte, so war der Gesetzgeber verpflichtet, (Abhilfe zu schaffen (vgl. BVerfGE 33, 171 [189]; 37, 38 [56 f.] ; 16, 130 [141 f.]).
Es war dabei nicht möglich, einen der Steuergerechtigkeit genügenden Zustand alsbald durch eine vorläufige Maßnahme, nämlich durch eine lineare Erhöhung der Einheitswerte herbeizuführen. Die Einheitswerte waren nicht gleichmäßig hinter den tatsächlichen Werten zurückgeblieben. Es hatte sich vielmehr im Verhältnis zwischen den einzelnen Arten des Grundbesitzes die Relation der Einheitswerte erheblich verschoben, und selbst innerhalb der einzelnen Gruppen waren starke Wertverzerrungen aufgetreten (Amtliche Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 1. Oktober 1963 – BTDrucks. IV/1488, S. 28; BFH, 86, 4 [13] ). Bei dieser Sachlage hätte sich die Höhe eines Aufschlags nicht zuverlässig ermitteln lassen, so daß mit einer solch vorläufigen Maßnahme neue verfassungsrechtliche Bedenken verbunden gewesen wären. Aus den gleichen Erwägungen entfiel auch die Einräumung eines prozentualen Abschlags bei den zeitnah bewerteten Vermögensgegenständen, zumal damit das System des Bewertungsrechts durchbrochen worden wäre (BVerfGE 23, 242 [256] ).
III.
Es kann nicht beanstandet werden, daß der Gesetzgeber den eingetretenen Wertverzerrungen durch Maßnahmen zu begegnen suchte, deren Vorbereitung und Durchführung einen längeren Zeitraum erforderte. Die Vorarbeiten für ein neues Bewertungsrecht begannen schon in den Jahren 1952/1953, als durch den vom Bundesminister der Finanzen eingesetzten Schätzungsausschuß Probebewertungen durchgeführt wurden, mit deren Hilfe für erforderlich gehaltene praktikablere Bewertungsmaßstäbe gefunden werden sollten. Am 21. Juni 1956 brachte die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes, des Vermögensteuergesetzes und des Erbschaftsteuergesetzes ein (BTDrucks. II/2544). Daß dieser Gesetzentwurf nicht in einer angemessenen Zeit verabschiedet wurde, läßt sich unter verfassungsrechtlichen Aspekten schon deshalb nicht beanstanden, weil der Gesetzgeber berücksichtigen konnte, daß sich die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse noch nicht in allen Bereichen konsolidiert hatten und deshalb genügend sichere Prognosen, wie sie mit einer Bewertung verbunden sind, noch nicht allgemein gestellt werden konnten, insbesondere für verschiedene Grundstücksarten der nachhaltige Ertrag als Maßstab für die Bewertung noch nicht endgültig ermittelt werden konnte. In der Wohnungs- und Grundstückswirtschaft hatten sich infolge des Gesetzes über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Miet- und Wohnrecht vom 23. Juni 1960 (BGBl I S. 389) zunehmend marktwirtschaftliche Verhältnisse eingestellt. Auch die Ertragsverhältnisse in der Land- und Forstwirtschaft wurden einmal durch betriebswirtschaftliche Umstellung – zunehmender Ersatz menschlicher und tierischer Arbeitskraft durch Maschinen –, zum andern durch die Maßnahmen der Bundesregierung zur Verbesserung der Agrarstruktur und der Einkommenslage der landwirtschaftlichen Bevölkerung seit dem Jahre 1956 und insbesondere durch das Hineinwachsen in den Gemeinsamen Markt der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in einem im voraus nicht zu übersehenden Ausmaß beeinflußt. Unter diesen Umständen genügte der Gesetzgeber, wie sich aus den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 23, 242 [257]) erersehen läßt, seiner Aufgabe zur Herstellung stichtagsnaher Einheitswerte zunächst durch das Gesetz zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 13. August 1965 – BewÄndG 1965 – (BGBl I S. 851), das eine neue allgemeine Feststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes auf den Beginn des Kalenderjahres 1964 vorsah (Art. 2 Abs. 1 Satz 1).
IV.
1. Der Gesetzgeber durfte auch davon absehen, aus der neuen Bewertung alsbald Folgen für die Besteuerung zu ziehen. Nach einem vom Bundestag angenommenen Entschließungsantrag des Finanzausschusses sah der Bundestag im Bewertungsänderungsgesetz 1965 „ein Mittel, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung insbesondere bei der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer zu gewährleisten. Es ist nicht seine Absicht, durch das Gesetz das Gesamtaufkommen aus diesen Steuern automatisch zu erhöhen”. Die Bundesregierung sollte daher im Zusammenhang mit der Anwendung der neuen Einheitswerte die Steuersätze und insbesondere die Freibeträge bei den genannten Steuern überprüfen (Entschließungsantrag des Finanzausschusses vom 20. Mai 1965, BTDrucks. IV/3508, S. 2, angenommen in der 193. Sitzung des Deutschen Bundestages, Verh. Prot. S. 9814 B). Für die Grundsteuer bestimmte Art. 3 Abs. 2 Satz 2 BewÄndG, daß die neuen Steuermeßbeträge jeweils insgesamt annähernd die gleichen blieben wie die bisherigen. Wenn auch dieser Grundsatz der steuerlichen Neutralität bei der späteren Aktualisierung der Einheitswerte im Jahre 1974 nicht voll eingehalten wurde, so war es, wie das Bundesverfassungsgericht bereits für die Vermögensteuer entschieden hat (BVerfGE 23, 242 [257]) , nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber aus seiner damaligen Sicht heraus aus der Einheitsbewertung nicht sofort steuerliche Folgen zog. Das im Jahr 1965 in den Vordergrund getretene Bestreben nach Aufkommensneutralität der Steuern beruhte insbesondere auf wirtschaftspolitischen Zielen. Eine durch Anwendung der alten Tarife bedingte Erhöhung des Vermögensteueraufkommens, zumal im Zusammenhang mit der geplanten Abschaffung der Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer bei natürlichen Personen, hätte die Investitionsbereitschaft der Wirtschaft und damit die Wirtschaftslage in der Bundesrepublik beeinträchtigen können. Ähnliche Erwägungen gelten für die Grundsteuer. Eine Erhöhung des Grundsteueraufkommens hätte auf die Wohnungsmieten „durchschlagen” und die soziale Lage der Mieter verschlechtern können. Diese Erwägungen haben ihren Niederschlag gefunden in Art. 3 Abs. 1 BewÄndG, der bestimmt, daß der Zeitpunkt, von dem an die auf den 1. Januar 1964 festzustellenden Einheitswerte des Grundbesitzes der Besteuerung zugrunde gelegt werden, erst in einem besonderen Gesetz bestimmt werden sollte. Es war gerechtfertigt, wenn nicht sogar geboten, zunächst die Festsetzung der Einheitswerte abzuwarten, um erst nach einer Gesamtübersicht über den Vermögensstand die entsprechenden steuerlichen Änderungen vorzunehmen, insbesondere Steuermeßzahlen, Tarife und Freibeträge festzulegen, wie dies später für die Grundsteuer in § 14 des Gesetzes zur Reform des Grundsteuerrechts vom 7. August 1973 (BGBl I S. 965) nach eingehender Berechnung anhand der neuen Einheitswerte geschehen ist (Entwurf eines Zweiten Steuerreformgesetzes, BTDrucks. VI/3418, S. 82 ff.).
2. Bei der großen Zahl der vorzunehmenden Bewertungen und unter Berücksichtigung der technischen Schwierigkeiten stellte die Neubewertung eine zeitraubende Tätigkeit dar. Zur Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes auf den 1. Januar 1964 mußten über vier Millionen Einheitswerte für land- und forstwirtschaftliche Betriebe und weit über acht Millionen Einheitswerte für das Grundvermögen ermittelt werden. Es ergingen zahlreiche Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften:
Erste Verordnung zur Durchführung des § 39 Abs. 1 BewG vom 30. August 1967 (BGBl I S. 937) und Berichtigung vom 28. November 1967 (BGBl I S. 1184);
Zweite Verordnung zur Durchführung des § 39 Abs. 1 BewG vom 24. November 1967 (BGBl I S. 1191);
Dritte Verordnung zur Durchführung des § 39 Abs. 1 BewG vom 7. Dezember 1967 (BGBl I S. 1199);
Verordnung zur Durchführung des § 55 Abs. 3 und 4 BewG vom 27. Juli 1967 (BGBl I S. 805) und Berichtigung vom 28. November 1967 (BGBl I S. 1184);
Verordnung zur Durchführung des § 55 Abs. 8 BewG vom 11. August 1967 (BGBl I S. 906);
Verordnung zur Durchführung des § 81 BewG vom 2. September 1966 (BGBl I S. 550);
Verordnung zur Durchführung des § 90 BewG vom 2. September 1966 (BGBl I S. 553), geändert durch die Verordnung vom 25. Februar 1970 (BGBl I S. 216);
Verordnung zur Durchführung des § 122 Abs. 3 BewG vom 2. September 1966 (BGBl I S. 555).
Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens vom 19. September 1966 (BStBl I S. 890);
Richtlinien für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens vom 30. November 1967 (BStBl I S. 397) und vom 25. Januar 1968 (BStBl I S. 223).
Die Frist für die Abgabe der Erklärungen durch die Steuerpflichtigen mußte verlängert werden. Nach Angabe des Bundesministers der Finanzen war die Hauptfeststellung der Einheitswerte auf den 1. Januar 1964 für das Grundvermögen zu etwa 95 v. H. erst Ende des Jahres 1970 und für den übrigen Grundbesitz zu 95 v. H. erst Ende des Jahres 1972 abgeschlossen. Auch das endgültige Ergebnis einer statistisch ausgewerteten Vorerhebung (Art. 7 BewÄndG 1965) lag erst im Mai 1971 vor.
Nach Auswertung der Unterlagen wurde der Entwurf eines Zweiten Steuerreformgesetzes im März 1972 den gesetzgebenden Organen zugeleitet. Nach diesem Gesetzesvorhaben sollten die einheitswertabhängigen Steuern (Vermögen-, Erbschaft-, Grund- und Gewerbesteuer) den „heutigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen” angepaßt (BTDrucks. VI/3418 Vorblatt) und die neuen Einheitswerte erstmalig angewendet werden, wobei wegen des seit dem Stichtag des 1. Januar 1964 verflossenen Zeitraums eine Heraufsetzung der Einheitswerte des Grundvermögens um 40 v. H. vorgesehen war. Der umfassende Gesetzentwurf konnte wegen der vorzeitigen Beendigung der 6. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages nicht verabschiedet werden. In der nächsten Wahlperiode wurde der Entwurf des Zweiten Steuerreformgesetzes geteilt. Am 17. April 1974 wurde das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz 1974 verabschiedet (BGBl I S. 933). Es sieht die Anwendung der neuen – teilweise um 40 v. H. erhöhten – Einheitswerte ab 1. Januar 1974 vor (Art. 2). Am gleichen Tage erging das Vermögensteuerreformgesetz (BGBl I S. 949), das ebenfalls die neuen Einheitswerte ab 1. Januar 1974 mit einem Zuschlag von 40 v. H. für Grundstücke zugrunde legte. Das Grundsteuergesetz mit Anwendung neuer Einheitswerte ab 1. Januar 1974 – allerdings ohne Zuschlag – war bereits am 7. August 1973 (BGBl I S. 965) ergangen.
3. Der sich – bei rein verfahrensmäßiger Betrachtung – möglicherweise anbietende Weg, die einheitswertabhängigen Steuern nur vorläufig zu veranlagen, um dann nach späterer Ermittlung der Einheitswerte und Feststellung der Steuertarife, Freibeträge und ähnlichem eine endgültige Veranlagung durchzuführen, hätte zwar einen dem Gleichheitsgebot mehr entsprechenden Zustand schon zu einem früheren Zeitpunkt herbeiführen können. Dieser Ausweg verbot sich jedoch insbesondere bei der Vermögen- und der Grundsteuer als laufend veranlagten Steuern. Es wäre damit – abgesehen von dem kaum zu bewältigenden Verwaltungsaufwand – eine Unsicherheit verbunden gewesen, die gerade bei der Vermögen- und Grundsteuer, die zum größten Teil in die Kalkulationskosten eingehen, unerträglich gewesen wäre, zumal sich wegen der teilweisen Abzugsfähigkeit dieser Steuern auch noch Rückwirkungen auf die Ertragsteuern ergeben hätten.
4. Die vorstehenden Erwägungen, die bei der Vermögensteuer und bei der Grundsteuer dafür sprechen, die Einheitswerte im Ergebnis erst am 1. Januar 1974 wirksam werden zu lassen, treffen allerdings nicht in vollem Umfang für die Erbschaftsteuer zu.
Zwar hat der Bundestag, wie oben ausgeführt (C IV 1 S. 19 f.), seine Absicht bekundet, das Gesamtaufkommen aus der Erbschaftsteuer nicht automatisch zu erhöhen. Während jedoch bei der Vermögen- und der Grundsteuer als periodischen Steuern die Aufkommensneutralität bei der neuen Einheitsbewertung durch Neubestimmung der Steuermeßzahlen bei der Grundsteuer sowie des Steuersatzes und der Steuerfreibeträge bei der Vermögensteuer hergestellt werden kann, erlaubt bei der Erbschaftsteuer als einer nur fallweise entstehenden Steuer höchstens das Gesetz der großen Zahl eine gewisse Schätzung des Steueraufkommens. Bei der gesamtwirtschaftlich gesehen verhältnismäßig geringen Bedeutung der Erbschaftsteuer waren auch kaum weitreichende Auswirkungen zu befürchten, falls sich durch eine Revision der Einheitswerte das Erbschaftsteueraufkommen verändert hätte. Hinzu kommt, daß sich gerade damals die Beteiligten bei der Wahl des Zeitpunktes von Vermögensübertragungen von erbschaftsteuerlichen Auswirkungen leiten ließen und in großem Umfang Grundbesitz meist völlig schenkungsteuerfrei übertragen und zum Teil – wie der Ausgangsfall der Übertragung von Vermögenswerten an Minderjährige, in einem Fall auf einen sechs Wochen alten Enkel zeigt – bis zur zweiten Generation Vorsorge getroffen haben, so daß es für die daran anschließenden Jahre nicht zu einem „normalen” Erbschaftsteueraufkommen kommen dürfte.
Auch verwaltungstechnische Gründe ließen das Hinausschieben der Zugrundelegung der neuen Einheitswerte im Erbschaftsteuerrecht nicht unbedingt geboten erscheinen. Freilich lagen nach dem Inkrafttreten des Bewertungsänderungsgesetzes 1965 die neuen Einheitswerte nicht sogleich vor. Daß die Durchführung der allgemeinen Bewertungsaktion mehrere Jahre in Anspruch nahm, hätte jedoch für die alsbaldige Anwendung des neuen Bewertungsrechts bei der Erbschaftsteuer kein allzu erhebliches Hindernis darzustellen brauchen. Da die nur fallweise erforderliche Erbschaftsteuerveranlagung nicht die große Zahl von Bewertungen wie die Vermögen- und die Grundsteuer erfordert haben würde, hätte man in den jeweiligen Steuerfällen eine besondere Stichtagsbewertung nach § 23 Abs. 4 ErbStG 1959 vornehmen und die im erbschaftsteuerlichen Interesse erforderlichen Bewertungen auf den 1. Januar 1964 vorgreiflich durchführen lassen können. Daß bis dahin nach § 28 ErbStG 1959 die Erbschaftsteuer nur vorläufig festgestellt und dann bei Vorliegen der neu ermittelten Einheitswerte ein Änderungsbescheid ergangen wäre (vgl. RFH, RStBl 1930 S. 818), hätte wegen der steuerrechtlichen, verfahrensmäßigen und wirtschaftlichen Auswirkungen nicht zu den bei Vermögen- und Grundsteuern in einem solchen Fall zu befürchtenden Unzuträglichkeiten geführt (C IV 3 S. 23).
Das Hinausschieben der Aktualisierung der neuen Einheitswerte für die Erbschaftsteuer läßt sich jedoch noch hinnehmen; denn neben der Durchführung der neuen Einheitsbewertung liefen die Bestrebungen zu einer umfassenden Steuerreform einher, die von der Steuerreformkommission gutachtlich vorbereitet wurde. Bei der Erbschaftsteuer ging die politische Entwicklung dahin, das Erbschaftsteuerrecht insgesamt umzugestalten. Es sollten unter anderem die Steuerklassen neu eingeteilt, Freibeträge und Tarife neu festgelegt und insbesondere für steuerpflichtige Erwerbe größeren Umfangs die steuerliche Belastung erhöht werden. Die Möglichkeit, durch Errichtung von Familienstiftungen das Vermögen über Generationen hinweg der Erbschaftsteuer zu entziehen, sollte beseitigt werden, und außerdem sollten die Vergünstigungen, die durch gesellschaftsrechtliche Gestaltungen erzielt werden, entfallen (vgl. Entwurf des Zweiten Steuerreformgesetzes, BTDrucks. VI/3418, S. 60). Hätte der Gesetzgeber zunächst zu einem früheren Zeitpunkt als geschehen die Anwendung der neuen Einheitswerte eingeführt, so hätte das bedeutet, daß in einigen Jahren darauf die grundlegende Umgestaltung des Erbschaftsteuergesetzes erfolgt wäre. Bei der Abfassung von Testamenten, Erbverträgen und Gesellschaftsverträgen spielt gerade bei größeren Vermögen die erbschaftsteuerliche Auswirkung eine nicht unbeträchtliche Rolle. Eine zweimalige, kurz hintereinander folgende Änderung des Erbschaftsteuergesetzes hätte in diesen Fällen zu Unzuträglichkeiten geführt. Es muß dem Gesetzgeber deshalb zugestanden werden, die Beseitigung der ungleichen Bewertungsgrundsätze im Erbschaftsteuerrecht mit der anstehenden Erbschaftsteuerreform zu verbinden. Er handelte daher nicht evident sachwidrig, wenn er die alten Einheitswerte noch bis zum Inkrafttreten der auf den 1. Januar 1972 geplanten und schließlich zum 1. Januar 1974 verwirklichten Erbschaftsteuerreform beibehielt.
Fundstellen
Haufe-Index 1074950 |
BStBl II 1976, 311 |
BVerfGE 41, 269 |
BVerfGE, 269 |
NJW 1976, 843 |
DNotZ 1976, 258 |