Leitsatz (amtlich)
1. Wiederkehrende Straßenausbaubeiträge nach § 10a KAG RP sind verfassungsrechtlich zulässig.
2. Werden Beiträge erhoben, verlangt der Grundsatz der abgabenrechtlichen Belastungsgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und nicht Beitragspflichtigen nach Maßgabe des konkretzurechenbaren Vorteils vorgenommen wird, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll.
3. Die Bildung einer einheitlichen Abrechnungseinheit für Straßenausbaubeiträge ist zulässig, wenn mit den Verkehrsanlagen ein konkret-individuell zurechenbarer Vorteil für das beitragsbelastete Grundstück verbunden ist.
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 14.06.2010; Aktenzeichen 6 A 10082/10) |
OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 26.01.2010; Aktenzeichen 6 A 11036/09) |
VG Trier (Urteil vom 13.08.2009; Aktenzeichen 2 K 211/09) |
Tenor
1. Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Januar 2010 – 6 A 11036/09.OVG – und vom 14. Juni 2010 – 6 A 10082/10.OVG – verletzen die Beschwerdeführerinnen in ihren Grundrechten aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben und die Sachen an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zurückverwiesen.
2. Im Übrigen werden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.
3. Das Land Rheinland-Pfalz hat den Beschwerdeführerinnen ihre notwendigen Auslagen zur Hälfte zu erstatten.
4. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für die Verfassungsbeschwerdeverfahren wird jeweils auf 50.000 (in Worten: fünfzigtausend) Euro festgesetzt.
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Frage, ob die Erhebung wiederkehrender Beiträge für sämtliche Verkehrsanlagen des gesamten Gemeindegebiets oder Verkehrsanlagen einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile der Gemeinde auf der Grundlage des § 10a des rheinland-pfälzischen Kommunalabgabengesetzes – KAG RP – in der Fassung des Zweiten Landesgesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 12. Dezember 2006 (GVBl S. 401) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
I.
1. Das rheinland-pfälzische Kommunalabgabengesetz ermächtigt die Gemeinden zur Erhebung einmaliger oder wiederkehrender Beiträge für Verkehrsanlagen.
§ 10 KAG RP regelt die Erhebung einmaliger Beiträge für Verkehrsanlagen:
§ 10 |
Besondere Bestimmungen für Verkehrs- und Immissionsschutzanlagen |
(1) Die Gemeinden können für die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Straßen, Wege und Plätze sowie selbständiger Parkflächen und Grünanlagen (Verkehrsanlagen) einmalige Beiträge erheben, soweit diese innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, im Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder in Gebieten liegen, für die die Gemeinde beschlossen hat, einen Bebauungsplan aufzustellen. Die §§ 123 bis 135 des Baugesetzbuches bleiben unberührt. Beiträge für Kinderspielplätze können nicht erhoben werden.
(2) Die einmaligen Beiträge können für die einzelne Verkehrsanlage oder für bestimmte Abschnitte der Verkehrsanlage nach den tatsächlich entstandenen Investitionsaufwendungen erhoben werden. In der Satzung kann bestimmt werden, dass sämtliche zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen des gesamten Gebiets oder einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile der Gemeinde eine einheitliche öffentliche Einrichtung (Einheit) bilden. In diesen Fällen wird der einmalige Beitrag als Durchschnittssatz aus den Investitionsaufwendungen der eine Einheit bildenden Verkehrsanlagen erhoben.
(3) Bei der Ermittlung der Beiträge bleibt ein dem Vorteil der Allgemeinheit entsprechender Teil (Gemeindeanteil) außer Ansatz, der dem nicht den Beitragsschuldnern zuzurechnenden Verkehrsaufkommen entspricht.
(4) Der Beitragssatz wird ermittelt, indem die Investitionsaufwendungen der einzelnen Verkehrsanlage, des Abschnitts oder aller eine Einheit bildenden Verkehrsanlagen auf die Grundstücke verteilt werden, die der Beitragspflicht unterliegen. Wird der einmalige Beitrag als Durchschnittssatz aus den Investitionsaufwendungen der eine Einheit bildenden Verkehrsanlagen erhoben, ist der Beitragssatz abweichend von Satz 1 zu ermitteln, indem die Investitionsaufwendungen auf alle baulich oder in ähnlicher Weise nutzbaren Grundstücke verteilt werden, die die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs zu einer dieser Verkehrsanlagen haben. Die Ermittlung des Beitragssatzes nach Satz 2 setzt nicht voraus, dass die tatsächlichen Investitionsaufwendungen oder die tatsächlichen Maßstabsdaten aller Grundstücke feststehen.
(5) Beim einmaligen Beitrag unterliegen der Beitragspflicht alle baulich oder in ähnlicher Weise nutzbare Grundstücke, die die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zuganges zu der hergestellten oder ausgebauten Verkehrsanlage haben. Bei der Einzelabrechnung einer selbständigen Parkfläche oder Grünanlage werden die beitragspflichtigen Grundstücke durch Satzung bestimmt.
(6) Der Anspruch auf den einmaligen Beitrag entsteht, wenn die Bauarbeiten an der einzelnen Verkehrsanlage abgeschlossen sind und, sofern der einmalige Beitrag nach den tatsächlichen Investitionsaufwendungen ermittelt wird, der entstandene Aufwand feststellbar ist. Für Teile der Verkehrsanlage sowie für die Kosten des Erwerbs und der Freilegung der Flächen kann ein Teilbeitrag erhoben werden; in diesem Falle entsteht die Beitragsschuld mit dem Abschluss der Teilmaßnahme. Wird der einmalige Beitrag als Durchschnittssatz aus den Investitionsaufwendungen der eine Einheit bildenden Verkehrsanlagen erhoben, können auch Teilbeiträge nach Durchschnittssätzen erhoben werden.
(7) …
Die Erhebung wiederkehrender Beiträge für Verkehrsanlagen ist in § 10a KAG RP geregelt:
§ 10a |
Wiederkehrende Beiträge für Verkehrsanlagen |
(1) Die Gemeinden können durch Satzung bestimmen, dass an Stelle der Erhebung einmaliger Beiträge (§ 10) die jährlichen Investitionsaufwendungen für Verkehrsanlagen nach Abzug des Gemeindeanteils (Absatz 3) als wiederkehrender Beitrag auf die beitragspflichtigen Grundstücke verteilt werden. In der Satzung kann geregelt werden, dass sämtliche zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen des gesamten Gebiets oder einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile der Gemeinde eine einheitliche öffentliche Einrichtung bilden, für deren Ausbau (§ 9 Abs. 1 Satz 2) vorteilbezogene Beiträge von Grundstücken erhoben werden können, welche die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs zu einer dieser Verkehrsanlagen haben. Die Entscheidung über die eine Einheit bildenden Verkehrsanlagen trifft die Gemeinde in Wahrnehmung ihres Selbstverwaltungsrechts unter Beachtung der örtlichen Gegebenheiten. Einer weitergehenden Begründung bedarf die Entscheidung nur, wenn statt sämtlicher Verkehrsanlagen des gesamten Gebiets der Gemeinde lediglich Verkehrsanlagen einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile als einheitliche öffentliche Einrichtung bestimmt werden. Die Begründung ist der Satzung beizufügen.
(2) Bei der Ermittlung des Beitragssatzes kann an Stelle der jährlichen Investitionsaufwendungen vom Durchschnitt der im Zeitraum von bis zu fünf Jahren zu erwartenden Aufwendungen ausgegangen werden. Weichen nach Ablauf dieses Zeitraums die tatsächlichen von den im Durchschnitt erwarteten Aufwendungen ab, ist das Beitragsaufkommen der folgenden Jahre entsprechend auszugleichen.
(3) Bei der Ermittlung des wiederkehrenden Beitrags bleibt ein dem Vorteil der Allgemeinheit entsprechender Anteil (Gemeindeanteil) außer Ansatz. Der Gemeindeanteil ist in der Satzung festzulegen. Er muss dem Verkehrsaufkommen entsprechen, das nicht den Beitragsschuldnern zuzurechnen ist, und beträgt mindestens 20 vom Hundert.
(4) …
2. Bereits das Kommunalabgabengesetz Rheinland-Pfalz vom 5. Mai 1986 (GVBl S. 103) hatte die Möglichkeit vorgesehen, wiederkehrende Beiträge für Verkehrsanlagen zu erheben. § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG RP in der Fassung des Kommunalabgabengesetzes vom 20. Juni 1995 (GVBl S. 175) ermächtigte für einmalige Beiträge die Gemeinden dazu, durch Satzung zu bestimmen, dass ihr gesamtes Gebiet oder einzelne Gebietsteile eine Abrechnungseinheit darstellen, sofern die Verkehrsanlagen des gesamten Gebietes oder einzelner Gebietsteile der Gemeinde in einem räumlichen und funktionalen Zusammenhang stehen. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz erachtete die Bildung von Abrechnungseinheiten auch bei Erhebung wiederkehrender Beiträge nur unter der Voraussetzung für verfassungsrechtlich zulässig, dass die Verkehrsanlagen im jeweiligen Bereich in einem „räumlichen und funktionalen Zusammenhang” stünden (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. März 2003 – 6 C 10580/02.OVG –, NVwZ-RR 2003, S. 591 ≪592≫, „Pirmasens-Urteil”; vgl. bereits Urteil vom 8. Oktober 1993 – 10 C 10237/93.OVG –, AS RP-SL 24, S. 261, „Mainzer Urteil” zu § 13 Abs. 2 KAG RP 1986).
Den erforderlichen „funktionalen Zusammenhang” sah das Oberverwaltungsgericht nur bei einem System von Verkehrsanlagen als gegeben an, die untereinander derart in Beziehung stünden, dass sie in ihrer Gesamtheit für die Nutzung der in dem System liegenden Grundstücke und Betriebe einen greifbaren beitragsrechtlichen Vorteil vermittelten. Dies setze ein System von Verkehrsanlagen voraus, das für sich genommen die Zufahrt zu dem übrigen Straßennetz biete. Ein solches System bestehe aus Verkehrsanlagen, die durch Straßen mit stärkerer Verkehrsbedeutung zu einer Einheit zusammengefasst würden. Diese Straßen könnten beispielsweise als Ring um ein Netz von Verkehrsanlagen herum oder durch ein solches Netz hindurchführen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Oktober 1993 – 10 C 10237/93.OVG –, AS RP-SL 24, S. 261 ≪265≫; Urteil vom 18. März 2003 – 6 C 10580/02.OVG –, NVwZ-RR 2003, S. 591 ≪593≫).
Aus „Gründen der Vorteilsgerechtigkeit” sei zwingende Voraussetzung für den funktionalen Zusammenhang, dass sämtliche Grundstücke innerhalb des Abrechnungsgebietes auf dieselbe Straße oder dieselben Straßen mit stärkerer Verkehrsbedeutung angewiesen seien, um in die verschiedenen Richtungen Anschluss an das übrige Straßennetz zu finden. Nur diejenigen Grundstücke hätten einen beitragsrechtlichen Vorteil von der Straße mit stärkerer Verkehrsbedeutung, die in die sie erschließenden Straßen unmittelbar oder mittelbar einmündeten (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. März 2003 – 6 C 10580/02.OVG –, NVwZ-RR 2003, S. 591 ≪594≫). Einem weiteren Urteil des Oberverwaltungsgerichts zufolge lag der von § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG RP geforderte funktionale Zusammenhang der Verkehrsanlagen in einer Abrechnungseinheit nur dann vor, wenn sämtliche Grundstücke innerhalb der Abrechnungseinheit in jeder Richtung auf dieselbe Straße mit stärkerer Verkehrsbedeutung angewiesen waren, um Anschluss an das übrige Verkehrsnetz zu finden. Diese Straße mit Bündelungsfunktion müsse innerhalb der Abrechnungseinheit liegen und zum Anbau bestimmt sein (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. November 2003 – 6 A 10631/03.OVG –, juris, „Saarburg-Urteil”).
3. Der rheinland-pfälzische Landesgesetzgeber änderte mit dem Zweiten Landesgesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 12. Dezember 2006 (GVBl S. 401) § 10 KAG RP und fügte § 10a KAG RP in das Kommunalabgabengesetz ein. Damit beabsichtigte er ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine konzeptionelle Fortentwicklung und Neubestimmung des Beitragsrechts für Verkehrsanlagen (…), die sich vom bisher geltenden Anlagenbegriff weitgehend löst und damit zentrale Streitfragen normativ verbindlich klarstellt. (LTDrucks 15/318, S. 1, 6)
Die von der Rechtsprechung bei der Bildung von Abrechnungseinheiten gestellten Anforderungen an den räumlichen und funktionalen Zusammenhang hätten in ihren praktischen Konsequenzen zu erheblichen Restriktionen kommunaler Gestaltungsmöglichkeiten geführt. Es sei eine Situation der Rechtsunsicherheit eingetreten (LTDrucks 15/318, S. 1, 6). Ziel der Neuregelung sei die „Stärkung weitgehend ‚gerichtsfester' normgeberischer Gestaltungsmöglichkeiten”. Abweichend von der bisherigen Gesetzeslage könne künftig bestimmt werden, dass das gesamte öffentliche Verkehrsnetz der Gemeinde eine einheitliche öffentliche Einrichtung bilde. Soweit dies in Ansehung besonderer örtlicher Verhältnisse ausnahmsweise erforderlich sei, könne Entsprechendes auch für Verkehrsanlagen lediglich einzelner Gebietsteile der Gemeinde bestimmt werden. In beiden Fällen unterlägen der Beitragspflicht alle Grundstücke, die durch das eine Einheit bildende Verkehrsnetz „erschlossen” seien. Die Begründung des Gesetzentwurfs betont, dass die Beitragspflicht „darüber hinaus (…) von Gesetzes wegen an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft” sei (LTDrucks 15/318, S. 6).
Kern der Neuregelung sei die den Gemeinden eingeräumte Befugnis, durch Satzung zu bestimmen, dass das gesamte öffentliche Verkehrsnetz des Gemeindegebiets, also sämtliche zum Anbau bestimmte Verkehrsanlagen, eine eigenständige öffentliche Einrichtung bilde. Diese sei nicht lediglich als Abrechnungseinheit zu verstehen, deren Bedeutung sich in einem abrechnungstechnischen Verbund erschöpfe, sondern als „qualitativ selbständige Gemeindeeinrichtung”. Zusätzlich eröffne der Gesetzentwurf die Möglichkeit, statt für das gesamte Gemeindegebiet für Verkehrsanlagen einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile zu bestimmen, dass nur diese eine einheitliche öffentliche Einrichtung bildeten. Besondere örtliche Gegebenheiten, die es gerechtfertigt erscheinen ließen, nur abgrenzbare Gebietsteile als einheitliche öffentliche Einrichtung zu behandeln, lägen etwa bei abgelegenen oder in ihrem Ausdehnungsbereich feststehenden Stadt- oder Ortsteilen vor, für im Außenbereich gelegene Verkehrsanlagen oder bei sich aufdrängender Orientierung an anderen Grenzlinien (LTDrucks 15/318, S. 6 ff.). Auf das Erfordernis eines räumlichen und funktionalen Zusammenhangs verzichtete der Landesgesetzgeber für wiederkehrende Beiträge ausdrücklich und verwies auf die unmittelbare demokratische Legitimation der kommunalen Gebietskörperschaften. Daher könne sich der parlamentarische Gesetzgeber „von Verfassungs wegen eine weniger intensive Regelungsdichte ‚leisten’” (LTDrucks 15/318, S. 7).
Nach der Begründung des Gesetzentwurfs besteht der Vorteil, der durch den wiederkehrenden Beitrag abgegolten werden soll,
in der durch die Verkehrsanlage vermittelten Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu dem die öffentliche Einrichtung bildenden Gesamtverkehrssystem. Anders als bei einmaligen Beiträgen liegt der rechtlich relevante Vorteil, an den angeknüpft wird, nicht in der konkret bestehenden Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu einer einzelnen Verkehrsanlage, sondern in der Aufrechterhaltung oder Verbesserung des Gesamtverkehrssystems als solchem, zu welchem die Zufahrts- und Zugangsmöglichkeit besteht. (LTDrucks 15/318, S. 7)
Die Erhebung wiederkehrender Beiträge sei verfassungsrechtlich durch den besonderen Vorteil gerechtfertigt, der den beitragspflichtigen Grundstücken dadurch vermittelt werde,
dass sie durch die einzelnen Verkehrsanlagen gleichsam „erschlossen” sind und insoweit auch an dem überörtlichen Verkehrsnetz partizipieren können. Auf die Notwendigkeit einer diesen Zugang erst vermittelnden Infrastruktur, wie sie mit den überkommenen Kategorien des räumlichen und funktionalen Zusammenhangs erforderlich gewesen waren, kann verzichtet werden. Denn in der Erhaltung, Verbesserung oder Erweiterung dieses Straßensystems durch Ausbaumaßnahmen an den einzelnen Verkehrsanlagen liegt der verfassungsrechtlich erforderliche, aber auch ausreichende Sondervorteil, der durch den wiederkehrenden Beitrag abgegolten wird. Folgerichtig unterfallen auch all jene Grundstücke der Beitragspflicht, die zu der eine Einheit bildenden Einrichtung gehören und an sie angebunden sind. Beitragspflichtig sind daher alle Grundstücke, welche die rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu einer der Verkehrsanlagen dieser Einrichtung haben. (LTDrucks 15/318, S. 8)
Die Beitragsschuldner zögen aus dem „Vorhalten aller öffentlichen Verkehrsanlagen abstrakte Vorteile, indem ihnen die eine Einheit bildende Einrichtung zur gebrauchswertsteigernden Benutzbarkeit zur Verfügung gestellt” werde (LTDrucks 15/318, S. 7). Dem Umstand, dass das Straßensystem nicht nur den beitragspflichtigen Grundstücken, sondern auch dem sogenannten Durchgangsverkehr diene, also nicht nur den betreffenden Grundstücken, sondern auch der Allgemeinheit Vorteile vermittele, werde durch den Gemeindeanteil Rechnung getragen, der jenen Vorteil widerspiegele, den die Allgemeinheit im Verhältnis zur Gesamtheit der anliegenden Grundstücke durch den Ausbau der die öffentliche Einrichtung bildenden Verkehrsanlagen habe (LTDrucks 15/318, S. 7).
II.
1. a) Die Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 668/10 (im Folgenden: Beschwerdeführerin zu 1) war bis Mitte Januar 2008 Eigentümerin eines bebauten Grundstücks im Gebiet der Stadt Saarburg (im Folgenden: Beklagte zu 1). Seither ist sie ins Grundbuch eingetragene Nießbraucherin. Die Beklagte zu 1) zog sie auf der Grundlage der Satzung über die Erhebung wiederkehrender Beiträge für öffentliche Verkehrsanlagen in der Stadt Saarburg vom 16. März 2007 (im Folgenden: Beitragsatzung Saarburg) zu einer Vorausleistung auf den wiederkehrenden Beitrag für das Jahr 2007 für die öffentlichen Verkehrsanlagen der Stadt Saarburg, Abrechnungseinheit I (Saarburg) in Höhe von 146,30 EUR heran. Nach § 1 Abs. 1 der Beitragsatzung Saarburg erhebt die Beklagte zu 1) wiederkehrende Beiträge für die Herstellung und den Ausbau von Verkehrsanlagen. Die Beitragsatzung unterteilt in § 3 Abs. 2 das Stadtgebiet in sechs Abrechnungseinheiten.
b) Das Verwaltungsgericht wies die von der Beschwerdeführerin zu 1) gegen den Bescheid und den diesen bestätigenden Widerspruchsbescheid erhobene Klage ab. Zur Begründung verwies es auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. November 2007 – 6 C 10601/07.OVG –, AS RP-SL 35, S. 209; Urteil vom 10. Juni 2008 – 6 C 10255/08.OVG –, AS RP-SL 36, S. 195), wonach § 10a KAG RP verfassungsgemäß und insbesondere mit den kompetenzrechtlichen Bestimmungen und dem Gleichheitssatz vereinbar sei. Gegen die materielle Rechtmäßigkeit der Bildung der Abrechnungseinheit I bestünden keine Bedenken.
c) Das Oberverwaltungsgericht lehnte den Antrag der Beschwerdeführerin zu 1) auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ab. Mit ihrer Antragsbegründung verkenne die Beschwerdeführerin zu 1), dass der Gesetzgeber § 10a KAG RP einen neuen Anlagen- und Vorteilsbegriff zugrunde gelegt habe, der vom bisherigen wesentlich abweiche und nicht mehr vom Vorliegen eines räumlichen und funktionalen Zusammenhangs der Verkehrsanlagen abhängig sei. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts bestünden weder kompetenzrechtlich noch aus Gründen der Abgabengerechtigkeit durchschlagende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung. Anders als eine Steuer, die den Abgabenpflichtigen unabhängig von einem bestimmten Zweck zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben auferlegt werde, diene der wiederkehrende Beitrag nach § 10a KAG RP der Deckung tatsächlich angefallener Kosten für den Straßenausbau als Gegenleistung für die dadurch entstehenden Sondervorteile (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. November 2007 – 6 C 10601/07.OVG –, AS RP-SL 35, S. 209 ≪213≫).
Während beim einmaligen Beitrag die unmittelbare Zugangsbeziehungsweise Zufahrtsmöglichkeit zu der ausgebauten Verkehrsanlage (§ 10 Abs. 5 KAG RP) für den Eigentümer eines qualifiziert nutzbaren Grundstücks den Sondervorteil darstelle, rechtfertige sich die Erhebung des wiederkehrenden Beitrags durch die Anbindung an die öffentliche Einrichtung, die von allen zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen gebildet werde. Der mit der Bildung einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung verbundene Sondervorteil komme auch in der grundsätzlichen Verpflichtung der Gemeinde zum Ausdruck, diese Einrichtung funktionsfähig zu halten. Dementsprechend dürfe der Blick nicht – wie bisher – allein auf die auszubauende Straße, sondern müsse gleichzeitig auf die Erhaltung, Verbesserung oder Erweiterung des Gesamtstraßensystems gerichtet werden (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. November 2007 – 6 C 10601/07.OVG –, AS RP-SL 35, S. 209 ≪217≫).
§ 10a KAG RP verstoße nicht gegen die durch Art. 3 Abs. 1 GG gebotene Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen. Die Beschränkung der Beitragspflicht auf Eigentümer und andere dinglich Nutzungsberechtigte qualifiziert nutzbarer Grundstücke finde ihre Rechtfertigung in dem Sondervorteil, den diese Berechtigten im Vergleich zu Eigentümern von Außenbereichsgrundstücken und sonstigen Straßenbenutzern durch den Straßenausbau hätten. Denn mit dem Ausbaubeitrag werde nicht die schlichte Straßenbenutzungsmöglichkeit entgolten, sondern die einem Grundstück mit Baulandqualität zugutekommende Erhaltung der wegemäßigen Erschließung, das heißt die Anbindung an das inner- und überörtliche Verkehrsnetz. Durch den Straßenausbau werde die Zugänglichkeit des Grundstücks gesichert und damit der Fortbestand der qualifizierten Nutzbarkeit (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. November 2007 – 6 C 10601/07.OVG –, AS RP-SL 35, S. 209 ≪217 f.≫).
2. a) Die Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 2104/10 (im Folgenden: Beschwerdeführerin zu 2) ist Eigentümerin eines bebauten Grundstücks im Gebiet der Stadt Schifferstadt (im Folgenden: Beklagte zu 2). Diese erhebt nach § 1 Abs. 1 der Satzung über die Erhebung wiederkehrender Beiträge für öffentliche Verkehrsanlagen der Stadt Schifferstadt vom 23. Februar 2007 (im Folgenden: Beitragsatzung Schifferstadt) wiederkehrende Beiträge für die Herstellung und den Ausbau von Verkehrsanlagen. § 3 Abs. 1 der Beitragsatzung Schifferstadt unterteilt das Stadtgebiet in drei Abrechnungseinheiten. Die Beklagte zu 2) zog die Beschwerdeführerin zu 2) auf der Grundlage der Beitragsatzung Schifferstadt zu einem wiederkehrenden Beitrag für den Ausbau von Verkehrsanlagen in der Abrechnungseinheit 1 für das Jahr 2006 in Höhe von 27,36 EUR heran.
b) Das Verwaltungsgericht hob den Bescheid und den diesen bestätigenden Widerspruchsbescheid teilweise auf und wies die Klage der Beschwerdeführerin zu 2) im Übrigen ab. Die Erhebung wiederkehrender Beiträge auf der Grundlage des § 10a KAG RP sei nach der zutreffenden Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz verfassungsgemäß. Die Bildung der Abrechnungseinheiten sei im konkreten Fall nicht zu beanstanden.
c) Das Oberverwaltungsgericht lehnte den Antrag der Beschwerdeführerin zu 2) auf Zulassung der Berufung ab. Die Beschwerdebegründung werfe keine beachtlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 10a KAG RP auf (Hinweis auf OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. November 2007 – 6 C 10601/07.OVG –, AS RP-SL 35, S. 209; Urteil vom 10. Juni 2008 – 6 C 10255/08.OVG –, AS RP-SL 36, S. 195). Der für die Beitragserhebung unerlässliche Sondervorteil sei entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin zu 2) nicht von einer Verkehrswertsteigerung des veranlagten Grundstücks abhängig. Die Benutzung anderer Straßen als derjenigen, an der das Grundstück eines zum wiederkehrenden Beitrag herangezogenen Eigentümers liege, sei auch nicht „rein hypothetisch”.
III.
Die Beschwerdeführerinnen rügen mit ihren Verfassungsbeschwerden die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Die Beitragserhebung stelle einen unzulässigen Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit dar, weil das Land Rheinland-Pfalz keine Gesetzgebungskompetenz habe. Die Erhebung wiederkehrender Beiträge auf der Grundlage des § 10a KAG RP genüge in der Auslegung, die diese Vorschrift durch die angegriffenen Entscheidungen erfahren habe, nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine nichtsteuerliche Abgabe, weil es an dem verfassungsrechtlich erforderlichen Sondervorteil fehle. Im Straßenausbaubeitragsrecht lägen die eine Beitragserhebung rechtfertigenden Vorteile in der verbesserten Erschließungssituation der betreffenden Grundstücke. Werde eine Straße ausgebaut, erlangten die Eigentümer der anliegenden Grundstücke hierdurch einen Sondervorteil, der sich regelmäßig auch in einem erhöhten Wert der Grundstücke widerspiegele. Damit im Fall der Erhebung wiederkehrender Beiträge der erforderliche Sondervorteil gegeben sei, müssten die zu einer Abrechnungseinheit zusammengefassten Verkehrsanlagen in einem räumlichen und funktionalen Zusammenhang stehen. Könnten Abrechnungseinheiten lediglich begrenzt durch Gemeindegrenzen in beliebigem Umfang gebildet werden, würde der Beitragsbegriff ausgehöhlt und sich der Vorteilsbegriff nur noch als abstrakte Größe darstellen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht (BVerfGE 33, 265) sei auf das Straßenausbaurecht zu übertragen. Verfassungsrechtlich sei es erforderlich, den Sondervorteil der Beitragspflichtigen gegenüber der jedermann gegebenen Möglichkeit des Befahrens einer Straße im Rahmen des Gemeingebrauchs abzugrenzen.
2. Die Erhebung wiederkehrender Beiträge nach § 10a Abs. 1 KAG RP verstoße darüber hinaus gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot der Belastungsgleichheit. Während nach der Vorgängerregelung die Voraussetzung des räumlichen und funktionalen Zusammenhangs zwischen der Ausbaumaßnahme und dem in Anspruch genommenen Grundstück für eine greifbar vorteilsgerechte Ausgestaltung der Beitragserhebung gesorgt habe, sei es bei Zugrundelegung aller Verkehrsanlagen einer Gemeinde oder einzelner Gebietsteile als einheitlicher öffentlicher Einrichtung ohne Anwendung dieses oder eines anderen gleichwertigen vorteilsbezogenen Kriteriums nicht möglich, die Last den Verpflichteten vorteils- und damit gleichheitsgerecht im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG zuzuordnen.
IV.
Die Landesregierung Rheinland-Pfalz, der Landtag Rheinland-Pfalz, das Bundesverwaltungsgericht und die Beklagte zu 1) haben zu den Verfassungsbeschwerden Stellung genommen. Außerdem hat sich das Thüringer Oberverwaltungsgericht zur Rechtslage in seinem Land geäußert.
1. Der Minister der Justiz und für Verbraucherschutz des Landes Rheinland-Pfalz führt in seiner Stellungnahme namens der Landesregierung aus, durchschlagende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung des § 10a KAG RP ergäben sich weder unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten noch solchen der Abgabengerechtigkeit als spezifischer Ausprägung des Gleichbehandlungsgebotes. Der räumliche und funktionale Zusammenhang habe mit dem Übergang zum qualitativ neuen Tatbestandsbegriff der einheitlichen öffentlichen Einrichtung seine Bedeutung verloren (vgl. LTDrucks 15/318, S. 7 f.). Die nach § 10a KAG RP zu erhebende Abgabe sei als Beitrag und nicht als Steuer zu qualifizieren. Denn die gesetzliche Regelung sei vorteilsbezogen ausgestaltet. Wiederkehrende Beiträge würden danach nur erhoben, wenn Investitionsaufwendungen für die Erhaltung, Verbesserung oder Erweiterung der Verkehrsanlagen anfielen.
2. Der Präsident des Landtags Rheinland-Pfalz ist der Auffassung, § 10a KAG RP sei verfassungsgemäß.
a) Der Gesetzgebungskompetenz des Landes stehe die Finanzverfassung des Grundgesetzes (Art. 104a ff. GG) nicht entgegen. Der in § 10a KAG RP geregelte wiederkehrende Beitrag sei vorteilsbezogen ausgestaltet. Der abzugeltende Vorteil liege nach der vom Landesgesetzgeber verfolgten Grundkonzeption in der durch die Verkehrsanlage vermittelten Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu einem sich in der öffentlichen Einrichtung abbildenden Gesamtverkehrssystem. Dieser einrichtungsbezogen definierte Vorteil sei hinreichend konkret. Soweit die Beschwerdeführerinnen geltend machten, die Annahme eines konkreten Sondervorteils sei nur gerechtfertigt, wenn der Ausbau der Verkehrsanlage zu einer messbaren Wertsteigerung des Grundstücks führe, die erst dann vorliege, wenn die Verkehrsanlage für die Erreichbarkeit des Grundstücks auch tatsächlich genutzt werden müsse, berücksichtigten sie nicht, dass auch ein intaktes und ausgebautes Verkehrssystem der Gemeinde ein den Wert des Grundstücks positiv beeinflussender Faktor sei.
Mit der Regelung des § 10a KAG RP habe der Landesgesetzgeber in Wahrnehmung seiner gerade im Abgabenrecht und bei der Bildung öffentlicher Einrichtungen weitreichenden Gestaltungsfreiheit einen Systemwechsel vollzogen, der sich von dem bisherigen „abrechnungstechnischen Verbund” mehrerer einzelner öffentlicher Verkehrsanlagen löse und in zulässiger Weise einen neuen einheitlichen Einrichtungsbegriff definiere, der nach Maßgabe satzungsrechtlicher Bestimmung sämtliche Verkehrsanlagen des gesamten Gemeindegebiets erfassen könne, aber nicht müsse. Erst in der Kombination und Zusammenfassung in der Regel aller Ortsstraßen zu einem Straßensystem könne sich aus dem Vorhandensein der unmittelbar Zugang oder Zufahrt vermittelnden Straße ein besonderer Vorteil für das beitragspflichtige Grundstück ergeben. Die einzelnen Verkehrsanlagen könnten folglich nur Teilfunktionen erfüllen, weswegen das Straßensystem als Einheit zu betrachten sei, weil es nur als solches seine Funktion erfüllen könne.
Bei der verfassungsrechtlichen Bewertung dürfe im Übrigen nicht außer Betracht bleiben, dass die Bestimmung des § 10a Abs. 1 Satz 2 KAG RP dem Satzungsgeber auch die Möglichkeit eröffne, statt der Verkehrsanlagen des gesamten Gemeindegebiets nur die Verkehrsanlagen einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile der Gemeinde als einheitliche öffentliche Einrichtung zu bestimmen.
b) Die Inanspruchnahme der Abgabepflichtigen sei gleichheitsrechtlich durch den Sondervorteil gerechtfertigt, der nur ihnen zukomme. Es liege in der Eigenart eines gesamteinrichtungsbezogen definierten Vorteilsbegriffs begründet, dass die Erhaltung oder Verbesserung eines Einrichtungsteils der Einrichtung insgesamt zugutekomme. Dass der sich daraus ergebende Sondervorteil nicht für sämtliche an der Einrichtung partizipierenden Grundstücke identisch sei, sei wegen des auf die Einrichtung insgesamt bezogenen Vorteils unbeachtlich.
3. Der für das Abgabenrecht zuständige 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts verweist auf sein Urteil vom 30. Januar 2013 – BVerwG 9 C 1.12 – (NVwZ 2013, S. 876), mit dem er seine Rechtsprechung zur Erschließungseinheit im Sinne des § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB fortentwickelt hat. Danach liege eine Erschließungseinheit auch dann vor, wenn von derselben Hauptstraße nicht nur eine, sondern mehrere funktional abhängige Nebenstraßen abzweigten. Hinsichtlich des Vorteilsbegriffs im Straßenausbaubeitragsrecht habe der Senat allgemein die Annahme, der Nutzen des Einzelnen sei bei vom Gemeinwesen bereit gestellten Gütern, namentlich bei Straßen im Gemeingebrauch, individuell zurechenbar, als mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar bezeichnet (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 2011 – BVerwG 9 BN 4.10 –, NVwZ-RR 2011, S. 745).
4. Die Beklagte zu 1) betont in ihrer Stellungnahme die praktischen Vorzüge der Erhebung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge. Sie weist insbesondere darauf hin, dass wiederkehrende im Vergleich zu einmaligen Beiträgen für die Betroffenen deutlich weniger belastend und sozial verträglicher seien. Wiederkehrende Beiträge beliefen sich regelmäßig auf weniger als fünf Prozent der andernfalls zu zahlenden Einmalbeträge.
Die Erhebung wiederkehrender Beiträge nach § 10a KAG RP sei verfassungsgemäß. Dem Land Rheinland-Pfalz stehe die Gesetzgebungskompetenz hierfür zu. Für die Charakterisierung als Beitrag spreche bereits die gesetzliche Bezeichnung sowie die Tatsache, dass wiederkehrende anstelle von Einmalbeiträgen erhoben würden, um die Straßenanlieger an den Ausbaukosten zu beteiligen. Der wiederkehrende Beitrag werde in Abgrenzung zur Steuer nur erhoben, wenn und soweit Straßen tatsächlich ausgebaut würden, wenn die Gemeinden also entsprechende Investitionen tätigten. Auch der gesetzlich vorgeschriebene Gemeindeanteil, der bei Erhebung wiederkehrender Beiträge anzusetzen sei, sei der Abgabenart Steuer fremd.
Entscheidungsgründe
B.
Die zulässigen Verfassungsbeschwerden sind teilweise begründet. Sie sind unbegründet, soweit sie sich gegen die Möglichkeit der Auferlegung wiederkehrender Beiträge für Verkehrsanlagen wenden. § 10a KAG RP verstößt in verfassungskonformer Auslegung weder gegen Freiheitsrechte der Beschwerdeführerinnen in Verbindung mit der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung (I.) noch gegen den aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden Grundsatz der Belastungsgleichheit (II.). Begründet sind die Verfassungsbeschwerden dagegen insoweit, als sie sich gegen die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen wenden, da deren Auslegung und Anwendung des § 10a KAG RP den Anforderungen des Grundsatzes der Belastungsgleichheit nicht in vollem Umfang gerecht werden (III.).
I.
Freiheitsrechte der Beschwerdeführerinnen werden durch die gesetzliche Auferlegung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge nicht verletzt.
1. Als Auferlegung einer Geldleistungspflicht stellt die Erhebung wiederkehrender Beiträge einen Eingriff in die persönliche Freiheitsentfaltung im vermögensrechtlichen Bereich dar (vgl. BVerfGE 87, 153 ≪169≫; 93, 121 ≪137≫; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 15. Januar 2014 – 1 BvR 1656/09 –, juris, Rn. 44).
2. Der wiederkehrende Beitrag beruht auf einer gesetzlichen Grundlage, welche die Kompetenzordnung des Grundgesetzes wahrt. Er ist als nichtsteuerliche Abgabe mit Gegenleistungscharakter gerechtfertigt, die den Anforderungen genügt, welche die Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung an solche Abgaben stellt, (a) und für die das Land mangels Bundeskompetenz zur Gesetzgebung befugt war (b).
a) Wiederkehrende Beiträge nach § 10a KAG RP sind keine Steuern, sondern nichtsteuerliche Abgaben.
aa) (1) Maßgeblich für die Qualifizierung einer Abgabe als Steuer oder nichtsteuerliche Abgabe ist die Ausgestaltung des betreffenden Gesetzes (vgl. BVerfGE 7, 244 ≪256≫; 49, 343 ≪352≫; 92, 91 ≪114≫; 123, 1 ≪17≫). Die Einordnung der Abgabe richtet sich nicht nach ihrer gesetzlichen Bezeichnung, sondern nach ihrem tatbestandlich bestimmten, materiellen Gehalt (BVerfGE 108, 1 ≪13≫; 108, 186 ≪212≫; 110, 370 ≪384≫; 113, 128 ≪145 f.≫; 122, 316 ≪333≫; 124, 348 ≪364≫).
Steuern sind öffentliche Abgaben, die als Gemeinlast (vgl. BVerfGE 110, 274 ≪294≫; 123, 132 ≪140≫) ohne individuelle Gegenleistung („voraussetzungslos”) zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines öffentlichen Gemeinwesens erhoben werden (vgl. BVerfGE 49, 343 ≪353≫; 110, 274 ≪294≫; 124, 235 ≪243≫; 124, 348 ≪364≫).
(2) Erweist sich eine Abgabe wegen ihres Gegenleistungscharakters als nichtsteuerliche Abgabe, stehen die finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften des Grundgesetzes ihrer Erhebung nicht entgegen (vgl. BVerfGE 124, 235 ≪244≫; 132, 334 ≪349, Rn. 47≫; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 – 2 BvR 1561/12 u.a. –, NVwZ 2014, S. 646 ≪650 f., Rn. 121 ff.≫; stRspr). Das Grundgesetz enthält keinen abschließenden Kanon zulässiger Abgabetypen (BVerfGE 113, 128 ≪146 f.≫; 122, 316 ≪333≫; 123, 132 ≪141≫). Abgaben, die einen Sondervorteil ausgleichen sollen, sind als Vorzugslasten zulässig. Darunter fallen Gebühren und Beiträge (vgl. BVerfGE 110, 370 ≪388≫ m.w.N.).
Es gibt zwar keinen eigenständigen vollständigen verfassungsrechtlichen Beitrags- oder Gebührenbegriff (vgl. BVerfGE 50, 217 ≪225 f.≫); diese Vorzugslasten weisen jedoch Merkmale auf, die sie verfassungsrechtlich notwendig von der Steuer unterscheiden. Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (vgl. BVerfGE 50, 217 ≪226≫; 92, 91 ≪115≫; 110, 370 ≪388≫; 132, 334 ≪349, Rn. 49≫ m.w.N.; stRspr). Das gilt entsprechend für Beiträge, die im Unterschied zu Gebühren schon für die potentielle Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung oder Leistung erhoben werden (vgl. BVerfGE 9, 291 ≪297 f.≫; 92, 91 ≪115≫; 110, 370 ≪388≫; 113, 128 ≪148≫ m.w.N.). Durch Beiträge sollen die Interessenten an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung beteiligt werden, von der sie potentiell einen Nutzen haben (vgl. BVerfGE 38, 281 ≪311≫ m.w.N.). Der Gedanke der Gegenleistung, also des Ausgleichs von Vorteilen und Lasten, ist der den Beitrag im abgabenrechtlichen Sinn legitimierende Gesichtspunkt (BVerfGE 9, 291 ≪298≫). Während bei den Zwecksteuern die Ausgaben- und die Einnahmenseite voneinander abgekoppelt sind, werden bei den nichtsteuerlichen Abgaben in Form von Beiträgen die Rechtfertigung und die Höhe der Abgabe gerade durch den öffentlichen Aufwand vorgegeben (vgl. BVerfGE 108, 186 ≪212≫; 110, 370 ≪384≫; 124, 348 ≪364≫; Birk/Eckhoff, in: Sacksofsky/Wieland, Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, 2000, S. 54 ≪57≫; P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 119 Rn. 64).
bb) Der Straßenausbaubeitrag gemäß § 10a KAG RP ist danach keine Steuer, sondern eine nichtsteuerliche Abgabe (vgl. VG Koblenz, Beschluss vom 1. August 2011 – 4 K 1392/10.KO –, juris, Rn. 147; Halter, Der wiederkehrende Straßenausbaubeitrag, 2006, S. 116 ff.; Beuscher, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 2307 ff. ≪Stand September 2013≫; a.A. Kraft-Zörcher, ThürVBl 1999, S. 55 ≪58 f.≫; vgl. auch Driehaus, KStZ 2011, S. 21 ≪22≫; Brenner, Gesetzmäßigkeitsprinzip und Reformfrage im Straßenausbaubeitragsrecht, 2010, S. 83). Die Abgabe für Verkehrsanlagen wird nicht zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben erhoben, sondern speziell zur Finanzierung des Straßenausbaus, also für einen besonderen Finanzbedarf (vgl. BVerfGE 110, 370 ≪384≫). Dieser Zusammenhang ist in der gesetzlichen Regelung des Abgabentatbestandes hinreichend verankert. § 10a Abs. 1 Satz 2 KAG RP ermächtigt ausdrücklich zur Erhebung vorteilsbezogener Beiträge und gestaltet die Abgabenerhebung gegenleistungsbezogen aus, indem die jeweils auferlegte Abgabe vom Gesetzgeber dem Grunde und der Höhe nach mit dem Anfall der Kosten konkreter Investitionsaufwendungen für Verkehrsanlagen für die Erledigung der Aufgabe des Straßenausbaus tatbestandlich verknüpft ist.
b) Für öffentlich-rechtliche Abgaben, die keine Steuern sind (nichtsteuerliche Abgaben), richtet sich die Gesetzgebungskompetenz nach den allgemeinen Regeln über die Sachgesetzgebungskompetenzen (Art. 70 ff. GG; vgl. BVerfGE 4, 7 ≪13≫; 110, 370 ≪384≫; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 – 2 BvR 1561/12 u.a. –, NVwZ 2014, S. 646 ≪650, Rn. 121≫; stRspr). Für das Straßenausbaubeitragsrecht steht den Ländern nach den allgemeinen Regeln die erforderliche Sachgesetzgebungskompetenz zu (Art. 30, 70 ff. GG; vgl. BVerfGE 4, 7 ≪13≫; 110, 370 ≪384≫; stRspr). Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG ist der Bund auf den Erlass von Vorschriften für den Bau und die Unterhaltung der Landstraßen des Fernverkehrs beschränkt. Im Übrigen liegt die Gesetzgebungsbefugnis für die Materie „Straßenbau” bei den Ländern (BVerfGE 26, 338 ≪370, 384≫; 34, 139 ≪152≫).
II.
Die Heranziehung zu wiederkehrenden Beiträgen nach Maßgabe des § 10a KAG RP verstößt bei verfassungskonformer Auslegung nicht gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsgleichheit.
1. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365 ≪385≫; 130, 240 ≪252≫; stRspr). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 ≪17≫; 126, 400 ≪416≫; 130, 240 ≪252 f.≫). Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht alle Differenzierungen. Diese bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfGE 75, 108 ≪157≫; 93, 319 ≪348 f.≫; 107, 27 ≪46≫; 126, 400 ≪416≫; 129, 49 ≪69≫; 132, 179 ≪188, Rn. 30≫).
2. Aus dem Gleichheitssatz folgt für das Steuer- und Abgabenrecht der Grundsatz der Belastungsgleichheit (vgl. BVerfGE 117, 1 ≪30≫; 124, 235 ≪244≫; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 – 2 BvR 1561/12 u.a. –, NVwZ 2014, S. 646 ≪650, Rn. 121≫).
Bei der Auswahl des Abgabengegenstands sowie bei der Bestimmung von Beitragsmaßstäben und Abgabensatz hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 50, 217 ≪226≫; 91, 207 ≪223≫). Wer eine nichtsteuerliche Abgabe schuldet, ist allerdings regelmäßig zugleich steuerpflichtig und wird insofern zur Finanzierung der die Gemeinschaft treffenden Lasten herangezogen. Neben dieser steuerlichen Inanspruchnahme bedürfen nichtsteuerliche Abgaben, die den Einzelnen zu einer weiteren Finanzleistung heranziehen, zur Wahrung der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen (Art. 3 Abs. 1 GG) einer über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung (vgl. BVerfGE 75, 108 ≪158≫; 93, 319 ≪343≫; 108, 1 ≪16 f.≫; 124, 235 ≪244≫; 132, 334 ≪349, Rn. 47 f.≫; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 – 2 BvR 1561/12 u.a. –, NVwZ 2014, S. 646 ≪650, Rn. 121≫). Als sachliche Gründe, die die Bemessung einer Gebühr oder eines Beitrags rechtfertigen können, sind neben dem Zweck der Kostendeckung auch Zwecke des Vorteilsausgleichs, der Verhaltenslenkung sowie soziale Zwecke anerkannt (BVerfGE 132, 334 ≪349, Rn. 49≫ m.w.N.).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Abgabengesetze in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben abgabenrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und können dabei die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Es ist auch ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers, die Erhebung von Abgaben – insbesondere sofern sie auf der Grundlage von kommunalen Satzungen erfolgt – so auszugestalten, dass sie praktikabel bleibt, und sie von übermäßigen, mit Rechtsunsicherheit verbundenen Differenzierungsanforderungen zu entlasten. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Abgabepflichtigen darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit der Belastung stehen (vgl. für das Steuerrecht BVerfGE 96, 1 ≪6≫; 99, 280 ≪290≫; 105, 73 ≪127≫; 110, 274 ≪292≫; 116, 164 ≪182 f.≫; 117, 1 ≪31≫; 120, 1 ≪30≫; 123, 1 ≪19≫; 127, 224 ≪246≫). Außerdem darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (vgl. BVerfGE 112, 268 ≪280 f.≫; 117, 1 ≪31≫; 120, 1 ≪30≫; 123, 1 ≪19≫; 127, 224 ≪246≫).
3. Werden Beiträge erhoben, verlangt Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und nicht Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen wird, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll. Erfolgt die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen grundstücksbezogen, können nach dem Grundsatz der abgabenrechtlichen Belastungsgleichheit nur solche Grundstücke herangezogen werden, deren Eigentümer aus der Möglichkeit, die ausgebauten Straßen in Anspruch zu nehmen, einen Sondervorteil schöpfen können, der sich von dem der Allgemeinheit der Straßennutzer unterscheidet.
Die Erhebung von Beiträgen erfordert hiernach hinreichende sachliche Gründe, welche eine individuelle Zurechnung des mit dem Beitrag belasteten Vorteils (siehe oben B. I.) zum Kreis der Belasteten rechtfertigen. Wesentlich für den Begriff des Beitrags ist der Gedanke der angebotenen Gegenleistung, des Ausgleichs von Vorteilen und Lasten: Wenn das Gemeinwesen in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe eine besondere Einrichtung zur Verfügung stellt, so sollen diejenigen, die daraus besonderen wirtschaftlichen Nutzen ziehen oder ziehen können, zu den Kosten ihrer Errichtung und Unterhaltung beitragen (vgl. BVerfGE 14, 312 ≪317≫). Die für die Kostentragungspflicht erforderliche individuelle Zurechenbarkeit lässt sich insbesondere aus der rechtlichen oder tatsächlichen Sachherrschaft oder -nähe und der damit verbundenen Möglichkeit herleiten, aus der Sache konkrete wirtschaftliche Vorteile oder Nutzen zu ziehen (vgl. BVerfGE 91, 207 ≪223≫). Das schließt allerdings nicht aus, dass eine unbestimmte Vielzahl von Bürgern zu Beiträgen herangezogen wird, sofern ihnen jeweils ein Sondervorteil individuell-konkret zugerechnet werden kann (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 13. Mai 2014 – VGH B 35/12 –, juris, Rn. 103).
Soweit die Beitragserhebung grundstücksbezogen erfolgt, muss auch der Sondervorteil grundstücksbezogen definiert werden (vgl. Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 272 ≪Stand September 2013≫; Beuscher, ebd. Rn. 2314); er kann zum Beispiel in einer Erhöhung des Gebrauchswertes des Grundstücks durch die Belegenheit in einem verkehrsmäßig erschlossenen Gebiet oder in der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage bestehen, welche ihrerseits den Gebrauchswert des Grundstücks steigert. Eine Steigerung des Verkehrswertes ist nicht erforderlich (vgl. Arndt, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 16 Rn. 130; Driehaus, a.a.O.; Schneider, Driehaus-Festschrift, 2005, S. 179 ≪184≫).
Weitergehende verpflichtende Anforderungen, wie zum Beispiel die Existenz eines „funktionalen Zusammenhangs” zwischen Verkehrsanlagen und den mit einem Ausbaubeitrag belasteten Grundstücken sind verfassungsrechtlich nicht geboten. Allerdings darf sich aus Gründen der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) der Sondervorteil, dessen Inanspruchnahme durch die Erhebung eines Beitrags ausgeglichen werden soll, nicht in der Weise auflösen, dass Beitragspflichtige keinen größeren Vorteil aus der potentiellen Inanspruchnahme der Gegenleistung ziehen können als die nichtbeitragspflichtige Allgemeinheit. Damit bleibt Raum für eine Ausgestaltung der Beitragsverpflichtung durch den Gesetz- oder Satzungsgeber. Der danach eröffnete Spielraum ist erst dann überschritten, wenn kein konkreter Bezug zwischen dem gesetzlich definierten Vorteil und den Abgabepflichtigen mehr erkennbar ist (vgl. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, 1973, S. 88).
4. Nach diesen Maßgaben verstößt die Heranziehung zu wiederkehrenden Beiträgen nach § 10a KAG RP in verfassungskonformer Auslegung nicht gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen. Der für die Beitragserhebung erforderliche Sondervorteil der Beitragspflichtigen liegt in der Möglichkeit des Zugangs von ihren Grundstücken zu den öffentlichen Verkehrsanlagen (a). Bei verfassungskonformer Auslegung von § 10a KAG RP und einer entsprechenden Umsetzung durch den jeweils zuständigen Satzungsgeber ist ein durch den Ausbau von Verkehrsanlagen bedingter Sondervorteil sämtlichen Abgabepflichtigen hinreichend individuell zurechenbar (b). Die Erhebung wiederkehrender Beiträge durch Satzung nach § 10a KAG RP führt bei verfassungskonformer Auslegung auch nicht zu einer Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, weil sämtliche Grundstücke innerhalb einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung abgabepflichtig wären, obwohl sie durch die Ausbaumaßnahmen wesentlich unterschiedlich begünstigt sind, sofern mit der Anlage ein Vorteil für das Grundstück, an das der Beitrag anknüpft, verbunden ist (c).
a) Der durch den Beitrag ausgeglichene Sondervorteil besteht nach dem Wortlaut des § 10a KAG RP und der Begründung des Gesetzentwurfs in der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu einer öffentlichen Verkehrsanlage, die Teil einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung ist. Dem steht die wiederkehrende Erhebung des Beitrags nicht entgegen (vgl. BVerfGE 42, 223 ≪228 f.≫).
Der Gesetzgeber sieht den Sondervorteil in der Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu einem Gesamtsystem der Verkehrsanlagen, das nach Maßgabe der Satzung grundsätzlich auch aus sämtlichen zum Ausbau bestimmten Verkehrsanlagen einer Gemeinde bestehen kann und damit eine einheitliche öffentliche Einrichtung bildet. Bereits nach der Vorgängerregelung des § 10 Abs. 6 KAG RP aus dem Jahre 1995 war die „rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs zu einer in der Abrechnungseinheit gelegenen Verkehrsanlage” der gesetzliche Anknüpfungspunkt für den Sondervorteil. Mit der Neuregelung wurde der Begriff der „Abrechnungseinheit” durch den der „einheitlichen öffentlichen Einrichtung” ersetzt. Während nach Auffassung des Landesgesetzgebers beim einmaligen Beitrag nach § 10 Abs. 5 KAG RP der Sondervorteil in der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs „zu der hergestellten oder ausgebauten Verkehrsanlage” besteht, soll beim (wiederkehrenden) Beitrag nach § 10a KAG RP die Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu „einer der Verkehrsanlagen” – also nicht nur zu einer bestimmten, gerade hergestellten oder ausgebauten Verkehrsanlage – genügen. Die einheitliche öffentliche Einrichtung bilde in ihrer Gesamtheit das einheitliche Straßensystem, welches den durch die einzelnen Verkehrsanlagen „erschlossenen”, qualifiziert nutzbaren Grundstücken die erforderliche Anbindung an das gesamte übrige innerörtliche und damit zugleich auch überörtliche Straßennetz ermögliche. In der Erhaltung, Verbesserung oder Erweiterung dieses Straßensystems seitens der Gemeinde durch entsprechende Ausbaumaßnahmen an den einzelnen Verkehrsanlagen liege der verfassungsrechtlich erforderliche, aber auch ausreichende Sondervorteil, der durch den wiederkehrenden Beitrag abgegolten werde (LTDrucks 15/318, S. 7 f.).
Der beitragspflichtige Vorteil liegt danach in der Möglichkeit der besseren Erreichbarkeit der beitragspflichtigen Grundstücke und der besseren Nutzbarkeit des Gesamtverkehrssystems sowie dessen Aufrechterhaltung und Verbesserung als solchem; er ist geeignet, den Gebrauchswert der Grundstücke positiv zu beeinflussen. Damit bewegt sich der Landesgesetzgeber innerhalb der durch den Gleichheitssatz gezogenen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit, indem er den Vorteil des einzelnen Grundstücks mit Rücksicht auf die straßenausbaubedingte Steigerung und den Erhalt der Funktionsfähigkeit des Gesamtverkehrssystems einer vom Satzungsgeber festzulegenden Einheit bestimmt. Mit dem Ausbaubeitrag wird folglich nicht die schlichte – auch der Allgemeinheit zustehende – Straßenbenutzungsmöglichkeit entgolten, sondern die einem Grundstück mit Baulandqualität zugutekommende Erhaltung der wegemäßigen Erschließung als Anbindung an das inner- und überörtliche Verkehrsnetz. Durch den Straßenausbau wird die Zugänglichkeit des Grundstücks gesichert und damit der Fortbestand der qualifizierten Nutzbarkeit (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. November 2007 – 6 C 10601/07.OVG –, AS RP-SL 35, S. 209 ≪217≫; Beschluss vom 24. Februar 2012 – 6 A 11492/11.OVG –, AS RP-SL 41, S. 69 ≪70 f.≫; Beschluss vom 21. August 2012 – 6 C 10085/12.OVG –, AS RP-SL 41, S. 218 ≪221 f.≫). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass zur wegemäßigen Erschließung eines bestimmten Grundstücks allein die Straße, an der es gelegen ist, regelmäßig nicht ausreicht. Vielmehr wird der Anschluss an das übrige Straßennetz meist erst über mehrere Verkehrsanlagen vermittelt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. November 2007 – 6 C 10601/07.OVG –, AS RP-SL 35, S. 209 ≪214≫; Urteil vom 25. August 2010 – 6 A 10505/10.OVG –, AS RP-SL 39, S. 331 ≪335≫; Urteil vom 15. März 2011 – 6 C 11187/10.OVG –, AS RP-SL 40, S. 4 ≪12≫; Beschluss vom 24. Februar 2012 – 6 A 11492/11.OVG –, AS RP-SL 41, S. 69 ≪71≫). Zwischen welchen Verkehrsanlagen eine ausreichend enge „Vermittlungsbeziehung” hinsichtlich des Anschlusses an das übrige Straßennetz besteht, ist dagegen keine Frage des Vorliegens eines Vorteils, sondern dessen individueller Zurechenbarkeit zu einem einzelnen Grundstück.
b) Der Vorteil ist bei Ausschöpfung der Möglichkeit zur Bildung einheitlicher öffentlicher Einrichtungen in abgrenzbaren Gebietsteilen der Gemeinden gemäß § 10a KAG RP individuell hinreichend zurechenbar.
§ 10a KAG RP eröffnet dem Satzungsgeber die Möglichkeit, einheitliche öffentliche Einrichtungen zu bilden, die nicht notwendig das gesamte Gemeindegebiet umfassen, sondern auch nur einzelne, abgrenzbare Gebietsteile. Dabei kann in der Satzung geregelt werden, dass sämtliche zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen des gesamten Gebiets oder einzelner voneinander abgrenzbarer Gebietsteile der Gemeinde eine oder mehrere einheitliche öffentliche Einrichtungen bilden, für deren Ausbau vorteilsbezogene Beiträge von Grundstücken erhoben werden können, welche die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs zu diesen Verkehrsanlagen haben. Die Gemeinde hat dabei gemäß § 10a Abs. 1 Satz 3 KAG RP die örtlichen Gegebenheiten zu beachten. Wie aus der Pflicht zur weitergehenden Begründung für die Bestimmung von Verkehrsanlagen einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile als einheitliche öffentliche Einrichtung gemäß § 10a Abs. 1 Satz 4 KAG RP sowie aus der Gesetzesbegründung (LTDrucks 15/318, S. 7) hervorgeht, sah der Gesetzgeber die Ausübung des Satzungsermessens dahingehend, dass sämtliche zum Anbau bestimmte Verkehrsanlagen einer Gemeinde eine einheitliche öffentliche Einrichtung bilden, als Regelfall an, was auch vor dem Hintergrund zu sehen ist, dass es in Rheinland-Pfalz besonders viele kleinere Gemeinden gibt (vgl. Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz, Statistisches Jahrbuch 2012, S. 34).
c) Die Bildung einer einzigen Abrechnungseinheit im gesamten Gemeindegebiet durch Satzung ist dann gerechtfertigt, wenn mit den Verkehrsanlagen ein Vorteil für das beitragsbelastete Grundstück verbunden ist. Besteht ein solcher Vorteil wie in Großstädten oder Gemeinden ohne zusammenhängendes Gebiet nicht, läge in der Heranziehung aller Grundstücke zur Beitragspflicht eine Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte.
aa) Der Wortlaut des § 10a KAG RP steht einer solchen verfassungskonformen Auslegung nicht entgegen, da § 10a Abs. 1 Satz 4 KAG RP dem Satzungsgeber ausdrücklich vorschreibt, die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. In Großstädten oder Gemeinden ohne zusammenhängendes Gebiet ist das eröffnete Satzungsermessen zur Bildung einer einzigen Verkehrsanlage im gesamten Gemeindegebiet insoweit von Verfassungs wegen auf Null reduziert, als nur so dem Gebot eines zurechenbaren Sondervorteils auch bei Berücksichtigung des Typisierungs- und Vereinfachungsspielraums des Satzungsgebers Rechnung getragen werden kann. In dieser Auslegung ist § 10a KAG RP mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Beitragserhebung (siehe oben B. I. 2.) in Einklang zu bringen.
bb) Bei der Ausübung seines Gestaltungsermessens muss der Satzungsgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen einer Bestimmung der Verkehrsanlagen des gesamten Gemeindegebiets als einheitliche öffentliche Einrichtung in den Blick nehmen. Ein Beitrag für den Ausbau einer Straße als Teil einer öffentlichen Verkehrsanlage kommt nur für diejenigen Grundstücke in Betracht, die von der Verkehrsanlage einen jedenfalls potentiellen Gebrauchsvorteil haben, bei denen sich also der Vorteil der Möglichkeit der Nutzung der ausgebauten Straßen als Lagevorteil auf den Gebrauchswert des Grundstücks auswirkt. Nur in diesem Fall erscheint es nach dem Maßstab des Gleichheitssatzes gerechtfertigt, gerade den oder die Eigentümer dieses Grundstücks zu einem Beitrag für die Nutzung der ausgebauten Straße heranzuziehen.
Ob die herangezogenen Grundstücke einen konkret zurechenbaren Vorteil von dem Ausbau und der Erhaltung einer Verkehrsanlage haben, hängt dabei nicht von der politischen Zuordnung eines Gebiets, sondern vor allem von den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten ab, etwa der Größe, der Existenz eines zusammenhängenden bebauten Gebiets, der Topographie wie der Lage von Bahnanlagen, Flüssen und größeren Straßen oder der typischen tatsächlichen Straßennutzung. Dabei dürfte in Großstädten die Aufteilung der Verkehrsanlagen in mehrere abgrenzbare Gebietsteile regelmäßig erforderlich und unbeschadet des ansonsten bestehenden Satzungsermessens die Annahme einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung ausgeschlossen sein; in kleinen Gemeinden – insbesondere solchen, die aus nur einem kleinen, zusammenhängend bebauten Ort bestehen – werden sich einheitliche öffentliche Einrichtung und Gemeindegebiet dagegen häufig decken. Ein „funktionaler Zusammenhang”, wie er früher vom Landesgesetzgeber und den Verwaltungsgerichten gefordert wurde, ist für die Bildung einer Abrechnungseinheit von Verkehrsanlagen durch den Gleichheitssatz jedoch nicht vorgegeben (vgl. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Oktober 1993 – 10 C 10237/93.OVG –, AS RP-SL 24, S. 261 ≪265≫; Urteil vom 18. März 2003 – 6 C 10580/02.OVG –, NVwZ-RR 2003, S. 591 ≪593≫). Aus verfassungsrechtlicher Sicht kommt es allein darauf an, dass eine hinreichende individuelle Zurechnung von Vorteil und Beitragspflicht hergestellt werden kann.
cc) Die Gemeinden werden zudem bei der Bildung der Abrechnungseinheiten zu berücksichtigen haben, ob dabei Gebiete mit strukturell gravierend unterschiedlichem Straßenausbauaufwand zusammengeschlossen werden, falls dies zu einer auch bei großzügiger Pauschalierungsbefugnis mit Rücksicht auf das Gebot der Belastungsgleichheit nicht mehr zu rechtfertigenden Umverteilung von Ausbaulasten führen würde.
III.
Dem sind die angegriffenen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts nicht in jeder Hinsicht gerecht geworden. Das Oberverwaltungsgericht hat bei der Anwendung von § 10a KAG RP nicht geprüft, ob die Beitragsatzungen der beklagten Städte die verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllen, insbesondere, ob ein individuell-konkret zurechenbarer, grundstücksbezogener Vorteil der beitragspflichtigen Grundstücke vom Anschluss an die jeweilige Beitragseinheit vorhanden ist.
C.
Zur Klärung der Frage, ob die angegriffenen Beitragsatzungen der beklagten Städte den durch diese Entscheidung geklärten verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werden, sind die angegriffenen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Verfahren an das Fachgericht zurückzuverweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 ≪366 ff.≫).
Unterschriften
Kirchhof, Gaier, Eichberger, Schluckebier, Masing, Paulus, Baer, Britz
Fundstellen
Haufe-Index 7041093 |
BVerfGE 2015, 1 |
DWW 2015, 27 |
NVwZ 2014, 1448 |
WM 2014, 1693 |
ZfIR 2014, 4 |
DÖV 2014, 892 |
Gemeindehaushalt 2014, 212 |
JuS 2015, 474 |
NJ 2014, 519 |
GV/RP 2014, 619 |
KommJur 2014, 331 |
KommJur 2014, 4 |
LKRZ 2014, 412 |