BverfG: Erhebung von Erschließungsbeiträgen nicht unbegrenzt

Ein Grundstückseigentümer darf nicht endlos an den Baukosten einer Straße beteiligt werden. Eine Landesvorschrift, die Erschließungsbeiträge nach Fertigstellung zeitlich unbegrenzt erhebt, ist mit dem Grundgesetz unvereinbar, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

Grundstückseigentümer dürfen nach der Fertigstellung einer Straße oder anderer Anlagen (Eintritt der Vorteilslage) von der Kommune nur für begrenzte Zeit über sogenannte Erschließungsbeiträge an den Baukosten beteiligt werden. Eine Landesvorschrift, die das nicht sicherstelle, verstoße gegen das Gebot der Belastungsklarheit und sei mit dem Grundgesetz (GG) unvereinbar, teilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 24. November mit.

Der Erste Senat beanstandete die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Kommunalabgabengesetzes Rheinland-Pfalz (KAG RP): Der sei mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Art. 20 Abs. 3 GG) insoweit unvereinbar ist, als danach Erschließungsbeiträge nach dem Eintritt der Vorteilslage zeitlich unbegrenzt erhoben werden können.

Der Landesgesetzgeber ist nun verpflichtet, bis zum 31.7.2022 eine Neuregelung zu treffen. Bis dahin dürfen Gerichte und Verwaltungsbehörden die verfassungswidrige Norm nicht mehr anwenden. Von der Änderung profitieren alle Grundstückseigentümer im Land, deren Bescheide über die Erschließungsbeiträge noch nicht bestandskräftig sind.

(BVerfG, Beschluss v. 3.11.2021, Az. 1 BvL 1/19)

Prüfung der Vorschrift vom Bundesverwaltungsgericht angestoßen

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Herstellung einer Straße. Seine Grundstücke in einem Gewerbegebiet hatten im Jahr 1986 eine Straßenanbindung bekommen, fertiggestellt und offiziell gewidmet wurde die Gemeindestraße in voller Länge aber erst viele Jahre später im Jahr 2007. Den finalen Bescheid erhielt er allerdings erst 2011. Er soll Erschließungsbeiträge in Höhe von mehr als 70.000 Euro zahlen.

Die dagegen gerichtete Klage blieb vor dem Verwaltungs- und dem Oberverwaltungsgericht überwiegend erfolglos. Auf die Revision des Klägers setzte das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren aus und legte dem BVerfG in Karlsruhe die Frage zur Entscheidung vor. Nach Auskunft des Eigentümerverbandes Haus & Grund sorgen ähnliche Probleme auch in anderen Bundesländern immer wieder für Streit.

BVerfG: Verjährungsfrist so nicht zulässig

Das rheinland-pfälzische Kommunalabgabengesetz sieht eine vierjährige Verjährungsfrist vor, die erst mit der Widmung der Straße zu laufen beginnt. Das ist nach der Entscheidung der Verfassungsrichter nicht zulässig. Maßgeblich muss demnach der Zeitpunkt sein, zu dem für den einzelnen Grundstückseigentümer der Vorteil entsteht. Dieser sei für die Betroffenen erkennbar. Es dürfe niemand im Unklaren gelassen werden, ob noch mit Belastungen zu rechnen sei, so die Begründung.

Eine konkrete Vorgabe für die zeitliche Höchstgrenze machte der Senat nicht. Der Gesetzgeber habe hier einen weiten Spielraum. Eine Frist von 30 Jahren, wie sie manche Gerichte bisher aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz abgeleitet hatten, sei jedoch eindeutig zu lang. Wie in der Entscheidung ausgeführt wird, haben sich Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen überwiegend für Fristlängen von zehn bis 20 Jahren entschieden. In den anderen Bundesländern bestehe keine ausdrückliche Regelung.

Haus & Grund begrüßte die Entscheidung. "Es kann nicht sein, dass Grundstückseigentümer oder deren Rechtsnachfolger noch Jahrzehnte nach einer Erschließungsmaßnahme der Gemeinde mit zum Teil existenzbedrohend hohen Beitragsforderungen konfrontiert werden", erklärte Präsident Kai Warnecke. Durch die verspätete Erhebung bleibe auch unklar, ob es sich nicht um eine Unterhaltsmaßnahme gehandelt habe. Die dürften Kommunen gar nicht auf Eigentümer umlegen.


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dpa

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