Bundesverwaltungsgericht: Kein Nachschlag auf Erschließungskosten

Grund­stücks­ei­gen­tü­mer, die sich mit der Ge­mein­de ver­trag­lich über Er­schlie­ßungs­kos­ten ge­ei­nigt haben, können nicht für Mehr­kos­ten her­an­ge­zo­gen wer­den, die im We­sent­li­chen in­fla­ti­ons­be­dingt ent­stan­den sind. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.

Hintergrund

Anfang der 1970er Jahre schloss die Stadt Menden (Sauerland) mit mehreren Grundstückseigentümern Ablösungsverträge. Darin verpflichteten sich die Eigentümer, die auf ihre Bau­grund­stü­cke ent­fal­len­den an­tei­li­gen Er­schlie­ßungs­kos­ten be­reits zu zahlen, bevor die Straße fertiggestellt ist. Damit soll­te der nach der end­gül­ti­gen Her­stel­lung der Stra­ße an sich fäl­li­ge Er­schlie­ßungs­bei­trag voll­stän­dig ab­ge­gol­ten sein.

Nach Abschluss der Verträge zahlten die Eigentümer an die Stadt Beträge zwischen 3.200 DM und 4.200 DM. Die Stra­ße wurde je­doch erst im Jahr 2007 fer­tig­ge­stellt. In der Zwischenzeit hatte sich der Er­schlie­ßungs­auf­wand von den ur­sprüng­lich ver­an­schlag­ten 261.272 DM auf 407.172 Euro er­höht.

Die Stadt zog daraufhin die Grundstückseigentümer im Jahr 2012 zu Erschließungsbeiträgen zwischen 4.000 Euro und 6.400 Euro heran, wobei sie die seinerzeit gezahlten Beträge anrechnete. Dabei berief sich die Stadt auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 1990. Damals hatte das Gericht geurteilt, dass ein Nacherhebungsrecht besteht, wenn der auf das Grund­stück ent­fal­len­de Er­schlie­ßungs­bei­trag das Dop­pel­te oder mehr als das Dop­pel­te des ver­ein­bar­ten Ab­lö­sungs­be­trags aus­macht (sogenannte Miss­bil­li­gungs­gren­ze).

Die Grundstückseigentümer haben die Nacherhebung der Erschließungsbeiträge angefochten.

BVerwG hält nicht an Miss­bil­li­gungs­gren­ze fest

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) gibt den Grundstückseigentümern Recht. Sie müssen keine weiteren Erschließungsbeiträge zahlen. An der Miss­bil­li­gungs­gren­ze hält das Ge­richt nicht fest.

Die vor­lie­gen­den Fälle, in denen die Grenze nur durch Preissteigerungen überschritten wird, zei­gen, dass diese zu un­an­ge­mes­se­nen Er­geb­nis­sen zu Las­ten des Bür­gers füh­ren kann. Auch so­weit aus an­de­ren, nicht durch Preissteigerungen bedingten Grün­den in Ein­zel­fäl­len ein nicht mehr to­le­rier­ba­res Miss­ver­hält­nis zwi­schen der Be­las­tung eines Grund­stücks mit Er­schlie­ßungs­kos­ten und dem ihm ver­mit­tel­ten Vor­teil be­ste­hen soll­te, be­darf es kei­ner ab­so­lu­ten Gren­ze. Viel­mehr ist dann den bun­des­recht­li­chen Vor­ga­ben nach den Grund­sät­zen über den Weg­fall der Ge­schäfts­grund­la­ge unter Ab­wä­gung aller sich im Zu­sam­men­hang mit Ab­lö­sungs­ver­trä­gen er­ge­ben­den Um­stän­de und ge­gen­läu­fi­gen In­ter­es­sen Rech­nung zu tra­gen.

Eine Stei­ge­rung des Er­schlie­ßungs­auf­wan­des, die im We­sent­li­chen in­fla­ti­ons­be­dingt ist, stellt da­nach ein ab­lö­sungs­ty­pi­sches Ri­si­ko dar. Ein Anpassungsanspruch der Gemeinde wird hierdurch nicht begründet.

(Bundesverwaltungsgericht, Urteile v. 21.1.2015, 9 C 1.14, 9 C 2.14,  9 C 3.14, 9 C 4.14, 9 C 5.14)


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