Joachim Patt, Fabian Bernhagen
Tz. 106
Stand: EL 115 – ET: 09/2024
Mit Ausnahme der unentgeltlichen Übertragung der erhaltenen Anteile auf eine Kap-Ges oder Gen (dazu s Tz 40) oder auf eine in einem Drittstaat ansässige Pers (dazu s Tz 50f) führt die Übertragung dieser Anteile ohne Gegenleistung durch den Einbringenden innerhalb der siebenjährigen "Sperrfrist" nicht zu einem "schädlichen" Vorgang, der einen nachträglichen Einbringungsgewinn I auslöst. Die Regelungen zur Entstehung eines Einbringungsgewinns I stellen auf eine Veräußerung (oder Realisierung eines Ersatztatbestands) durch den "Einbringenden" ab. Um zu verhindern, dass die Sperrfristregelung des § 22 Abs 1 S 1 UmwStG durch eine unentgeltliche Übertragung der erhaltenen Anteile, die nicht selbst eine nachträgliche Versteuerung eines Einbringungsgewinns auslöst, dadurch umgangen werden kann, dass nunmehr der unentgeltliche Erwerber und nicht mehr der originäre Einbringende über die Anteile verfügt, hat der Gesetzgeber eine stliche Rechtsnachfolge in § 22 Abs 6 UmwStG normiert. Diese besagt, dass nunmehr der unentgeltliche Erwerber für Zwecke des § 22 Abs 1 bis 5 UmwStG als "Einbringender" gilt (dazu s Tz 21 mit Bsp zu unentgeltlichen Übertragungsvorgängen). Folglich führt der unentgeltliche Rechtsnachfolger die Sperrfristverhaftung in den Anteilen unter Gesamtbetrachtung der AE-Schaft des Rechtsvorgängers und seiner eigenen Verfügung über die Anteile fort. Die durch die Sacheinlage iSd § 20 Abs 1 UmwStG in Gang gesetzte siebenjährige "Sperrfrist" bleibt unverändert. Sie wird durch die unentgeltliche Anteilsübertragung weder verkürzt noch verlängert. Für den Rechtsnachfolger wird nämlich keine neue Frist ausgelöst; § 22 Abs 1 bis 5 UmwStG gelten in der Pers des Rechtsnachfolgers nur (noch) für den Restzeitraum (zust s Schmitt, in S/H, 10. Aufl, § 22 UmwStG Rn 178; s Stangl, in R/H/vL, 3. Aufl, § 22 UmwStG Rn 561; s Bilitewski, in H/M/B, 6. Aufl, § 22 UmwStG Rn 325; s Mutscher, in F/D, § 22 UmwStG Rn 341, 343; s Nitzschke, in B/H, § 22 UmwStG 2006 Rn 93; s Ott, DStZ 2023, 76 unter III.1; s Ott, GStB 2023, 219 unter 2.1).
Aus dem Sinn und Zweck von § 22 Abs 6 UmwStG folgt, dass der Tatbestand der Vorschrift auf solche Fälle des unentgeltlichen Übergangs sperrfristverhafteter Anteile zu reduzieren ist, die nicht selbst schon die Ersatzrealisationstatbestände gem § 22 Abs 1 S 6 Nr 1 oder Nr 6 UmwStG erfüllen und somit eine nachträgliche Versteuerung eines Einbringungsgewinns (mit Sperrfristenthaftung der Anteile) auslösen (ebenso s Stangl, in R/H/vL, 3. Aufl, § 22 UmwStG Rn 560; s Schmitt, in S/H, 10. Aufl, § 22 UmwStG Rn 177; s UmwSt-Erl 2011 Rn 22.03 und Rn 22.42; s Zwischen-Urt des Hess FG v 05.03.2020, EFG 2021, 794 unter II.4.b., welches aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben wurde; s Urt des BFH v 11.10.2022, BFH/NV 2023, 266).
Der Rechtsnachfolger als "neuer Einbringender" iSd § 22 Abs 1 S 1 UmwStG entscheidet nunmehr durch sein Verhalten, ob und inwieweit der Tatbestand eines den nachträglichen Einbringungsgewinn I auslösenden Ereignisses gegeben ist. Dies kann eine Anteilsveräußerung (s § 22 Abs 1 S 1 UmwStG), die Realisierung eines veräußerungsähnlichen Vorgangs (s § 22 Abs 1 S 6 UmwStG) oder die Nichterfüllung der auf den Rechtsnachfolger als "neuen Einbringenden" übergehenden Nachweispflichten gem § 22 Abs 3 UmwStG (s Tz 89) sein.
Die Rechtsfolge der Verwirklichung eines schädlichen Ereignisses (sei es durch den originären oder den fiktiven Einbringenden) ergibt sich ausschl aus § 22 Abs 1 S 1 UmwStG. Diese besteht in der nachträglichen Versteuerung eines Einbringungsgewinns I und trifft somit (nur) den zum stlichen Einbringungsstichtag beteiligten originären Einbringenden (Bsp s Tz 92a; glA Verw-Auff: s UmwSt-Erl 2011 Rn 22.41 in der Lösung des Bsp sowie Rn 22.43 in der Lösung des Bsp; s Bilitewski, in H/M/B, 6. Aufl, § 22 UmwStG Rn 324; s Widmann, in W/M, § 22 UmwStG Rn 174; s Wulff-Dohmen, in Haase/Hofacker, 3. Aufl, § 22 UmwStG Rn 476; aA s Schmitt, in S/H, 10. Aufl, § 22 UmwStG Rn 178; s Graw, in Bordewin/Brandt, § 22 UmwStG Rn 307; s Nitzschke, in B/H, § 22 UmwStG 2006 Rn 93; s Schell/Krohn, DB 2012, 1172 unter II.4.d; s Ott, DStZ 2023, 76 unter III.2; s Ott, GStB 2023, 219 unter 3.; offen gelassen s Stangl, in R/H/vL, 3. Aufl, § 22 UmwStG Rn 561). Mit der Neukonzeption des Einbringungsteils iRd SEStEG hat der Ges-Geber durch die Regeln des § 22 UmwStG von der nachträglichen Besteuerung des Einbringungsgewinns im Zeitpunkt der Anteilsveräußerung auf die rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns im Einbringungszeitpunkt umgestellt. Nicht nur die Ermittlung des Einbringungsgewinns I orientiert sich an den im Zeitpunkt der Einbringung vorhandenen stillen Reserven. Auch die Versteuerung erfolgt (verfahrensrechtlich) "rückwirkend im Wj der Einbringung", die zum originären Erwerb der sperrfristverhafteten Anteile geführt hat (s § 22 Abs 1 S 1 UmwStG; bekräftigt wird dies zudem durch die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 22 Abs 1 S 2 UmwStG). Dies zeigt uE, d...