Lars Leibner, Ewald Dötsch
Hinder/Hentschel, Der Erwerberkreis des § 8c KStG – Grundlagen, unbestimmte Rechtsbegriffe und offene Auslegungsfragen, GmbH 2015, 16;
Suchanek/Rüsch, Die "nahestehende Pers" bei § 8c KStG, WPg 2016, 173.
Tz. 102
Stand: EL 108 – ET: 12/2022
Der Beteiligungserwerb durch eine nahestehende Pers ist nicht ein mittelbarer Erwerb iSd § 8c Abs 1 S 1 KStG, der dem "Haupterwerber" ggf nur anteilig zuzurechnen wäre (s Tz 98), sondern dieser Erwerb wird vollumfänglich wie ein Erwerb durch den "Haupterwerber" selbst behandelt.
Beispiel:
Die M-GmbH ist zu 70 % an der T-GmbH beteiligt. Im Jahr 02 erwirbt die T-GmbH 60 % der Anteile an der E-GmbH (Verlust-Ges). Im Jahr 03 erwirbt die M-GmbH weitere 20 % an der E-GmbH.
In 02 liegt ein 60%iger unmittelbarer Erwerb seitens der T-GmbH vor. Der damit gleichzeitig ausgelöste mittelbare Erwerb von Anteilen an der E-GmbH durch die M-GmbH iHv 42 % wird durch den unmittelbaren Erwerb seitens der T-GmbH verdrängt.
In 03 liegt ein unmittelbarer Erwerb von Anteilen an der E-GmbH seitens der M-GmbH vor.
Da die M-GmbH und die T-GmbH nahestehende Personen sind, sind die beiden Erwerbe von 60 % und 20 % zusammenzurechnen.
Tz. 103
Stand: EL 108 – ET: 12/2022
Der Begriff der nahestehenden Pers iSd § 8c Abs 1 KStG wird von der Fin-Verw – entgegen der hM (s Zerwas/Fröhlich, DStR 2007, 1933, 1934; s Winkler/Dieterlen, in E & Y, Die UntStRef 2008, 157; und s Hinder/Hentschel, GmbHR 2015, 16, 19) – nicht nach § 1 Abs 2 AStG definiert; vielmehr werden vGA-Kriterien herangezogen (s Rn 26 des BMF-Schr v 28.11.2017).
Nach Auff von Möhlenbrock (Ubg 2008, 595, 601) werden von der Fin-Verw sowohl die Kriterien aus dem Bereich der vGA als auch die zur Auslegung des § 1 Abs 2 AStG herangezogen. Für die Annahme einer vGA reicht jede Beziehung eines AE der Kap-Ges zu einer anderen Pers aus, die den Schluss zulässt, sie habe die Vorteilszuwendung der Kap-Ges an die andere Pers beeinflusst. Die Beziehung kann familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher Natur oder auch eine solche tats Art sein (s Urt des BFH v 18.12.1996, BStBl II 1997, 301; weiter s H 8.5 "III. Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis – Nahestehende Pers" KStH 2022). Nachweispflichtig hinsichtlich des Nahestehens ist die Fin-Verw.
Es kommt nur auf das Nahestehen der Anteilserwerber zueinander, nicht auf das Nahestehen des Erwerbers zum Anteilsveräußerer an (glA s Lang, in B/W, § 8c KStG Rn 27.1). Rödder (Ubg 2008, 595, 600, Fn 62) problematisiert den Fall der Begr des Nahestehens in der Zwischenzeit bei einem Erwerb in mehreren Tranchen.
Wie Lang (DStZ 2008, 549, 557, weiter in B/W, § 8c KStG Rn 27) und Möhlenbrock (Ubg 2008, 595, 601) ausführen, muss die das Nahestehen begründende Ursache bereits vor dem Beteiligungserwerb bestanden haben, dh das Nahestehen darf nicht erst durch den Beteiligungserwerb begründet werden. Nach uE zutr Auff von van Lishaut (FR 2008, 789, 798) muss das Nahestehen den Beteiligungserwerb veranlasst haben. Nach Auff von Frotscher (in F/D, § 8c KStG Rn 52) kann nicht allein aufgr des Bestehens einer familienrechtlichen Beziehung (Ehegatten- oder Kindschaftsverhältnis) unterstellt werden, dass die betreffenden Angehörigen die Anteile im Interesse des "Haupterwerbers" erworben haben. AA, uE zutr, s Möhlenbrock (Ubg 2008, 595, 601).
Abl hinsichtlich der Heranziehung der vGA-Kriterien s Frotscher (in F/D, § 8c KStG Rn 47ff), nach dessen Auff wegen des unterschiedlichen Regelungsziels der beiden Vorschriften die Auslegungsgrundsätze zu § 8 Abs 3 S 2 KStG bei der Anwendung des § 8c Abs 1 KStG zwar einen Anhaltspunkt geben, aber nicht deckungsgleich herangezogen werden können. Danach ist eine andere Pers dem Erwerber nur dann nahestehend, wenn sie, wirtsch betrachtet, die Beteiligung in dessen Interesse erwirbt. Frotscher (in F/D, § 8c KStG Rn 51) will als Auslegungshilfe für den Begriff der nahestehenden Pers § 30 WpÜG heranziehen, der bestimmt, wann Stimmrechte einer bestimmten Pers zuzurechnen sind. Frotscher weist zur Begr seiner aA auf die Rspr des BVerfG (s Urt des BVerfG v 12.03.1985, BStBl II 1985, 475) hin, wonach eine (auch widerlegbare) Vermutung, dass bereits eine familienrechtliche Beziehung ausreicht, um das Nahestehen anzunehmen, gegen Art 6 GG verstößt. Ebenfalls krit zur Heranziehung der vGA-Kriterien s Neumann/Heuser (GmbHR 2018, 21, 23).
Tz. 104
Stand: EL 108 – ET: 12/2022
Nach nochmals aA von Suchanek/Rüsch (WPg 2016, 173) handelt es sich bei den nahestehenden Pers iSd § 8c Abs 1 S 1 KStG ausschl um solche mit gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen von mehr als 50 %. Danach sind andere Näheverhältnisse über das Merkmal der gleichgerichteten Interessen (s § 8c Abs 1 S 2 KStG) zu erfassen, vor allem tats und schuldrechtliche Umstände. Nach dieser – uE insoweit unzutr – Auff verbietet der Schutzbereich des Art 6 Abs 1 GG die Erfassung familienrechtlicher Verbundenheit.