Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitlichkeit der Leistung, Steuersatz, Führungen durch ein Fußballstadion
Leitsatz (amtlich)
Die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2001/4/EG des Rates vom 19. Januar 2001 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine einheitliche Leistung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die aus zwei separaten Bestandteilen, einem Haupt- und einem Nebenbestandteil, besteht, für die bei getrennter Erbringung unterschiedliche Mehrwertsteuersätze gälten, nur zu dem für diese einheitliche Leistung geltenden Mehrwertsteuersatz zu besteuern ist, der sich nach dem Hauptbestandteil richtet, und zwar auch dann, wenn der Preis jedes Bestandteils, der in den vom Verbraucher für die Inanspruchnahme dieser Leistung gezahlten Gesamtpreis einfließt, bestimmt werden kann.
Normenkette
EWGRL 388/77
Beteiligte
Staatssecretaris van Financiën |
Verfahrensgang
Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) (Beschluss vom 12.08.2016; ABl. EU 2017, Nr. C 410/8) |
Tatbestand
Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerwesen ‐ Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 77/388/EWG ‐ Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 ‐ Ermäßigter Mehrwertsteuersatz ‐ Anhang H Kategorie 7 ‐ Einheitliche Leistung, die aus zwei separaten Bestandteilen besteht ‐ Selektive Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf einen dieser Bestandteile ‐ Besichtigungstour 'World of Ajax' ‐ Besuch des Museums des AFC Ajax“
In der Rechtssache C-463/16
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) mit Entscheidung vom 12. August 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 17. August 2016, in dem Verfahren
Stadion Amsterdam CV
gegen
Staatssecretaris van Financiën
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Vajda (Berichterstatter), des Richters E. Juhász und der Richterin K. Jürimäe,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Stadion Amsterdam CV, vertreten durch J. F. Kijftenbelt und T. J. Kok als belastingadviseurs,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und G. Wils als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2001/4/EG des Rates vom 19. Januar 2001 (ABl. 2001, L 22, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Stadion Amsterdam CV und dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen, Niederlande) darüber, dass Letzterer der Klägerin des Ausgangsverfahrens untersagte, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf die von ihr angebotenen Besichtigungstouren anzuwenden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Sechste Richtlinie wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2007 durch die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) aufgehoben und ersetzt. In Anbetracht des entscheidungserheblichen Zeitraums gilt für das Ausgangsverfahren jedoch weiterhin die Sechste Richtlinie.
Rz. 4
In Art. 2 der Sechsten Richtlinie hieß es:
„ Der Mehrwertsteuer unterliegen:
1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;
… “
Rz. 5
Art. 12 Abs. 3 Buchst. a dieser Richtlinie lautete:
„Der Normalsatz der Mehrwertsteuer wird von jedem Mitgliedstaat als ein Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der für Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist. Vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2005 darf dieser Satz nicht niedriger als 15 % sein.
…
Die Mitgliedstaaten können außerdem einen oder zwei ermäßigte Sätze anwenden. Diese ermäßigten Sätze werden als ein Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der nicht niedriger als 5 % sein darf, und sind nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H genannten Kategorien anwendbar.“
Rz. 6
Anhang H („Verzeichnis der Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigte MwSt.-Sätze angewandt werden können“) dieser Richtlinie lautete:
„Bei der Übertragung der nachstehenden Kategorien von Gegenständen...