Entscheidungsstichwort (Thema)
Niederlassungsfreiheit, Verbot der Differenzierung bei Gewinnbesteuerung zwischen inländischer Zweigniederlassung einer Auslandsgesellschaft und einer vollausschüttenden Tochtergesellschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) und Artikel 58 EG-Vertrag (jetzt Artikel 48 EG) stehen einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegen, wonach die Gewinne einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, mit einem höheren Steuersatz belastet werden als die Gewinne einer Tochtergesellschaft einer solchen Gesellschaft, die ihre Gewinne voll an die Muttergesellschaft ausschüttet.
2. Es ist Sache des nationalen Gerichts, den Steuersatz, der auf die Gewinne einer Zweigniederlassung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden anzuwenden ist, nach Maßgabe des Steuersatzes zu ermitteln, der im Fall der Ausschüttung der Gewinne einer Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft insgesamt anzuwenden gewesen wäre.
Normenkette
EGVtr Art. 52, 58
Beteiligte
Verfahrensgang
Tatbestand
„Niederlassungsfreiheit ‐ Steuerrecht ‐ Steuern auf die Gewinne von Gesellschaften“
In der Rechtssache C-253/03
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 1. April 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Juni 2003, in dem Verfahren
CLT-UFA SA
gegen
Finanzamt Köln-West
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J. Malenovský, J.-P. Puissochet, S. von Bahr (Berichterstatter) und U. Lõhmus,
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 2004,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der CLT-UFA SA, vertreten durch die Rechtsanwälte A. Raupach und D. Pohl,
‐ des Finanzamts Köln-West, vertreten durch K.-H. Vanyek und G. Sasonow als Bevollmächtigte,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch C.-D. Quassowski, M. Lumma und W.-D. Plessing als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und G. Braun als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. April 2005
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) und Artikel 58 EG-Vertrag (jetzt Artikel 48 EG).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der CLT-UFA SA und dem Finanzamt Köln-West (im Folgenden: Finanzamt) über die Besteuerung der Gewinne der deutschen Zweigniederlassung der CLT-UFA.
Ausgangsverfahren und rechtlicher Rahmen
3
Die Gesellschaft CLT-UFA hat ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in Luxemburg. Sie unterhielt im Jahr 1994 (im Folgenden: Streitjahr) in Deutschland eine Zweigniederlassung.
4
Das Finanzamt veranlagte die CLT-UFA als in Deutschland beschränkt steuerpflichtige Körperschaft mit ihrem durch die deutsche Zweigniederlassung erzielten Einkommen für das Streitjahr zur Körperschaftsteuer, und zwar gemäß Artikel 5 Absatz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern mit Schlussprotokoll und Notenwechsel zu diesem am 23. August 1958 in Luxemburg unterzeichneten Abkommen in der Fassung des Ergänzungsprotokolls vom 15. Juni 1973 (im Folgenden: deutsch-luxemburgisches Doppelbesteuerungsabkommen).
5
Das Finanzamt setzte den Steuersatz gemäß § 23 Absätze 2 und 3 des Körperschaftsteuergesetzes 1991 in der im Ausgangsverfahren maßgebenden Fassung (im Folgenden: KStG) auf 42 % des zu versteuernden Einkommens fest.
6
Einspruch und Klage zum Finanzgericht, mit denen die CLT-UFA geltend machte, dieser Steuersatz sei diskriminierend und verletze ihr Recht auf Niederlassungsfreiheit gemäß Artikel 52 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 58 EG-Vertrag, waren erfolglos. Die CLT-UFA beantragte daraufhin beim Bundesfinanzhof, das Urteil des Finanzgerichts aufzuheben und den Körperschaftsteuerbescheid dahin gehend zu ändern, dass die Steuer auf 30 % des zu versteuernden Einkommens herabgesetzt wird.
7
Der Bundesfinanzhof führt aus, dass die CLT-UFA aufgrund ihres Sitzes und ihrer Geschäftsleitung in Luxemburg hinsichtlich ihrer deutschen Zweigniederlassung anders und ungünstiger behandelt worden sei, als wenn sie ihre Erwerbstätigkeit in Deutschland in der Rechtsform einer GmbH oder Aktiengesellschaft mit Sitz und/oder Geschäftsleitung in Deutschland ausgeübt hätte.
8
Eine Aktiengesellschaft mit Sitz und/oder Geschäftsleitung in Deutschland unterliege der Körperschaftsteuer, die in dem Fall, d...