Entscheidungsstichwort (Thema)
DBA-Schweiz. Erlass der deutschen ESt bei Wegzug in die Schweiz aufgrund Heirat
Leitsatz (redaktionell)
1. Das FG darf Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen, sondern nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist.
2. Es besteht kein Anspruch auf Erlass der deutschen ESt, wenn zwischen dem Wegzug in die Schweiz und und der Heirat mit einem schweizer Staatsangehörigen ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten liegt.
3. Die begrenzt fortbestehende Steuerpflicht eines Ehegatten im Inland verletzt nicht Art. 6 Abs. 1 GG.
4. Maßgeblich für die Überprüfung von Ermessensentscheidungen ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung; neuer Sachvortrag oder neue Nachweise sind im Klageverfahren nicht berücksichtigungsfähig.
Normenkette
AO § 163 S. 1, §§ 227, 5; DBA CHE Art. 4 Abs. 4, Art. 26 Abs. 3; FGO § 102; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Verfahren wegen Erlass von Einkommensteuer darüber, ob der Kläger aufgrund der Billigkeitsregelung in Tz. 41 des gemeinsamen Einführungsschreibens zur Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF– vom 19. September 1994, BStBl I 1994, 683, sowie Schreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung – EStV–vom 6. September 1994, Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland, Kommentar, A 3.3.10) Anspruch auf Erlass der vom FA unter Anwendung des Art. 4 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Schweiz) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (BGBl II 1972, 1021, BStBl I 1972, 518; – DBA Schweiz –) festgesetzten Einkommensteuer hat.
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und verzog am … 2004 von … (F), Deutschland, nach … (B), Schweiz, zu seiner Lebensgefährtin, der in Deutschland geborenen Frau … (A), einer schweizerischen Staatsangehörigen. A war bereits im Jahr 2001 von ihrem früheren Ehemann geschieden worden. Der Kläger und A heirateten am 12. Januar 2008.
Zum 31. März 2004 gab der Kläger seine bisherige Berufstätigkeit bei einer Automobilfirma in F auf; seit 15. April 2004 arbeitet er in … (W), Deutschland, in einem Autohaus. Seither ist er Grenzgänger. Neben Einkünften aus der nichtselbständigen Tätigkeit in Deutschland (zunächst in F, dann in W) erzielte der Kläger im Jahr 2004 (Streitjahr) außerdem negative Einkünfte aus der Vermietung eines in Deutschland belegenen Grundstücks sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Am 30. Januar 2006 gab der Kläger eine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr für beschränkt Steuerpflichtige ab. Mit Schreiben vom 14. August 2007 wies der Beklagte (das Finanzamt – FA –) den Kläger darauf hin, dass er, der Kläger, im Wegzugsjahr noch als unbeschränkt Steuerpflichtiger zur Einkommensteuer zu veranlagen sei. Das FA bat deshalb um Einreichung einer entsprechenden Erklärung unter Angabe der nach Wegzug erzielten deutschen und schweizerischen Einkünfte und um Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 4 DBA Schweiz.
Auf diese Aufforderung hin ging zunächst kein Antwortschreiben beim FA ein. Das FA setzte deshalb im Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 18. Februar 2008 u.a. den ab 15. April 2004 bezogenen Arbeitslohn als in Deutschland einkommensteuerpflichtig an. Auf die Rüge des Klägers, den Einkommensteuerbescheid nicht erhalten zu haben, gab das FA den Einkommensteuerbescheid am 29. April 2008 nochmals bekannt.
Mit seinem Einspruch trug der Kläger vor, die geschätzten Einkünfte seien schon nach schweizerischem Steuerrecht berücksichtigt worden. In der Folgezeit reichte der Kläger beim FA weitere Nachweise sowie eine Einkommensteuererklärung zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht ein, in der er nur die Einkünfte vor Wegzug sowie die Vermietungseinkünfte des gesamten Jahres als steuerpflichtig erklärte. Zudem gab der Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen an. Als nach DBA Schweiz unter Progressionsvorbehalt steuerfreien Arbeitslohn teilte der Kläger … EUR mit.
Zur Begründung des Einspruchs trug der Kläger erstmals am 7. Juli 2008 vor, dass er, der Kläger, wegen Heirat in die Schweiz verzogen sei. Er lebe seither mit A, seiner jetzigen Ehefrau, auf eigenem Grundbesitz in B. Gemäß Tz. 41 des BMF-Schreibens vom 19. September 1994 (BStBl I 1994, 683) sei Art. 4 Abs. 4 DBA Schweiz nicht anzuwenden. Er fügte einen Nachweis über die Eheschließung am 12. Januar 2008 bei.
Aufgrund der eingereichten Erklärungen und Unterlagen erließ das FA am 18. Juli 2008 einen Teilabhilfebescheid, indem es die Einkommensteuer herabsetzte, aber als in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit auch den Arbeitslohn aus den ...