Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlustverrechnung- und -rückübertragung bei Abführung von Schmiergeldzahlungen an den Arbeitgeber. Erlass aus Billigkeitsgründen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die einem Arbeitnehmer von Dritten gezahlten Bestechungsgelder sind sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG.
2. Schmiergeldzahlungen sind im Jahr des Zuflusses der Einkommensteuer zu unterwerfen; die Abführung der gezahlten Schmiergelder an den Arbeitgeber ist als Aufwand des bestochenen Arbeitnehmers erst im Zeitpunkt des jeweiligen Abflusses des Betrags zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 1 und 2 EStG).
3. Die Abführung von Schmiergeldnern als Schadensersatzleistung an den Arbeitgeber stellt kein rückwirkendes Ereignis i.S.des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.
4. Verluste, die aus der Abführung der Schmiergelder resultieren, können nach § 22 Nr. 3 Satz 4 EStG nur in den unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum rückgetragen werden. Eine Abweichung von diesem Ergebnis aus sachlichen Billigkeitserwägungen kommt selbst dann nicht in Betracht, wenn aufgrund der Verlustverrechnungsbeschränkung es zu keiner Verrechnung des Aufwands, der aufgrund der Rückzahlung der Schmiergelder entstanden ist, mit der Steuer, die aus den Einnahmen der Schmiergelder entstanden ist, kommt.
Normenkette
EStG §§ 10d, 11, 22 Nr. 3 Sätze 1, 4; AO § 163 S. 1, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger war bis Oktober 1998 bei der „Immo GmbH” als Bereichsleiter für Projektentwicklung/Baumanagement nicht selbständig tätig. In einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft X gegen den Bauunternehmer S stellte sich heraus, dass der Kläger für verschiedene Projekte Schmiergelder erhalten hatte. Von S erhielt er im Jahr 1996 für das Objekt „B-Netz D” 1.450.000 DM, im Jahr 1997 für das Objekt „B-Netz K” 800.000 DM und im Jahr 1998 für das Objekt „B-Cargo M” 500.000 DM. Weiterhin erhielt er von Herrn W für das Objekt „B-Netz H” im Jahr 1998 Schmiergelder in Höhe von 50.000 DM und im Jahr 1999 weitere 200.000 DM.
Am 4. April 2000 eröffnete die Staatsanwaltschaft X ein Strafverfahren gegen den Kläger. Er erhoffte sich, durch Abführung der Schmiergelder an seine Arbeitgeberin eine Strafmilderung zu erhalten. Am 14. Juli 2000 zahlte der Kläger deshalb einen Betrag von 2.400.862,10 DM an die B AG. Diesen Betrag errechnete er wie folgt:
erhaltene Schmiergelder |
2.930.000,00 DM |
abzüglich 16 % Mehrwertsteuer |
404.137,90 DM |
abzüglich Einbehalt |
125.000,00 DM |
Restbetrag |
2.400.862,10 DM |
Am 1. März 2001 zahlte der Kläger weitere 410.000 DM und am 5. Juli 2001 200.000 DM an die B AG.
Der Kläger wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und 10 Monaten verurteilt, die er Ende 2001 antrat. Im offenen Strafvollzug konnte er seiner im Jahr 1999 begonnenen nichtselbständigen Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Y GmbH weiter nachgehen (Einnahmen 1999: 313.337 DM; 2000: 473.520 DM; 2001: 397.520 DM; 2002: 93.042 EUR; 2003: 92.040 EUR).
Die Schmiergelder waren in den Steuererklärungen 1996 bis 1998 nicht erklärt worden. Nachdem das beklagte Finanzamt (FA) durch die Steuerfahndung X von den Zahlungen Kenntnis erlangt hatte, änderte es am 17. Dezember 2001 die Einkommensteuerbescheide der betreffenden Jahre gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) und versteuerte die Schmiergeldzahlungen als sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Ebenso wurden Guthabenzinsen aus der Anlage der Schmiergelder auf einem Schweizer Konto geschätzt. Es kam zu Nachzahlungen von insgesamt 1.979.712,14 DM (Einkommensteuer 1.588.773 DM, Solidaritätszuschlag 278.912 DM, Nachzahlungszinsen 112.027,14 DM). Gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide legte der Kläger mit Schreiben vom 18. Dezember 2001 jeweils Einspruch ein, über die vom FA noch nicht entschieden wurde.
Bei der Veranlagung für das Jahr 2000 machte der Kläger einen Betrag von 2.405.490 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das FA setzte den an die B AG abgeführten Betrag als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 3 EStG an. In dieser Höhe bestehe ein verrechenbarer Verlust, der gemäß § 22 Nr. 3 Satz 4 EStG in den vorangegangenen Veranlagungszeitraum zurückgetragen oder in die folgenden Veranlagungszeiträume vorgetragen werden könne. Aufgrund der gesetzlichen Verlustverrechnungsbeschränkung, nach der Verluste i.S. des § 22 Nr. 3 EStG nur mit Einnahmen i.S. des § 22 Nr. 3 EStG verrechnet werden dürften, sei eine Verrechnung des entstandenen Verlusts mit anderen Einkünften des Klägers nicht möglich. Der im Jahr 2000 entstandene Verlust wurde dementsprechend zunächst in Höhe von 200.000 DM in das Jahr 1999 zurückgetragen. Den verbleibenden Verlust von 2.205.490 DM stellte das FA auf den 31. Dezember 2000 gesondert fest.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2001 stellte ...