rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses bei Aufnahme eines volljährigen Kindes
Leitsatz (redaktionell)
Ein Pflegekindschaftsverhältnis i. S. des § 32 Abs. 1 Nr. 2 und § 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG kann auch bei Aufnahme eines volljährigen Kindes in den Haushalt angenommen werden. Maßgebend dafür sind die tatsächlichen Umstände des Einzelfalles. Hier: Aufnahme eines ungarischern Neffen nach dem Tode seiner Eltern durch Onkel und Tante zur Sicherstellung seiner weiteren Ausbildung.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger (Kl) Kindergeld für ein Pflegekind, den ungarischen Neffen seiner Ehefrau, zusteht.
Der Kl ist mit seiner in Ungarn geborenen, aus einer ursprünglich deutschstämmigen Familie abstammenden Ehefrau … seit 1970 verheiratet. Die ursprüngliche Familie von Frau … wanderte im 18. Jahrhundert aus Deutschland ein und siedelte sich schwerpunktmäßig in Dörfern rings um Budapest an. In ihrer Kindheit war deutsch verpönt und wurde nicht unterrichtet, ihre Eltern ließen ihr jedoch privat Deutschunterricht erteilen, sodass sie die Sprache beibehielt. Im Jahre 1967 lernte sie ihren Ehemann in Budapest kennen. Sie heiratete 1969 und wanderte 1970 mit ihrem jetzigen Ehemann in die Bundesrepublik aus. Zunächst strebte sie eine Doppelstaatsbürgerschaft an. Nachdem dies jedoch nicht möglich war, nahm sie die deutsche Staatsangehörigkeit an und gab die ungarische zurück. Ihr Bruder und ihr Vater blieben nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik in Ungarn. Ihr Bruder heiratete eine gebürtige Ungarin. Deshalb wurde in der Familie ihres Bruders ungarisch gesprochen. 1979 wurde … ihr Neffe, geboren. Ihr Bruder erlitt 1995 einen Herzinfarkt, an dem er verstarb. Ihre im Jahre 1953 geborene Schwägerin verstarb am 17.11.1997 innerhalb von sieben Wochen an Krebs. Auf den Inhalt der Sterbeurkunde (FG-Akte Bl. 12) wird Bezug genommen. Zwischen den beiden Familien bestanden trotz der Entfernung starke Familienbindungen. Der Kl und seine Ehefrau fuhren etwa zwei- bis dreimal im Jahr nach Ungarn. Ihr Bruder kam über Weihnachten ab 1980 regelmäßig in die Bundesrepublik und verblieb dort zwei bis drei Wochen. Die Tochter … des Kl ist ein halbes Jahr älter als … Die jüngere Tochter … ist etwa zwei Jahre jünger als…. Diese beiden Kinder wurden vom Kl und seiner Ehefrau adoptiert. Seit seinem sechsten Lebensjahr war … häufig bei dem Kl in den Sommerferien und verbrachte die Zeit dort ohne seine Eltern.
Nachdem die Schwägerin des Kl an Krebs erkrankte, fuhr dessen Ehefrau die letzten drei Wochen von deren Leben nach Budapest und pflegte sie. Deren Mutter war nicht dort, sie lebt vielmehr im Alter von 75 Jahren in ihrem Dorf. Nach dem Tode der Schwägerin blieb … zunächst in der von dieser erworbenen Eigentumswohnung, da er in jedem Fall im Juni 1998 das Abitur machen wollte. Eine Cousine seiner Mutter unterstützte ihn. Ferner befindet sich noch der Bruder der Mutter von … ca. 70 km weit von Budapest, zu dem jedoch wenig Kontakt besteht.
Nach dem Abitur wollte … zunächst eine Ausbildung in … bei der Firma … machen. Dies zerschlug sich jedoch infolge ausländerrechtlicher Bestimmungen. Auf das Schreiben des Arbeitsamtes … vom 01.10.1997 sowie das Schreiben des Bundestagsabgeordneten … vom 9. Oktober 1997 wird verwiesen. Diese Firma wäre interessiert gewesen, … in der Bundesrepublik auszubilden und ihn dann in einem Werk in Ungarn einzusetzen. Nach dem abgelegten Abitur im Juni 1998 begann … zunächst eine Ausbildung zum Büromaschinentechniker. Die Ausbildung fand in einer Schule statt, die mit einer Technikerschule vergleichbar ist Diese Ausbildung brach er ab. Bis zum Abbruch dieser Ausbildung lebte er in der Dreizimmer-Eigentumswohnung seiner Eltern. Er erhält eine Waisenrente von 16.000 Forint (Ft), etwa 130 DM pro Monat, die weder in Ungarn noch in Deutschland zum Leben ausreichen. Unterstützung aus dem BAFÖG erhält er nicht, da diese Regeln nur für Angehörige von EU-Mitgliedsländern gelten, nicht jedoch für Angehörige aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten. Für Heizung, Wasser, Strom und Müll muss … etwa 8.000–9.000 Ft aufbringen.
Nachdem die Ausbildung zum Büromaschinentechniker nicht die richtige Ausbildung für ihn war, fanden der Kl und seine Ehefrau heraus, dass er in … an der Fachhochschule Elektronik studieren könne, falls er die Sprachprüfung ablege. Daraufhin beantragte er ein normales Visum als Gaststudent ab März 1999 und legte im nächstmöglichen Termin, dem Sommer 1999, die Sprachprüfung ab. Deutschkurse besuchte er vor dieser Prüfung nicht, da er deutsch sprechen konnte. Er erhielt jedoch von einer Volksschullehrerin noch Grammatikunterricht. Er bestand die Deutschprüfung und begann ab dem Sommersemester 1999 dann das Studium an der Fachhochschule … Aufgrund der Immatrikulation erhielt er eine Aufenthaltsbewilligung. Diese ist befristet, wird jedoch bis zum Studienende problemlos verlängert. Auf den Inhalt der Studienbescheinigung (Kindergel...