Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung des rechtlichen Gehörs bei unrichtigem Verständnis des Gerichts bezüglich des Beteiligtenvorbringens zum Bestehen der Steuerberaterprüfung und Abänderung der Kostenentscheidung
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat das Gericht die Mitteilung der Beteiligten, die Klägerin habe zwischenzeitlich erfolgreich an der Steuerberaterprüfung des Folgejahres teilgenommen und die Hauptsache sei damit erledigt, unrichtigerweise so verstanden, dass die Klägerin erfolgreich an einer Wiederholungsprüfung des Streitjahres und nicht vollständig neu an der Prüfung des Folgejahres teilgenommen habe, ist das Gericht deswegen von einer Abhilfe durch die Behörde ausgegangen und hat es daher die Kosten des Verfahrens nach § 138 Abs. 2 FGO der Behörde auferlegt, so hat sie durch das Nichtwahrnehmen des tatsächlichen Beteiligtenvorbringens den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzt, so dass auf die Anhörungsrüge der beklagten Behörde hin die Kostenentscheidung des Beschlusses über die Erledigung der Hauptsache aufgehoben und die Kostenentscheidung des Verfahrens nach § 133a Abs. 5 Sätze 1 und 4 FGO i.V.m § 343 Satz 2 ZPO nunmehr neu getroffen werden kann.
2. In diesem Fall entspricht es gemäß § 138 Abs. 1 FGO billigem Ermessen, dass die Beteiligten die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte tragen, wenn sich angesichts der übersandten Schriftsätze sowie des Inhalts der dem Gericht im Übrigen vorliegenden Akte nach dem bisherigen Sach- und Streitstand der mutmaßliche Ausgang des Verfahrens in hohem Maße als ungewiss erweist.
Normenkette
FGO § 138 Abs. 1-2, § 133a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 5 Sätze 1, 4; ZPO § 343 S. 2
Tenor
1. Der Beschluss vom 31.03.2009 wird aufgehoben.
2. Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
Tatbestand
Im Rahmen der Steuerberaterprüfung 2007/08 erließ die Beklagte mit Datum 07.03.2008 einen Prüfungsbescheid, nach dem die Klägerin die Steuerberaterprüfung nicht bestanden habe. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Klage. Im Hinblick auf das zwischenzeitlich – mit umfangreicher Begründung seitens der Klägerin – eingeleitete Überdenkungsverfahren beschloss der Senat im September 2008 das Ruhen des Verfahrens.
Im Februar 2009 unterrichtete die Beklagte das Gericht dahingehend, dass die Klägerin am 30.01.2009 die Steuerberaterprüfung 2008 bestanden habe. Die Klägerin teilte dem Gericht (Schriftsatz vom 11.02.2009) mit, die Steuerberaterprüfung im Wiederholungsversuch bestanden zu haben, und erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Daraufhin erklärte auch die Beklagte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragte zugleich, die Klage abzuweisen und der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (Schriftsatz vom 26.02.2009). Nach einem telefonischen Hinweis seitens des Gerichts erklärte die Beklagte mit Schriftsatz vom 06.03.2009 den Rechtsstreit (erneut) in der Hauptsache für erledigt und bat, den Schreibfehler in dem Schreiben vom 26.02.2009 (hinsichtlich der beantragten Klageabweisung) zu entschuldigen.
Durch Beschluss vom 31.03.2009 hat der Vorsitzende des Senats die Kosten der Beklagten – unter Hinweis auf § 138 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) – mit der Begründung auferlegt, die Behörde habe dem Klagebegehren entsprochen. Ausweislich der beigefügten Rechtsmittelbelehrung war dieser Beschluss gemäß § 128 Abs. 4 FGO unanfechtbar.
Daraufhin beantragt die Beklagte mit Schriftsatz vom 15.04.2009, auf dessen Einzelheiten der Senat sich bezieht, im Wege der Gegenvorstellung, hilfsweise im Rahmen einer Anhörungsrüge,
den Beschluss vom 31.03.2008 dahingehend zu ändern, dass der Klägerin die Kosten des Verfahrens auferlegt werden.
Die Klägerin beantragt,
die Gegenvorstellung bzw. Anhörungsrüge zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag der Beklagten hat Erfolg. Die Kostenentscheidung vom 31.03.2009 ist aufzuheben.
Eine Änderung der durch den Beschluss vom 31.03,2009 getroffenen Kostenentscheidung kommt zwar im Hinblick auf die Gegenvorstellung der Beklagten nicht in Betracht. Dabei kann offenbleiben, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang eine Gegenvorstellung überhaupt noch in einem finanzgerichtlichen Verfahren zulässig ist. Denn tatsächlich dürfte die Gegenvorstellung nach der Kodifizierung der Anhörungsrüge in § 133a FGO allenfalls noch in Ausnahmefällen statthaft sein (vgl. hierzu: Bundesfinanzhof [BFH], Beschluss vom 19.12.2008 – V S 44/07, juris, Randnummer (Rdnr.) 27; Beschluss vom 02.01.2009 – V S 1/08, Sammlung der Entscheidungen des BFH [BFH/NV] 2009, 1127 mit weiteren Nachweisen [m.w.N.]; Beschluss vom 11.03.2009 – VI S 14/08, BFH/NV 2009, 1130 m.w.N.; ebenso: Seer in Tipke/Kruse, § 133a FGO Rdnr. 3). Sofern sich hiernach – lediglich in einem eng umgrenzten Ausnahmefall – eine Gegenvorstellung als statthaft erweisen sollte, wäre sie jedenfalls im Hinblick auf den Vortrags der Beklagten nicht begründet. Denn eine Gegenvorstellung setzt einen schwerwiegenden Grundrechtsverstoß voraus. ...