Entscheidungsstichwort (Thema)
EuGH-Vorlage: Verzinsung von erstatteten Antidumpingzöllen
Leitsatz (amtlich)
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Frage zur Auslegung von Handlungen der Organe der Union im Wege der Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist ein Verstoß gegen das Unionsrecht als Voraussetzung des vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten unionsrechtlichen Zinsanspruchs auch gegeben, wenn eine mitgliedstaatliche Behörde eine Abgabe unter Anwendung des Unionsrechts festsetzt, ein mitgliedstaatliches Gericht jedoch später feststellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erhebung der Abgabe nicht vorliegen?
Tenor:
I. Das Verfahren wird bis zur Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Frage zur Auslegung von Handlungen der Organe der Union im Wege der Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist ein Verstoß gegen das Unionsrecht als Voraussetzung des vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten unionsrechtlichen Zinsanspruchs auch gegeben, wenn eine mitgliedstaatliche Behörde eine Abgabe unter Anwendung des Unionsrechts festsetzt, ein mitgliedstaatliches Gericht jedoch später feststellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erhebung der Abgabe nicht vorliegen?
Normenkette
AO § 236 Abs. 1; ZK Art. 241; UZK Art. 116 Abs. 6
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Verzinsung von rechtswidrig festgesetzten und nach einem rechtskräftigen Urteil des Finanzgerichts Hamburg erstatteten Antidumpingzöllen.
Die Klägerin führte in den Jahren 2010 und 2011 Verbindungselemente von einem in Indonesien ansässigen Unternehmen, ein Tochterunternehmen eines großen chinesischen Herstellers von Verbindungselementen, ein. Die Einfuhr von bestimmten Verbindungselementen aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China unterlag nach der Verordnung (EG) Nr. 91/2009[Fußnote 1] einem Antidumpingzoll. Da das beklagte Hauptzollamt gestützt auf Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) der Auffassung war, dass der Ursprung der von der Klägerin eingeführten Verbindungselemente die Volksrepublik China gewesen sei, erhob es mit mehreren Bescheiden aus dem Jahre 2013 gegenüber der Klägerin Antidumpingzoll nach, den die Klägerin in der Folge entrichtete.
Mit Urteil vom 03.04.2019 (4 K 191/16) gab das Finanzgericht Hamburg der Klage der Klägerin statt und hob die ihr gegenüber festgesetzten Antidumpingzölle mit der Begründung auf, dass das beweisbelastete beklagte Hauptzollamt nicht nachgewiesen habe, dass die eingeführten Verbindungselemente ihren Ursprung in der Volksrepublik China gehabt hätten; das Urteil vom 03.04.2019 ist rechtskräftig.
Das beklagte Hauptzollamt erstattete der Klägerin die von ihr entrichteten Antidumpingzölle im Mai 2019; den Antrag der Klägerin auf Verzinsung der von ihr entrichteten Antidumpingzölle für den Zeitraum ab ihrer Entrichtung bis zur Erstattung lehnte es indes ab.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat die Klägerin am 10.02.2020 Klage erhoben. Sie meint, dass ihr der geltend gemachte Zinsanspruch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 18.01.2017, Wortmann, C-365/15) zustehe. Der Gerichtshof habe entschieden, würden Einfuhrabgaben, zu denen auch Antidumpingzölle gehörten, unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben, habe der Betroffene, der die fraglichen Abgaben entrichtet habe, nicht nur einen Anspruch auf Erstattung der erhobenen Beträge, sondern auch auf deren Verzinsung ab dem Zeitpunkt ihrer Entrichtung. Dieser unionsrechtliche Zinsanspruch bestehe nicht nur in Fallkonstellationen, in denen der Gerichtshof der Europäischen Union die der Nacherhebung zugrundeliegende Antidumpingverordnung für ungültig erklärt habe. Einfuhrabgaben seien auch dann unter Verstoß gegen das Unionsrecht mit der Folge der Pflicht zur Verzinsung der Beträge erhoben, wenn sich die Rechtswidrigkeit der Abgabenfestsetzung - wie hier - aus einer gerichtlichen Einzelfallprüfung ergebe. Maßgebend für die Verzinsungspflicht sei allein, dass vom Betroffenen letztlich zu Unrecht Abgaben erhoben worden seien.
Das beklagte Hauptzollamt tritt der Klage vor allem mit dem Einwand entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine Verzinsungspflicht nur bestehe, wenn die Abgaben aufgrund einer vom Gerichtshof für ungültig oder nichtig erklärten Antidumpingverordnung zu erstatten seien. Ein solcher Fall sei hier nicht gegeben. Ein Rückgriff auf nationale Verzinsungsvorschriften - wie etwa Prozesszinsen nach Maßgabe des § 236 AO - sei angesichts der klaren Regelung des Art. 116 Abs. 6 UZK ausgeschlossen.
Entscheidungsgründe
Der Beschluss ergeht gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Besetzung mit drei Berufsrichtern ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter; bei - so wie hier - Beschlüssen außerhalb der mündlich...