Entscheidungsstichwort (Thema)
Einfuhrumsatzsteuer: Eingang in den Wirtschaftskreislauf der Union beim Tabakschmuggel Fortführung der einfuhrumsatzsteuerlichen Rechtsprechung des Finanzgerichts Hamburg zum Tabakschmuggel (vgl.Urteile vom 26. August 2019, 4 K 64/17 vom 14. Januar 2020, 4 K 123/15, ZfZ 2020, 107).
Leitsatz (amtlich)
1. Nach der EuGH-Rechtsprechung führt das vorschriftswidrige Verbringen einer Ware im zollrechtlichen Sinne nicht automatisch zu einer mehrwertsteuerlichen Einfuhr. Erforderlich ist vielmehr, dass die Ware in den Wirtschaftskreislauf der EU eingeht. Bei Waren, die der zollamtlichen Überwachung entzogen oder vorschriftswidrig verbracht werden, wird vermutet, dass diese in dem Mitgliedstaat, in dem die Entziehung oder die Verbringung stattgefunden hat, in den Wirtschaftskreislauf der EU gelangen. Allerdings handelt es sich bei dieser Annahme lediglich um eine gesetzliche Vermutung, die widerlegt werden kann.
2. Der Beweis des Gegenteils (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 292 ZPO) ist erst erbracht, wenn nachgewiesen wird, dass trotz des zollrechtlichen Fehlverhaltens ein Gegenstand im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats, in dem dieser Gegenstand zum Verbrauch bestimmt war, in den Wirtschaftskreislauf der EU gelangt ist.
Normenkette
UStG § 13 Abs. 2, § 21 Abs. 2; ZK Art. 202 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Einfuhrabgabenbescheid.
Am 8. Mai 2012 meldete die Klägerin als Vertreterin einer als "A, ...; B" deklarierten Privatperson (im Folgenden A) zwei Dampfkessel aus der V.R. China zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Der Kontakt mit der A fand laut den Angaben der Klägerin ausschließlich über den chinesischen Agenten der Klägerin, C, mit Sitz in China, statt. Eine Vollmacht von A wurde der Klägerin weder mündlich noch schriftlich ausdrücklich erteilt. Die Dampfkessel waren mit dem Seeschiff "XX" im Hamburger Hafen eingetroffen. Die Abfertigung erfolgte antragsgemäß am 8. Mai 2012. Die Dampfkessel wurden am 15. Mai 2012 durch den Kraftfahrer D, Mitarbeiter der Firma E GbR (E), auf das Gelände der F GmbH (F) in Hamburg verbracht. Den Transportauftrag erteilte die Klägerin der F, welche wiederum die E beauftragte. Die Dampfkessel sollten nach der Mitteilung des chinesischen Agenten in einem Hamburger Warenhaus zwischengelagert werden, woraufhin die A die Abholung durch einen Fuhrunternehmer organisieren wolle.
Am 29. Mai 2012 erging eine Spontanmitteilung eines britischen Verbindungsbeamten an das Zollfahndungsamt Hamburg, wonach sich in den Dampfkesseln vermutlich Schmuggeltabak befinde, der vermutlich nach Großbritannien weiterbefördert werden solle. Am 30. Mai 2012 untersuchten Beamte des Zollfahndungsamts Hamburg die Dampfkessel in dem Lager der F durch Anbohren und fanden darin 1.099 kg Feinschnitt-Tabak. Der Tabak wurde sichergestellt und später vernichtet.
Im Rahmen des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens ergab ein Rechtshilfeersuchen an die britischen Behörden, dass die von der Klägerin angegebene Adresse ..., B existiere und von einem nicht in die Vorgänge involvierten Gewerbeunternehmen "G" genutzt werde, dass jedoch zu keinem Zeitpunkt eine Firma oder Person A dort ansässig oder tätig gewesen sei. Weder der chinesische Lieferant noch ein A konnten im Rahmen des Ermittlungsverfahrens als tatsächlich existente Wirtschaftsteilnehmer ermittelt werden.
Mit Bescheid vom 3. Juli 2014 (XXX-1) setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin Tabaksteuer i.H.v. 82.479,95 € sowie Einfuhrumsatzsteuer i.H.v. 21.342,21 € fest. Zollabgaben setzte der Beklagte nicht fest, weil er angesichts der Einziehung der Ware gemäß Art. 867a ZK-DVO ein fiktives Zolllagerverfahren annahm.
Mit seiner Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2015 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin vom 7. Juli 2014 zurück, erließ aber mit Bescheid vom gleichen Datum Tabaksteuer in Höhe von 10.698,76 €.
Zur Begründung für die Einspruchsentscheidung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Zollschuld gemäß Art. 202 Abs. 1 lit. b) ZK i.V.m. §§ 13 Abs. 2, 21 Abs. 2 UStG entstanden sei. Die Dampfkessel seien gestellt worden, nicht jedoch der Tabak, so dass dieser vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden sei. Auf Verschulden komme es nicht an. Die Klägerin habe nicht über eine wirksame Vertretungsmacht gemäß Art. 5 ZK für die Firma A, ..., B, verfügt, da diese nicht existiere, so dass sie nach Art. 5 Abs. 4 ZK im eigenen Namen und in eigener Verantwortung gehandelt habe. Unmittelbaren Kontakt zum Anmelder habe sie nicht gehabt, den Verzollungsauftrag habe sie von der Firma ... Ltd. in China erhalten. Ob tatsächlich eine Bevollmächtigung vorgelegen habe, habe sie ebenso wie andere im Rahmen der Anmeldung zu machende Angaben nicht überprüft. Die Einfuhrumsatzsteuer sei nicht nach Art. 233 S. 1 lit. d) ZK, § 21 Abs. 2 UStG erloschen, da die Ware nicht bei, sondern nach dem vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt worden sei.
Die Klägerin sei neben dem Lkw-Fahrer Schuldner der Einfuhrabgab...