Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage der Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung
Leitsatz (redaktionell)
Eine Sachverhaltsklärung und -festlegung im Rahmen einer Besprechung zu einer tatsächlichen Verständigung und einer auf dieser Grundlage vorgenommenen Differenzierung zwischen umsatzsteuerpflichtigen und umsatzsteuerbefreiten Leistungen dient zwischen den Beteiligten dazu den Rechtsstreit um die steuerliche Behandlung der Leistungen zu beenden. Auch wenn in diese Einordnung sowohl tatsächliche als auch rechtliche Aspekte eingeflossen sind, so steht sie doch in einem so engen Zusammenhang mit dem komplexen Gesamtsachverhalt und auch seinen einzeln zu beurteilenden Teilsachverhalten, dass die tatsächliche und rechtliche Beurteilung sachgerechterweise nicht getrennt werden kann und die Einbeziehung rechtlicher Folgerungen in die tatsächliche Verständigung daher zulässig ist.
Normenkette
AO §§ 118, 88
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin ist eine inländische Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ihre Alleingesellschafterin ist die A TLC mit Sitz in B in Großbritannien.
Unternehmensgegenstand ist der Kauf unsortierter Bargeldbestände in Form von Münzen und Banknoten verschiedener Währungen, welche vorwiegend im Rahmen von Spenden- und Hilfsaktionen durch wohltätige Organisationen oder Fluggesellschaften gesammelt wurden und der Umtausch in Euro bei den jeweiligen Nationalbanken. Zudem werden unsortierte Bargeldbestände auch direkt von Nationalbanken gekauft, sortiert, gezählt und wieder an diese verkauft. Hierzu werden die Bargeldbestände in Transaktionsbehältern vom Kunden abgeholt, sortiert und gezählt sowie in Euro umgerechnet. Das Sortieren beinhaltet zugleich eine Prüfung auf Echtheit und das Aussortieren ggf. nicht als Zahlungsmittel verwendbarer Gegenstände wie z.B. Büroklammern und Einkaufschips. Der jeweilige Euro-Betrag bildet die Berechnungsgrundlage für die Vergütung (Provision) der vereinbarten Leistung. Von dem Umrechnungswert werden 10 % für Banknoten und 30 % für Münzen einbehalten und der Restbetrag dem Kunden als Kaufpreis in Euro überwiesen. Diese Rückführung kann mitunter mehrere Monate dauern, da ein Umtausch bei den entsprechenden Nationalbanken nur unter Einhaltung vorgeschriebener Verpackungs- und Zähleinheiten und ab bestimmten Grenzwerten möglich ist.
Die Klägerin hatte die durchgeführten Leistungen bisher ausschließlich als steuerfreie Geldverkehrsleistungen nach § 4 Nr. 8 b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) behandelt.
Nach einer Betriebsprüfung für die Jahre 2004 bis 2008 vertrat der Beklagte die Auffassung, dass die Klägerin zwei getrennt voneinander zu beurteilende Hauptleistungen erbringe, zum einen die sonstige Leistung „Sortierung” (Zählen und Sortieren der Münzen und Banknoten) und zum anderen die sonstige Leistung „Umtausch” (Umtausch der Münzen und Banknoten). Die sonstige Leistung „Sortierung” und die Nebenleistung Transport zum Firmensitz sah er als eine steuerbare und mangels Befreiung mit dem Regelsteuersatz zu versteuernde steuerpflichtige Leistung an. Unter Zuordnung der Lohnkosten zu den sonstigen Leistungen „Sortierung” und „Umtausch” ermittelte er einen Aufteilungsmaßstab für die Provisionen von 80 zu 20. Danach entfielen 80 % auf die umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung „Sortierung”. Im Einzelnen wird auf Tz. 2.4 des Betriebsprüfungsberichts vom 6.11.2009 Bezug genommen.
Mit den nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheiden vom 5.2.2010 (Umsatzsteuer 2006, 2007, 2008) und den erstmaligen Festsetzungen vom 17.2.2010 (Umsatzsteuer 2004, 2005) hat der Beklagte 80 % des Gesamtumsatzes als steuerpflichtige sonstige Leistungen behandelt.
Im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens fand am 29.6.2011 in den Räumen des Steuerberatungsbüros D & Partner eine Besprechung statt, in deren Verlauf eine einvernehmliche Regelung dergestalt getroffen wurde, dass das Entgelt „Provision” für den Prüfungszeitraum und die nachfolgenden Zeiträume zu 50% auf sonstige steuerpflichtige Leistungen „Fundraising” und „Sortieren” und zu 50 % auf nach § 4 Nr. 8 b UStG sonstige steuerfreie Leistungen „Umtausch” aufzuteilen sei. Zudem wurde in dieser Besprechung ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zusage aufgrund einer Außenprüfung gestellt und im Laufe der Besprechung erteilt. Darüber hinaus einigten sich die Beteiligten darauf, dass die Rechtsbehelfe entsprechend eingeschränkt werden und sich mit dem gefundenen Ergebnis die Rechtsbehelfsverfahren erledigen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Vereinbarung und der an der Vereinbarung beteiligten Personen wird auf den Aktenvermerk über die Besprechung sowie den Vermerk über das Telefonat mit dem Steuerberater C vom 1.7.2011, in dem Details zur verfahrenstechnischen Abwicklung der Vereinbarung festgelegt wurden, Bezug genommen.
Aufgrund der Besprechung vom 29.6.2011 und des Telefonats vom 1.7.2011 erging am 8.7.2011 vereinbarungsgemäß ein geänderter Betriebsprüfungsbericht, in dem die Ergebnisse der...