Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestellung eines Vorbehaltsnießbrauchsrechts bzw. eines Wohnungsrechts vor Übertragung eines Grundstücks gegenüber dem Inhaber der Rechte als Vollstreckungsschuldner nicht nach dem Anfechtungsgesetz anfechtbar
Leitsatz (redaktionell)
Hat sich der Vollstreckungsschuldner ein Nießbrauchsbrauchsrecht an einem Grundstück vorbehalten bzw. ein Wohnungsrecht einräumen lassen und das mit dem Recht schon belastete Grundstück auf Angehörige übertragen bzw. in eine aus Angehörigen bestehende GbR eingebracht, so enthält das Anfechtungsgesetz nach seinem Wortlaut keinen Anfechtungstatbestand, der es ermöglicht, gegenüber dem Schuldner selbst die zu seinen Gunsten erfolgte Bestellung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten anzufechten; Voraussetzung einer Anfechtung ist grundsätzlich das Ausscheiden eines Gegenstandes aus dem Vermögen des Schuldners. Der Rückbehalt des Nießbrauchsrechts bzw. des Wohnungsrechts ist gegenüber dem Vollstreckungsschuldner als dem Inhaber der Rechte auch nicht unter Ausweitung der Anfechtungstatbestände des Anfechtungsgesetzes im Wege der Analogie anfechtbar.
Normenkette
AO § 191 Abs. 1; AnfG § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 4 Abs. 1, § 15 Abs. 2 Nr. 1, § 11
Nachgehend
Tenor
1. Der Duldungsbescheid vom 31. März 2005 in Gestalt des berichtigten Duldungsbescheids vom 27. Oktober 2005, dieser wiederum in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. November 2005 wird hinsichtlich der in Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4 und Nr. 5 getroffenen Regelungen aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Duldungsbescheid vom 27. Oktober 2005 rechtmäßig ist.
Die Klägerin erhielt Mitte Dezember 1999 ein auf den 15. Dezember 1999 datiertes Schreiben eines anonymen Erpressers, in dem dieser 300.000 DM von ihr forderte. Ihre Zahlungsbereitschaft sollte sie bis 8. Januar 2000 kundtun. Andernfalls drohte der Erpresser, den Finanzbehörden und der Staatsanwaltschaft Folgendes mitzuteilen: „Sie haben im Jahre 1989 von Herrn X, u.a. ein wertvolle Gemälde im Werte von DM 1,3 Mio sowie DM 1 Mio geerbt. Diese Objekte wurden in M versteigert und verkauft. Sie haben in beiden Fällen aus dem Erlös von ca. 2,3 Mio DM keine Erbschaftsteuer bezahlt. Sie müssten zum jetzigen Zeitpunkt über 50 % Erbschaftsteuer sowie eine fällige Steuerstrafe von mehr als 1 Mio DM zahlen.” Die Klägerin kam der Zahlungsaufforderung des Erpressers nicht nach.
Mit notariellem Vertrag vom 29. Februar 2000, auf den verwiesen wird, gründete die Klägerin, zusammen mit ihrem Sohn (S) und ihrer Tochter (T), die Y-GbR (GbR) und brachte die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke der Gemarkung Z, FlNr. 1/16 und 1/21 in die GbR ein. Mit notariellen Verträgen vom 29. Februar 2000 und 14. Dezember 2004 brachte sie eine noch zu vermessende Teilfläche von 900 qm der FlNr. 1/1 in die GbR ein.
– In § 5 des Vertrages behielt sich die Klägerin das unentgeltliche Nießbrauchsrecht an den eingebrachten Grundstücken vor. Das Nießbrauchsrecht der Klägerin zu Lasten des Grundstücks FlNr. 1/21 wurde am 10. August 2000, das Nießbrauchsrecht zu Lasten des Grundstücks FlNr. 1/1 am 12. Januar 2005 in das Grundbuch eingetragen.
– In § 11 des Vertrages wurde der Klägerin unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht zum Rücktritt vom Vertrag eingeräumt. Dieses Recht wurde nicht in das Grundbuch eingetragen.
– Gem. § 12 des Vertrages übernahm die GbR die in Abt. III unter Nr. 1 des Grundbuchs zu Lasten der Grundstücke FlNr. 1/1 und 1/21 eingetragene Buchgrundschuld ohne Brief über einen Betrag von 200.000 DM zuzüglich Zinsen zur weiteren Duldung. Die Rechte in Abt. III waren per 29. Februar 2000 in Höhe von 169.921,02 DM = 86.879,24 EUR valutiert. Die zugrundeliegende Schuldverpflichtung von 86.879,24 EUR wurde nicht von der GbR übernommen. Sie verblieb bei der Klägerin.
– Gem. § 13 des Vertrages übernahm die GbR eine Eigentümergrundschuld über 100.000 DM samt Jahreszins in Höhe von 18 % zur dinglichen Haftung, deren Valutierung der Klägerin mit notarieller Urkunde vom gleichen Tage eingeräumt wurde. Diese wurde nicht in das Grundbuch eingetragen.
An der GbR sind die Klägerin zu 2 %, S zu 49 % und T zu 49 % beteiligt. Gem. § 5 der Anlage 1 zu o.g. notariellem Vertrag wird die GbR durch die alleinvertretungsberechtigte Klägerin vertreten.
S war seit 27. April 2000 mit Wohnsitz im Haus der Klägerin in Z gemeldet.
Am 18. Mai 2000 wurde die Wohnung der Klägerin in Z von Beamten der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Z durchsucht. Anlass der Durchsuchung war der Verdacht auf Schenkungsteuerhinterziehung gegen die VS aufgrund ein...